Marret Bohn

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Letzte Beiträge

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Wille, herzlichen Dank für diesen Bericht und Ihre engagierte Arbeit. Ohne Sie und Ihr unermüdlich arbeitendes Team hätten viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land keinen Ansprechpartner und keine Unterstützung. In dieser
Situation leisten Sie erste Hilfe, dies schon seit vielen Jahren und schon immer sehr erfolgreich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch für das Jahr 2011 legt unsere Bürgerbeauftragte den Finger in die soziale Wunde in unserem Land. Das ist auch gut so. Wir brauchen sie als Mahnerin und als Kompass für soziale Gerechtigkeit.
Was läuft schief in Schleswig-Holstein? Bürokratie, Sanktionierung und Fehlbescheide beim Arbeitslosengeld II sind leider immer noch möglich. Das Bildungs- und Teilhabepaket - Frau Kollegin Klahn hat es vorhin angesprochen - kommt nicht einmal annähernd bei der Hälfte der Familien an. Das ist für uns ein unhaltbarer Zustand. Deshalb fordern wir Grünen eine grundlegende Nachbesserung.
Jedem Kind, das einen Leistungsanspruch hat, muss Zugang zum Bildungs- und Teilhabepaket gewährt werden. Das muss unser Ziel sein. Ich denke, unabhängig davon, was am 6. Mai entschieden wird, werden sich alle daran beteiligen, dass dieses Paket bei allen Kindern ankommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinderbetreuung ist wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben gestern festgestellt, dass hierbei noch einiges an Arbeit in den nächsten Monaten und Jahren vor uns liegt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne an den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Kita-Sozialstaffel. Wir brauchen sie. Ich bin auch optimistisch, dass wir sie irgendwann einmal bekommen werden.
Wir werden in Zukunft immer älter. Wir haben in dieser Legislaturperiode oft über den demografischen Wandel gesprochen. Die Anzahl der Pflegebedürftigen nimmt zu. Wir alle brauchen für uns und unsere Angehörigen eine individuelle Beratung. Wir haben jetzt in elf Kreisen und kreisfreien Städten trägerübergreifende Pflegestützpunkte. In vier Kreisen gibt es dieses Angebot noch nicht. Wir Grüne würden uns freuen, wenn wir in den nächsten Jahren dazu beitragen könnten, diese weißen Flecken auf der Karte der Pflegestützpunkte zu begrünen.
Hinweisen möchte ich auch auf die Eingaben zum Merkzeichen der außergewöhnlichen Gehbehinderung. Autos sind in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden. Trotzdem scheinen sich
die ausgewiesenen Parkplätze auf die Maße eines VW-Käfers aus den 60er-Jahren zu beziehen. Hierbei besteht aus meiner Sicht Handlungsbedarf. Dabei teile ich Ihre Meinung, liebe Frau Wille.
Auf den Seiten 38 bis 42 des Berichts werden die Eingaben von Menschen mit Behinderung angeführt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Themenfeld wird in den nächsten Jahren ein erheblicher Handlungsbedarf bestehen. Ich nenne nur das Stichwort Eingliederungshilfe. Alle Mitglieder des Sozialausschusses wissen, was in den nächsten Jahren anstehen wird. Ich würde mich freuen, wenn die nächste Regierung gemeinsam mit den Verbänden die Diskussionskultur wieder vorantreibt und mit Blick auf Menschen mit Behinderung dafür sorgt, dass die Zeiten in Schleswig-Holstein wieder besser werden. Frau Kollegin Franzen, ich weiß, dass Sie dabei unabhängig von Ihrer Funktion Unterstützung leisten werden, genauso wie der Kollege Baasch und die Kollegin Klahn dies tun werden. Ich würde mich freuen, wenn wir bei der Umsetzung des persönlichen Budgets ein ganzes Stück weiterkommen würden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grünen haben - zum Teil auf Landesebene, zum Teil auf Bundesebene - zu vielen Dingen, die im Bericht der Landesbeauftragten angeführt worden sind, parlamentarische Initiativen angeschoben. Viele dieser Initiativen sind aber leider nicht aufgegriffen worden. Das ist bedauerlich. Ich hoffe sehr, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten die Gelegenheit haben werden, die Kultur etwas zu verändern. Wir sind uns sicher einig darüber, dass wir im Bereich der sozialen Daseinsfürsorge und im Bereich der sozialen Sicherungssysteme große Aufgaben vor uns haben. Ich freue mich darauf, wenn ich dabei sein kann.
Liebe Kollegin Rathje-Hoffmann, wie schätzen Sie die Möglichkeiten von Frauen ein, die drei Jahre zu Hause geblieben sind, um ihre Kinder zu betreuen, wenn sie fachlich gut qualifiziert sind, wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden und auf demselben fachlichen Niveau wieder einen Arbeitsplatz zu erhalten?
Wir können ja unterschiedlicher Meinung sein. Welche Wahlfreiheit hat eine alleinerziehende Krankenschwester mit drei Kindern, wenn niemand auf die Kinder aufpassen kann?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau einem Jahr - im Mai 2011 - haben wir Grüne den ersten Antrag zum Betreuungsgeld in den Landtag eingebracht. Eine Prämie dafür zu zahlen, dass ein Krippenplatz nicht in Anspruch genommen wird, ist falsch. Es ist falsch im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, es ist falsch im Sinne der frühkindlichen Bildung, und es ist falsch im Sinne einer nachhaltigen Armutsbekämpfung.
- Doch, Frau Kollegin Franzen, genau das ist es.
Da sind sich alle Experten einig, nur einige wenige sind stur wie Maulesel und wollen das nicht zur Kenntnis nehmen. Aber es soll noch schlimmer kommen als in unseren schlimmsten Albträumen befürchtet: Das Betreuungsgeld soll auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. Das schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus. Ein Manager, der 500.000 € im Jahr verdient und dessen Frau zu Hause bleibt, um das gemeinsame Kind zu versorgen, bekommt künftig 150 € mehr, eine Alleinerziehende, die Hartz IV bezieht, bekommt die 150 €, anschließend werden sie ihr vom Regelsatz abgezogen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Wo bleibt da die Chancengleichheit? Auf die Podiumsdiskussionen - da bin ich der Kollegin Klahn sehr dankbar - haben Sie schon hingewiesen. Sie haben selbst Kritik am Betreuungsgeld geäußert. Wir haben versucht, Ihnen eine Brücke zu bauen und haben gesagt: Setzen Sie sich doch dafür ein, dass die CSU, die immer als die Schuldige dargestellt wird - sie ist es möglicherweise auch -, in Bayern ihren Willen bekommt, und Sie setzen sich dafür ein, dass wir hier in Schleswig-Holstein einen anderen Weg gehen. Haben Sie das getan? - Nein, das haben Sie nicht getan. Der Antrag kam ja aus der Opposition, und deswegen wird der grundsätzlich abgelehnt.
Zur Wahlfreiheit! Ist Ihnen eigentlich klar, dass es diese Wahlfreiheit, die Sie wie ein Mantra vor sich hertragen, liebe Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, nicht für alle Frauen und alle Männer gibt, die sich in dieser Situation befinden?
- Sie haben versucht, das zu erklären. Leider sind Sie einen Teil der Antwort schuldig geblieben. Wir haben vor einiger Zeit den Bericht über Alleinerziehende in Schleswig-Holstein bekommen. Fast 90.000 Alleinerziehende in Schleswig-Holstein! Ich habe Ihnen auch das Beispiel der Krankenschwester genannt, drei Kinder, keine Familie, die einspringen kann. Sagen Sie doch einmal bitte vielleicht melden Sie sich noch einmal -: Bei 150 € zusätzlichen Rentenbeiträgen, die geplant sind, was
meinen Sie, welche Tarifstufe das bei einem Rentenbeitragssatz von 19,6 % ist? Das ist eine Armutsfalle, in die Sie die Frauen laufen lassen. Das ist unerhört.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass alle Kinder gute Chancen bekommen, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern, unabhängig von ihrer Muttersprache und unabhängig davon, wo in Schleswig-Holstein sie aufwachsen.
