Patrick Breyer
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bereits gesagt worden ist zu
den Antworten auf die Große Anfrage, dass die Leistungen und Zuwendungen, die die Kommunen erhalten haben, vielfach nicht als eigene Erfolge gewertet werden können, weil sie nicht freiwillig zustande gekommen sind, sondern auf Druck von außen und vonseiten der Kommunen oder als Folge angedrohter Klagen, Konnexitätsansprüchen und so weiter. Das sollten wir bei der Diskussion der Finanzlage im Auge behalten.
Das neue Finanzausgleichsgesetz ist in wichtigen Punkten auf unsere Klage hin einkassiert worden. Deswegen stellt sich die Frage, ob die Zahlen, die in der Antwort der Landesregierung präsentiert werden, in Zukunft überhaupt noch Bestand haben werden. Herr Dr. Klug, ich kann da in der Tat auf die Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses mit der Innenstaatssekretärin verweisen, in der auf unseren Antrag hin genau das diskutiert wurde. Die Frage wurde aber auf die lange Bank geschoben. Welche Konsequenzen da zu ergreifen sein werden, ist noch gar nicht absehbar.
Was das IMPULS-Programm angeht, so ist dieses von den Kommunen vielfach wegen der Bedingungen kritisiert worden, die dafür gelten, ganz zu schweigen davon, wie wenig Mittel aus diesem Programm tatsächlich abfließen und abgerufen werden. Als Erfolg lässt sich das schwerlich präsentieren.
Was das Thema bezahlbaren Wohnraums angeht, stellt die Landesregierung zwar umfangreich und umfänglich dar, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, aber entscheidend ist doch, was hinten rauskommt, wie man so schön sagt. Da muss man feststellen, dass wir im Land eine Situation haben, die für Menschen, die nach bezahlbaren Wohnungen suchen, wirklich außerordentlich prekär ist. Es hat noch nie so wenige Sozialwohnungen in SchleswigHolstein gegeben wie heute. Sie haben die Zahl durch eine Reform noch einmal um ein Drittel auf nur noch 50.000 abgesenkt. Sie wissen nicht einmal mehr, wie hoch der Bedarf an Sozialwohnungen in Schleswig-Holstein ist, wie eine Anfrage von mir ergeben hat. Herr Studt, Sie können es nicht beziffern.
Die Mietbelastungsquote ist in Schleswig-Holstein so hoch wie in keinem anderen deutschen Flächenland. Allein die Mieten in Kiel und Lübeck sind in den letzten zehn Jahren um 40 % angestiegen. Eine Studie hat ergeben, dass 98 % des Neubaus in Kiel gar nicht für Menschen mit geringerem Einkommen
bezahlbar sind. Trotzdem lehnen Sie alle unsere Vorschläge, aber auch vieles von dem, was der Mieterbund vorschlägt, ab. Sie blockieren und setzen einzig auf den Neubau, der schon in den letzten Jahren nichts an der Situation geändert hat.
- Fakt ist: Sie können gegen das Wegbrechen des bezahlbaren Wohnraums gar nicht anbauen. Das reicht nicht aus, Herr Kollege Dr. Dolgner. Wir sagen Ihnen das schon seit Jahren.
Man muss auch im Bestand handeln. Alles, was wir zur Zwecksicherung gegen Leerstand und gegen Mietanstieg vorgeschlagen haben, bügeln Sie ab. Sie tun auch nichts gegen die Fehlbelegung des vorhandenen sozialen Wohnraums. Das ist ein großer Fehler. Es ist insgesamt keinesfalls ein Erfolg, sondern eher ein massiver Fehlschlag dieser Landesregierung.
Gern.
Wir sind uns mit der FDP nicht einig, wie man den Wohnungsbau organisiert. Die sind eher für die Privatwirtschaft. Aber wir sind uns mit der FDP in dem Punkt einig: Wohnungen kriegen Sie nur, indem Sie Wohnungen bauen. Der Missbrauch im vorhandenen Bestand mag 1 % oder 2 % betragen. Sind Sie wirklich der Meinung - ich frage das, weil Sie das hier immer als einzige Lösung präsentieren -, dass wir die 154.000 Wohnun
gen über rechtliche Maßnahmen herbeizaubern können?
- Herr Dr. Dolgner, das ist das Grundproblem Ihrer Wohnungspolitik: Sie unterscheiden nicht zwischen Wohnungen und bezahlbaren Wohnungen.
