Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Das Programm Soziale Stadt ist ein wichtiges Programm, um das weitere Auseinanderdriften von Stadtteilen zu verhindern. Durch Sprachkurse, Jugendarbeit und Bildungsprojekte gelang es mit Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt, gerade die Zukunftschancen von Menschen mit niedrigem Einkommen und mit Migrationsgeschichte zu verbessern. Kurz gesagt: Das Programm fördert das Zusammenleben vor Ort.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun bei der Städtebauförderung und insbesondere bei dem Programm Soziale Stadt zu kürzen, verschärft das Spannungsverhältnis zwischen der katastrophalen Haushaltslage unserer Städte und dem Ziel der nachhaltigen Stadtentwicklung.

Wir Grünen kritisieren diesen Angriff auf die Städte in unserem Land. Städte nehmen aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur und als Mittelpunkt einer Nahregion eine besondere Rolle ein. Deshalb gibt es Städtebauförderprogramme.

Das Allerschlimmste ist, dass Sie die soziale Verschuldung vorantreiben. Dies ist ein massives Problem in vielen Stadtteilen. Durch Ihre Politik wird die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergehen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, an dem Beispiel meiner Heimatstadt Flensburg ist mir deutlich geworden, dass das Programm Soziale Stadt gerade in der Flensburger Neustadt gut geeignet ist, um vor Ort mit Vereinen, Verbänden, regionaler Wirtschaft, Stadtverwaltung und Bildungseinrichtungen den Stadtteil wieder aufzuwerten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der besonderen Funktion von Städten - darauf bin ich schon eingegangen - wird massiv geschadet. Auch über Flensburg hinaus sind viele Fördermittel aus dem Programm nach Schleswig-Holstein gegangen. Insgesamt sind im Jahr 2010 7,7 Millionen € über das Programm Soziale Stadt für Projekte in Schleswig-Holsteins Städte geflossen. Eine Kürzung von 70 % bedeutet für unsere Städte eine Kür

zung um über 5 Millionen € - ein herber Schlag für unsere Stadtentwicklungsplaner vor Ort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Heinz-Werner Jezew- ski [DIE LINKE])

Neben den vier kreisfreien Städten im Land, von denen Neumünster mit einer Fördersumme von 1,2 Millionen € am meisten Mittel zu Verfügung gestellt bekommen hat, wurde vor allem die Stadt Rendsburg stark durch das Programm gefördert.

Das Programm Soziale Stadt ist aber mehr als nur sozialpolitischer Antriebsmotor. Städtebauförderung bedeutet auch immer Wirtschaftsförderung. Regionale Unternehmen siedeln sich gern in funktionierenden Stadtteilen an. Es gibt Berechnungen das ist, glaube ich, auch schon von Kollegen in Ausschussberatungen gesagt worden -, dass jeder eingesetzte Fördereuro 7,80 € an Investionen nach sich zieht.

Ich möchte am Schluss noch gern auf die CDUFraktion eingehen. Eigentlich wollte ich Herrn de Jager persönlich ansprechen. Er scheint schon wieder im Wahlkampf unterwegs zu sein. - Entschuldigung, jetzt ist er hier. Er hört trotzdem nicht zu.

Liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, mir geht es darum, dass ich in letzter Zeit gelesen habe und auch immer wieder lese, dass Sie in den Städten wieder mehrheitsfähig werden wollen. Darüber kann man ja denken, was man will, und man kann auch von dem Ziel halten, was man will. Die CDU hat das immer wieder rhetorisch angekündigt. Es ist aber definitiv so, dass Sie hier bei einem ganz konkreten Projekt auf Bundesebene sowieso, aber leider auch hier durch Ihre Äußerung, Herr Kalinka, im Landtag genau das Gegenteil erreichen. Man muss hier ganz deutlich noch einmal sagen, dass das, was Sie hier machen, ziemlich vielen Städten bei uns im Land schadet. Ich hätte mir etwas anderes gewünscht. Ich habe gehofft, dass wir hier auf Landesebene gerade wegen der langen, intensiven Beratung einen Konsens finden. Das ist leider nicht geglückt. Vielleicht schaffen wir es in der neuen Legislaturperiode.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Das Wort erteile ich jetzt der Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE, Antje Jansen.