Ab 2013 gibt es einen Rechtsanspruch - da sind wir uns endlich wieder einmal einig. Sie sind so optimistisch und meinen, dass die Kommunen das umsetzen können. Ich bin sehr gespannt, ob das alles wirklich funktionieren wird, denn nach unserem Kenntnisstand sind die Kassen der Kommunen leer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, rechnen wir das doch einmal durch! Sie wollen ab dem Jahr 2013 für Zweijährige jeden Monat 100 € Betreuungsgeld zahlen. Das sind 1.200 € pro Jahr. Das macht bei 20.000 Kindern, die pro Jahr in Schleswig-Holstein geboren werden, eine Summe von 24 Millionen €.
Ab dem Jahr 2014 sollen für Zwei- und Dreijährige jeden Monat 150 € gezahlt werden. Das sind 1.800 € pro Jahr. Bei 20.000 Kindern sind das 72 Millionen € pro Jahr. 72 Millionen €, die wir Grüne gern in den Ausbau der Kinderbetreuungsstätten investieren wollen.
Und Sie sagen Nein zu diesem Vorschlag.
Sehr gern.
- Ja, Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, das ist mir bekannt. Ist Ihnen auch bekannt, dass letztlich bei all denjenigen, die irgendwann einmal in Rente ge
hen, die Höhe der Rente wichtig ist und nicht, ob sie überhaupt Ansprüche haben?
Die Höhe der Rente leitet sich von den Anwartschaftspunkten ab. Diese 100 € beziehungsweise 150 € werden auch in Anwartschaftspunkte umgerechnet. Ich glaube, das blenden Sie aus, Frau Kollegin Bohn!
- Nein, liebe Frau Kollegin Rathje-Hoffmann, das sehen Sie ganz falsch. Ich blende gar nichts aus. Deswegen habe ich bewusst gefragt, ob Sie das einmal durchgerechnet haben. Dort in den Reihen sitzt ja jemand - er unterhält sich bei diesem Thema gerade -, der möchte einmal Ministerpräsident für alle Menschen in Schleswig-Holstein werden. Sagen Sie doch einmal: Wie hoch ist nach Ihren Berechnungen der Tariflohn, der gezahlt wird, damit es sich für die Familien auch lohnt? Ganz abgesehen davon, dass sie das Geld sehr viel später bekommen. Die Familien brauchen das Geld jetzt. Sie brauchen jetzt die Kinderbetreuung und nicht morgen oder übermorgen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Förderung der frühkindlichen Bildung sind in allen Parteiprogrammen zur Landtagswahl Schwerpunkte. Ich bleibe bei unserer Rechnung: 24 Millionen € für das Jahr 2013, 72 Millionen € für jedes Jahr ab 2014 bedeuten insgesamt bis zur nächsten Wahl eine Summe von 264 Millionen €.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stellen heute gemeinsam noch einmal unseren gemeinsamen Oppositionsantrag. Wir wollen das Geld gezielt in den Ausbau der Kinderbetreuung stecken. Das ist gut für die Kinder. Das ist gut für alle Familien. Das ist gut für die Kommunen. Ich fordere Sie auf - das ist Ihre letzte Möglichkeit -, dem zuzustimmen. Ich habe bei allen Podiumsdiskussionen gesagt: Das Angebot von grüner Seite steht bis zum letzten Tag der Legislaturperiode, gerade weil aus Ihren eigenen Reihen immer kritisch gesagt worden ist: Wir haben durch die Koalition ein Problem. Ich fordere Sie auf: Unterstützen Sie unseren Antrag! Springen Sie über Ihren großen schwarzen Schatten, und lauschen Sie der Frau Kollegin Pauls!
Sehr gern.
- Das ist mir nicht bekannt. Aber ich kann mir gut vorstellen, liebe Frau Kollegin Pauls, dass das eine kluge Frau ist, die das aus guten Gründen kritisiert hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ist es nicht zu spät. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir haben hier in den letzten zweieinhalb Jahren viel über die Schuldenbremse diskutiert. Wir stimmen gleich darüber ab, ob die nächste Landesregierung bis zur nächsten Wahl 264 Millionen € mehr oder weniger für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat.
- Es tut mir leid, es ist zu spät, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird endlich gut so heißt es. Das ist längst nicht immer so. Bei der Pflege ist es leider nicht so. 2011 sollte das Jahr der Pflege werden. Das fiel aus, weil die FDP nicht in die Puschen kam. Jetzt wird ein neuer Anlauf unternommen, und die Fachwelt schüttelt den Kopf.
Es ist schon jetzt absehbar, dass die Planungen ein Tropfen auf den heißen Stein sein werden. Wieder kein Jahr der Pflege. Schade! Dabei sollte aufgrund des Drucks durch den demografischen Wandel jedes Jahr ein Jahr für Gesundheit und Pflege sein.
Bei der Situation der Pflege in Schleswig-Holstein sind wir uns einig. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt. Derzeit sind es 80.000, im Jahr 2020 werden es etwa 100.000 sein. Das sind keine zehn Jahre mehr. Aber schon heute fehlen uns die Fachkräfte. Wir müssen handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen. So, wie jetzt, kann es nicht weitergehen.
Unseren Antrag „Bessere Anerkennung und Rahmenbedingungen in der Pflege“ ohne Alternative abzulehnen, ist für mich kein Zeichen von Handlungskompetenz.
Unseren gemeinsamen Antrag „Demenzplan für Schleswig-Holstein erstellen“ ebenfalls abzulehnen zugunsten „einer regional organisierten Pflegeinfrastruktur“, ist ebenso wenig ein Zeichen dafür, dass Sie entschlossen handeln. Schade, denn genau das haben Sie selbst in Oppositionszeiten gefordert.
Ich frage mich, wozu wir eine breit angelegte Expertenanhörung durchgeführt haben. Am Ende werden alle Stellungnahmen in den Wind geschlagen. CDU und FDP machen das, was sie sowieso gefordert haben. Die Experten haben wir gehört, aber auf sie hören tun Sie nicht. Sehr schade!
Den Pflegebedürftigen und den Pflegenden in Schleswig-Holstein ist damit nicht geholfen. Für Pflegebedürftige ist eine menschenwürdige Pflege Grundlage für eine gute Lebensqualität. In der professionellen Pflege herrscht Fachkräftemangel. Diese Situation wird sich absehbar weiter verschärfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen mehr Anerkennung und bessere Rahmenbedingungen für die Pflege.
Wir Grüne wollen mehr Ausbildungsplätze in der Altenpflege. Wir wollen eine Ausbildungsumlage in der Altenpflege. Es ist schön, dass das verbal begrüßt wird, dass das aber nicht umgesetzt wird, ist sehr schade, Herr Minister.
Kommen wir zum nächsten Punkt unseres Antrags! Liebe Kollegin Sassen, ich freue mich, dass Sie auch in der nächsten Konstellation hier im Landtag über eine Pflegekammer sprechen wollen. Schade,
dass Sie nicht zustimmen konnten. Denn wenn Sie sich die Protokolle unserer Anhörung im Sozialausschuss angesehen hätten,
hätten Sie gesehen, wie positiv die Stellungnahmen gewesen sind. Auch da wird den Leuten in der Pflege verbal gesagt, eigentlich wäre das ja ganz schön, aber gehandelt wird auch in diesem Punkt nicht. Schade, schade, schade!
Des Weiteren fordern wir in unserem Antrag die Aufnahme des Pflegerats in den Landespflegeausschuss. Wir fordern die Einführung eines Landespflegeberichts, damit der Landtag regelmäßig über den aktuellen Stand informiert wird und daraus Handlungsschlüsse abgeleitet werden können.
Wir Grüne wollen, dass die Pflege eine eigene Stimme bekommt. Wir wollen, dass die Entwicklung in diese Richtung weitergeht. Wir halten es für ein demokratisches Grundrecht, dass sich die Pflege selbst vertritt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne begrüßen ausdrücklich den geforderten Demenzplan, zu dem der SSW einen Antrag eingebracht hat. Wer dement ist, braucht Hilfe im nahen Umfeld, unabhängig vom Wohnort, und braucht eine integrierte Planung. CDU und FPD schieben die Verantwortung in ihrem Antrag ab auf die regionale Sozialraumplanung und die Bundesebene. Das ist schlichtweg falsch und wird nicht funktionieren.
