Protocol of the Session on December 15, 2016

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Es ist kein guter Zustand, wenn der Wille der Bürgerinnen und Bürger einfach als unfachlich abgetan wird.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Glocke Präsident)

- Ja, natürlich wissen wir, dass die Rechtslage uns da wenig Spielräume gibt.

(Zurufe SPD: Ah!)

Da trifft den Ministerpräsidenten auch keine Schuld. Es wäre unredlich, ihm dafür die Schuld zu geben.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wahr ist aber auch, dass Ihre Bemühungen, Herr Albig, das zu ändern, auf wirklich aller-, aller-, allerniedrigstem Niveau stecken geblieben sind.

(Beifall FDP)

Sie haben sich damals hier nach dem OVG-Urteil hingestellt und gesagt: Ja, wir werden dafür sorgen, dass die Bürgerbeteiligung wieder rechtlich verbindlich wird. Sie haben da große Hoffnungen geweckt. Nichts ist da gekommen, gar nichts. Es sind auch keine weiteren Wege beschritten worden.

Ich gebe Ihnen natürlich recht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, dass der Gesetzentwurf der Union, über den wir heute auch diskutieren, nicht zu den richtigen Wegen gehörte. Das ist in der Anhörung sehr deutlich geworden. Es handelt sich nicht um juristische Kunst, sondern mehr oder weniger um eine Manifestierung des Status quo. Insofern - auch das sollte an dieser Stelle einmal gesagt werden - ist die öffentliche Darstellung Ihres Gesetzentwurfs, liebe Union, auch ein wenig irreführend gewesen, zumal es gar nicht um Mitbestimmung, sondern nur um eine Form der Beteiligung geht.

(Beifall FDP)

Fakt ist und bleibt aber, dass den großen Ankündigungen von Ministerpräsident Albig keine Taten gefolgt sind. Aber auch das ist mittlerweile Markenkern dieser Koalition.

Meine Damen und Herren, die mangelnde Berücksichtigung des Bürgerwillens bei der Ausweisung von Vorrangflächen ist wirklich einer der entscheidenden Makel, an denen Ihre gesamten Pläne leiden und der letztlich das Gelingen dieser Energiewende nachhaltig zu gefährden droht.

(Zuruf Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Aber es gibt noch einen anderen Punkt, Herr Matthiessen. Ihre Pläne sind, anders als Sie es immer darstellen, anders als es immer groß gesagt wird, keineswegs alternativlos. Sie weisen 1,98 % der Landesfläche aus. Dabei ist das erstens rechtlich

nicht notwendig. In der Rechtsprechung wurden recht kleine Flächenanteile als ausreichend angesehen, sogar weniger als 1 %. Jedenfalls wurden Konzentrationsflächenplanungen nur höchst selten für unwirksam erklärt, weil die ausgewiesenen Flächen zu klein waren.

Zweitens wissen Sie in Wahrheit gar nicht, wie viel Prozent der Landesfläche heute schon beansprucht werden. Dazu verweise ich auf die Drucksache 18/4419, eine Kleine Anfrage von mir. Sie wissen gar nicht - vielleicht sind Sie ja schon bei 2 % -, wo Sie sind. Sie können das gar nicht sagen. Wenn Sie immer sagen, Sie hielten 98 % des Landes frei, ist das wirklich eine ziemlich kühne Behauptung.

(Beifall FDP)

Drittens, der wichtigste Punkt, meine Damen und Herren: Ihre Pläne sind auch aus energie- und klimaschutzpolitischen Gründen nicht alternativlos. Sie ignorieren das Potenzial von Repowering. Wir als FDP-Fraktion haben hier schon mehrfach darauf hingewiesen, dass ein Mehr an Repowering ein Weniger an Zubau ausgleichen kann. Wir haben deshalb einen erweiterten Bestandsschutz für alle Bestandsanlagen gefordert, nachdem Repowering grundsätzlich immer zulässig sein soll, wenn dafür mindestens zwei Anlagen abgebaut werden. So schützt man die wirtschaftlichen Interessen der Anlagenbetreiber, ältere Anlagen durch effizientere, neuere Anlagen zu ersetzen. Und noch viel wichtiger: So wird eben auch die Möglichkeit einer umfassenden Flurbereinigung geschaffen. Wir würden Wildwuchs abbauen und die Verspargelung reduzieren. - Die Landesregierung will dies aber offensichtlich ausdrücklich nicht.