(Rasmus Andresen)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Förderprogramm Soziale Stadt wurden seit Mitte der 90er-Jahre finanzielle Mittel zur Aufwertung besonders benachteiligter Stadtteile bereitgestellt. Diese Mittel wurden zur Verbesserung der Lebenssituation der dort lebenden Menschen eingesetzt. Die Förderung solcher Stadtteile einschließlich der Pflege von nachbarschaftlichem Zusammenleben, verbunden mit bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, hat bisher anerkanntermaßen viel geleistet.

Kollege Koch - Sie kommen ja auch aus Lübeck -, Sie haben, glaube ich, auch das Programm Soziale Stadt im Stadtteil Buntekuh begleitet. Kollege Kalinka, ich glaube, Sie haben mit einigen Fraktionskolleginnen auch Lübeck besucht, und ich kenne auch eine Pressemitteilung von Ihnen, in der das sehr gelobt wurde, was in Lübeck gerade im Stadtteil Buntekuh geleistet worden ist, wo auch soziale Spannungen abgebaut wurden. Deshalb verstehe ich jetzt Ihre Argumentation nicht, dass das alles nur rausgeschmissenes oder verlorenes Geld gewesen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir meinen, dass die Notwendigkeit einer solchen Förderkonstellation immer noch besteht. Es gibt bis jetzt keinen Grund dafür, das irgendwie zu ändern.

Das Förderprogramm Soziale Stadt ist in den vergangenen Jahren drastisch gekürzt worden. Die besondere Qualität des Projekts Soziale Stadt bestand von Anfang an darin, dass materielle Investitionen in Stadtquartiere immer mit sozialen Programmen für die dort lebenden Menschen verknüpft waren. Das hat dazu beigetragen, die Folgen der sozialen Spaltung wenigstens partiell zu dämpfen, vorhandenes Konfliktpotential zu entschärfen und das Abgleiten von städtischen Wohnquartieren zu sozialen Brennpunkten zu verhindern und umzukehren. Gerade das ist zum Beispiel in Lübeck in dem Stadtteil Buntekuh gelungen. Gerade bei jugendlichen Migranten ist es gelungen, sie zu integrieren und eine gute Straßensozialarbeit zu machen, um damit die Jugendprobleme aufzufangen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Tendenz zu ökonomischen, sozialen und ökologischen Spaltungen der Städte in Deutschland besteht weiter und verschärft sich geradezu in Ballungsgebieten. Daher ist es völlig falsch, gerade

dieses Programm zu reduzieren, in seiner Wirkung auf rein investive Maßnahmen zu beschränken und die Umverteilung von Bundesmitteln aus anderen Förderprogrammen zu unterbinden.

Die Kürzung der Mittel für das Programm Soziale Stadt hat vor dem Hintergrund der leeren Kassen in den Städten verheerende Auswirkungen auf die soziale Stadtentwicklung. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Bundesregierung auf die 28 Millionen € für dieses Jahr noch etwas draufgelegt hat. Damit kommt immer noch nicht das dabei heraus, was wir in den Kommunen für dieses Programm brauchen.

Diese Kürzung wird begleitet von einer kompletten Sinnentleerung dieses Programms durch die Vorgabe, Fördermittel nur investiv zu verwenden. Es ist doch schon schizophren, davon zu sprechen, dass mit dem Programm Soziale Stadt, bei dem nur noch in Beton investiert wird, eine integrative Wirkung erzielt werden soll. Das kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Mittelausstattung von mindestens 95 Millionen € muss wieder erreicht werden und muss verstetigt werden. Die Beschränkung des Programms auf investive Zwecke entstellt seinen Sinn und muss zurückgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Forderung des SPD-Antrags, die Kürzung des Programms Soziale Stadt zurückzunehmen und die Förderung ab 2012 wieder auf den vorherigen Stand zu bringen, ist richtig und notwendig.

Das gilt bei diesem Programm gerade auch für die inhaltliche Wiederherstellung. Das bedeutet, die Mittel müssen auch wieder für Modellvorhaben verwendet werden können, wie das bis 2010 möglich war, nämlich Spracherwerb, Verbesserung von Bildungsabschlüssen und die Betreuung gerade von Jugendlichen in diesen Ballungsgebieten.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Bauministerkonferenz vom 28. Juni letzten Jahres hat die Bundesregierung aufgefordert, die Städtebauförderung ab 2012 mindestens auf einen Betrag von 535 Millionen € anzuheben und auf diesem Niveau zu verstetigen. Das Problem ist doch, dass die Kommunen aus eigener Kraft wegen ihrer finanziellen Verhältnisse gar nicht mehr in der Lage sind, eine soziale Stadtentwicklung zu betreiben.

