Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, muss ich Ihnen mitteilen, dass es folgende Krankmeldungen gibt: Krankgemeldet haben sich die Kolleginnen Susanne Herold, Luise Amtsberg und Silke Hinrichsen. Den drei Kolleginnen wünschen wir von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt sind für heute die Abgeordneten Hartmut Hamerich für die Zeit von 10 Uhr bis 15 Uhr und Serpil Midyatli ganztägig, Bernd Schröder für die Vormittagssitzung, Andreas Beran für den Nachmittag. Von der Landesregierung ist Ministerpräsident Peter Harry Carstensen beurlaubt.

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich unsere Gäste. Das sind Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte von der Gemeinschaftsschule Kellinghusen. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 30 und 54 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Beschäftigungsmöglichkeiten für von den Standortschließungen der Bundeswehr betroffene zivile Mitarbeiter schaffen

Antrag der Fraktion des SSW Drucksache 17/2255

b) Bundeswehrreform und Standortschließungen

Bericht und Beschlussempfehlung des Innenund Rechtsausschusses Drucksache 17/2269

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Innenund Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Thomas Rother, das Wort.

6172 Schleswig-Holsteinischer Landtag (17. WP) - 72. Sitzung - Donnerstag, 23. Februar 2012

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innen -und Rechtsausschuss hat sich in seiner Sitzung am 1. Februar mit den ihm vom Landtag überwiesenen Vorlagen zum Thema „Bundeswehrreform und Standortschließungen“ befasst. Ebenso hat sich der Wirtschaftsausschuss am 1. Februar im Wege der Selbstbefassung mit diesen Anträgen beschäftigt. In Übereinstimmung mit dem Wirtschaftsausschuss legt Ihnen der Innen- und Rechtsausschuss mit Drucksache 17/2269 im Wege der Selbstbefassung eine Entschließung, die einstimmig vom Wirtschaftsausschuss und vom Innenund Rechtsausschuss getragen wird, mit der Bitte um Annahme vor. Zum Text verweise ich auf die Vorlage.

Ich danke dem Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende einstimmige Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses macht noch einmal deutlich, wie schwer Schleswig-Holstein von der Strukturreform bei der Bundeswehr getroffen ist. Wir stehen vor Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Daher ist es gut und richtig, dass wir dieses Signal auch den betroffenen Standorten und Regionen im Land geben.

Klar ist aber auch, dass dieser gemeinsamen getragenen Resolution entsprechende Maßnahmen folgen müssen. Leider haben die Erfahrungen mit den bisherigen Bundeswehrstrukturreformen gezeigt, dass es nicht leicht wird, solche Einschnitte aufzufangen, und die Konversionsmaßnahmen vom Bund zählten bisher nicht zu den Erfolgsprogrammen. Viele Regionen im Land haben immer noch mit den Auswirkungen der letzten Reform zu kämpfen.

Vom Bund wurde ein Reformbegleitprogramm auf den Weg gebracht mit unterschiedlichen Ansätzen, das bis 2017 befristet ist. Für die flankierenden Maßnahmen zum Programm bedarf es zusätzlich einer gesetzlichen Regelung. Wir wissen aber, dass sich das Begleitgesetz derzeit noch im Gesetz

gebungsverfahren befindet. Daher wissen wir noch nicht, wie diese flankierenden Maßnahmen ausgestaltet werden.

Für den SSW stelle ich fest: Die Hauptverantwortung für nachhaltige Konversionsmaßnahmen liegt eindeutig beim Bund. Daher erwarten wir, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird und dieses Gesetz so schnell wie möglich auf den Weg bringt, damit für die Betroffenen Klarheit geschaffen wird. Der Bund hat eine Reform auf den Weg gebracht einzig mit dem Ziel, Stellen abzubauen, ohne einen Handlungsplan zu haben, was mit den Menschen danach geschehen soll. Das ist nach unserer Auffassung dürftig.

Klarheit braucht aber auch das Land, um verbindliche Aussagen treffen zu können. Bisher ist die Landesregierung nicht aussagefähig im Hinblick auf mögliche finanzielle Anreize für öffentliche Arbeitgeber, wenn sie zivile Beschäftigte übernehmen wollen. Leider müssen wir feststellen, dass uns die konkreten Informationen fehlen, wie es mit den zivilen Mitarbeitern weitergehen soll. Dies gilt sowohl für das Land als auch für den Bund.