Wir Grüne wollen, dass das Land mehr koordiniert und gemeinsam mit den Kommunen die Umsetzung des Demenzplans in der nächsten Legislaturperiode vorantreibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere an Ihre Verantwortung: Stimmen Sie für einen Landesdemenzplan, und stimmen Sie für bessere Rahmenbedingungen in der Pflege! Es ist noch nicht zu spät.
Liebe Kollegin Sassen, ich glaube Ihnen, dass Sie es ernst meinen, ich glaube auch dem Minister, dass es ein Anliegen war, die Pflege besser zu beteiligen. Würde es Ihnen helfen, wenn wir über den Punkt „Beteiligung des Pflegerates am Landespflegeausschuss“ gesondert abstimmten? Dann wäre die Pflege dort besser vertreten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rente mit 67 ist kein einfaches Thema. Das musste auch ich feststellen, als wir unseren Antrag in der Fraktion besprochen haben.
Die Angst vor Altersarmut hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Diese Angst sollten wir alle ernst nehmen.
Wenn die Rente mit 67 nicht einfach nur eine Rentenkürzung durch die Hintertür werden soll, dann muss sie auch inhaltlich ausgestaltet werden. So wie jetzt geplant wird sie nicht funktionieren. Wir müssen die Rente generationengerecht und armutsfest ausgestalten.
Wenn wir später in Rente gehen - ich fürchte, die Wahrheit ist, aus Gründen der Generationengerechtigkeit und des demografischen Wandels wird daran kein Weg vorbeiführen -, dann muss es auch möglich sein, lange im Beruf zu bleiben und dabei gesund zu sein.
Deswegen fordern wir Grünen dringend eine inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzes. Es ist schon seit 1. Januar 2012 in Kraft. Leider hat die Große Koalition keine ausreichenden Vorbereitungen getroffen, und die schwarz-gelbe Koalition hat sie nicht nachgeholt. Wieder einmal wurde der zweite Schritt vor dem ersten getan. Das ist fahrlässig und muss deshalb dringend nachgeholt werden.
Unter den heutigen Arbeitsbedingungen ist es für viele Menschen kaum vorstellbar, bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten, geschweige denn bis zum 67. Lebensjahr. Körperlich belastende Tätigkeiten sowie die Zunahme von Stress und psychischer Belastung am Arbeitsplatz machen viele Menschen krank. Deswegen sind bessere Arbeitsbedingungen eine unverzichtbare Voraussetzung, um länger gesund zu sein und arbeiten zu können.
Die Rente mit 67 ergibt nur dann einen Sinn, wenn entsprechende Arbeitsplätze für Ältere zur Verfügung stehen. Deshalb muss sich die Bundesregierung aktiv dafür einsetzen, damit wir auch alle tatsächlich bis zum Rentenalter arbeiten können. Das tut sie aber nicht, und das ist der fatale Fehler bei der Sache.
Nur mit einem begleitenden Konzept zur Integration älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt kann die Rente mit 67 funktionieren. Das war und ist unsere grüne Vorbedingung für eine Anhebung der Regelaltersgrenze.
Was also tun? Den Kopf in den Sand stecken, wie es CDU und FDP tun, hilft uns nicht weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen jetzt handeln und nach Lösungen suchen.
Auf ein paar Maßnahmen möchte ich kurz eingehen.
Erstens. Wir brauchen flexible Übergänge in den Ruhestand. Es ist besser, die Barrieren für Gesunde,
die länger arbeiten wollen, abzubauen, als andere zu zwingen, länger zu arbeiten. Wir brauchen eine Kultur der Altersteilzeit in den Betrieben und in den Köpfen der Beschäftigten.
Zweitens. Wir müssen das Arbeitsleben insgesamt so verändern, dass die Menschen bis 67 arbeiten können. Das bedeutet weniger psychische Belastungen, mehr Arbeitsschutz, mehr Gesundheitsprävention und mehr lebenslanges Lernen.
Drittens. Wir brauchen ein Mindestniveau bei der Rente. Wir Grüne wollen, dass alle eine Rente erhalten, die zum Leben ausreicht. Es kann nicht sein, dass jemand 30 Jahre lang hart arbeitet und dann auf die Grundsicherung angewiesen ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir müssen dafür sorgen, dass es möglich ist, länger gesund am Arbeitsleben teilzuhaben. Hierzu habe ich im Namen meiner Fraktion im Sozialausschuss eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Wir machen aus der Opposition heraus genau das, was wir Ihnen im Oktober 2009 angekündigt haben, nämlich konstruktive Vorschläge. Sie aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lehnen unseren Antrag ab, ohne eigene Vorschläge auf den Tisch zu legen. Das ist fahrlässig bei diesem Thema. Genau wie beim Betreuungsgeld begeben Sie sich in ideologische Schützengräben. Das ist bedauerlich und wird dem Thema nicht gerecht.
Ich bleibe dabei: Wir brauchen eine generationengerechte und armutsfeste Rente. Dafür wird sich jetzt die nächste Landesregierung einsetzen müssen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gesetzlichen Krankenkassen verfügen aktuell über etwa 20 Milliarden € Reserven. Diese Überschüsse sind Gelder der Versicherten. Wir Grüne wollen, dass die Überschüsse der Krankenkassen sinnvoll genutzt werden. Sie müssen für ihren ureigenen Zweck, die gesundheitliche Versorgung der Versicherten, ausgegeben werden. Dafür sind die Beiträge da. Um das einmal klarzustellen: Ein großer Teil der derzeitigen Überschüsse muss und soll auch erhalten bleiben. Aber ein Teil des Geldes kann den Versicherten direkt zugutekommen. Das ist wesentlich nachhaltiger als eine Einmalzahlung an die Versicherten.
Schleswig-Holsteins Krankenhäuser werden durch den aktuellen Landesbasisfallwert schlechter gestellt. Gesundheitsminister Heiner Garg ist es leider nicht gelungen, seine Parteifreunde und Amtskollegen in Berlin von der Notwendigkeit des bundesweit einheitlichen Basisfallwertes zu überzeugen. Egal ob Rösler oder Bahr, die Bundes-FDP kriegt es einfach nicht gebacken.
Sehr, sehr schade für die Menschen in unserem Land. Die Vorgängerin des Ministers war da wesentlich erfolgreicher.
Wir haben uns schon oft über den Landesbasisfallwert unterhalten. Nur zur Erinnerung: 20 Millionen € entgehen Schleswig-Holsteins Krankenhäusern jedes Jahr dadurch. 20 Millionen €, das sind 500 Arbeitsplätze in der Pflege.
Wir Grüne wollen einen Teil der Krankenkassenüberschüsse für den Ausgleich dieser Ungerechtigkeit einsetzen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, das muss auch für Krankenhäuser gelten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das ist unsere erste Forderung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den nächsten Tariferhöhungen werden die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein wieder in schweres Fahrwasser geraten. Aus einem Topf, der gedeckelt ist, können keine Tariferhöhungen geleistet werden. Sonst bleibt nur weitere Arbeitsverdichtung durch Personalabbau. Wie soll das funktionieren? Es wird Zeit,
dass diese Spirale endlich durchbrochen wird. Wir Grüne wollen den Krankenhäusern in SchleswigHolstein Luft zum Atmen verschaffen und einen Teil der Überschüsse für die nächsten Tariferhöhungen einsetzen. Dann wird kein Personal abgebaut, und auch das ist gut für die Patientenversorgung. Das ist unsere zweite Forderung.
Kommen wir zum dritten Teil unserer Forderungen, der Abschaffung der Praxisgebühr. Liebe Kollegin Sassen und liebe Kollegin Klahn, die Praxisgebühr hat als Steuerungsinstrument versagt. Das ist längst erwiesen.
Außerdem stört sie das Arzt-Patienten-Verhältnis und sorgt für unnötige Bürokratie. Besuchen Sie einmal eine Arztpraxis vor Ort, und gucken Sie sich an, was dort passiert! Fast jedes Mal, wenn ich in eine Arztpraxis gehen muss, sitzt oder steht da jemand und sagt: „Das kann nicht angehen, ich habe die 10 € schon bezahlt, ich habe nur die Quittung leider nicht dabei.“ Das ist völlig unnötig, das gehört endlich abgeschafft.
