Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich füge hinzu: Meine Amtsvorgängerin Ute Erdsiek-Rave war ein gutes Stück ehrlicher, als sie in einer der Landtagsdebatten, die wir im Jahr 2008 über die Einführung der Beitragsfreiheit geführt haben, nämlich in der Debatte am 9. Oktober 2008, hier im Plenum Folgendes erklärt hat - das Zitat steht im Kontext einer Aussprache über die Frage der Finanzierbarkeit -:

„In einer Haushaltsnotlage, in einer Situation, die wir möglicherweise noch nicht absehen können, kann jede Regierung, kann jede Koalition ein Gesetz aussetzen, verschieben oder auch ändern.“

Ende des Zitats der sozialdemokratischen Bildungsministerin von Oktober 2008, Herr Kollege Stegner.

Wenn wir schon über das Zustandekommen von Gesetzen sprechen, in diesem Zusammenhang eine kurze Anmerkung an die Adresse des Kollegen Baasch: Herr Kollege Baasch, welche Bundesregierung und welche Mehrheit im Deutschen Bundestag hat eigentlich dafür gesorgt, dass Kindergeld bei Hartz-IV-Empfängern angerechnet wird? Wer war das?

(Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE]: Warum ändern Sie das nicht?)

Zurück zum Thema Beitragsfreiheit.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Bitte.

Herr Minister Dr. Klug, erinnern Sie sich daran, wie der Abgeordnete Dr. Klug bei der Abstimmung über das dritte beitragsfreie Kita-Jahr abgestimmt hat, weil Sie sagen, die Finanzierung sei nicht gesichert gewesen? Erinnern Sie sich auch noch daran, in welchem Kontext

(Anke Spoorendonk)

sich die Ministerin Ute Erdsiek-Rave geäußert hat, nämlich mitten in der Finanzkrise, als es um die Frage ging, wie man die Konjunkturpakete in Berlin beschließen könnte, um der Wirtschaftskrise auf dem absoluten Höhepunkt entgegenzuwirken? Erinnern Sie sich an die beiden Punkte? Können Sie uns sagen, wie Sie damals als Abgeordneter abgestimmt haben?

- Herr Kollege Stegner, ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich die finanzielle Situation unseres Landes seit dem Oktober 2008 deutlich verbessert hat. Dass wir als Liberale der Einführung der Beitragsfreiheit zugestimmt haben, haben wir nie in Abrede gestellt. Das weiß jeder. Von daher ist das eine rhetorische Frage. Aber Theaterdonner gehört zur Politik, Herr Stegner.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für mich steht gar nicht infrage, dass das beitragsfreie Kita-Jahr grundsätzlich eine positive Errungenschaft ist. Es geht gar nicht darum, das zu bestreiten. Die Beitragsfreiheit - das möchte ich hinzufügen - gehört zu einem Gesamtpaket von rund 127 Millionen €, das wir in diesem Jahr in die frühkindliche Bildung investieren: 60 Millionen € die bisherige Personalkostenförderung, zusätzlich 13,5 Millionen € Personalkostenförderung für die Betreuung unter Dreijähriger, allerdings zu 50 % mit Bundesmitteln, 12,5 Millionen € für Investitionen in den Ausbau der Krippenplätze U3, 100 % weitergeleitete Bundesmittel, 6 Millionen € für die Sprachförderung und die Qualitätsentwicklung aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Punkt - und die besagten 35 Millionen € für die Beitragsfreiheit, die etwa ein Viertel der insgesamt investierten Mittel ausmachen. Der letzte Teil kommt allerdings der Qualität der frühkindlichen Bildung nicht direkt zugute. Es geht ja bei der Finanzierung der Beitragsfreiheit nur um die Finanzierung der Kostenträgerschaft. Es geht nicht darum, zusätzliches Geld in qualitativ bessere Kinderbetreuung zu investieren. Dies darf man in diesem Zusammenhang, wie ich es 2008 schon in den Landtagsdebatten getan habe, auch einmal anmerken.

Ich bin mir dessen bewusst, dass wir in der gegenwärtigen finanziellen Lage unseres Landes alles auf den Prüfstand stellen müssen. Dazu gehört - ich will hinzufügen: bedauerlicherweise - auch das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr. Das ist der Punkt, an dem wir angelangt sind. Die Entscheidungen, die wir vor diesem Hintergrund in einem Abwägungsprozess zu treffen haben, stehen in den kommenden Wochen an.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landesrichtergesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD und FDP Drucksache 17/195 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir anfangen. Wir haben diesen Antrag gestellt. Das zeigt, dass wir durchaus in der Lage sind, Verantwortung in diesem Land zu übernehmen.