Vordringliches Ziel muss es aber trotzdem sein, dass die betroffenen Menschen hier bei uns im Land bleiben können. Dafür müssen wir ihnen und ihren Familien jedoch eine Perspektive bieten. Eine Perspektive brauchen auch die betroffenen Standorte und Regionen. Es geht hierbei nicht nur um soziale Aspekte. Es muss gelingen, die Wirtschaftskraft dort so gut wie möglich zu sichern, indem Einkommen und Kaufkraft gehalten werden. Daneben gilt es auch das Know-how der Menschen in den Regionen und im Land zu halten. Denn viele der zivilen Beschäftigten haben eine hoch qualifizierte und spezialisierte Ausbildung. Daher brauchen wir Strukturen und Maßnahmen, um diesen Menschen wieder eine Perspektive hier bei uns im Land zu bieten.

Vonseiten des Bundes wurde eine bundesweite Stellenbörse eingerichtet, in der bereits jetzt über 50 Stellen in Schleswig-Holstein veröffentlicht sind. Auch wenn diese Zahl zurzeit noch nicht überzeugt, sehen wir das doch als Anfang. Allerdings, meine Damen und Herren, bezieht sich diese Stellenbörse nur auf Stellen des Bundes, die traditionell in Schleswig-Holstein dünn gesät sind. Deshalb muss hier auch das Land handeln. Das Land muss ermitteln, welche Kompetenzen bei den zivilen Beschäftigten überhaupt vorhanden sind, und muss mit den Kommunen dann gemeinsam ermitteln, welche Beschäftigungsmöglichkeiten möglicherweise hier im Land bestehen, damit die Leute

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bei uns gehalten werden können. Weiter muss aber auch das Land dafür sorgen, dass der Bund finanzielle Anreize schafft, die es den klammen Kommunen erleichtern, zivile Beschäftigte der Bundeswehr zu übernehmen. Beides, eine landesweite Vermittlung der zivilen Beschäftigten und verstärkte Anreize für die übernehmenden Verwaltungen, gibt es bisher noch nicht.

Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. Uns geht es darum, dass wir neben dem, was der Bund an Vermittlung in seiner eigenen Bundesverwaltung bundesweit macht, schauen, ob wir die Mitarbeiter hier in Schleswig-Holstein halten können, dass wir in der Lage sind, diese auch in unsere Verwaltung auf kommunaler Ebene, aber auch auf Landes- und Bundesebene zu überführen, dass wir die Kompetenz dieser Menschen hier in unserer Region halten können, dass wir es schaffen, dass diese Menschen und ihre Familien hier bei uns bleiben können, wo sie sich heimisch fühlen. Wir sehen dies als eine Aufgabe an, die auch das Land mit übernehmen muss. Deswegen wünschen wir uns, dass hier das Land auch eine koordinierende Funktion übernimmt.

(Beifall bei SSW und FDP)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Markus Matthießen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die deutsche Einheit jährt sich in diesem Jahr zum 22. Mal. Es gibt keinen Eisernen Vorhang mehr und keine hoch gerüsteten Armeen, die sich an der innerdeutschen Grenze auch bei uns in Schleswig-Holstein bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstehen. Hieraus ergibt sich die nicht mehr ganz so neue Erkenntnis, dass wir eine veränderte Gefährdungslage haben und grundsätzlich weniger Militär benötigen.

Die geplanten Schließungen und Reduzierungen von Bundeswehrstandorten und die Verringerung der Dienstposten um 40 % stellen die betroffenen Kommunen und das Land Schleswig-Holstein vor große Herausforderungen.

Natürlich sind die Folgewirkungen regional sehr unterschiedlich. Es bleibt aber auch festzuhalten, dass Schleswig-Holstein nach wie vor mit 5,4 Dienstposten auf 1.000 Einwohner deutlich über dem bundesdeutschen Schnitt liegt.

Auch die jüngste Entscheidung des Bundesverteidigungsministers, die Luftabwehrausbildung in Husum durchzuführen, wird von uns begrüßt, ändert aber nichts an den grundsätzlichen Herausforderungen.

Jede Standortschließung bringt strukturelle Probleme in verschiedenen Bereichen mit sich. Das sind zum einen die Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr, die entweder an andere Standorte verlegt werden oder aber aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Hier muss und wird es tarifvertragliche und dienstrechtliche Regelungen geben.

Zum anderen fallen sie als Käufer in strukturschwachen Regionen aus und bedrohen so die regionale Wirtschaft und Arbeitsplätze auch außerhalb der Bundeswehr.

