Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

Liebe Kolleginnen und Kollegen, denke ich an die Pflegereform auf Bundesebene, sehe ich schwarz - genauer gesagt, schwarz-gelb. Die FDP hat sich hier bis auf die Knochen blamiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Vom Jahr der Pflege spricht ja wohl keiner mehr, nachdem Minister Bahr seinen letzten Gesetzentwurf schon nach wenigen Stunden zurückziehen musste.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die Regierung ist selbst pflegebedürftig!)

- Da gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Kollege Stegner. Diese Regierung ist pflegebedürftig. Das peinlich zu nennen, ist schwer geschmeichelt. Zu retten ist sie auch nicht mehr. Auch da haben Sie völlig recht.

Auf Landesebene sehe ich schwarz mit kleinen gelben Punkten. Ich begrüße, dass sich die Landesregierung bemüht, eine Reform der Altenpflegeausbildung auf den Weg zu bringen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass dies kurz vor der Wahl geschieht.

Sie haben Ihre ganzen Initiativen in dem Bericht zusammengefasst. Wir sehen in vielen Bereichen, dass wir in Schleswig-Holstein gut aufgestellt sind. Trotzdem wird das, was bisher an Pflegestützpunkten, an Pflegenottelefonen vorhanden ist, weiterhin dringend gebraucht und muss aus unserer Sicht weiter ausgebaut werden.

Bei einem Besuch im Berufsbildungszentrum Schleswig berichteten mir junge Leute, die eine Ausbildung zur Pflegeassistenz absolvieren, dass Sie nach dem Abschluss einer dreijährigen Ausbil

dung keine tariflich bezahlten Vollzeitarbeitsplätze angeboten bekommen, sondern 400-€-Jobs. Das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Es zeigt deutlich, dass grundlegende Reformen erforderlich sind. Die ist die FDP leider schuldig geblieben.

Eins ist uns Grünen noch besonders wichtig: die Stärkung der ambulanten Pflege. Alte Bäume sollst du nicht entwurzeln. Was für alte Bäume gilt, gilt auch für alte Menschen. Gerade Ältere möchten in ihrem Umfeld und möglichst auch in ihren eigenen vier Wänden alt werden, und das sollten wir ihnen auch ermöglichen. Vielleicht können wir jedenfalls in diesem Punkt parteiübergreifend sagen, dass das eine gute Sache ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Was die Versorgung von Demenzkranken angeht, unterstützen wir Grüne einen Demenzplan. Die Vorgeschichte hat die Kollegin Pauls eben sehr pointiert dargestellt. Das brauche ich nicht zu wiederholen. Ausbildungsplatzabgabe, Arbeitsbedingungen in der Pflege, Pflegekammer - diese Themen werden uns auch in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen. Ich freue mich darauf. Ich freue mich auf die weitere Beratung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich weitere Gäste. Das sind Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule am Hamberg in Burg/Dithmarschen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort erteile ich jetzt der Fraktionsvorsitzenden der Fraktion die LINKE, der Frau Abgeordneten Antje Jansen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte auch ich mich für den Bericht der Landesregierung zu den pflegepolitischen Perspektiven des Landes Schleswig-Holstein bedanken. Richtig ist, die Pflege gehört zu den wichtigsten ge

(Dr. Marret Bohn)

sellschaftlichen und politischen Herausforderungen dieser Zeit und der Zukunft.

Wie alle anderen schon dargestellt haben, werden auch die Menschen in Schleswig-Holstein älter. Im Jahr 2009 gab es in Schleswig-Holstein rund 80.000 pflegebedürftige Menschen, das sind 2,8 % der Bevölkerung. Bis zum Jahr 2025 wird diese Zahl um 43 % wachsen, auf dann 114.000 Menschen, die Pflegeleistungen benötigen.

Schon heute haben wir im Bereich der Pflege einen Fachkräftemangel. Einrichtungen der Altenpflege haben zunehmend Probleme damit, die Fachkraftquote von 50 % zu erfüllen. Kollegin Klahn, wir sollten hier nicht in Jubelschreie ausbrechen über das, was in der letzten Zeit im Pflegebereich passiert ist, wenn man sieht, dass bis zum Jahr 2020 zusätzlich 11.000 Arbeitskräfte in der Altenpflege gebraucht werden, darunter mindestens 2.100 Altenpflegefachkräfte.

Aber - und auch das gehört zur demografischen Entwicklung - nicht nur die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird steigen, sondern bis 2025 wird auch die Zahl der Erwerbspersonen in Schleswig-Holstein gegenüber 2010 um etwa 55.000 Menschen sinken. Wir müssen also den steigenden Bedarf aus einem schrumpfenden Potenzial decken.

Die Frage ist also: Sind wir in Schleswig-Holstein so aufgestellt, dass wir die wachsenden Anforderungen erfüllen können?

