Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

die die Eingliederungshilfe in den Fokus der Öffentlichkeit bringen. Das finde ich auf der einen Seite bedauerlich, weil im Mittelpunkt die Frage nach guten und passgenauen Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung stehen sollte. Es ist auf der anderen Seite aber auch notwendig, insbesondere vor dem Hintergrund einer Schuldenbremse und einer alternden Gesellschaft mit evidenten Auswirkungen auf die Sozialsysteme. Vorredner haben darauf schon hingewiesen. Die Dynamik des Ausgabenanstiegs in der Eingliederungshilfe ist ungebrochen. Dies dürfte, zum Beispiel angesichts der Veränderungen in der Altersstruktur der Leistungsberechtigten, bis auf Weiteres und auf Dauer so bleiben.

Mein Eindruck ist schon: Die Akteure in Schleswig-Holstein sind sich der Verantwortung bewusst, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung weiterzuentwickeln und die wirtschaftliche Erbringung der Leistungen sicherzustellen. Kommunen, Wohlfahrtsverbände und Land arbeiten hier auf vielfache Weise eng zusammen. Dazu - das ist für mich klar - gehört aber auch, dass wir Kontrolle und Steuerung bei der Leistungsgestaltung und auch bei der Kostenentwicklung ausüben. Die Konstituierung der KOSOZ AöR ist vor diesem Hintergrund ein wichtiges Signal.

Meine Damen und Herren, nicht zuletzt gehört zu einem problemangemessenen System auch eine funktionierende Prüfstruktur. Das Land - andere haben das auch schon gesagt - stellt jährlich zusätzliche Mittel in Höhe von 1,5 Millionen € zum Aufbau einer gemeinsamen Arbeits- und Organisationsstruktur der Kreise und kreisfreien Städte für die Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen zur Verfügung. Das ist nicht nur der Ausgleich unter Konnexitätsgesichtspunkten, sondern auch Anreiz dafür, das Prüfrecht wirksam umzusetzen, das die Kommunen haben. Allerdings sind diese Mittel von den Kreisen und kreisfreien Städten bisher nicht in dem vorgesehenen Umfang genutzt worden, um die Grundlagen für die Durchführung von Qualitätsund Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu schaffen. Transparenz über Effizienz und Effektivität der vom Land zur Verfügung gestellten erheblichen Mittel für die Eingliederungshilfe ist noch nicht in dem erforderlichen Maß gegeben. Daran, dass dies aber erforderlich wäre, besteht kein Zweifel - darin sind sich alle einig -, auch wenn die Auffassungen über den Weg dazu bisher auseinandergegangen sind.

Die bisherige Situation ist nicht befriedigend. Es gibt Anlass, die bisherige Regelung zu überdenken.

(Lars Harms)

Angesichts der Erfahrungen mit der geltenden Regelung muss ich ganz klar sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf erscheint mir eine sachgerechte Alternative für eine wirksame Prüfung von wirtschaftlicher Leistungserbringung in angemessener Qualität.

Die Landesregierung begrüßt daher den Ansatz, dass der Landesrechnungshof mit einem abgeleiteten Prüfungsrecht in dem Umfang, den der Landesrahmenvertrag vorgibt, an die Stelle des örtlichen Sozialhilfeträgers treten kann.

Ich sage aber auch, dass die kommunale Ebene weiter eine entscheidende Rolle in punkto Qualitätsund Kostenentwicklung spielt und spielen muss. Deshalb besteht bei mir, bei der Landesregierung, weiterhin großes Interesse daran, die im Sommer 2015 unterbrochenen Abstimmungsgespräche zwischen der Koordinierungsstelle der Sozialhilfe der Kreise und den kreisfreien Städten zeitnah wieder aufzunehmen mit dem Ziel, eine gemeinsame Prüfstruktur zur Organisation der Qualitäts- und Wirtschaftsprüfungen aufzubauen.

Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass eine funktionierende Prüfstruktur nur partnerschaftlich und in gemeinsamer Verantwortung aller Beteiligten, der Träger der Sozialhilfe, des Landesrechnungshofs und der Leistungserbringer, gelingen kann. Daher begrüße ich es sehr, dass auch die LAG der freien Wohlfahrtsverbände das Prüfungsrecht für den Landesrechnungshof nunmehr nachvollziehen kann.

Im Sinne von mehr Transparenz in der Eingliederungshilfe und damit auch für die Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein kann das Prüfungsrecht nur befürwortet werden. - Danke schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Der Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:

Bezahlbaren Wohnraum schaffen - Kostenbremse statt Mietpreisbremse

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/4250

Nur ausreichender Wohnraum sichert bezahlbaren Wohnraum

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/4301

Mieten begrenzen, bezahlbaren Wohnraum schaffen

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/4312

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Christopher Vogt.

(Beifall FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hören Sie bitte auf, meine Redezeit wegzuklatschen! Das finde ich nicht besonders fair.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW - hat kürzlich zur großen Überraschung vor allem sozialdemokratischer Minister in Bund und Ländern festgestellt, dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert und dass sie stattdessen zunächst sogar kontraproduktiv gewirkt hat, weil die Mieten vielfach einfach kurz vor ihrem Inkrafttreten vorsorglich erhöht wurden. So ist die Bremse vielfach zum Turbo bei der Mietsteigerung geworden.

Ich kann ehrlich gesagt kaum glauben, dass sich die Sozialdemokraten tatsächlich darüber wundern, dass gesetzliche Preisbremsen auf Märkten mit hoher Nachfrage nicht funktionieren und teilweise sogar kontraproduktiv wirken. So naiv kann doch eigentlich kein Mensch sein - dachte ich zumindest bis vor Kurzem. Anstatt jetzt erneut die ach so bösen Vermieter anzuprangern und ihnen mit härteren Sanktionen zu drohen, sollten Sozialdemokraten endlich ihre wohnungsbaupolitischen Hausaufgaben machen und für mehr Wohnraum sorgen.

(Beifall FDP und CDU)

(Ministerin Kristin Alheit)

Es bringt doch den Mietern, die die Sozialdemokraten offenbar immer noch als ihre Kernklientel ansehen, überhaupt nichts, wenn die Herren Maas und Studt weiterhin mit unsinnigen Gesetzen und Verordnungen an den Symptomen herumdoktern und die Ursachen weiterhin weitestgehend außer Acht lassen.

Der Wohnungsmarkt wird seit Jahren auch in Schleswig-Holstein immer stärker dadurch geprägt, dass es einen Drang in die Zentren gibt und gleichzeitig immer kleinere Haushalte. Das hat verschiedene Gründe. Zudem gab es in den letzten Jahren in Deutschland auch deutlich mehr Zuwanderung aus anderen EU-Staaten als zuvor prognostiziert. Ich habe heute mit Interesse Äußerungen der Bundesbauministerin in der „Welt“ zur Kenntnis genommen, die gesagt hat, sie habe vieles nicht in der Hand, da es ja vor allem eine Aufgabe der Kommunen sei und man müsse sehr fantasievoll mit der Energieeinsparverordnung umgehen. Außerdem bräuchten die jungen Leute von heute eh nur 30 m2, weil sie in ihrer Wohnung eigentlich nur noch schliefen.

(Anita Klahn [FDP]: Die können auch im Stehen schlafen!)

Ich muss ehrlich gestehen: Das war mir neu. Gut, dass die Junge-Leute-Partei SPD uns da aufgeklärt hat. Damit bekommen wir das Problem sicherlich in den Griff.

(Beifall FDP und CDU)

Die beschriebenen Trends erzeugen natürlich eine immer höhere Nachfrage beispielsweise in Kiel oder dem Hamburger Umland, der mit einem größeren Angebot in diesen Regionen begegnet werden muss, wenn die Mieten bezahlbar bleiben sollen.