Geradezu abenteuerlich sind die Vorschläge anderer Organisationen, bei jedem Arztbesuch 5 € zu bezahlen. Was die Bürokratie angeht, kämen wir damit vom Regen in die Traufe. Diese Vorschläge lehnen wir Grüne entschieden ab.
Das Gleiche gilt für den Gesundheitsfonds, den die Große Koalition eingerichtet hat. Er ist die Wurzel des aktuellen Übels und führt zu den Verwerfungen, die wir jetzt haben. Warum, liebe Genossinnen und Genossen, machen Sie hier keine Wurzelbehandlung? Es ist vielleicht politisch schmerzhaft einzugestehen, dass Ihnen hier gemeinsam mit der CDU ein Fehler unterlaufen ist.
Aber nach einer Wurzelbehandlung ist der Zahn vielleicht noch zu retten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen grundlegende Reformen im Gesundheitswesen. Das, was in den letzten Jahren im Gesundheitswesen gelaufen ist, erinnert mich an eine Patientin mit einer schweren Lungenentzündung auf der Intensivstation. Ein Fieberzäpfchen senkt vielleicht kurzfristig das Fieber, aber nur ein Antibiotikum kann die Lungenentzündung ausheilen. Alle Gesundheitsre
formen der letzen Jahre waren wie ein Fieberzäpfchen. Dabei brauchen wir ein Antibiotikum im Sinne einer gezielten generationengerechten und nachhaltigen Behandlung.
Was die langfristige Perspektive angeht, bin ich optimistisch, dass wir innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Bürgerversicherung bekommen werden.
Das wäre endlich das gezielte Antibiotikum, die gezielte Reform, die das Gesundheitssystem wieder ins Lot bringt.
Den Antrag der Regierungsfraktionen lehnen wir daher ab. Er vergeudet unnötig Zeit. Falls die Kolleginnen und Kollegen von SPD und der LINKEN Ihre Anträge zu eigenständigen Anträgen erklären werden, werden wir uns enthalten. Ich würde mich über Ihre Zustimmung zu unserem Antrag sehr freuen.
Liebe Kollegin Klahn, es ist ja erfreulich, dass wir uns bei der Praxisgebühr einig sind. Möchten Sie nicht den zweiten Satz in Ihrem gemeinsamen Antrag mit Frau Sassen streichen? Ich lese ihn einmal vor: „In diesem Zusammenhang ist die Praxisgebühr zu evaluieren und insbesondere auf ihre Tauglichkeit als Steuerungsinstrument überflüssiger Arztkontakte zu überprüfen.“ Dieser Satz hat sich mit Ihrem Redebeitrag doch überholt, und Sie stimmen unserer Einschätzung zu, dass wir die Praxisgebühr jetzt abschaffen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Wenn wir zu den Fakten kommen, kommen wir zum Ersten doch auch einmal dazu, dass das genau so durch die Änderung des Gesetzes nicht passieren wird. Das Gutachten ist da, aber es ist nicht mehr gesetzlich verankert, sodass es auch umgesetzt wird. Das ist der Fehler, den wir hier kritisieren. Das ist genau der Punkt.
Zum Zweiten möchte ich sagen, dass Sie, wenn Sie hier in den Raum stellen, dass die Ernsthaftigkeit bei den Beiträgen nicht dagewesen sei, vielleicht von sich selber sprechen. Bei der Opposition ist das sicherlich nicht der Fall.
- Wir können uns gern einmal über Generationengerechtigkeit im Gesundheitswesen unterhalten, lieber Kollege Vogt.
Der letzte Punkt ist der: Es bleibt dabei, dass das, was einmal beschlossen worden ist, jetzt nicht um
gesetzt wird. Sie sagen jetzt kurz vor der Wahl in Interviews - so habe ich Sie jedenfalls verstanden -, dass Sie gegen die Praxisgebühr seien. Wo ist Ihre Initiative geblieben? Ich habe keine gesehen - schade.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht sehen zu können ist eine starke Beeinträchtigung. Menschen nehmen einen überproportional großen Teil ihrer Umgebung durch das Sehen wahr. Eine Orientierung ohne optische Wahrnehmung ist schwer. Deswegen brauchen blinde Menschen in ihrem Alltag vielfältige Unterstützung: technische Geräte, persönliche Unterstützung, einen Blindenhund. Wer welche Dienstleistungen oder welches Hilfsmittel braucht, ist unterschiedlich. Es hängt auch von den Lebensumständen ab.
Obwohl die Landesregierung dies alles weiß, hat sie das Landesblindengeld auf 200 € gekürzt. Damit nicht genug: Sie hat auch den Blindenfonds ersatzlos gestrichen. Aus ihm wurden seit Jahren Projekte finanziert, von denen blinde Menschen profitieren. Das war für blinde Menschen in SchleswigHolstein gleich ein doppelter Schlag ins Gesicht. Jedem hier im Plenarsaal dürfte bekannt sein, dass der Blindenfonds vor Jahren eingerichtet worden ist, um die vorherige Kürzung des Blindengeldes wohlgemerkt damals „nur“ um 10 %, nicht um 50 %, wie es die jetzige Landesregierung gemacht hat - zumindest ein wenig wieder gut zu machen.
Wir haben in den Haushaltsverhandlungen vorgeschlagen, das Blindengeld nicht zu kürzen. Und wir haben vorgeschlagen, das Volumen des Blindenfonds an die Höhe der tatsächlichen Ausgaben an
zupassen. Eine denkbare Alternative wäre gewesen, den Fonds in Höhe von 400.000 € zu belassen und - liebe Kollegin Franzen, liebe Kollegin Klahn, darüber sind wir uns durchaus einig - allen Behinderungsformen zu öffnen. Weder das eine noch das andere hat die CDU gemacht. Schade, schade, schade!
Jetzt möchte DIE LINKE den Blindenfonds wieder einführen. Die Finanzierung soll aus den Mitteln für die Blindenhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII kommen. So haben wir es verstanden; ich sehe an der Handbewegung, DIE LINKE hat den eigenen Antrag etwas anders interpretiert; darüber können wir uns sehr gern noch einmal unterhalten. Das mag auf den ersten Blick eine charmante Idee sein. Wir Grünen halten sie dennoch für schwierig.
Zum Ersten: Niemand kann sagen, wie viel Geld von den für die Blindenhilfe reservierten Mitteln durch die Kommunen als Leistung ausgezahlt worden ist. Dies muss aus grüner Sicht erst einmal ermittelt werden, damit wir eine Grundlage dafür haben.
Zum Zweiten: Wenn sich bewahrheitet, dass ein Großteil der Blindenhilfeberechtigten sie gar nicht beantragt hat, ist die logische Konsequenz eine andere. Die Konsequenz ist, dass wir alles dafür tun, dass die Menschen, die einen Leistungsanspruch haben, diesen auch in Anspruch nehmen können.
Zum Dritten. Punktuell Projekte zu finanzieren, von denen eine mehr oder minder kleine Anzahl von Personen profitiert, ist ehrenwert und gut gemeint. Aber es darf nicht dazu führen, dass an anderer Stelle Mittel für einen individuellen Leistungsanspruch nicht zur Verfügung stehen.
Der vierte Punkt, der uns auffällt an der Konsequenz, den Ihr Antrag hätte: Forschung und private Unternehmen sollen auch Gelder aus dem Blindenfonds erhalten können. Das sehen wir Grüne sehr kritisch. Dafür gibt es andere Töpfe und andere Zuständigkeiten. Forschungsförderung ist gut und schön. Sie schafft gesellschaftlich positive Beispiele. Sie bringt öffentliche Wahrnehmung und Inklusion voran. Ich bin mir da nun wieder sicher, dass wir die alle voranbringen wollen. Aber wir halten es nicht für richtig, Leistungsansprüche und Projektmittel gegeneinander auszuspielen. Wir brauchen im Idealfall beide. Wenn dies nicht möglich
ist, dann sollte aus unserer Sicht der Rechtsanspruch den Vorrang haben.
