Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 8. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Beurlaubt sind für den heutigen Vormittag Herr Abgeordneter Lothar Hay, ganztägig Frau Vizepräsidentin Anita Klahn, von der Landesregierung heute Vormittag Herr Minister Jost de Jager und am Nachmittag Herr Finanzminister Rainer Wiegard.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolgen mit folgenden Maßgaben zu behandeln. Zu den Tagesordnungspunkten 5, 7, 9, 19, 27, 36, 37, 40 und 45 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 3, 6, 17 a), 22, 25, 33, 35, 38 und 43. Der Antrag zu Tagesordnungspunkt 34 wurde von den Antragstellern zurückgezogen.

Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 13 und 41, Große Anfrage sowie Bericht der Landesregierung zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, Tagesordnungspunkte 8 und 21, erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer und Antrag Zukunft finanzieren - Steuereinnahmen steigern sowie die Anträge 26, 29 und 32, Anträge zum Hochschulgipfel für Schleswig-Holstein, Hochschulpolitischen Konzept der Landesregierung sowie zum Erhalt des Wissenschaftsraums Schleswig-Holstein.

Ich weise darauf hin, dass die Wahl der Mitglieder zur 14. Bundesversammlung für Donnerstagmorgen nach dem Tagesordnungspunkt 30, für circa 10:30 Uhr, vorgesehen ist. Ich bitte Sie um besondere Beachtung dieser Wahl und um Anwesenheit.

Des Weiteren ist vorgesehen - dazu gibt es aber auch gleich Wortmeldungen -, den Tagesordnungspunkt 11, Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes, Drucksache 17/610, in erster und zweiter Lesung in dieser Tagung zu behandeln. - Dazu sehe ich Wortmeldungen zur Geschäftsordnung. Zunächst hat für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Jürgen Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tagesordnung der 8. Tagung des Landtags steht der Tagesordnungspunkt 11, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes, der heute Nachmittag zur ersten Lesung aufgerufen werden soll. Ich sage noch einmal deutlich, dass wir es bei einem solchen Gesetzentwurf, der in einem entscheidenden Punkt die Politik des Landes verändern soll, der in erheblichem Maße finanzrelevant ist und das ganze Land betrifft, für inakzeptabel halten, das in zwei Lesungen in einer Tagung ohne ausführliche Ausschussberatung durchzuführen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

In aller Kürze sage ich, dass es einen formalen und einen inhaltlichen Hintergrund gibt, weshalb wir den Antrag stellen, die zweite Lesung von der Tagesordnung am Freitag abzusetzen. Ich verweise auf § 25 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung, wo es heißt:

„Zu Gesetzentwürfen, Haushaltsvorlagen oder einer über den Bereich des Landes hinausgehenden Vereinbarung, die wichtige kommunale Belange berühren,“

- das wird man in diesem Fall sicherlich nicht bestreiten können

„sollen die auf Landesebene bestehenden kommunalen Spitzenverbände schriftlich oder mündlich gehört werden. Von der Anhörung kann nur abgesehen werden, wenn aus den Vorlagen die Auffassung der kommunalen Spitzenverbände ersichtlich ist.“

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, enthält nicht ein einziges Wort der Begründung. Unserer Auffassung nach ist es deswegen sowohl formal als auch von der politischen Tragweite dieses Beschlusses her zumindest angängig, dass eine Beratung in den Fachausschüssen durchgeführt werden kann. Nach einer solchen kann der Gesetzentwurf frühestens im Juli in zweiter Lesung beschlossen oder nicht beschlossen werden. Wir beantragen Absetzung des Punktes 11, also der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs, von der Tagesordnung für Freitag.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion plädiert noch einmal eindringlich dafür, ein normales Verfahren mit einer Ausschussanhörung durchzuführen. Die Änderung des Gesetzes betrifft Tausende von Eltern, letztlich wird damit ein Wahlversprechen zurückgenommen. Ich finde, es gebieten der Anstand und die Demokratie, dass wir diejenigen, die betroffen sind, anhören.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, zumindest das sollten Sie eingestehen und aushalten können.

Das an dieser Stelle durchzuziehen und durchzupauken, ist der falsche Weg. Es widerspricht auch der Geschäftsordnung. Das ist schon vorgelesen worden. Die Geschäftsordnung sagt, dass man entweder die kommunalen Spitzenverbände anhören soll oder aber aus dem Gesetz hervorgehen muss, dass sie eine Stellungnahme abgegeben haben. Beides ist hier nicht der Fall.

Das heißt, Sie verstoßen bewusst gegen die Geschäftsordnung, Sie brechen ein Wahlversprechen, und sie verweigern sich, zu einem Gesetz, was Tausende von Menschen in diesem Land betrifft, eine ordentlichen Aussprache durchzuführen. Das ist eine Schande. Das möchte ich am Anfang dieser Debatte sagen. Also, lassen Sie uns bitte die zweite Lesung erst in der Juli-Plenartagung durchführen. Meine Fraktion beantragt dies hiermit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Kollegen Axel Bernstein.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition von CDU und FDP hat sich entschlossen, die Abschaffung der Beitragsfreiheit für die Eltern im dritten Kindergartenjahr zur Abstimmung zu stellen, und hat sich vorgenommen, dafür den Landeszuschuss für den laufenden Betrieb von

Kindertagesstätten zu erhöhen. Dieser ganze Sachverhalt ist Gegenstand einer intensiven Parlamentsberatung im Jahr 2008 gewesen.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich will mit aller Deutlichkeit sagen: Auch wenn es sicherlich nicht zur Regel in diesem Haus werden soll, dass wir erste und zweite Lesung in einer Tagung durchführen, gibt es wichtige Gründe, dass das aus unserer Sicht in diesem Fall notwendig ist.