Die Auswirkungen auf den Katastrophenschutz sowohl mit schwerem Gerät als auch personell sind stark. Deshalb unterstützt die CDU die Landesregierung in ihrer Forderung gegenüber dem Bund, dass ein wirksamer Bevölkerungsschutz durch die Bundeswehr bei schweren Unfällen oder Katastrophen möglich bleibt.

Dazu soll die zivil-militärische Zusammenarbeit beibehalten werden. So hat bereits im Juni 2011 die Innenministerkonferenz gegenüber dem Verteidigungsminister deutlich gemacht, dass die Bundeswehr aufgrund ihrer besonderen personellen und technischen Fähigkeiten auch künftig unverzichtbarer Bestandteil eines funktionierenden Bevölkerungsschutzes ist. Jede Strukturreform muss die Funktionsfähigkeit dieses interaktiven Katastrophenabwehrsystems berücksichtigen.

Dies gilt insbesondere bei Gefährdungslagen wie bei Sturmflut oder Hochwasser. Ein aktuelles Beispiel dazu: In der letzten Woche hatten wir eine Situation, die bedrohlich war, und zwar durch einen Eisstau auf der Elbe zwischen Lauenburg und Geesthacht. Dort ist innerhalb von einer Stunde das Wasser um einen Meter gestiegen. Bei einer ähnlichen Situation 1987 gab es die Herausforderung, dass Pioniere der Bundeswehr eine entsprechende Barriere sprengen mussten, um den Eis- und Wasserabfluss zu gewährleisten. Hier ist schnelles Handeln erforderlich.

Die gemeinsamen Anstrengungen für den Erhalt des Spezial-Pionierbataillons in Husum haben sich gelohnt und tragen dieser Einschätzung speziell für die Westküste Rechnung.

Die Problematik der fehlenden beziehungsweise reduzierten „Men-Power“ steht trotzdem im Raum,

(Lars Harms)

auch in Husum. Ein personeller Ausgleich könnte beispielsweise durch das THW erfolgen, nur wächst das Personal auch dort in strukturschwachen Regionen nicht auf Bäumen.

Bezüglich der möglichen Übernahme überschüssigen Geräts der Bundeswehr hat bereits der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags unter maßgeblicher Mitwirkung unseres schleswig-holsteinischen Bundestagskollegen Norbert Brackmann eine pragmatische Lösung dergestalt beschlossen, dass ehrenamtlichen Organisationen dieses überschüssige Gerät der Bundeswehr unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden kann. Davon wird auch Schleswig-Holstein in besonderem Maße profitieren. Allgemeine Regelungen hierfür werden gerade erarbeitet. Die Anmeldungen hierzu erfolgen über den jeweiligen Landes- und Bundesverband. Aufgrund unserer besonderen Herausforderungen werden wir hiervon auch besonders profitieren.

Darüber hinaus ist der Bund in der Verantwortung, Konversionshilfen für die betroffenen Standorte bereitzustellen. Das kann beispielsweise die altlastenfreie Übertragung ziviler Liegenschaften sein, oder auch Vereinbarungen über die Nutzung von Sportanlagen. Es sind auch klare Regelungen im Baugesetzbuch erforderlich, um Konversion auch im Außenbereich möglich zu machen.

Wir erwarten darüber hinaus eine klare Kommunikation über die Zeitabläufe, damit die betroffenen Kommunen auch ihre Planungen und Entwicklungsperspektiven darauf ausrichten können. Denn die teilweise noch zu erfolgende Umsetzung der abschließenden Stationierungsentscheidungen aus dem Jahr 2004 - mein Vorredner sagte es bereits läuft immer noch. Hier wird teilweise mit sehr langen Zeithorizonten gerechnet.

Wir wissen, dass die Konversion ein sehr langer und schmerzhafter, aber dennoch notwendiger Prozess ist, der nicht nur Risiko, sondern auch Chance beinhalten kann. Ich kann das sagen: Mein Kreis Herzogtum Lauenburg ist überhaupt nicht von der aktuellen Strukturreform betroffen, weil es bei uns überhaupt keine Bundeswehr mehr gibt. Hier gibt es sehr gute Möglichkeiten und Beispiele dafür, wie Konversion gelingen kann.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Vielen Dank für den Hinweis.

In unserem gemeinsamen Antrag äußern wir uns zu den Möglichkeiten von Qualifikationsperspektiven.

Der SSW geht noch einen Schritt weiter. Wir meinen, dass es schwierig ist, hier finanzielle Hoffnungen zu wecken, die nachher nicht erfüllt werden können. Daher bitten wir, dies im Wirtschaftsausschuss noch weiter zu erörtern.