Wir sehen also, dass der Antrag der LINKEN gut gemeint ist und ein gutes Ziel vor Augen hat. Leider können wir ihm aus den genannten Gründen, weil wir zwar das Ziel teilen, aber inhaltlich anderer Meinung sind, was den Weg anbetrifft, nicht unterstützen und werden uns enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder faszinierend, liebe Kollegin Klahn.
Wieso haben Sie unseren Anträgen denn nicht zugestimmt, wenn Sie das alles so super finden?
Das wäre ganz einfach gewesen. Genau das haben wir die ganze Zeit gefordert.
Jetzt sitzen Sie da und sagen: Wäre ja super gewesen, schade irgendwie, hat nicht geklappt. Das ist schon ein bisschen merkwürdig.
- Ja, so einfach ist die Welt.
Vielen Dank an Sie, Herr Minister, und an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums für den vorgelegten Bericht.
Wer morgen eine gute Pflege für seine Angehörigen und für sich selbst will, der muss heute handeln. Das ist ganz klar. Wir haben heute 80.000 Pflegebedürftige in Schleswig-Holstein. In fünf Jahren werden es 90.000 sein. In zehn Jahren 100.000 Pflegebedürftige sein. Es ist höchste Eisenbahn, dass wir von Berichten zu Taten schreiten, liebe Kollegin Klahn.
Wir wollen die Pflege zukunftsfest machen. Dabei ist es wichtig, dass diejenigen, die in der Pflege arbeiten, möglichst lange in ihrem Beruf arbeiten können. Wichtig ist auch, dass junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege gewonnen werden. Ein Medizinstudium in Schleswig-Holstein ist kostenlos. Darauf haben die Kollegin Pauls und ich wiederholt hingewiesen. Wir haben auch beide dar
auf hingewiesen, dass wir das gut und richtig finden.
Aber für eine Ausbildung in der Pflege müssen viele junge Menschen jeden Monat 290 € zahlen. Auch das ist inzwischen bei vielen Anwesenden angekommen, auch beim Herrn Minister, auch bei den Kolleginnen und Kollegen.
So weit, so gut. Die Landesregierung hat die Anzahl der geförderten Schulplätze trotz Schuldenbremse von 1.170 auf 1.200 erhöht. Das klingt gut. Aber reicht das denn aus? Wenn Sie sich den Bericht ganz genau angucken, dann sehen Sie, dass 1.000 Schulplätze weiterhin nicht gefördert werden. 1.000 Auszubildende, die jeden Monat 290 € für ihre Ausbildung mitbringen müssen - für eine Ausbildung in einem Mangelberuf.
Und Sie stellen sich hier hin und sagen: „Ach, wie schade! Das muss doch mal geändert werden.“ Wer stellt denn hier die Regierung?
- Der Unterschied, liebe Kollegin Klahn - das dürften Sie gerade eben im Sozialausschuss bemerkt haben -, ist der, dass Sie mit Ihren Fraktionen im Moment die Regierung stellen und leider unsere Anträge ablehnen, obwohl das Thema ja angekommen ist. Das ist schon ein bisschen befremdlich.
Wir Grüne fordern eine Ausbildungsplatzumlage. Was in der Krankenpflege funktioniert, funktioniert auch in der Altenpflege. Da bin ich mir sicher.
Nein, heute nicht.
Ich bin mir sicher, dass es funktionieren wird. Es muss Schluss damit sein, dass junge Menschen
Geld mitbringen müssen. Wo ist denn da Ihre Initiative, Herr Minister? Statt Zwischenfragen zu stellen, hätten Sie das in Ihrem Bericht vielleicht erwähnen können, das wäre ganz einfach gewesen.
Außerdem fordern wir Grüne eine Pflegekammer. Für uns ist das eine Selbstverständlichkeit, das ist ein demokratisches Recht der Selbstbestimmung. Sie alle haben gehört, wie wichtig es vielen in der Pflege ist, dass sie endlich mehr eigene Stimme bekommen, dass sie mehr beteiligt werden.
Auch daran wird sich die nächste Regierung beteiligen. Da bin ich mir sicher.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, denke ich an die Pflegereform auf Bundesebene, sehe ich schwarz - genauer gesagt, schwarz-gelb. Die FDP hat sich hier bis auf die Knochen blamiert.
Vom Jahr der Pflege spricht ja wohl keiner mehr, nachdem Minister Bahr seinen letzten Gesetzentwurf schon nach wenigen Stunden zurückziehen musste.
- Da gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Kollege Stegner. Diese Regierung ist pflegebedürftig. Das peinlich zu nennen, ist schwer geschmeichelt. Zu retten ist sie auch nicht mehr. Auch da haben Sie völlig recht.
Auf Landesebene sehe ich schwarz mit kleinen gelben Punkten. Ich begrüße, dass sich die Landesregierung bemüht, eine Reform der Altenpflegeausbildung auf den Weg zu bringen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass dies kurz vor der Wahl geschieht.
Sie haben Ihre ganzen Initiativen in dem Bericht zusammengefasst. Wir sehen in vielen Bereichen, dass wir in Schleswig-Holstein gut aufgestellt sind. Trotzdem wird das, was bisher an Pflegestützpunkten, an Pflegenottelefonen vorhanden ist, weiterhin dringend gebraucht und muss aus unserer Sicht weiter ausgebaut werden.
Bei einem Besuch im Berufsbildungszentrum Schleswig berichteten mir junge Leute, die eine Ausbildung zur Pflegeassistenz absolvieren, dass Sie nach dem Abschluss einer dreijährigen Ausbil
dung keine tariflich bezahlten Vollzeitarbeitsplätze angeboten bekommen, sondern 400-€-Jobs. Das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.
Es zeigt deutlich, dass grundlegende Reformen erforderlich sind. Die ist die FDP leider schuldig geblieben.
Eins ist uns Grünen noch besonders wichtig: die Stärkung der ambulanten Pflege. Alte Bäume sollst du nicht entwurzeln. Was für alte Bäume gilt, gilt auch für alte Menschen. Gerade Ältere möchten in ihrem Umfeld und möglichst auch in ihren eigenen vier Wänden alt werden, und das sollten wir ihnen auch ermöglichen. Vielleicht können wir jedenfalls in diesem Punkt parteiübergreifend sagen, dass das eine gute Sache ist.
Was die Versorgung von Demenzkranken angeht, unterstützen wir Grüne einen Demenzplan. Die Vorgeschichte hat die Kollegin Pauls eben sehr pointiert dargestellt. Das brauche ich nicht zu wiederholen. Ausbildungsplatzabgabe, Arbeitsbedingungen in der Pflege, Pflegekammer - diese Themen werden uns auch in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen. Ich freue mich darauf. Ich freue mich auf die weitere Beratung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die elfjährige Chantal starb 20 Stunden, nachdem sie eine einzige Tablette Methadon zu sich genommen hatte. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Pflegeeltern wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Weil Chantal in staatlicher Obhut zu Tode gekommen ist, ermittelt die Staatsanwaltschaft weiterhin auch gegen das Jugendamt sowie den betreuenden freien Träger der Jugendhilfe.
Inzwischen ist der zuständige Bezirksamtsleiter zurückgetreten. Das sind sicherlich alles angemessene Konsequenzen, aber aus Sicht von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN reichen diese nicht aus. Um das einmal ganz deutlich zu sagen: Es geht hier aus meiner Sicht nicht um eine Kritik an der jetzigen Landesregierung. Bei diesem Thema wünsche ich mir, dass wir sowohl den Respekt vor der Familie, der das passiert ist, als auch allen Beteiligten ausdrücken, und mit etwas mehr Sensibilität an das Thema herangehen. Ich glaube, das wäre ganz angemessen.
Wir müssen sowohl inhaltliche als auch fachliche Konsequenzen aus der Situation ziehen. Die Sozialbehörde ordnete eine Überprüfung der vorliegenden Akten an. In mehr als 50 Fällen gibt es bei Pflegeeltern Hinweise auf Drogenprobleme oder Straftaten. Die Behörden entdeckten bei ihrer Aktendurchsicht bei 40 Pflegeeltern Anhaltspunkte für mögliche Suchtprobleme. In 13 Fällen gab es Hinweise darauf, dass Pflegeeltern straffällig geworden waren. Bei 14 Pflegekindern war die Wohnsituation so, dass sie als schlecht bezeichnet werden musste.
