Protocol of the Session on March 22, 2017

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Es war nur glatt, keine Sorge. Es ist hier offensichtlich gebohnert worden.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass ich für mich selbst und möglicherweise auch für eine Mehrheit meiner Fraktion erkläre, dass wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Ich will das kurz begründen.

Zunächst einmal muss man sich vor Augen halten, dass die Entschließung des Deutschen Bundestages vor dem Verfassungsgericht nur deshalb Bestand gehabt hat, weil es bei einer Patt-Entscheidung von vier zu vier immer so ist, dass der Antragssteller verliert, weil er keine Mehrheit beim Gericht erhält. Ich würde allen Beteiligten empfehlen nachzulesen,

(Dr. Marret Bohn)

was die vier abweichenden Richter erklärt haben, warum die Regelung aus ihrer Sicht mit der Verfassung nicht vereinbar ist.

Zunächst einmal muss man mit der Behauptung aufräumen, es handele sich um Nebentätigkeiten. Nebentätigkeiten sind Tätigkeiten, die neben einem Beruf ausgeübt werden. Die Abgeordnetentätigkeit ist jedoch kein Beruf, sondern eine Mandatserteilung auf Zeit. Die Diät ist kein Gehalt, wie es viele Menschen glauben, sondern die Entschädigung dafür, dass man -

(Uli König [PIRATEN]: Doch!)

- Herr König, dass Sie das nicht verstehen, leuchtet mir ein, aber es ist tatsächlich so.

(Uli König [PIRATEN]: Das ist Wortklaube- rei!)

- Das hat mit Wortklauberei nichts zu tun. Ich versuche, Ihnen das noch einmal zu erklären, weil Sie offensichtlich nicht begreifen, was das für Unternehmer, Handwerker, Selbstständige und Freiberufler bedeutet.

Jemand, der aus einer Anwaltskanzlei ins Parlament kommt, muss dafür Sorge tragen, dass er in der Kanzlei ersetzt wird; denn wenn er nach vier oder fünf Jahren Abgeordnetentätigkeit nicht wiedergewählt wird, kehrt er sonst ja nicht in ein bestehendes Unternehmen zurück. Er müsste es, hätte er keinen Ersatz dafür, neu aufbauen; er müsste neu anfangen. Wir hatten in unserem Parlament schon einmal Abgeordnetenkollegen, die eine eigene Firma hatten und während der Zeit ihrer Tätigkeit hier in der Firma durch einen Geschäftsführer ersetzt werden mussten. Diese Kollegen werden nicht mit zwei Diäten abgegolten, sondern auch nur mit einer Diät. Das heißt, sie haben ökonomisch im Prinzip nichts davon, dass sie diesem Parlament angehören; vielmehr machen sie das im Gegensatz zu Menschen, die aus dem öffentlichen Dienst oder aus einem Angestelltenverhältnis kommen, im Prinzip auf eigenes Ticket.

Kein Arzt, kein Handwerker oder Anwalt kann sich künftig in einem Parlament wiederfinden, wenn er erklären muss, wie seine Umsätze sind oder seine Einkommenssituation in der Kanzlei ist. Herr Kollege Peters, was machen wir eigentlich mit Kolleginnen und Kollegen, die aus Großkanzleien kommen, von Linklaters oder anderen? Das wird demnächst der Fall sein. Müssen diese die Umsätze der gesamten Kanzlei angeben oder nur ihren Gewinnanteil, der sich aus den Einnahmen der einzelnen Persönlichkeiten errechnet? Wollen Sie, dass

man künftig, wenn Sie es veröffentlichen, feststellt, dass Sie als Anwalt nichts taugen, weil Sie so wenige Umsätze machen, im Gegensatz zu anderen Anwälten, die dort arbeiten? - Ich will das nur einmal spezifizieren. - Was soll ich beispielsweise als Strafverteidiger branchenspezifisch angeben? Soll ich angeben: „Alles Beschuldigte“? Sie kommen ja aus unterschiedlichen Branchen.

Ich will damit sagen: Das Gesetz ist offensichtlich nicht richtig durchdacht und wird eine Vielzahl von Problemen aufwerfen. Nicht, dass ich etwas gegen Transparenz habe. Im Gegenteil. Aber jene, die immer erklären, die Menschen wollten Transparenz, müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Freien Demokraten seit 1992 jedes Mal in den Landtag gewählt worden sind, und dies teilweise mit beachtlichen Ergebnissen, und es den Menschen offensichtlich egal war, was die Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen nebenbei verdienen.

