Wir haben in Schleswig-Holstein eine gute Tradition, was dieses Thema angeht, von Hans Peter Bull bis - ich sage das ausdrücklich - zu Ihnen, Herr Minister Schmalfuß, mit den Beiträgen, die Sie geliefert haben. Anders als gestern, als ich die Kollegen der CDU ermahnt habe, sich von der FDP nicht rückwärts führen zu lassen, würde ich jetzt in umgekehrter Richtung an Sie appellieren, Herr Kollege von Boetticher: Halten Sie Schritt mit dem Integrationsminister, Herrn Schmalfuß, gehen Sie mit nach vorn und blockieren Sie das nicht!
Ich wundere mich darüber, dass wir einerseits das Buch von Herrn Sarrazin haben, in dem, statt Probleme und Erfolge gleichermaßen zu beleuchten, eine Sprache gepflegt wird, die Ressentiments fördert. Es geht nicht um Schwärmerei, sondern darum, dass man konkret etwas tut, und man tut mehr dafür, wenn man in Problemstadtvierteln arbeitet, als wenn man solche Bücher schreibt und damit viel Geld verdient. Das ist meine feste Überzeugung.
Andererseits gilt, Herr Kollege von Boetticher, dass die eher selbstverständliche Rede des Herrn Bundespräsidenten schwere Debatten bei Ihnen auslöst, weil sich die Konservativen herausgefordert fühlen und gern ihre Leitkultur demonstrieren wollen. Unsere Leitkultur ist das Grundgesetz, sehr verehrter Herr Kollege.
Es ist ein sozial- und bildungspolitisches Thema, und es geht um harte Integrationsarbeit. Der Antrag, Frau Kollegin Damerow, von CDU und FDP ist nichtssagend. Ich frage mich, wofür Sie Herrn Lehnert gerade gelobt haben, wenn Sie nach einem Jahr solche Fragen stellen müssen. Unser Antrag,
von dem Sie sagen, er habe nichts mit Ihren Intentionen zu tun - das finde ich interessant -, macht das konkret. Sie können nicht hehre Worte sprechen und mit dem Rotstift alles beseitigen, worüber wir hier eigentlich reden.
Unser Antrag ist sehr konkret. Wir wollen - Frau Kollegin Midyatli wird das gleich noch ergänzen und auf ein paar Widersprüche hinweisen -, dass Integrations- und Sprachkurse tatsächlich stattfinden, dass die erreichbar sind, dass die finanziert sind, dass die qualitativ gut sind, dass man darauf nicht warten muss, dass die Sprachkurse Sprache vermitteln. Wir wollen, dass sie auf den Arbeitsmarkt führen, sodass die Benachteiligten Chancen haben, tatsächlich leben zu können, sich ihren Lebensunterhalt selber verdienen zu können. Wir wollen, dass Angebote für junge Familien nicht um Migrations- und Sozialberatung gestrichen werden, sondern stattfinden. Wir wollen, dass in Kitas und Schulen längeres gemeinsames Lernen und Förderung benachteiligter Kinder stattfindet. Es zieht sich ein roter Faden durch die Plenardebatten, von der Aktuellen Stunde über die Schulgesetzdebatte bis zur heutigen Integrationsdebatte: Wir müssen mehr tun, um alle mitzunehmen, gerade diejenigen, die benachteiligt sind. Deswegen ist das Thema Integration sehr wichtig.
Im öffentlichen Dienst müssen wir dafür sorgen, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer und auch Polizisten mit Migrationshintergrund Einsatz finden. Ich sage Ihnen auch - hier richte ich mich an die Union -: Gesellschaftliche Teilhabe muss doch auch heißen, dass Menschen, die hier leben, ihre Steuern bezahlen, arbeiten, auch wählen dürfen, auch dieses Bürgerrecht wahrnehmen können. Dies dürfen wir nicht beschränken.
Ganz besonders schlimm finde ich - deshalb haben wir dies beantragt -, dass in Ihrem Entwurf die Maßnahmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit buchstäblich ausgelöscht werden. Das ist ein Skandal!
Wir brauchen Toleranz. Es ist schlimm genug, dass Nazis immer noch ihr Unwesen treiben. Darüber aufzuklären und hier etwas zu tun, ist unsere gemeinsame Verpflichtung.
Das Thema Integration hat ganz viel mit Toleranz zu tun, und ich wünsche mir, dass ein Minister wie Herr Schmalfuß, der nicht nur in der Atomdebatte, sondern auch in der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft vernünftige Positionen bezieht, nicht den Rüffel eines Regierungschefs einstecken muss, der sozusagen den konservativen Teil seiner eigenen Partei befriedigen will. Herr Minister Schmalfuß, Sie haben da die Unterstützung des gesamten Hauses verdient. Unsere haben Sie jedenfalls in dieser Angelegenheit!
Denn beim Thema Integration müssen Worte und Taten zusammenpassen. Einerseits müssen wir die Hand denen reichen, die zu uns gekommen sind. Andererseits müssen wir alles dafür tun, dass unsere Werteordnung akzeptiert wird. Die Probleme dürfen nicht ignoriert werden. Die Menschen dürfen nicht sagen, dass die Politik im Glashaus sitzt. Aber wir müssen konkret etwas tun, um die Probleme zu lösen. Hier sind die Beispiele genannt.
Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie sich das noch einmal überlegen, Frau Kollegin Damerow. Unsere in dem Antrag aufgeführten Punkte sollten eigentlich die Haltung des gesamten Hauses sein, weil sie das beschreiben, was bei der Integration im Augenblick Stand der Dinge ist. Ich würde mir sehr wünschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie das auch so sehen und unserem Antrag zustimmen.
„Schleswig-Holstein ist ein weltoffenes Bundesland. Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist für die Entwicklung Schleswig-Holsteins und den gesellschaftlichen Frieden in unserem Land unverzichtbar. Grundvoraussetzung für Integration ist das Beherrschen der deutschen Sprache. Bildung und Arbeit sind weitere Eckpfeiler für eine erfolgreiche Integrationsarbeit. CDU und FDP werden das Integrationskonzept des Landes Schleswig-Holstein fortführen.“
Ich danke für den Applaus, denn das ist der auszugsweise Text zum Thema Integration und Ausländerpolitik von Seite 44 des Koalitionsvertrages zwischen CDU und FDP. Mit unserem Antrag Drucksache 17/904 starten wir die Umsetzung.
(Beifall der Abgeordneten Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Ro- bert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Menschen unterschiedlicher Herkunft sind inzwischen fester Bestandteil unserer Gesellschaft und kulturellen Vielfalt geworden. Und wir Deutschen sind uns der besonderen Verantwortung beim Umgang mit den Migrantinnen und Migranten sehr bewusst.
Unsere Angst, etwas falsch zu machen, nationale Gefühle oder andere Religionsanschauungen zu verletzten, sitzt tief. Unsere selbstkritische Haltung, die uns die Geschichte gelehrt hat, ist aber keine Schwäche. Die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die Politik und auch an die Migrantinnen und Migranten selbst zeugt von einem mittlerweile gewachsenen und gerechtfertigten Selbstbewusstsein. Um es deutlich zu sagen: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben in diesem Land keinen Platz.
Jede freiheitliche, demokratische Gesellschaft beruht auf fundamentalen Gemeinsamkeiten. Sie besteht im gegenseitigen Miteinander und Vertrauen, vor allen Dingen in der gegenseitigen Akzeptanz der Unterschiedlichkeiten. Dies gilt auch und insbesondere - für Religionsgemeinschaften.
15,6 Millionen Ausländer in der Bundesrepublik, also 19 %, circa 350.000, also circa 13 % in Schleswig-Holstein, sind in unser Land gekommen, um hier zu leben - aus völlig unterschiedlichen Gründen.
- Viele davon sind hier auch geboren. Ich nehme an, Sie werden uns die Zahlen gleich vorlegen. Das macht im Übrigen aber überhaupt keinen Unterschied. Sie sind bei uns willkommen, und wir unterstützen sie durch zahlreiche Maßnahmen in verschiedenen Handlungsfeldern.
Im Gegenzug erwarten wir ein klares Bekenntnis der Migrantinnen und Migranten zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung und deren Grundwerte und die Bereitschaft zur Integration.
Das bedeutet auch das Erlernen der deutschen Sprache. Ohne diese Kenntnis ist jede Integrationsmaßnahme nichts wert, weil weder eine Migrationsberatung noch ein Jugendmigrationsdienst zum Beispiel das gesetzte Ziel erreichen kann, wenn derjenige, der etwas davon haben soll, die Worte seines Gegenübers nicht versteht, oder - noch schlimmer missversteht.
Wir wollen in Schleswig-Holstein gemeinsam mit den Migranten leben, aber wir dürfen auch erwarten, dass sie das mit uns wollen.
Unser Ziel ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund gleiche Bildungs- und Berufschancen erhalten und sie umfassend am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen. CDU und FDP haben deshalb einen Antrag eingebracht, der die zahlreichen Initiativen des Ministers für Justiz, Gleichstellung und Integration zur Verbesserung der Integration ausdrücklich unterstützt. Aber wir wissen natürlich, dass es für einen wirklichen gemeinsamen Weg trotz vieler Fortschritte noch Handlungsbedarf gibt. Darüber wollen wir offen reden und diskutieren.
Um diesen konkret festzustellen und darauf weitere, auch finanzierbare, Initiativen für die Zukunft aufzubauen, finden wir es richtig, zunächst einen Sachstandsbericht der Landesregierung zu erhalten. Wir müssen wissen, wie die in Schleswig-Holstein angebotenen Integrations- und Sprachkurse angenommen werden und Schlüsse daraus ziehen, was und wie gegebenenfalls etwas geändert oder verbessert werden muss.
Das bestehende Angebot an Integrationsmaßnahmen in Schleswig-Holstein kann sich bereits jetzt sehen lassen. Der Aktionsplan Integration mit überprüfbaren Zielen ist wegweisend für viele andere Bundesländer.
Wie ich hier gerade sehe, muss ich aufhören. Deswegen will ich nur noch darauf eingehen, dass der Änderungsantrag genau zeigt, dass es natürlich auch um finanzielle Fragen geht. Aber ich möchte
an dieser Stelle eines dazu sagen: Ein faires, friedliches und produktives Zusammenleben hängt nicht nur von den Finanzen ab, sondern zu einem großen Teil vom Willen und Handeln aller Beteiligten.