Ein Arbeitsplatz in der Pflege ist kein Traumjob. Die Bezahlung ist schlecht, es gibt den Niedriglohnsektor mit den 400-€-Anstellungen. Die Arbeitsdichte wird immer belastender. Die Arbeitszeiten sind alles andere als familienfreundlich. Und auch das soziale Ansehen der Pflegeberufe könnte deutlich besser sein. Das haben wir häufig hier im Plenum diskutiert. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gab es in diesem Bereich keine Fortschritte. Deshalb ist es höchste Zeit, die Pflegeberufe attraktiver zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen also mehr Personal, gute Arbeitsbedingungen, und eine bessere Bezahlung ist überfällig, außerdem muss natürlich auch die Ausbildung kostenfrei werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen dringend eine Reform der Pflegeausbildung. Eine umfassende und hochwertige Pflegeausbildung kann die Attraktivität der Pflegeberufe steigern und dadurch dem Fachkräftemangel entge

genwirken. Wir wollen den Umbau der Ausbildung in den Pflegeberufen zu einer dreijährigen dualen Ausbildung mit einer zweijährigen einheitlichen Grundausbildung und einer anschließenden einjährigen Schwerpunktsetzung in allgemeiner Pflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege mit gleichwertigen Berufsabschlüssen. Schmalspurausbildungen sind keine Lösung.

(Beifall bei der LINKEN)

Das macht für uns auch den Unterschied zur gerade erst vom Minister vorgelegten neuen „Landesverordnung über die Ausbildung und Prüfung in der Altenpflegehilfe“ aus, in der die Ausbildungsdauer um ein Drittel von 18 auf zwölf Monate verkürzt wird.

Weitere Schritte sollten dann auf der Bundesebene folgen, die Annäherung von Altenpflege- und Krankenpflegeausbildung. In vielen Punkten sind wir da vielleicht gar nicht so weit auseinander. Aber es muss hier endlich etwas passieren.

(Beifall bei der LINKEN und der Abgeord- neten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich weiß nicht, wie oft wir hier im Parlament schon über die Pflege, die Berufe und die kostenlose Ausbildung diskutiert haben, seitdem wir mit im Parlament sitzen. Ich kann das gar nicht mehr zählen. Diese Punkte diskutieren wir heute hier schon wieder, Herr Minister. Wir kommen da nicht voran. Das muss ich auch einmal so sagen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns ist der Zustand unerträglich, dass von den insgesamt in Schleswig-Holstein genehmigten 2.200 Schulplätzen in der Altenpflege nur 1.200 vom Land finanziert werden und die anderen 1.000 Plätze nicht. Sie hätten schon etwas unternehmen können, damit diese 1.000 Plätze auch noch finanziert werden. Sie sind weiter für die Auszubildenden kostenpflichtig. Das können wir nicht mittragen, das muss verändert werden.

(Beifall bei der LINKEN und der Abgeord- neten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das hätten Sie auch sofort machen können. Hier sind Sie gefordert, diese Schulplätze zu finanzieren, bis eine generelle Lösung für die Ausbildungsfinanzierung in der Altenpflege geschaffen ist. Das muss gar nicht neu erfunden, sondern nur geregelt werden, nämlich analog zur Finanzierung der Ausbil

(Antje Jansen)

dungsplätze in der Krankenpflege, also über die Umlagefinanzierung.

Es gibt weitere offene Flanken im Bericht der Landesregierung: Wir haben noch nicht in jedem Kreis des Landes einen Pflegestützpunkt. Das wird hier auch schon seit längerer Zeit diskutiert. Die Landesregierung muss den Kreisen endlich einmal Dampf machen: Wir brauchen Pflegestützpunkte in den Kreisen, gerade für die Beratung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung mit Pflegeberatungsleistungen. Uns fehlt eine Berufsordnung für die Pflegeberufe. Die Landesregierung sperrt sich gegen die Erstellung eines Demenzplans.

Trotzdem bleibt es so, dass wesentliche Forderungen zur Sicherung der Pflegeversorgung in Schleswig-Holstein nach Berlin gehen müssen. Die Bundesregierung ist im Verzug damit, die Voraussetzungen einer gesicherten Pflege zu schaffen. Dazu gehört auch die bisherige Verschleppung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs.

Wir wollen eine gute Pflege für die Menschen in Schleswig-Holstein. Dafür brauchen wir gut ausgebildete und entsprechend bezahlte Fachkräfte mit Arbeitsbedingungen, die den Pflegeberuf als qualitativ hochwertige und gesellschaftlich angesehene Berufstätigkeit attraktiv machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist noch viel zu tun. Nach unserer Meinung ist noch nicht sehr viel passiert. Ich hoffe, nach dem 6. Mai 2012 passiert hier mehr. In dieser Frage müssen wir Dampf machen, müssen wir viel unternehmen, damit die Pflegebedürftigen nicht unter die Räder kommen.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Flemming Meyer.