Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tausende von Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern aus ganz Schleswig-Holstein werden morgen hier vor dem Landeshaus stehen. Sie haben zum landesweiten Bildungsstreik aufgerufen. Sie wollen ihren Unmut über die Situation an den Schulen und Universitäten gegenüber der Politik zum Ausdruck bringen, denn mit ihrer chaotischen Bildungspolitik haben CDU und FDP der schlechten Bildungspolitik der vorherigen Großen Koalition noch eine weitere Spitze aufgesetzt. DIE LINKE stellt sich an die Seite dieser Schülerinnen, Schüler und Studierenden. Denn sie haben recht, sie benennen die offenen bildungspolitischen Baugruben, die CDU, SPD, FDP und Grüne in den letzten Jahrzehnten aufgerissen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Zuerst einmal möchte ich zwei Beispiele ansprechen, die schon bei der Schulgesetzänderung durch CDU und SPD im Jahr 2007 für viel Protest gesorgt haben. Zunächst ist da G 8 und G 9. Ich war am Samstag beim Landesjugendring in Husum. Dort waren Delegierte aus Sportvereinen, von den Pfadfindern, von den Freiwilligen Feuerwehren, von politischen Verbänden und Parteien sowie von Gewerkschaften. Sie alle haben beklagt, dass Jugendliche kaum noch Zeit haben, sich ehrenamtlich zu engagieren, und dass sie befürchten, dass ihre Sportvereine und Verbände den Bach runtergehen. Besonders im ländlichen Raum besteht wirklich eine große Gefahr, wenn man sagt, man macht flächendeckend nur noch G 8 und baut dadurch viel Druck auf die Schülerinnen und Schüler auf. Was soll ein Sportverein in einem Ort machen, wo keine weiterführende Schule vorhanden ist? - Die Sportvereine oder auch die Freiwillige Feuerwehr dort hat keine Chance, weiter zu existieren, wenn diese Politik wirklich durchgesetzt wird.

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

Wir, die Linken wollen G 9 an den Gymnasien, damit Jugendliche auch Freizeit haben, um neben der Schule noch ein Leben zu haben. Deshalb haben wir heute diesen Antrag hier gestellt - einen von vielen -, der beinhaltet, dass wir zu G 9 zurück wollen. Ich fordere Herrn Kubicki und die FDP auf, diesem Antrag zuzustimmen, wenn es denn die FDP mit G 9 ernst meint.

(Beifall bei der LINKEN)

Die zweite Sache, die schon 2007 in die Grütze gefahren wurde, ist die Profiloberstufe. Das Kurssystem, in dem man noch selbstbestimmt wählen konnte nach Fähigkeiten, Neigungen und Interessen, welche Fächer man belegen wollte, wurde abgeschafft und die Profiloberstufe eingeführt. In der Profiloberstufe zählen Fähigkeiten, Neigungen und Interessen nichts mehr, alles ist nur noch dem Diktat des Sparens untergeordnet worden. Die Begründung, man wolle mit der Profiloberstufe die Allgemeinbildung stärken, ist eher lächerlich. Ich glaube, Mathe in der 13. Klasse und als Prüfungsfach kann man nicht mehr zur Allgemeinbildung zählen.

(Beifall bei der LINKEN - Beifall auf der Zuschauertribüne)

- Auch die Reaktion gerade auf der Tribüne spiegelt das wieder, was in der Podiumsdiskussion in Mölln aufgetaucht ist. Sie fand Montagabend statt. Minister Schlie war auch da und hat das Gymnasium in Mölln als gutes Beispiel für die Umsetzung von Profiloberstufe und G 8 dargestellt. Dann kamen die Schülerinnen und Schüler, und die Moderatoren haben eine Umfrage an dieser Schule präsentiert. Bei dieser Umfrage kam heraus: Über 90 % der Schülerinnen und Schüler an diesem Gymnasium wollen das Kurssystem zurück. Fast 80 % wollen zurück zu G 9. - So sieht die Realität an den Schulen in unserem Land aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was in der Bildungspolitik in den letzten Jahren gemacht wurde, spätestens seit 2007, war eine Katastrophe und ging überhaupt nicht in die Richtung, was die Schülerinnen und Schüler und die Eltern in diesem Land von Bildungspolitik erwarten.

Wir von der LINKEN unterstützen die Forderungen des Bildungsstreiks und machen das auch dadurch deutlich, dass wir diese heute hier zur Abstimmung stellen. Denn wir glauben und wissen, dass die Schülerinnen und Schüler wissen wovon sie reden. Sie sind jetzt vom Turboabitur betroffen. Sie wissen, welche Folgen die Aussortierung nach vermeintlichen Leistungskriterien hat.

Jetzt komme ich zum Antrag der CDU. Die CDU stellt sich nun hin und erklärt uns, wir dürften keine Schulstrukturdebatten mehr führen, weil Schülerinnen und Schüler endlich Ruhe haben wollten. Morgen werden Sie sehen: Die Ruhe, die Sie wollen, wollen die Schülerinnen und Schüler sicherlich nicht. Da ist aufseiten der CDU eine große Realitätsverweigerung vorhanden.

