Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle ganz herzlich.

Herr Abgeordneter Heiner Rickers von der CDU hat heute Geburtstag.

(Beifall)

Ich gratuliere Ihnen im Namen des Hauses und wünsche Ihnen für Ihr neues Lebensjahr alles Gute.

Begrüßen Sie mit mir bitte auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Geschwister-PrenskiSchule und der Grund- und Hauptschule Ricklingen. - Herzlich willkommen! Einen angenehmen Tag im Haus!

(Beifall)

Erkrankt sind weiterhin von der SPD Frau Abgeordnete Dr. Gitta Trauernicht und Herr Abgeordneter Lothar Hay. Beiden gute Besserung!

(Beifall)

Ich erfahre gerade, dass auch die Abgeordnete Ellen Streitbörger weiterhin krank ist. Ich wünsche auch ihr gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt sind von der Landesregierung Frau Ministerin Dr. Juliane Rumpf und Herr Minister Jost de Jager.

Noch eine Information zur Tagesordnung: Wir ordnen die Tagesordnungspunkte 19 und 6 nach dem Tagesordnungspunkt 42 ein.

Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 29 auf:

Stand der Integration in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/904

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/937

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Astrid Damerow für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr als 15 Mil

lionen Menschen in Deutschland, davon etwa 360.000 in Schleswig-Holstein, haben eine Zuwanderungsgeschichte. Das heißt, Integration muss für uns eine Schlüsselaufgabe sein. Herr Sarrazin hat mit seinem Buch viel Wirbel ausgelöst und eine Menge Pauschalurteile in die Welt gesetzt. Doch wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass dadurch eine Diskussion ausgelöst wurde, die vielleicht nicht immer unseren Vorstellungen von politischer Korrektheit entspricht, aber ganz offensichtlich die Menschen in unserem Land umtreibt.

Es muss uns allen Sorge bereiten, dass es trotz vieler Maßnahmen und Fortschritte in großen Teilen der Bevölkerung seit Jahren eine ernstzunehmende Unzufriedenheit und Ungeduld mit dem Stand der Integration in unserem Lande gibt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ist uns bisher nicht gelungen, diese Unzufriedenheit aufzunehmen und durch politisches Handeln hier einen Konsens in unserer Gesellschaft herzustellen. Wir brauchen endlich eine offene und vor allem sachliche Auseinandersetzung, die Aufgaben, Erfolge und Probleme von Integration und Migration benennt.

Wir müssen feststellen, dass sich die Träume von rot-grüner multikultureller Harmonie nicht erfüllt haben, sondern im Gegenteil in Parallelgesellschaften, Sprachlosigkeit und Missverständnissen endeten. Wirkliche Integration fand nicht statt.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Abge- ordneten Rolf Fischer [SPD])

Eine konsequente und umfassende Integrationspolitik gibt es erst seit einigen Jahren. Es war die CDU-geführte Bundesregierung, Herr Fischer, die dieses Thema auf ihre Agenda gesetzt hat. Seit 2005 gibt es eine Integrationsministerin, und wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen angestoßen.

Wir führen Integrationskurse durch. Einbürgerungstests sind verpflichtend. Es war übrigens nicht ganz einfach, das gegen den Widerstand der SPD durchzusetzen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Im Nationalen Integrationsplan sind Bund, Länder, Kommunen und Migrantenorganisationen mehr als 400 Selbstverpflichtungen eingegangen. Mit der Deutschen Islam Konferenz hat ein verstärkter Dialog zwischen staatlichen und muslimischen Vertretern begonnen.

Auch in Schleswig-Holstein hat Integrationsarbeit eine hohe Bedeutung. Ich danke hier dem Minister

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für Integration für seinen Anstoß, einen Aktionsplan zur Integration, vor allem als Querschnittsaufgabe, zu erarbeiten. Ebenso zeigt unsere Landesregierung durch die Ernennung eines Beauftragten für Integration, dass für sie dieses Thema oben auf der Agenda steht. Ich möchte meinem Kollegen Peter Lehnert ganz herzlich für die Arbeit danken, die er sich in den vergangenen Monaten gemacht hat. Wir konnten ja in der Presse verfolgen, wie sehr er das Gespräch mit Migrantengruppierungen gesucht hat.