(Beifall FDP)

Genauso ignoriert die Landesregierung die Chancen von Offshore-Anlagen. Es ist ja richtig, dass Offshore-Windenergie heute oft teurer ist als Windkraft onshore. Klar ist aber auch, dass sich dies schon sehr bald ändern könnte und ändern wird. Und Fakt ist, dass Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee effizienter und bürgerverträglicher sind als Anlagen an Land.

(Beifall FDP und Hans-Jörn Arp [CDU])

Sie sehen also: Es geht anders. Ein moderater, flexibler Ausbau an Land, der sich an den tatsächlichen Netz- und Speicherkapazitäten orientiert: Das ist die Linie, die wir fahren.

Bevor Sie jetzt hyperventilieren und den beliebten Vorwurf erheben, wer den Ausbau der Windenergie an Land einschränken wolle, spreche sich automa

(Oliver Kumbartzky)

tisch dafür aus, dass die Kernkraftwerke in Schleswig-Holstein länger liefen, möchte ich Ihnen noch eines sagen: Wir sagen nicht, dass wir keinen Ausbau an Land mehr wollen. Wir sagen, dass wir einen anderen, einen klügeren Ausbau wollen. Es soll ein synchronisierter Ausbau mit Augenmaß sein und nicht ein Ausbau ins Blaue hinein. Das ist der feine Unterschied.

Hören Sie also auf, andere Meinungen mit solchen Anwürfen als umweltfeindlich und damit quasi unmoralisch zu ächten. Machen Sie -sich lieber ehrlich. Sie alle wissen genau, dass jede neue Windkraftanlage keinen Einfluss auf den CO2-Ausstoß hat, solange dieser durch den Emissionshandel über noch geltende Zertifikate geregelt ist.

(Beifall FDP)

Auch das hat die Landesregierung schon einmal in der Antwort auf eine Kleine Anfrage selbst zugegeben. In dem Moment, in dem die Ausgabemenge verknappt ist - was aus Klimaschutzgründen zweifelsohne der richtige Weg ist -, können wir gerne wieder darüber reden.

Jetzt aber müssen wir uns an den heutigen Rahmenbedingungen orientieren. Sie wissen alle um das Problem der Volatilität des Windstroms. Die installierte Nennleistung aller Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein beträgt zwar 6,5 GW, die tatsächlich eingespeiste Leistung ist aber aufgrund der Abhängigkeit vom Wind viel niedriger. Deswegen kann man 27,6 TWh Windstrom über das Jahr nicht mit 27,6 TWh Atomstrom vergleichen. Das Problem der Volatilität des Windstroms wird übrigens durch den Netzausbau nur verteilt, aber nicht gelöst. Fakt ist deshalb, dass jedenfalls in der Übergangszeit noch regelbare Gaskraftwerke notwendig sind, um das Stromsystem zu stabilisieren.

(Beifall FDP)

Hören Sie also mit Ihrer strategischen Etikettierung auf, alle Kritiker Ihrer Pläne als Personen zu diskreditieren, sondern entwickeln Sie Argumente. Dann bin ich mir sicher, dass wir auch gemeinsame Wege finden.

Um es zusammenzufassen: Statt einer Energiewende mit der Brechstange an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei brauchen wir eine Windenergiepolitik, die sich an den vorhandenen Netzkapazitäten orientiert, auf Bestandsflächen Repowering erlaubt und so eine längst überfällige Flurbereinigung ermöglicht. So lassen sich auch größere Abstände bis zur siebenfachen Anlagenhöhe realisieren.

Größere Abstände und echte Bürgermitbestimmung sind unerlässlich. Die Tatsache, dass es immer mehr Bürgerinitiativen gibt und jetzt sogar zwei Volksinitiativen am Start sind, zeigt, dass der Ministerpräsident in den letzten Monaten Windkraftbefürworter zu Windkraftkritikern gemacht hat. Der Ministerpräsident hat mit seinen Regeln für das Repowering die Regionen, in denen die Windenergie sehr akzeptiert ist, gegen sich aufgebracht. Das dokumentiert das Totalversagen Ihrer Landesregierung in der Energiepolitik. Dieses Trauerspiel muss im Mai beendet werden. - Danke schön.