Auch der Antrag der Grünen geht kaum in eine andere Richtung. Wir wollen eine Debatte führen, wie man das Schulsystem in Schleswig-Holstein zum Besseren verändern kann. Wir wollen Veränderungen im Schulsystem. Wir glauben, das wird im Konsens mit konservativen Lehrerverbänden wie dem Philologenverband, im Konsens mit der CDU und im Konsens mit der FDP nicht wirklich umsetzbar sein. Die Interessengegensätze sind einfach zu groß. Wir wollen soziale Gerechtigkeit und Bildung für alle, die anderen wollen Elitenbildung für wenige.

(Beifall bei der LINKEN)

Daraus einen Konsens zu basteln, daran glauben wir nicht. Der Antrag der Grünen würde genauso Stillstand bedeuten wie der Antrag der CDU.

(Beifall bei der LINKEN - Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorwärts geht es nur mit der LINKEN!)

Wer die Zukunft der jungen Menschen in Schleswig-Holstein sichern will, der muss Geld in die Hand nehmen und in Bildung investieren. Es ist völlig absurd zu sagen, Kürzungen im Bildungssystem führten zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Das Gegenteil ist der Fall. Kürzungen im Bildungssystem führen zu mehr sozialer Ungleichheit und mehr Menschen ohne Bildungsabschluss sowie damit zu immensen Folgekosten für die Sozialsysteme.

Wenn man Privatmenschen verbieten würde, für einen Hausbau einen Kredit aufzunehmen, hätten wir in Schleswig-Holstein sehr wenige Häuser. Wenn man Firmen verbieten würde, für eine zweite Werkhalle einen Kredit aufzunehmen, hätten wir sehr wenige Firmen in Schleswig-Holstein. Und die Firmen und die Häuser von Schleswig-Holstein, das sind die Schulen. Wir wollen in die Schulen investieren. Wir machen diesen Kürzungswahn nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt ja schon ein Bundesland, in dem Sie Ihre Politik durchgezogen haben. Das Beispiel dafür ist Sachsen. Dort in Sachsen hat man bereits einen ausgeglichenen Haushalt erreicht und schreibt seit

(Björn Thoroe)

sechs Jahren schwarze Zahlen. Dennoch ist kürzlich der Bildungsminister zurückgetreten. Warum? - Er sagt, er könne mit den finanziellen Mitteln, die seinem Ministerium zur Verfügung stehen, keine Bildungspolitik mehr machen. Der sächsische Haushalt ist auch deshalb ausgeglichen, weil das Land seinen Lehrerinnen und Lehrern ein Drittel weniger zahlt als andere Länder. Die Folge ist: Immer mehr Lehrkräfte verlassen das Land. Unterrichtsausfall ist mittlerweile fester Bestandteil des Schulalltags. In Leipzig verlässt mittlerweile jede fünfte Schülerin und jeder fünfte Schüler die Schule ohne Schulabschluss und bleibt in der Folge auch ohne Ausbildungs- und Beschäftigungschancen. Das wollen wir in Schleswig-Holstein nicht haben. Hören Sie endlich mit dem Ammenmärchen auf, die kommende Generation zu entlasten, wenn im Bildungssystem gekürzt wird!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Gegenteil ist der Fall. Die unverantwortliche Kürzungsorgie mit dem Verweis auf die Schuldenbremse stellt die Zukunft junger Menschen unter Finanzierungsvorbehalt. Das ist skandalös.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir, DIE LINKE, waren im letzten Landeshaushalt die einzige Partei, die gegen jede Kürzung von Lehrerstellen gestimmt hat.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es ist zwar ein wenig besser, wenn man nur 150 Lehrerstellen im Jahr kürzen will, wie es die SPD fordert, statt 300, wie FDP und CDU das fordern. Aber auch da sagen wir: Wir machen das nicht mit. Wir wollen alle Lehrerstellen im System behalten und berufen uns auch da auf die Schülerinnen und Schüler, die hier morgen vor dem Landeshaus stehen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Gute Bildung ist die wichtigste Voraussetzung für eine gute Entwicklung des Landes, Investitionen in Bildung sind Zukunftsinvestitionen, und alles andere ist absurdes Gerede. Dass alle anderen Fraktionen lieber die Eltern zur Kasse bitten und somit die Ausgrenzung im Bildungsbereich weiter fördern, haben wir auch in der Debatte um unseren Gesetzentwurf zur kostenfreien Schülerbeförderung gesehen. Herr Albig wünscht sich starke Kinder für sein Lieblingsland. Die wird er brauchen: Lange Schulwege, große Klassen und überarbeitete Lehrkräfte sind in der Tat nur starken Kindern zuzumu

ten. Nicht so starke Kinder, die Unterstützung brauchen, fallen dann auch bei der SPD unten runter.