Dass die Mietpreisbremse kein geeignetes Instrument ist, um in angespannten Wohnungsmärkten für Entspannung zu sorgen, ist ja nun auch durch das DIW wissenschaftlich bestätigt. Es fehlt vielerorts auch in Schleswig-Holstein schlichtweg an der Grundlage, dem Mietspiegel, und wo es ihn gibt, ist er unzureichend. Das schürt natürlich weiteren Unfrieden.

So löst die Mietpreisbremse keine Probleme, sondern schafft sogar neue. Das wird auch in Schleswig-Holstein nicht anders sein als in Berlin, wo das DIW das festgestellt hat. Warum sollte es hier anders sein? Das müssten uns die Sozialdemokraten erklären.

Meine Damen und Herren, wir haben einen Antrag vorgelegt, mit dem die wahrscheinlich verfassungswidrige Mietpreisbremse - die Klagen laufen ja beerdigt und durch eine Kostenbremse ersetzt werden soll. Der größte Kostentreiber beim Wohnen sind nämlich nicht die Vermieter, sondern das ist der Staat. Immer höhere Steuern und Abgaben und immer neue Auflagen verteuern das Wohnen. Das muss ein Ende haben.

(Beifall FDP)

Hinzu kommt die Niedrigzinspolitik der EZB, die vielen den Hauskauf durch niedrigere Zinsen erleichtert, was natürlich die Preise hat steigen lassen, und was das Mieten eben auch verteuert.

Meine Damen und Herren, wie schon gesagt, braucht man mehr bezahlbaren Wohnraum. Wir wollen deshalb die Landesregierung auffordern, gemeinsam mit den Kommunen dafür zu sorgen, dass insbesondere im Bereich der Zentren schnellstmöglich mehr Gebiete zur Schaffung neuen Wohnraums ausgewiesen werden, dass die Baugenehmigungen schneller erteilt werden und unnötige bürokratische Hemmnisse konsequent abgebaut werden. Vor allem die Landesplanung muss da endlich entschlackt werden. Es macht natürlich keinen Sinn, als Landesregierung immer zu fordern, die Kommunen müssten dafür sorgen, dass mehr Wohnraum geschaffen werde, und es gleichzeitig vielen Kommunen als Land zu verbieten, neuen Wohnraum zu schaffen.

(Beifall FDP und CDU)

Man kann durch Verdichtung, Aufstockung und Umnutzung auch vieles tun. Entscheidend ist aus unserer Sicht, dass die Scheinheiligkeit in der Wohnungspolitik der letzten Jahre ein Ende haben muss, wenn man tatsächlich den Mietern helfen will. In der Wohnungsbaupolitik lohnt es sich tatsächlich, einmal nach Hamburg zu schauen - also vielleicht auch für die CDU.

(Martin Habersaat [SPD]: Nein, die nicht!)

Dort werden seit einigen Jahren deutlich mehr Wohnungen gebaut, jedes Jahr zigtausende neue Wohnungen. Das Ergebnis ist, dass sich der Wohnungsmarkt dort das erste Mal seit Jahren endlich entspannt, minus 1 % bei den Mieten. Es lohnt sich, sich das anzuschauen.

Herr Kollege Lehnert, ich habe mit Begeisterung Ihren Änderungsantrag gelesen. Das meiste können wir unterschreiben. Ich freue mich, dass es in der CDU-Landtagsfraktion noch Freunde der sozialen

(Christopher Vogt)

Marktwirtschaft gibt. Ich hoffe, dass die auch in der Bundespartei wieder mehr Gewicht bekommen.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, wenn Sie mir nicht folgen und glauben wollen Sie haben doch bestimmt auch die Pressemitteilung der Wohnungswirtschaft gelesen -, dann glauben Sie doch wenigstens den Sozialdemokraten, die von dem Thema etwas verstehen. Herr Breitner hat unseren Antrag begrüßt und unterstützt.

(Martin Habersaat [SPD]: Den sollte man mal zum Minister machen, den Breitner!)