Zunächst einmal bezieht sich die Regel, die Sie eben aus unserer Geschäftsordnung zitiert haben, auf Vorlagen der Regierung und nicht auf Vorlagen der Fraktionen.

Zum Zweiten - das ist der inhaltlich entscheidende Punkt -: Am 1. August beginnt das neue Kindergartenjahr. Wenn wir hier als Landtag im Juni oder Juli den Beschluss in diese Richtung fassen, müssen danach die Träger der Kindertagesstätten und die Kommunen ihre Satzungen anpassen. Wir wissen alle, dass in diesem Sommer - genau wie in jedem anderen Jahr auch - Sommerferien stattfinden werden. Wir wollen sicherstellen, dass die Träger und Kommunen Zeit haben, ihre Satzungen anzupassen, damit nicht ein Umstand oder eine Situation entsteht, in der wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändert haben, aber die Träger ihre Satzungen nicht anpassen konnten und am Ende für ein oder zwei Monaten auf den Kosten sitzen bleiben.

Vor dem Hintergrund bitte ich - auch wenn es ein außergewöhnliches Verfahren ist - an dieser Stelle um Zustimmung.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort zur Geschäftsordnung erteile ich für die Fraktion des SSW Herrn Kollegen Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir als SSW finden es absolut nicht angemessen, ein solches Verfahren anzuwenden, dieses Gesetz mit einer solch großen Tragweite so durchzupeitschen, wie es sich die Koalition vorstellt.

Wir sind der Auffassung, dass wir im Haushalt des Landes Schleswig-Holstein in diesem Parlament für das Jahr 2010 Mittel zur Verfügung gestellt haben, die sicherstellen, dass wir ein beitragsfreies Kindergartenjahr auch gewähren können.

(Zurufe von der FDP)

Die Leute verlassen sich darauf. Sie haben sich darauf verlassen, ganze Familien haben dies in ihre eigene kleine Finanzplanung mit aufgenommen. Das möge man bitte nicht vergessen. Die Menschen rechnen damit oder haben damit gerechnet, dass sie sich auf die Politik verlassen können. Dass man jetzt das Ganze in einem Hoppla-Hopp-Verfahren wieder umdrehen will, ist nach unserer Auffassung nicht zu akzeptieren.

Wir sagen von unserer Seite: Wir wollen nicht formaljuristisch argumentieren. Das kann man machen, aber nach unserer Auffassung ist es so: Wenn solche gravierenden Entscheidungen getroffen werden sollen, dann haben Verbände, Elternorganisationen und alle anderen auch das Recht, sich an diesem Verfahren beteiligen zu können und ihre Meinung äußern zu können. Sie beschneiden die Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein in ihrer Meinungsbildung. Das ist das, was wir eigentlich verurteilen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir verurteilen dies, weil dies mit Demokratie und Demokratieverständnis sowie mit der Motivation von Bürgern, sich an der Politik zu beteiligen, absolut nichts zu tun hat. Damit sind Sie der Totengräber der Bürgerbeteiligung in diesem Land.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zur Geschäftsordnung erhält Herr Kollege Schippels für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Wir sind noch relativ neu im Parlament, aber wir sind verwundert darüber, wie Sie mit uns umgehen. Herr Bernstein, Sie sagen, Sie hätten im Jahr 2008 darüber diskutiert. Auch viele Mitglieder Ihrer Regierungsfraktion waren damals noch nicht in diesem Landesparlament. Ich denke, dass eine solche Gesetzesänderung einer umfassenden Debatte bedarf. Ich glaube, es besteht nun schon das dritte oder das vierte Mal die Tatsache, dass von den Regierungsfraktionen oder von der Landesregierung Gesetzentwürfe eingebracht werden, die in erster und zweiter Lesung im Rahmen einer Tagung verabschiedet werden sollen. Wir wenden uns generell gegen dieses Verfahren. Ich dachte auch, dass

(Dr. Axel Bernstein)

wir uns darauf geeinigt hätten, dass dies nicht mehr stattfindet. Offensichtlich halten Ihre Verabredungen mit uns nicht sehr lange.

Ich möchte noch einen anderen Aspekt hinzufügen. Es gibt einen Gesetzentwurf meiner Fraktion, der hier in erster Lesung beraten worden ist. Dieser beantragt, die Beitragsfreiheit auf alle drei Kindergartenjahre auszudehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich mich recht erinnere, dann ist die zweite Lesung noch nicht erfolgt. Ich finde es parlamentarisch falsch von den Regierungsfraktionen, den im Parlament und im Verfahren stehenden Gesetzentwurf einfach so wegzubürsten.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor. Es ist der Antrag gestellt worden, die zweite Lesung für Freitag von der Tagesordnung abzusetzen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag der Oppositionsfraktionen abgelehnt.

Wann dieser und die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 8. Tagung. Wir werden heute und morgen jeweils unter Einschluss einer verkürzten einstündigen Mittagspause von 14 bis 15 Uhr längstens bis 19 Uhr tagen. Für Freitag ist keine Mittagspause vorgesehen, da die Sitzung gegen 13 Uhr enden soll. - Ich höre keinen Widerspruch, wir werden so verfahren.

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler sowie die sie begleitenden Lehrkräfte des Klaus-Harms-Gymnasiums aus Kappeln. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Die Abgeordnete Ursula Sassen hat heute Geburtstag. Ich beglückwünsche Sie herzlich und wünsche Ihnen alles Gute für das neue Lebensjahr, Gesundheit, Freude und viel Glück.