Gesetzentwürfe haben ja Verschiedenes zum Ziel. Manchmal sorgen sie dafür, dass die Situation der Menschen im Lande verbessert wird oder Verfahren strukturiert werden. Meistens sollen sie schlicht Probleme lösen. Dass das Letztere mit diesem Gesetzentwurf der Fall ist, ist offenkundig. Es soll eher ein landtagsinternes Problem lösen, das wir hier leider feststellen müssen.

Die letzte Landtagswahl hat eine Mehrheit ergeben, die, wenn man sie bei der Besetzung des Richterwahlausschusses nach dem Landesrichtergesetz auf der Grundlage der d'hondtschen Zählweise umsetzen würde, zu einer Zweidrittelmehrheit der Koalition im Ausschuss führen würde. Das wäre im Sinne einer unabhängigen Justiz wahrhaftig nicht gut. Ich möchte mich bei CDU und FDP an dieser Stelle bedanken, dass sie das auch so sehen und bei der Besetzung des Ausschusses einen entsprechenden Ausgleich ermöglicht haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so weit die Theorie.

Praktisch müssen natürlich die vorgeschlagenen Personen zu der gesetzlichen Vorgabe und zu dieser Absprache passen. Da war es tatsächlich so, dass leider nicht jeder Vorschlag - denn wir haben ja eine Auswahl aus mehreren Vorschlägen zu treffen

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

den Geschmack aller Beteiligten trifft. So war eine Einigung erforderlich.

Hinzu kam, dass sich nicht jeder Vorschlagsberechtigte an die Geschlechterquotenvorgabe unseres Gesetzes gehalten hat, also nur ein Vorschlag abgegeben wurde und dann auch ein Mann und keine Frau benannt worden ist. Auch der DGB, der genau dieses Verfahren kritisiert hat, dass scheinbar den Frauen ans Leder gegangen werden soll - was nicht der Fall ist -, hat selbst einen Mann benannt. So war ein Ausgleich innerhalb der bisherigen differenzierten Gesetzesvorgabe kaum zu erreichen.

Darum ist es sinnvoll, in der Nummer 1 der Gesetzesänderung die Geschlechterquotierung auf den gesamten Ausschuss zu beziehen und in diesem Falle aus der Politik auszugleichen. Schließlich haben wir diese Qualitätsvorgabe gesetzt. Dann müssen wir konsequenterweise die Folgen tragen.

Unabhängig davon bliebe zu regeln, dass auch bei Einzelpositionen Vorschläge aus beiden Geschlechtern einzureichen sind. Doch das hätte ein Neuaufrollen des Vorschlagsverfahrens zur Folge und würde in unverantwortlicher Weise die dringend erforderliche Richterwahl verzögern. Das kann in niemandes Interesse sein; denn es gibt seit einem guten Dreivierteljahr unbesetzte Richterstellen. Eine zeitnahe Rechtsprechung ist gefährdet. Wir müssen handeln.

Genau diese Situation hat uns dazu bewogen, dem Vorschlag bezüglich der Stellvertreterregelung unter Nummer 2 des Gesetzentwurfs zu folgen. Eine Neuregelung, wie beispielsweise von Herrn Fürter in der letzten Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses vorgeschlagen, dies schon im Benennungsverfahren deutlich zu machen, wäre auch aus unserer Sicht sinnvoller, hätte aber genauso zur Folge gehabt, dass das Verfahren neu hätte begonnen werden müssen und wir dann ein gutes halbes Jahr keinen Richterwahlausschuss gehabt hätten und die Richterwahl dann hier im Landtag hätten durchführen müssen. Aus der Sicht unserer Fraktion wäre diese Regelung aber auch ganz verzichtbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Verständnis dafür, dass die Richterverbände von diesem Verfahren nicht begeistert sind; aber die Konsequenzen einer weiteren Verzögerung stehen einem anderen Verfahren entgegen.