All diesen Hinweisen muss nun und wird sicherlich zügig nachgegangen werden. Aber noch einmal: All diese Informationen haben schon vorgelegen. Sie waren in den Akten vorhanden. Drogensucht, unzumutbare Wohnverhältnisse, frühere Straftaten - bei Chantal kamen alle diese Probleme in einer Pflegefamilie zusammen. Dieser Familie hätte man die Verantwortung für ein Pflegekind mit Sicherheit nicht übertragen dürfen. Warum dies dennoch passiert ist, ist Gegenstand der Ermittlungen. Kinder, die in Pflegefamilien vermittelt werden - das hat die Kollegin Midyatli eben ganz richtig gesagt - brauchen Schutz und Unterstützung aus der Gesellschaft. Sie können sich selbst nicht helfen. Sie können sich selbst diesen Schutz nicht geben, weil sie aus Familien kommen, wo das nicht vorhanden war. Diese Kinder sind zu einem großen Teil traumatisiert, sie sind unsicher, verschlossen und instabil. Für uns Grüne ist es ganz wichtig und unser Ziel, dass alle diese Kinder den Schutz bekommen, den sie brauchen.
Gerade deswegen müssen wir hier besonders genau hinsehen. Wir müssen uns auch immer fragen auch wenn es gute Gesetze gibt; und das Gesetz, das hier beschlossen worden ist, ist bestimmt ein gutes Gesetz -, ob es noch besser werden kann. Deshalb unterstützen wir Grüne die Forderung des Kinderschutzbundes voll und ganz. Abgestimmte Verfahrensweisen, einheitliche Auswahlkriterien bei Pflegefamilien - das sollte aus unserer Sicht landesweit ein Standard sein zur Sicherheit der Kinder und auch aus unserer Verantwortung heraus.
Einen gewissen Rahmen haben wir schon, der liegt vor. Diskutiert werden muss, was genau außer einem polizeilichen Führungszeugnis noch sinnvoll sein könnte. Auch da sollten wir nichts vorwegnehmen. Auch das sollten wir gemeinsam mit den Kommunen und den Fachleuten besprechen.
Auch - das ist gerade eben in der Debatte schon deutlich geworden - sollten wir alle bei dem Thema darauf achten, dass wir den Pflegeeltern, die bereit sind - jedenfalls in diesem Punkt klang es so durch, als wären wir uns da einig -, unseren vollen Dank und unseren Respekt dafür aussprechen, dass sie die Kinder in ihre Familien aufnehmen.
Der gemeinsame Antrag, den wir gemeinsam mit der SPD gern auf den Weg bringen und jetzt in den Sozialausschuss überweisen möchten, soll aus unserer Sicht das, was hier in Schleswig-Holstein schon geleistet worden und was gut ist, noch besser machen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir gemeinsam im Ausschuss beraten könnten, wie es aussehen könnte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesundheit ist etwas, worum sich viele Menschen erst kümmern, wenn es zu spät ist. Deswegen kann ich nur zu Prävention und zu rechtzeitiger medizinischer Behandlung raten.
Der Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung ist aus Sicht meiner Fraktion ein Menschenrecht. Wie aber sieht die Realität aus? - Sie sieht leider anders aus. Während wir hier Diskussionen im Landtag führen, gibt es in Kiel-Gaarden und an anderen Orten Menschen, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben; auch dann nicht, wenn sie direkt neben einer Arztpraxis wohnen. Diese Menschen haben keine Papiere und fallen deshalb durch die Maschen unseres sonst so guten sozialen Netzes. Die Türen der Arztpraxen bleiben für sie verschlossen. Das ist in einem reichen Land wie unserem ein Skandal. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das würden wir gern zusammen mit Ihnen ändern.
Wir Grüne wollen, dass alle Menschen eine gute medizinische Versorgung bekommen, und zwar unabhängig von ihrer Hautfarbe und unabhängig davon, ob sie Papiere haben oder nicht. Deshalb fordern wir gemeinsam mit den Linken den anonymen Krankenschein.
Für zum Teil schwer traumatisierte Menschen dürfen die Türen von Arztpraxen nicht verschlossen bleiben. Für uns Grüne steht fest: Wir wollen die Augen hier nicht verschließen. Wir wollen diese Türen öffnen. Eines ist dabei ganz wichtig. Die ärztliche Schweigepflicht muss bei der Abrechnung mit dem Sozialamt geändert werden. Sonst bringen wir die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in einen massiven Gewissenskonflikt. Das hat der Deutsche Ärztetag in seinem Beschluss auch gefordert. Dies unterstützen wir, und wir bitten Sie, dies mit zu unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, keine Schwangere darf Angst haben, abgeschoben zu werden, wenn sie eine Vorsorgeuntersuchung für sich und ihr ungeborenes Kind in Anspruch nehmen möchte. Können Sie sich vorstellen, welche Ängste Menschen ohne Papiere haben, wenn sie sich in medizinische Behandlung begeben müssen? - Die jetzige Situation ist einfach unerträglich und muss auch aus humanitären Gründen geändert werden.
Der Kollege hat es gerade eben angesprochen: Dass es einen Bedarf gibt, zeigt uns die Arbeit des Medibüros hier in Kiel. Bei einem Besuch haben meine Kollegin Luise Amtsberg und ich uns das Konzept erklären lassen. Ich kann nur sagen, das Konzept hat uns überzeugt. Wir alle können froh sein, dass im Medibüro so gute und engagierte Arbeit geleistet wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, der Bedarf ist eindeutig da. Wir alle stehen in der Verantwortung, dass für diesen Bedarf eine Lösung gefunden wird. Für uns Grüne steht fest: Gesundheit ist ein Menschenrecht. Dazu bekennen wir uns in unserem Antrag. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Sozialausschuss.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Tagtäglich leisten Tausende von Pflegern und Pflegerinnen, Ärzten und Ärztinnen,
Arzthelferinnen und Arzthelfern, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten und Angehörige vieler anderer Berufsgruppen ihre Arbeit. … Für die Leistung, die in den Gesundheitsberufen tagtäglich erbracht wird, braucht es Motivation, Vertrauen und Anerkennung. Genau das ist das Ziel des Versorgungsstrukturgesetzes.“
Das sagte der Bundesgesundheitsminister von der FDP. Das klingt gut und richtig. Richtig ist: Wir alle können froh sein, wenn jemand aus unserer Familie oder wir selbst eine gute medizinische, pflegerische oder therapeutische Behandlung bekommen. Richtig ist: Die Strukturen der medizinischen und pflegerischen Versorgung müssen dringend zukunftsfest gemacht werden. Richtig ist auch: Eine bessere Verzahnung von stationärem und ambulantem Bereich ist nicht die Kür, sie ist die Pflicht - allerdings auf echter Augenhöhe. Ich glaube, da haben wir noch etwas unterschiedliche Vorstellungen
- liebe Kollegin Sassen -, wie das aussehen könnte.
Das Problem der FDP ist: Das Versorgungsstrukturgesetz erreicht diese Ziele leider nicht. Es ist durchzogen von einer ganzen Reihe von Webfehlern. Den Webfehler, den Sie auf Bundesebene gemacht haben, machen Sie leider auf Landesebene fleißig weiter.
Sie weben und weben und wundern sich, dass der Jubel der Opposition ausbleibt.
Wo findet sich die Anerkennung der Pflegeberufe im Versorgungsstrukturgesetz? - Das hätte ich mir von dieser Landesregierung gut als Initiative vorstellen können. Ich finde es schade, dass es nicht berücksichtigt worden ist.
Wo ist eine Berücksichtigung der Zunahme von psychischen Erkrankungen? - Wahrscheinlich leidet diese Landesregierung selbst schon an Burnout, sonst hätte auch das eine schöne Initiative werden können.
Wo ist die stärkere Berücksichtigung der Patienteninteressen? - Leider nicht vorgesehen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es zeigt sich wieder einmal: Gute Gesundheitspolitik und FDP sind wie Ebbe und Flut - beides gibt es, aber es kommt leider nicht gleichzeitig vor.
Sie sind ein politisches Entweder-oder.