Eine wichtige Frage stelle ich hier wirklich in den Raum. Das hat das Bundesverfassungsgericht auch getan. Man hält Menschen, die aus einem Beruf kommen und ökonomisch nicht darauf angewiesen sind, Diäten zu erhalten, in der Mandatsausübung für freier als Menschen, die nur das Mandat haben, weil deren freie Entscheidung durch politische Einflussnahme der Entscheidungsträger der jeweiligen Partei eingegrenzt werden kann. Ich sage es einmal vorsichtig. Man kann Menschen, die darauf angewiesen sind, damit bedrohen, dass man erklärt: Wenn du nicht artig bist, also deine Meinung nicht der Mehrheitsmeinung der Fraktion unterordnest, dann wirst du nicht wieder aufgestellt. - Das soll es schon gegeben haben, habe ich gehört. Deshalb ist hier die freie Mandatsausübung massiver gefährdet als bei Menschen, die über ein beachtliches Einkommen verfügen und schlicht und ergreifend erklären können: Mir ist völlig egal, wenn ich morgen nicht mehr im Parlament sitze; dann kann ich meinen Beruf weiter ausüben und bin sicher.

(Beifall FDP)

Für mich ist viel entscheidender, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass in diesem Gesetzentwurf nicht geregelt ist, dass man Kapitaleinkünfte erklären muss. Die Abhängigkeit ist wahrscheinlich viel mehr davon geprägt, dass man Aktien eines ganz bestimmten Unternehmens besitzt, beispielsweise eines Windenergieunternehmens, dessen weitere produktive Tätigkeit man fördern muss, weil der Aktienwert, das heißt die Dividendenfähigkeit, davon abhängt, dass es dem Unternehmen gutgeht. Wenn man das nicht regelt, dann regelt man einen wesentlichen Teil der politisch motivierten Ein

(Wolfgang Kubicki)

flussnahme und der ökonomisch motivierten Einflussnahme nicht.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

- Herr Kollege Dr. Breyer, dass ausgerechnet Sie, die geglaubt haben, mit Ihren „wunderbaren“ Forderungen würden Ihnen die Herzen der Menschen zufliegen, sich jetzt als Partei der Transparenz hinstellen! Ich bin gespannt, ob sich, abgesehen von den eigenen Mitgliedern, überhaupt noch jemand findet, der die PIRATEN wählt. Jedenfalls war das nicht der Burner, den Sie sich vorgenommen haben. Das hat die Menschen nicht überzeugt.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ich selbst werde dagegen stimmen, obwohl ich das Bemühen aller Beteiligten anerkenne, dies vernünftig zu regeln. Aber die Regelung ist bedauerlicherweise nicht vernünftig und wird dazu beitragen, dass immer weniger Menschen, die in einem freien Beruf tätig sind, und immer weniger Unternehmer dem Parlament angehören. Das ist etwas, was wir eigentlich nicht wollen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die Fraktion der PIRATEN hat deren Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer, das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir PIRATEN stehen für Transparenz in der Politik, weil Transparenz den Bürgern die Möglichkeit gibt, ihren Volksvertretern auf die Finger zu schauen und sie zu kontrollieren. Wir PIRATEN wollen eine transparente Politik und nicht den gläsernen Bürger.

Schon der Volksmund sagt: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Deswegen hat es auch für Schlagzeilen gesorgt, dass zum Beispiel der frühere Finanzminister und spätere SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück bezahlte Vorträge bei Banken, Versicherungen oder auch Finanzkongressen hielt, zum Teil sogar, während er gleichzeitig im Bundestag bei namentlichen Abstimmungen fehlte. Es hat für Kritik gesorgt, dass im Landwirtschaftsausschuss des Bundestages ein Agrarlobbyist saß oder ein Ärztelobbyist im Gesundheitsausschuss.

Zuletzt war im „Spiegel“ zu lesen, dass vor allem Landtagsabgeordnete von CDU und CSU teilwei

se ein Vielfaches ihrer Diäten aus anderen Quellen als Nebeneinkünften beziehen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist bei mir auch der Fall, Herr Breyer, falls Sie das noch nicht wissen!)