Beide Änderungen bleiben auch nach unserer Meinung vertretbar. Sie greifen nur marginal in das Ausschussbesetzungsverfahren ein. Der Gleichstellungsanspruch wird nicht beschädigt, da die konsequente Fünfzig-zu-fünfzig-Regelung für die

Geschlechter beibehalten wird. Ebenso wenig wird die Mitwirkung von Anwaltschaft, Richterschaft und Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern eingeschränkt. Denn es wird weiterhin eine Auswahl aus den Vorschlägen der Verbände getroffen. Die Demokratie wird nicht ausgehebelt. Die Auswahl aus den Vorschlägen der Verbände treffen wir aber jetzt auch schon. Es wäre - im Gegenteil - wünschenswert, wenn die Mitwirkung auch von den Verbänden so verstanden würde, dass die Geschlechterquote Beachtung findet.

(Beifall bei der SPD)

Zurückweisen möchte ich auch Vorschläge - sie sind in der politischen Diskussion genannt worden -, die das Zurückfahren der Besetzung des Ausschusses aus den Reihen der Landtagsabgeordneten zum Inhalt haben. Auch die Judikative braucht eine demokratische Legitimation, die nicht allein aus einer Art „Richterselbstverwaltung“ erwachsen kann. In einer repräsentativen Demokratie sind es nun einmal die Parlamente, die den Willen der Bevölkerung widerspiegeln. Deshalb sollten wir solche Entscheidungen, wie sie hier anstehen, auch sehr selbstbewusst treffen können.

Ich bitte um Zustimmung zu dem gemeinsamen Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei CDU und FDP)

Das Wort für die CDU-Landtagsfraktion erteile ich dem Vorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den „Kieler Nachrichten“ gibt es einen sehr schönen Artikel mit dem Titel: „Klingt kompliziert - ist es auch“. Dass die Frage der Besetzung des Richterwahlausschusses kompliziert ist, wird uns gleich noch mitgeliefert; der Redakteur versucht dann nämlich auf fast einer Seite zu erklären, wie das abläuft.

Ich glaube, ich kann in dieser Runde sagen: Wie das tatsächlich abläuft, wissen in diesem Hause nur die Juristen; das sind hier für ein Parlament erstaunlich wenige.

(Zuruf von der SPD)

- Entschuldigung! Ich weiß, es sind noch ein paar mehr als die, die hier beraten haben.

(Thomas Rother)

Die Verhandler werden in der Regel von den Fraktionen benannt, sitzen zusammen und versuchen, sich auf eine Liste zu einigen. Dabei gibt es bestimmte Spielregeln. Da auch unter den Vorschlägen - darauf hat Herr Kollege Rother zu Recht hingewiesen - die Vorgaben der Parität eben nicht immer eingehalten worden sind, hat man, wie in diesem Fall, kaum Variablen, um sich auf eine Besetzung zu einigen.

Wir haben festgestellt, dass wir als Parlament uns völlig freiwillig Fesseln anlegen. In anderen Richtergesetzen gibt es diese Fesseln übrigens nicht. Ich kenne sie auch aus keinem anderen Gremium, das ich jemals mitgewählt habe. Die Fesseln hindern uns am Ende an einer vernünftigen Auswahl und an der Bewahrung einer Balance, die ausdrücklich vorgesehen ist. Wir sind nach mehreren Besprechungen zu der Erkenntnis gekommen, dass eine einfachere Findung ermöglicht wird, wenn wir uns von diesen Fesseln befreien, dass sich an der Qualität aber nichts ändert.

Deshalb sage ich noch einmal sehr deutlich - uns ist ein entsprechender Vorwurf gemacht worden -, dass sich durch die Gesetzesänderung weder an der Zusammensetzung des Richterwahlausschusses per se noch am Vorschlagsverfahren zu seiner Besetzung etwas ändert, sondern dass der Landtag ausschließlich seine Auswahlmöglichkeit unter den Vorschlägen erweitert.

Aus all dem ergibt sich, dass der von Verbänden ganz vorsichtig geäußerte, aber nicht spezifizierte Verdacht der Verfassungswidrigkeit völlig außer Betracht bleiben kann. Das hat uns der Wissenschaftliche Dienst des Landtags bestätigt. Die Richter bewerben sich für ein Gremium, das genau dieselben Kompetenzen hat wie vorher. Die Vorschlagsgebung ist auch dieselbe. Es ist richtig, dass wir mehr Auswahl haben. Das ist auch vernünftig. Die Parität wird gewahrt.

Ansonsten hat Herr Kollege Rother alles Notwendige dazu gesagt. Auch ich hoffe auf Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

(Beifall bei CDU und FDP)