(Beifall der Abgeordneten Ellen Streitbörger [DIE LINKE])

Schon längst ist bekannt, dass Schleswig-Holstein in die Spitzengruppe der Bundesländer gehört, in denen die soziale Herkunft über die schulische Karriere entscheidet. Die Zukunftschancen unserer Kinder sind hier davon abhängig, ob Eltern arm oder reich sind. Deshalb steht DIE LINKE uneingeschränkt für eine Schule für alle. Wir eiern nicht herum, wie SPD und GRÜNE das auf jeder Podiumsdiskussion machen, wenn sie danach gefragt werden, was für ein Schulsystem sie eigentlich haben wollen. Uns ist das Eintreten für ein sozial gerechtes Schulsystem nicht peinlich. Wer gemeinsames Lernen in kleineren Klassen will, muss am 6. Mai DIE LINKE wählen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Heike Franzen das Wort.

(Zuruf: Die unterhält sich gerade!)

- Frau Abgeordnete Franzen, ich habe Ihnen das Wort erteilt.

Ich bitte um Nachsicht, Herr Präsident. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde in dieser Debatte nicht auf alle zur Debatte stehenden Anträge eingehen, da wir einen großen Teil davon bereits in der letzten Landtagstagung behandelt haben.

Zunächst einmal möchte der Landesregierung für ihren Bericht danken. Die Koalitionsfraktionen haben um diesen Bericht gebeten, um klar aufzuzeigen, welche positiven Entwicklungen in der Lehrerausbildung stattgefunden haben. Nachdem die letzte rot-grüne Landesregierung noch in den letzten Zügen liegend die Seminarstrukturen in der zweiten Ausbildungsphase ohne Not zerschlagen hatte, haben wir uns bereits in der großen Koalition für eine Verbesserung der Situation unserer Lehramtsanwärter eingesetzt. Um einzelne Module zu besuchen, mussten sie durch ganz Schleswig-Holstein reisen. Feste Gruppen und eine damit verbundene vertrauliche Reflexion von Unterrichtsarbeit waren nicht mehr möglich.

(Björn Thoroe)

Herr Minister Klug, mit der neuen APO gibt es semesterübergreifende Ausbildungsgruppen. Das fördert die Teamarbeit und den direkten fachdidaktischen Austausch. Die Ausbildungsangebote sind regionaler geworden, und die Anzahl der Beratungsbesuche der Studienleiter ist angehoben worden. Darüber hinaus können auch die staatlich anerkannten Ersatzschulen Ausbildungsschulen werden. Ein ganz wesentlicher Bestandteil der zweiten Phase der Lehrerausbildung ist darüber hinaus die Qualifizierung für den Bereich Deutsch als Fremdsprache. Er ist für alle angehenden Lehrkräfte ein wesentlicher Bereich, um auch auf das eingehen zu können, was in Schulen heute stattfindet.

Wir sind davon überzeugt, dass die Lehrerausbildung an das bestehende Schulsystem angepasst werden muss. Die Landesregierung hat das in Zusammenarbeit mit der Universität Flensburg auf den Weg gebracht. Es wird ab dem Wintersemester 2013/2014 erstmalig ein neues Lehramt für Regional- und Gemeinschaftsschulen geben und genauso erstmalig ein eigenständiges Lehramt für unsere Grundschulen.

(Beifall bei der CDU)

Wir stehen zu den bestehenden Schularten und wollen sie auch mit den dafür ausgebildeten Lehrkräften versorgen. Dabei wollen wir insbesondere bei der Ausbildung der Grundschullehrkräfte auf die besonderen Ansprüche an dieses Lehramt eingehen. Die Schülerschaft in den Grundschulen verändert sich zusehends, und damit einher geht ein höherer pädagogischer Anspruch, dem wir gerecht werden wollen. Bereits sieben andere Bundesländer gehen diesen Weg, sechs weitere planen die Einführung, insbesondere auch, um die Didaktik für den Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule zu verbessern.

Frühkindliche Bildung und Entwicklung endet nicht mit der ersten Klasse. Daher sind wir auch der Auffassung dass wir für die Entwicklung von Bildungsbiografien den Bereich der Kita und die Grundschulzeit viel stärker als bisher als eine gemeinsame Entwicklungsphase begreifen müssen. Dem dient auch die Neuausrichtung des Lehramts für die Grundschule.

In beiden Studiengängen werden der Praxisbezug, das Thema Heterogenität, der Umgang mit Differenzen, die Diagnose und die Förderung von Kindern, der Bereich Deutsch als Fremdsprache und auch die Medienkompetenz breiteren Raum einnehmen, als das bisher der Fall gewesen ist. Auch das

entspricht den Herausforderungen an unseren Schulen von heute.

Die Fraktionen der Opposition sehen das bekanntlich anders. Sie wollen den Stufenlehrer einführen und damit die schulartbezogene Lehrerausbildung abschaffen.

(Zuruf: So ist es!)

Sie leisten damit die Vorarbeit für das in Ihrem Wahlprogramm verankerte langfristige Ziel: eine Schule für alle. Mühsam versuchen Sie jetzt im Wahlkampf, diesen Angriff auf unsere Gymnasien zu vertuschen. Herr Albig behauptete in einem Radiointerview vom letzten Sonntag sogar, die Vorstellung, eine Schule für alle, die Gemeinschaftsschule, sei eine Vorstellung aus dem letzten Jahrhundert. Eine Schule für alle, das gehe auch am Gymnasium.