(Beifall bei CDU und FDP)

All dies zeigt auch Erfolge, die meisten Menschen mit Migrationshintergrund sind gut integriert und Teil unserer Gesellschaft. Doch wir erleben eben auch Integrationsverweigerung. Gerade hier brauchen wir eine offene Debatte. Es muss erlaubt sein, hier Defizite anzusprechen, und zwar nicht nur die Defizite der aufnehmenden Bevölkerung, sondern auch die Versäumnisse der Integrationsverweigerer, und zwar ohne gleich in die ausländerfeindliche Ecke gestellt zu werden.

Wir müssen darüber diskutieren, welche Integrationsanstrengungen die Mehrheitsbevölkerung unternehmen muss und welche Leistungen wir als völlig selbstverständliche Eigenleistung verlangen können. Wir leben in Deutschland nach bestimmten Regeln, Gesetzen und Wertvorstellungen. Also müssen wir uns auch die Frage stellen: Wie gehen wir mit Menschen um, die diese Grundregeln nicht beachten wollen? Wenn man also Farbe bekennt und diese Wertordnung hochhält, dann darf man sich nicht verweigern, bei Verstößen klare Konsequenzen zu benennen. Das ist etwas, was ich bisher in vielen Positionierungen vermisse.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn man die Frage stellt: „Was machen wir in Fällen von Straftätern, von Zwangsverheiratungen oder in Fällen, wo es bestimmten kulturellen oder familiären Strukturen zuwiderläuft, dass zum Beispiel Frauen am Wahlrecht oder am Gesellschaftsleben frei teilnehmen dürfen?“, dann ist eine häufige Antwort, das seien Einzelfälle, die dürfe man nicht zur Regel erklären, da dürfe man nicht pauschalisieren.

Das ist sicherlich richtig. Aber die Frage bleibt trotzdem: Sind wir bereit zu sagen, dass man in solchen krassen Fällen gegebenenfalls das Aufenthaltsrecht eben nicht verlängert, keine Einbürgerung vornimmt oder die staatliche Unterstützung kürzt? Oder sagen wir nur, die Anstrengungen von

Staat und Gesellschaft müssen hier noch weiter gehen?

Wir meinen Nein. Bei hartnäckiger Integrationsverweigerung müssen unsere Sanktionsmöglichkeiten konsequent angewandt werden. Übrigens hat das Herr Gabriel in dieser Woche auch so gesagt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ebenso darf die Diskussion um Rassismus und Toleranz nicht nur in eine Richtung zielen. Rassismus und mangelnde Toleranz finden wir durchaus auch bei verschiedenen Migrationsgruppen. Ebenso muss es heißen: freie Ausübung der Religionen ja, aber unter Wahrung unseres Grundgesetzes und unserer Normen.

Das sind nur einige der Fragen, vor denen wir hier stehen und wo wir klare Positionen beziehen müssen. Die Diskussion um die Integration darf nicht allein nur aus der Sicht der zu Integrierenden geführt werden. Das wäre übrigens auch gegenüber den Menschen ungerecht, die bestens integriert in unserem Land leben.

Wir haben hier noch viel Diskussionsbedarf, vor allem aber viel Arbeit vor uns. Unser Antrag soll dazu ein Auftakt sein. Denn am Anfang jeder Integration muss der Erwerb unserer Sprache stehen. Sie ermöglicht die Teilhabe an Bildung, Erwerbsleben und erleichtert soziale Integration. Nur wenn wir endlich eine ehrliche Debatte zulassen, werden wir erreichen, dass Thesen im Stile eines Thilo Sarrazin tief in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, denn da gehören sie auch hin.

Zum Antrag der SPD: Es ist ein sehr umfassender Antrag, der eine Menge Haushaltsthemen berührt. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie diesen Antrag im Rahmen der Haushaltsdebatte stellen. Die CDUFraktion wird diesen Antrag ablehnen, weil er in keiner Weise die Zielrichtung verfolgt, die wir mit unserem Antrag beabsichtigen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Integration ist ein Megathema unserer Zeit. Es ist eindeutig ein Thema, wo es um Fördern und Fordern, um Geben und Nehmen geht.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (17. WP) - 30. Sitzung - Donnerstag, 7. Oktober 2010 2487

(Astrid Damerow)

Das Geben heißt fördern der Menschen, die zu uns gekommen sind, was gerade in einem Land, wo vor Jahrzehnten Menschen haben flüchten müssen, eine besondere historische Verpflichtung ist. Nehmen heißt: Die Werte des Grundgesetzes, die Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Gleichheit von Mann und Frau, Gewaltmonopol des Staates, gelten für alle: für Deutsche und Nichtdeutsche. Artikel 1 des Grundgesetzes lautet ja auch: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dort steht nicht: Die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)