Eines sage ich Ihnen an dieser Stelle auch noch einmal ganz deutlich: Wir werden uns davon verabschieden müssen, dass in den Bereichen Gesundheit und Pflege dauerhaft schwarze Zahlen geschrieben werden. Dafür sind die Voraussetzungen hier in Schleswig-Holstein einfach nicht gegeben. Was wir brauchen, ist endlich die Perspektive für einen bundesweit einheitlichen Landesbasisfallwert.
Wenn Herr Bahr den geliefert hätte, hätte ich mich einmal richtig gefreut. Und da hätten sich viele andere - die Patientinnen und Patienten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern in Schleswig-Holstein - auch sehr gefreut. Wenn wir bessere Bedingungen in der Finanzierung haben, können wir auch bessere medizinische Versorgungsstrukturen umsetzen. Auch das dürfte klar sein.
Im Moment ist viel zu viel Druck im Kessel. Wenn wir nicht wollen, dass dieser Kessel explodiert, müssen wir das völlig überhitzte Gesundheitswesen etwas abkühlen. Krankenhäuser in Brunsbüttel, Glücksstadt, Tönning, Eckernförde - sie stehen alle unter diesem großen Druck. Für uns Grüne steht fest: So kann es und so darf es nicht weitergehen.
Neben den Herausforderungen durch eine ältere Bevölkerung und der Zunahme von chronischen und Mehrfacherkrankungen müssen wir grundsätzlich die Strukturen angehen. Die demografische Entwicklung macht nicht nur vor der Bevölkerung nicht halt, genauso trifft es alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Wir wollen eine bessere Verzahnung von stationärem und ambulantem Bereich. Hierzu gehört die teilstationäre Behandlung übrigens auch. Wir wollen eine deutliche Stärkung der hausärztlichen und sprechenden Medizin, wir wollen eine teamorientierte Zusammenarbeit - da sind wir wieder bei der Zu
sammenarbeit auf Augenhöhe - von allen unterschiedlichen Gesundheitsberufen ohne Hierarchien und mit einer neuen Aufgabenverteilung. Ärztinnen und Ärzte als verantwortungsvolle Teamplayer sind nicht nur eine schöne Vision, es gibt schon einige davon, und wir brauchen noch mehr. Noch ist es nicht zu spät für Nachbesserungen. Ich freue mich auf die Beratungen im Sozialausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, zunächst einmal sage ich Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium herzlichen Dank für Ihren Bericht.
Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht ohne Wenn und Aber. Wer akut Hilfe braucht, der muss sie auch bekommen. Wer von Gewalt bedroht ist, der darf nicht weggeschickt werden. Hier sind wir uns alle einig - in der Theorie. Die Praxis sieht leider anders aus. Ein Beispiel ist das Frauenhaus in Lübeck. Jetzt passiert genau das, wovor wir im letzten Jahr schon gewarnt haben. Das Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt ist geschlossen worden, und sofort ist das Autonome Frauenhaus überfüllt. Das war absehbar. Das war genau der Punkt, auf den wir immer hingewiesen haben.
Es gibt gewachsene Strukturen, und Sie machen sie kaputt. Sie haben alle unsere Warnungen in den Wind geschlagen. Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht. Was aber macht die Landesregierung? Sie zerschlägt die gewachsenen Strukturen. Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt werden, müssen unter den Folgen leiden. Opfer von Gewalt können zu siebt auf Matratzen in einem Zimmer liegen, und Sie sagen, die Welt sei in Ordnung, alles sei bestens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist sie nicht.
Die Frauen- und Menschenrechtspolitik dieser Regierung ist ein Armutszeugnis. Ich kann es an dieser Stelle nur immer wieder sagen: Wir haben vorhergesagt, dass es so kommen wird. Sie wollten es nicht hören. Ich verstehe es nicht. Das Lübecker Frauenhaus tut unter den gegebenen Bedingungen das Beste, um mit dieser unzumutbaren Situation klarzukommen. Herr Minister, ich habe Sie so verstanden, dass Sie die Situation jetzt als unnötig bezeichnen. Wenn Sie sagen, dass man dies im Frauenhaus für politische Forderungen instrumentalisiere, dann ist das ein harter Vorwurf, das muss ich sagen.
Sie verweisen auf eine Datenbank, die jetzt noch gar nicht vorhanden ist, sondern Ende Februar, viel
leicht auch erst Anfang März 2012 zur Verfügung stehen wird. Dazu kann ich nur sagen: Heute ist der 23. Februar 2012. Heute klingeln die Telefone in den Frauenhäusern, nicht morgen oder übermorgen.
Was sollen die Mitarbeiterinnen sagen? - Rufen Sie morgen wieder an oder dann, wenn die Datenbank da ist? - Das kann nicht Ihr Ernst sein! Warum muss diese Landesregierung immer erst Porzellan zerschlagen, um dann anzufangen, die Scherben zu kitten und zu sagen: Schuld ist die Opposition? Für uns Grüne steht fest: Das Ziel ist und bleibt, keine Frau und kein Kind wegzuschicken. Frauen und Kinder, die Hilfe suchen, dürfen nicht abgewiesen werden.
Jeder Mensch hat das Recht auf Sicherheit und Selbstbestimmung. Das gilt aus Sicht von uns Grünen auch und gerade für hilfesuchende Frauen und Kinder.
Einen Teil meiner Rede lasse ich weg, weil ich gern auf das eingehen möchte, was die Kollegin BrandHückstädt hier gerade zum Besten gegeben hat. Ich finde es bemerkenswert, dass die Juristin und der Jurist und die finanzpolitische Sprecherin der FDP sich eher mit dem beschäftigen, was in den „Lübecker Nachrichten“ steht, als mit dem, was im Frauenhaus in Lübeck passiert. Dazu haben Sie sich nicht geäußert. Wo ist Ihre Stellungnahme dazu?
- Sie waren bei dem Gespräch nicht dabei. Wir Grüne achten die Pressefreiheit.
- Mehr sage ich dazu nicht. Möchten Sie sich gleich zu Wort melden, Herr Kollege Koch? - Vielleicht zum Thema Frauenhäuser? - Dann kommen Sie gern nach vorn.
Ich sage noch einmal: Sie waren bei dem Gespräch nicht dabei.
- Sie auch nicht. Die „Lübecker Nachrichten“ waren sehr wohl dabei. Sie kommen aus Lübeck. Kommen Sie doch hierher. Erzählen Sie, wie Sie das Problem in Lübeck lösen wollen. Das würde ich von Ihnen gern wissen.
Auf dem Papier ist es leicht zu sagen: Das Frauenhaus in Lübeck ist voll, wir schicken die Frauen nach Rendsburg, nach Neumünster oder nach Lensahn. In der Realität kann das klappen, muss es aber nicht. Letztlich kann nur die Frau entscheiden, ob sie einen solchen Vorschlag annimmt oder nicht. Vor diesem Hintergrund ist die geplante Datenbank für Frauenhausplätze grundsätzlich eine Idee, die wir gern weiter diskutieren würden. Das Modell scheint in Nordrhein-Westfalen gut zu funktionieren, aber die Bezeichnung Datenbank sollten Sie wirklich noch einmal überdenken. Ich glaube nicht, dass Sie Daten sammeln wollen. Nennen Sie dies doch so wie in Nordrhein-Westfalen, nämlich Infonetz. Letztlich geht es ja darum, Informationen weiterzugeben.
Wir als Grüne fordern die Landesregierung noch einmal auf: Kümmern Sie sich um die Situation in Lübeck! Sorgen Sie dafür, dass dort Lösungen gefunden werden! So kann es nicht weitergehen.
Ich würde es auch begrüßen, wenn das, was Sie in Bezug auf die Gespräche mit der Bundesregierung angekündigt haben, in die Tat umgesetzt werden könnte. Sie haben gesagt, dies könne noch bis Mitte oder Ende des Jahres dauern. Wir haben jetzt die Situation. Das ist wieder die falsche Reihenfolge bei der Landesregierung; es ist immer dasselbe. Ich würde es begrüßen, wenn es dazu kommen würde, dass die Kostenerstattung über das Modell, das unter Rot-Grün eingeführt worden ist, erfolgen würde. Das sage ich noch einmal ganz deutlich. Das Modell ist bundesweit beispielhaft. Daran sollten wir festhalten. Das ist eine gute Lösung.
