Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen. Ich eröffne die Sitzung, und wir steigen wieder in die Tagesordnung unserer Plenartagung ein. Am Anfang einige Hinweise: Erkrankt sind die Kollegin Marion Herdan und der Kollege Hartmut Hamerich. - Wir wünschen ihnen weiterhin gute Besserung.
Beurlaubt sind die Kollegen Klaus Klinckhamer und Detlef Buder sowie von der Landesregierung Ministerin Dr. Juliane Rumpf.
Auswirkungen der geplanten Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken auf die Energiepolitik in Schleswig-Holstein
Das Wort hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Dr. Robert Habeck.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! An dem Tag, an dem die Bohrungen in Asse beginnen; an dem Tag, an dem überdeutlich wird, dass wir noch nicht einmal schwach radioaktives Material sicher lagern können - und die Bergung kostet 4 Milliarden €; so billig ist Atomenergie -, an diesem Tag, an dem der Geheimvertrag der Bundesregierung mit den AKW-Betreibern deutlich wird ja, es ist ein Geheimvertrag; dieses Stück Papier muss das Licht der Öffentlichkeit wirklich scheuen -,
„Atomstreit spaltet das Land“ - das ist nicht meine Behauptung oder die der Grünen, sondern das sagt die kleine „Dithmarscher Landeszeitung“. Das ist der Kommentar der lokalen Presse. Ich verzichte darauf, weitere Kommentare aus anderen schleswig-holsteinischen Zeitungen hinzuzufügen. Atom
energie spaltet das Land, sie spaltet unser Land, sie spaltet Schleswig-Holstein. Sie stößt alle diejenigen vor den Kopf, die in erneuerbare Energien investiert und darauf vertraut haben, dass diese Investitionen langfristig sicher sind.
Atomenergie spaltet das Land, und ich füge hinzu: wieder! Diese Einigung als Atomkompromiss zu verkaufen, ist blanker Hohn. Der Kompromiss ist ein Spaltpilz, ein Atomspaltpilz.
Ein heftiger gesellschaftlicher Großkonflikt fand in der alten Vereinbarung ein einigermaßen friedliches Ende, in einem Kompromiss, der für alle Seiten empfindliche Zugeständnisse bedeutet hat, auch für die rot-grüne Regierung. Wir haben damals heftige parteiinterne Konflikte darüber gehabt, ob der gefundene Kompromiss nicht zu großzügig ist. Aber es war ein Kompromiss, der von vielen Seiten unterschrieben wurde und der wirklich so etwas wie einen Konsens herstellte.
Ich zitiere einmal aus dem alten Atomkonsens, der schlicht ,,Vereinbarung vom 14. Juni 2000" heißt. Dort heißt es - Zitat, mit Verlaub -:
„Der Streit um die Verantwortbarkeit der Kernenergie hat in unserem Land über Jahrzehnte hinweg zu heftigen Diskussionen und Auseinandersetzungen in der Gesellschaft geführt. Unbeschadet der nach wie vor unterschiedlichen Haltung zur Nutzung der Kernenergie respektieren die EVN die Entscheidung der Bundesregierung, die Stromerzeugung aus Kernenergie geordnet beenden zu wollen.“
„Vor diesem Hintergrund verständigen sich Bundesregierung und Versorgungsunternehmen darauf, die künftige Nutzung der vorhandenen Kernkraftwerke zu befristen.“
Das wurde auch von den Atomkraftbetreibern unterschrieben. Und jetzt ist das aufgekündigt worden. Mit dem Atomkonsens wurde ein alter, jahrzehntealter, gesellschaftlicher Konflikt befriedet und in ein geordnetes Verfahren zur Beendigung überführt. Zwölf Jahre Restlaufzeit, und auf Drängen der Industrie wurde der Druck vom Kessel zusätzlich noch einmal rausgenommen, die Restlaufzeiten wurden in Reststrommengen umgerechnet, damit für Sicherheit und Reparaturen der zeitliche
Druck wegfiel. Ebenfalls wurde auf Drängen der Industrie die Übertragung von Strommengen erlaubt, damit die ökonomisch und sicherheitstechnisch besseren Atommeiler begünstigt werden können.
Meine Damen und Herren, das war die Brücke ins Zeitalter der erneuerbaren Energien, das war sie bereits. Seitdem hat sich der Ausbau der Leistungen der erneuerbaren Energien über Erwarten entwickelt, und seitdem ist die Mär von der fehlenden Grundlastsicherheit entlarvt worden.