(Beifall FDP, Hans-Jörn Arp [CDU] und Rainer Wiegard [CDU])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne die Zeichnergruppe „Urban Sketchers“ aus Eutin. Es sind Gäste der Abgeordneten Regina Poersch. Bitte passen Sie Ihre Verhaltensmuster der Anwesenheit der Zeichner an. - Danke schön.

(Heiterkeit und Beifall)

Nun kommen wir wieder zu den Beratungen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lars Harms für die Abgeordneten des SSW.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts war klar: Die Ausweisung von Windenergieflächen muss auf neue Füße gestellt werden. Damit wurde die Landesregierung als oberste Planungsbehörde aufgefordert, tätig zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Sie hat dies gemacht.

In einem ersten Schritt hat sie das Gespräch mit allen Beteiligten gesucht und die Situation erörtert. Es ist bei einigen schon in Vergessenheit geraten, dass wir die kommunalen Landesverbände, die Windenergieverbände und Fachleute gefragt haben, die Politik, Oppositions- und Regierungsfraktionen eingeladen haben und mehrere Gesprächsrunden darüber geführt haben, wie man überhaupt damit umgehen soll. Wir haben mit diesen Gruppierungen auch Einigkeit erreicht, wie man das zu machen hat. Das, was die Regierung am 6. Dezember vorgelegt hat, ist das Resultat dieser einigenden Sitzung, die wir gemeinsam veranstaltet haben.

Klar war zu dem Zeitpunkt, dass die bis dato gültigen Teilfortschreibungen der Windenergieflächen quasi ihre Rechtswirksamkeit verloren haben. Das

(Oliver Kumbartzky)

hat bei den Anlagen- und den Netzbetreibern, aber auch bei Gemeinden, Ämtern, Kreisen und letztendlich auch bei den Bürgern für Ungewissheit darüber gesorgt, was das Urteil für die Zukunft bedeutet.

Die Landesregierung hat das Heft in die Hand genommen und einen Weg aufgezeigt, wie man gedenkt, aus dieser Klemme zu kommen. Die Landesregierung hat Maßnahmen ergriffen, um dabei drei wichtige Ziele sicherzustellen:

Erstens. Kein ungesteuerter Ausbau der Windenergienutzung in Schleswig-Holstein allein auf Basis der Privilegierung nach Baugesetzbuch. Das hatte uns nämlich gedroht.

Zweitens. Keine Übertragung der vollen Planungsverantwortung auf die einzelnen Gemeinden, sondern weiterhin Steuerung der Windenergienutzung durch Regionalpläne. Es wird auch kommunalpolitisch durchaus getragen, dass das Land SchleswigHolstein eine übergeordnete Planung macht. Das war im Übrigen vorher schon so. Auch da gab es nicht Wildwest, sondern es gab eine Planung.

Drittens. Kein Ausbaustopp für Windenergie in Schleswig-Holstein während der Aufstellungsphase der neuen Pläne. Es wurden in der Tat Krücken geschaffen. Was wir da machen konnten, war alles nicht die reine Lehre. Es hat zwar den Ausbau in der Zwischenzeit eingeschränkt, aber eben immerhin kontrolliert ermöglicht. Beides funktionierte in diesem Bereich, um die Windbranche nicht gänzlich zu gefährden.

Parallel dazu hat die Landesregierung daran gearbeitet, ein rechtssicheres und raumverträgliches Planungsinstrument zu schaffen, das die Anforderungen des Oberverwaltungsgerichts erfüllt. Da stehen wir heute. Seit dem 6. Dezember wissen wir, wie die Entwürfe der Windenergie-Regionalpläne für Schleswig-Holstein aussehen, zu denen sich auch jeder Bürger äußern kann.

Ich stelle fest: Es wurden insgesamt 354 Vorranggebiete für Windenergie ausgewiesen. Das entspricht einem Anteil von 1,98 % der Landesfläche. Damit werden 98 % von Windenergieanlagen freigehalten. Das ist immer noch der weit überwiegende Teil unseres Landes.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Einschließlich Wasserflächen!)