Wir werden gern weiter mit den Fachfrauen vor Ort, mit den Frauenberatungsstellen und mit den Vertretern der Frauenhäuser diskutieren. Wir Grüne wollen, dass allen Opfern von Gewalt geholfen wird; unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und
unabhängig von dem Bundesland, in dem sie leben. Das ist unser Ziel.
Meine Kollegin Ines Strehlau ist erkrankt. Deswegen werde ich die Rede in ihrer Vertretung halten.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächst einmal der Fraktion der LINKEN für die Große Anfrage zum Thema danken, das einen vernachlässigten Aspekt des Strafvollzugs in den Fokus nimmt. Und ich bedanke mich bei der Landesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht. Er ist ein guter Anfang und eine Basis dafür, diesem Thema etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Die Auffassung vom Strafvollzug hat sich im letzten Jahrhundert gewandelt, übrigens auch bei uns Grünen, falls vielleicht gleich wieder diese Frage kommen sollte. Der Gedanke der Resozialisierung steht im Mittelpunkt. Die Straftäterinnen sollen auf ein Leben in der Gesellschaft für die Zeit nach der Entlassung vorbereitet werden. Dazu müssen die Bedingungen in der Haft mit den Anforderungen der modernen Welt Schritt halten.
Hier zeigt sich aus unserer Sicht die erste Schwäche des Strafvollzugs für Frauen und Mädchen in Schleswig-Holstein. Die Angebote zur schulischen und beruflichen Qualifizierung gehen an den Bedürfnissen der Inhaftierten vorbei. Warum wird nur ein Hauptschulabschluss angeboten, wenn doch die Erfahrung zeigt, dass inhaftierte Frauen in der Regel bereits einen Schulabschluss haben? Das macht doch keinen Sinn. Auch das Angebot der Teilqualifizierung Textil spiegelt aus grüner Sicht nicht unbedingt ein modernes Berufsverständnis für Frauen wider.
Für Männer steht im Strafvollzug in Lübeck eine Reihe von Angeboten zur Verfügung, und das ist auch gut so. Dagegen ist die Ausbildungswelt für Frauen nach wie vor am letzten Jahrhundert angesiedelt. Wieso eröffnet die Landesregierung den Frauen und Mädchen nicht einen adäquaten Zugang zur besseren Bildungsperspektive? Es sieht nicht so aus, als hätte die Landesregierung hierzu ein Konzept vor Augen. Frauen und Männer müssen aber auch im Gefängnis gleiche Chancen bekommen.
Zwar ist in der Antwort viel die Rede davon, dass die Landesregierung die Gender-Perspektive im Blick hat. Dennoch bleibt der Bericht an vielen Stellen oberflächlich und erklärt pauschal, dass auf die Besonderheiten Rücksicht genommen werde. Bei Bedarf könne Unterstützung herangezogen werden. Wer legt den Bedarf fest? Wie wird das kontrolliert? Wie sind die Richtlinien, in denen das festgelegt wird? Das ist leider in dem Bericht nicht
enthalten. Vielleicht gibt es ja dazu noch nähere Informationen.
Die Landesregierung bleibt eine Antwort schuldig, inwieweit sie sich die Mühe gemacht hat zu evaluieren, was die Frauen in der Inhaftierung zusätzlich benötigen, um gut gerüstet zu sein für die Anforderungen der Welt nach der Inhaftierung.
In einem zweiten Schritt sollte ehrlich darüber Aufschluss gegeben werden, ob die Praxis auch den heutigen Anforderungen eines gleichberechtigten Vollzugs gerecht wird. Wir dürfen die Frauen an dieser Stelle nicht zurücklassen. Sonst nehmen wir den Resozialisierungsgedanken nicht ernst.
Aus der Antwort geht aus unserer Sicht deutlich hervor, dass die besonderen Gründe, die bei Frauen zu Straffälligkeiten führen, keinen Niederschlag in der Personalpolitik finden. Ich kann das nur noch einmal wiederholen, was die Kollegin eben gesagt hat: Überdurchschnittlich viele der inhaftierten Frauen sind drogenabhängig und psychisch krank. Eine psychologische Betreuung, die nach unserer Berechnung etwa 2,4 Stunden pro Monat und Gefangener zur Verfügung steht, ist nach unserer Einschätzung deutlich zu wenig. Diese Maßnahmen reichen nicht aus, um die Frauen gut auf das Leben nach der Entlassung vorzubereiten.
Auch die Qualifizierungsanforderungen und Fortbildungsnachweise für das Personal sind aus unserer Sicht so, dass die geschlechtsspezifischen Belange zu kurz kommen. Wir alle haben die Verantwortung, dass die Frauen, die im Strafvollzug sind, an ihrer Mitbestimmung teilnehmen können. Wir müssen darauf hinwirken, dass die Möglichkeit für Vorsorgeuntersucherungen allen Frauen zur Verfügung gestellt wird.
Die Arbeitsmöglichkeiten müssen gleichberechtigt sein, und auch für das Personal müssen angemessene Bedingungen im Strafvollzug herrschen, und zwar mit entsprechenden Schulungen für die besonderen Gegebenheiten vor Ort.
Wir Grünen wünschen uns, dass der offene Vollzug noch weiter gefördert und gestärkt wird. Wir wünschen uns auch, dass die Mauer, die die Gefängnisse umgibt, uns nicht den Blick auf die Bedürfnisse der Frauen hinter der Mauer verschließt, und wir möchten den Bericht gern mit Ihnen weiter im Ausschuss besprechen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, Sie sehen in den Spiegel, und Sie sehen etwas, was gar nicht da ist. So geht es täglich vielen Mädchen und Frauen, die an einer Essstörung leiden. Sie sehen ein riesiges Übergewicht - dabei sind sie gertenschlank. Selbstwahrnehmung und Selbstbewusstsein sind gestört. Die Gedanken dieser Frauen und Mädchen kreisen zwanghaft um Gewicht, Figur und Essen. Ihr Essund Bewegungsverhalten ist ebenfalls gestört. Ihr Suchtstoff sind Nicht-Essen, Essen und Erbrechen, Hunger und Kontrolle. Diese Menschen sind krank. Da wir wissen, dass Essstörungen selbst bei guter Prävention nicht völlig verhindert werden können, brauchen wir in Schleswig-Holstein ein gutes Beratungs- und Behandlungsnetz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Angaben der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren leben in Schleswig-Holstein inzwischen 500.000 Menschen mit manifesten Essstörungen. Eine halbe Million Menschen sind keine Kleinigkeit. Zu den Essstörungen gehören Magersucht, das Nicht-Essen, Bulimie, die Ess-Brech-Sucht sowie die Esssucht ,,Binge Eating“, das anfallartige Essen. Der überwiegende Anteil der Erkrankten sind Mädchen und junge Frauen. Es erkranken aber zunehmend auch Männer. Die Sterberate, liebe Kollegin Klahn, ist mit 10 bis 15 % erschreckend. Die Tendenz ist bei allen Essstörungen steigend. Diesen Trend wollen wir stoppen! Deswegen haben wir gemeinsam mit der SPD einen Antrag gestellt.
Wir fordern für Essstörungen und Suchterkrankungen Leitlinien für Schleswig Holstein. Essstörungen sind nicht nur ein individuelles Problem, sie sind ein gesellschaftliches Problem.
Schönheitsideale, sexualisierte Werbung, Magermodells, Modenschauen und Magazine diktieren uns, wie wir auszusehen haben. Es ist schwer, sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Die Auswirkungen sind ein klarer Handlungsauftrag an die Gesundheitspolitik. Wir brauchen Aufklärung und Information, Prävention und Fortbildung, Beratung und Begleitung, Therapie und Behandlung. Das ist keine Kleinigkeit, aber sonst werden wir die anstehende Entwicklung nicht stoppen können.
Für uns Grüne steht fest: Wir dürfen betroffene Frauen und Mädchen und ihre Familien nicht alleinlassen. Deswegen wollen wir diese Leitlinien als neue Grundlage für die Behandlung von Essstörungen und Suchterkrankungen in Schleswig-Holstein.