Wozu, bitte, soll eine Brücke verlängert werden, wenn sich der Abstand verkleinert hat? Das ist unlogisch, meine Damen und Herren, und das ist falsch. Die Laufzeitverlängerung ist einzig und allein ein Milliardengeschenk an die Stromkonzerne.
Seit heute wissen wir, dass es auch noch ein Knebelvertrag für alle kommenden Regierungen ist, an dessen Verfassungsmäßigkeit man zweifeln kann. Es ist außerdem ein Vertrag, mit dem das Parlament seiner Rechte beraubt wird. Das darf man der Bundeskanzlerin nicht durchgehen lassen.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, vor allem von der FDP, Sie werfen sich oft gern in Pose, wenn es um die Interessen unseres Landes geht. Jetzt müssen Sie zeigen, dass das kein Maulheldentum ist, jetzt müssen Sie springen. Halten Sie Wort, kämpfen Sie! Zur Not klagen Sie gegen das Atomgesetz, sorgen Sie dafür, dass es im Bundesrat verhandelt wird, und lehnen Sie es dort ab!
Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin in meiner Zeit als Umweltminister immer wieder gefragt worden - auch von Freunden -: Wie kann es sein - du bist doch in der CDU, du bist im Wirtschaftsrat, du bist mittelstandsfreundlich, du bist konservativ, alle die, die wir kennen und dort einordnen, sind für Kernenergie -, dass du in Bezug auf die langfristige Nutzung der Kernenergie kritisch bist? Ich habe immer argumentiert: Weil ich für Generationengerechtigkeit bin, weil ich dagegen bin, dass wir auf dieser Erde mehr verbrauchen, als wir unbedingt benötigen, und weil wir der Generation nach uns am Ende Probleme hinterlassen, die wir selber nur weggeschoben haben.
Darum sage ich auch heute noch: Wenn wir regenerative Energien haben, die grundlastfähig sind, die spitzenlastfähig sind, wenn wir das gewährleisten können, bin ich sofort dabei, so schnell wie möglich aus der Kernenergie auszusteigen. Das unterschreibe ich auch heute noch.
Ich habe vor zwei Jahren dafür gekämpft, dass die CDU in ihr Bundesprogramm endlich hineinschreibt, dass auch für uns Kernenergie nur Übergangstechnologie ist. Das war für die Union kein einfacher Schritt.
- Schreien Sie! Lautstärke ersetzte bei Ihnen schon immer Argumente. Das macht die Sache nicht besser.
Ich habe eines festgestellt: Wenn man sich als Umweltminister damit beschäftigt - ich war später auch für die Kernkraft zuständig -, stellt man fest, dass wir uns in einer ziemlich verlogenen Debatte befinden.
Hier im Landtag diskutieren wir immer wieder über die Kernenergie, obwohl wir alle genau wissen, wie wenig wir Energiefragen direkt aus diesem Landtag heraus beeinflussen können.
- Herr Stegner, dann müssen Sie der Bevölkerung erklären, warum Sie in diesem Land 21 Jahre regiert haben und alle Kernkraftwerke gelaufen sind. Erklären Sie das der Bevölkerung! Erklären Sie der Bevölkerung in Moorburg, warum ein Kohlekraft
werk gebaut wird, das Sie nicht wollen, das aber eine Behörde mit einer Grünen an der Spitze genehmigen muss!
Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß, dass die überwiegenden Entscheidungen in Berlin getroffen werden. Das heißt, wir können uns eine schöne „Emo“-Debatte leisten - die ist dann gut für die Grünen und für Herrn Stegner, weil er sich freut -, aber sie bewirkt zunächst einmal gar nichts. Streuen Sie den Menschen keinen Sand in die Augen.
- Ich lasse jetzt keine Zwischenfragen zu. - Sie tun immer so, als gebe es keine Energielücke. Das wird von Ihnen ja behauptet, interessanterweise nur von Ihnen. Herr Gabriel hat als Bundesumweltminister genau davor gewarnt und immer gesagt: Wenn wir aus der Kernenergie so aussteigen, wie wir es vereinbart haben, brauchen wir den massiven Zubau neuer Kohlenkraftwerke.
Das sagte die Bundesregierung, das damalige Umweltministerium, SPD-geführt, das sagen die Landesregierungen, die rot-grün regiert werden und in denen Kohle produziert wird.