Natürlich wirft das die Frage nach Interessenkonflikten auf, Herr Kubicki. Wird der hochbezahlte Lobbyist im Parlament Politik im Interesse der Mehrheit Bürger machen, auch wenn das zulasten seines Geldgebers geht?

(Klaus Schlie [CDU]: Das ist schon wieder eine Unterstellung! - Zuruf Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Und steht das Mandat zeitlich eigentlich noch im Mittelpunkt der Tätigkeit dieser Abgeordneten? Im Koalitionsvertrag wurde auf diese Kritik reagiert und angekündigt - ich zitiere -:

„Wir werden eine Regelung zur Ausweisung der Nebenverdienste von Abgeordneten schaffen, die sich an dem Modell des Bundestages orientiert, jedoch zusätzlich ergänzt wird um die Pflicht zur genauen Ausweisung der Höhe der Nebenverdienste.“

Wir PIRATEN haben schon im Jahr 2013 einen Gesetzentwurf zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften eingebracht, der übrigens auch Kapitaleinkünfte einschloss, Herr Kubicki, der aber hier im Hause ersatzlos abgelehnt wurde.

Das Thema der Transparenz von Nebeneinkünften ist jahrelang verschleppt worden, und jetzt wird auf dem letzten Meter ein Gesetzentwurf verabschiedet, der eine Veröffentlichung erst nach der Landtagswahl vorsieht. Das heißt: Den Bürgern wird die Möglichkeit genommen, ihre Wahlentscheidung auch darauf zu stützen, woher Kandidaten eigentlich ihre Einkünfte beziehen.

(Uli König [PIRATEN]: 2022!)

Dass man sich am Modell des Bundestags orientieren wollte, davon kann nach diesem Gesetzentwurf keine Rede mehr sein.

(Volker Dornquast [CDU]: Das ist doch völ- lig unlogisch!)

Sie planen keine betragsgenaue Veröffentlichung der Nebeneinkünfte, sondern es soll nur noch ein Jahresdurchschnitt in einer Stufe veröffentlicht werden, und auch nicht, anders als beim Bundestag, wie viel man für die einzelne Tätigkeit verdient, sondern insgesamt für alle Nebentätigkeiten zusammengenommen. Selbst von dieser Transparenz

(Wolfgang Kubicki)

kann der Landtagspräsident Ausnahmen zulassen. Ich bin sicher, Herr Kubicki wird der Erste sein, der darauf pocht.

Wie stark man zeitlich durch seine Nebentätigkeiten in Anspruch genommen wird, lässt sich aus den zu veröffentlichenden Informationen überhaupt nicht entnehmen. Deswegen ist es richtig, und wir können uns dem nur anschließen, dass „abgeordnetenwatch“ diesen Gesetzentwurf als peinliche Posse und als inakzeptabel bezeichnet hat.

(Beifall PIRATEN - Zurufe FDP)

Sie schaffen mit Ihrem Gesetzentwurf sogar weniger Transparenz, was finanzielle Zusagen nach Ende des Mandats angeht. Diese sind bisher noch anzuzeigen; nach Ihren Regeln künftig nicht mehr.

Wenn sich jetzt die Grünen für ihren Einsatz für Transparenz rühmen, kann ich nur sagen: Das ist ein derart durchsichtiges Wahlkampfmanöver, dass von Ihrem Einsatz gar nichts zu sehen ist; so transparent ist er.

Herr Kubicki, wenn Sie die Regeln, die künftig gelten sollen, und vor allem die weitergehenden Regeln, die im Bundestag gelten, so schrecklich finden, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie Ihre Kandidatur zum Bundestag zurückziehen.

(Beifall Uli König [PIRATEN] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Was Sie erwarten, ist doch völlig Banane! - Christopher Vogt [FDP]: Das interessiert keinen Menschen! - Glocke Präsident)

- Wenn so etwas Schreckliches von Ihnen verlangt wird, können Sie dafür ja nicht antreten! Es hat keinen Sinn, Herr Kubicki, wenn Sie sich im Bundestag solchen Bedingungen unterziehen.

Dass Sie jetzt zur Begründung Ihres Abweichens und Bruchs des Koalitionsvertrages eine Einigungsnotwendigkeit mit der CDU anführen, ist doch wirklich eine Kapitulationserklärung. Rechnen Sie denn damit, dass die CDU nach der Landtagswahl die Regierung übernimmt?