Das geht alles nicht ohne Unterstützung, und deshalb müssen wir das Projekt Soziale Stadt auch wieder haben.

(Beifall bei der LINKEN)

In den Stadtteilen geht es auch darum, sie zusammenzubinden und soziale Lebensräume zu entwickeln. Auf diese Aktivitäten kann schlichtweg nicht verzichtet werden, wenn man nicht dabei zusehen will, das Problemstadtteile sich in Gettos verwandeln und Menschen, die durch ihre Lebensumstände oder Herkunft an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, vollends ausgegrenzt werden. Materielle Armut zieht soziale Verelendung nach sich. Dieser Wucherung kann man mit dem Programm Soziale Stadt entgegenwirken. Darum muss das Programm Soziale Stadt als Fördermöglichkeit in alter Höhe wiederhergestellt werden. Vielleicht setzt sich ja die neue Regierung dafür ein, dass wieder solche Mittel zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Vor etwas über einem Jahr haben wir den vorliegenden Antrag der SPD hier im Landtag diskutiert. Damals wie heute schließen wir uns selbstverständlich der Forderung nach dem Erhalt des Programms Soziale Stadt an. Wir alle wissen, dass der Bund seine Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Städtebauförderung insgesamt drastisch gekürzt hat. Das Programm Soziale Stadt ist hiervon überproportional betroffen: Anstelle von fast 100 Millionen € soll es heute mit nur noch 28,5 Millionen € auskommen. Noch dazu hat der Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossen, dass die Finanzmittel nicht mehr für Modellvorhaben verwendet werden dürfen. Anstelle von Bildungsinitiativen oder speziellen Sprachkursen werden damit nur noch Investitionen in Beton gefördert.

Diese Entwicklung erfüllt den SSW mit Sorge. Denn viele Menschen in schleswig-holsteinischen Städten haben nachweislich von diesem Programm profitiert. Dass sich CDU und FDP hier im Land

gegen den Antrag - und damit gegen den Weg einer Bundesratsinitiative - entschieden haben, halten wir für unverantwortlich.

(Beifall bei SSW und der LINKEN sowie vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ziel des Programms Soziale Stadt ist die Förderung von wirtschaftlich, städtebaulich und sozial benachteiligten Gebieten. Damit ist nicht nur die Stärkung von Zusammenhalt und Motivation der Bewohner, sondern letztlich auch die allgemeine Verbesserung der Lebensbedingungen verbunden. Es hat also einen vielseitigen und positiven Einfluss auf den Alltag der Menschen in den betroffenen Stadtteilen. In Gesprächen mit den Menschen, die sich an der Umsetzung vor Ort beteiligen, werden die großen und kleinen Erfolge dieser Maßnahme immer wieder deutlich.

Dabei ist uns durchaus bewusst, dass die Mittel des Programms „Soziale Stadt“ nicht nur befristet, sondern im Laufe der Zeit auch degressiv gewährt werden sollen. Doch eine Kürzung des Programms um fast 70 % ist nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch kontraproduktiv.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Denn bei der Bekämpfung der vielschichtigen Probleme in sozial benachteiligten Gebieten handelt es sich um langwierige Prozesse. Gerade hierbei ist also eine kontinuierliche Förderung gefragt.

Durch den drastischen Einschnitt werden nun aber Maßnahmen frühzeitig beendet oder gestreckt, ohne dass die langfristige Wirkung gesichert ist. Aus unserer Sicht werden damit die konkreten Erfolge der Städtebauförderung aufs Spiel gesetzt. Eine solche Entwicklung halten wir für völlig inakzeptabel.

Die Haushaltskonsolidierung hat in Bund und Land zu Recht einen hohen Stellenwert. Natürlich bringen die Bemühungen um einen ausgeglichenen Haushalt schmerzliche Entscheidungen mit sich. Die drastische Beschneidung des Programms lässt sich damit aber trotzdem nicht rechtfertigen.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Tatsache ist, dass die Soziale Stadt vor allem auch Anreize für eine Identifikation der Bewohner mit ihrem Stadtteil geschaffen hat. Ihnen wurde hierdurch ermöglicht, sich an vielfältigen Entscheidungen zur Verbesserung des Wohnumfeldes zu betei