Wenn Sie mit der Gießkanne arbeiten und den Wohnungsbau insgesamt fördern, kommt dabei so etwas wie in Kiel heraus, wo 98 % der neu geschaffenen Wohnungen überhaupt nicht bezahlbar sind.
Ich habe es schon erwähnt: Der Innenminister konnte auf meine Anfrage nicht sagen, wie hoch eigentlich der fehlende Bedarf an Sozialwohnungen ist. Solange Sie nur allgemein Neubau fördern, kommt der nicht dort an, wo er am dringendsten gebraucht wird. Da müssen wir uns bei der Förderung konzentrieren und fokussieren.
Ja.
- Ich weiß, Herr Dr. Dolgner, dass gerade SPD-geführte Kommunen ihre Wohnungsbaugesellschaften und damit ihre Wohnungsbestände verkauft haben. Ich habe nicht von der Förderung kommunalen Wohnungsbaus gesprochen, sondern von der Förderung von Wohnungsbau in den Kommunen, also in unserem Land allgemein. Das war meine Kritik, was die Wohnungsförderung angeht. Ist damit die Frage beantwortet?
- Das Ergebnis ist, dass die Mietbelastungsquote so hoch wie in keinem anderen Bundesland ist, Frau Kollegin. Die Mieten steigen drastisch an, und Sie
haben die Situation in den letzten Jahren verschlimmert, statt sie zu verbessern.
Ich komme zum Thema Bürgerbeteiligung in den Kommunen. Natürlich haben wir die Bürgerbeteiligung erleichtert, auch wenn Sie nur einen Teil der Forderungen der Volksinitiative umgesetzt haben. Gefordert und nicht umgesetzt wurde zum Beispiel, dass die Bürger auch über Abgaben mitbestimmen dürfen. Gerade bei den Themen Straßenausbaubeiträge und Pferdesteuer wäre es doch gut, wenn Bürgerentscheide über kommunale Abgaben zulässig wären. Warum lehnen Sie denn ab, was wir seit Jahren fordern?
Zum Thema Windenergie: Ausgerechnet hier, beim Landesplanungsgesetz, haben die Kommunen nach Ihren Vorstellungen keinerlei Mitspracherecht.
Der Gemeindewille zählt nichts bei der Windenergieplanung. Die Gemeinden können Ihre Fehler korrigieren, ob sie dafür sind oder dagegen, spielt aber keine Rolle. Die Kommunen, die dafür sind, müssen trotzdem Anlagen abbauen, und bei denjenigen, die dagegen sind, sollen Anlagen hingebaut werden. Das ist ein Wahnsinn und eine Bankrotterklärung.
Zum Thema Schulen: Da hören sich die Antworten gut an. Es gibt aber noch immer Schulen, bei denen die Realität anders aussieht, wo zum Beispiel die Fenster nicht mehr geöffnet werden können, weil sie sonst abfallen. Die Situation ist in der Realität leider oft ganz anders.
Andere Bereiche sind gar nicht von Ihnen abgefragt worden: die Themen Informationszugang in den Kommunen, Inklusion oder auch eine Kommunalreform, wie SSW oder Grüne sie fordern. Wir PIRATEN können nur sagen: Wir sprechen uns gegen jede Zwangsfusion von Gemeinden aus, weil Demokratie in erster Linie vor Ort in den Kommunen stattfindet. Es ist der falsche Weg, eine Zwangsfusion zu betreiben.
Im Übrigen schließe ich mich der Forderung meiner Vorredner an, dass wir diese Antworten mit den Kommunen erörtern und erläutern sollten. Deswegen mache ich auch einen konkreten Vorschlag: Ich beantrage, dass diese Antwort dem Innen- und Rechtsausschuss überwiesen wird und dass wir
uns in diesem Ausschuss noch einmal zusammensetzen und eine mündliche Anhörung mit den kommunalen Vertretern durchführen, um uns über diese Antwort zu unterhalten. Das sollte uns das Thema wert sein. - Danke schön.
Wir sind einverstanden mit dem Verfahrensweg, den Sie genannt haben, und werden dann die Sondersitzung beantragen. Wir haben auch schon erfahren, dass es Zustimmung der anderen Oppositionsfraktionen gibt.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der heutigen Debatte muss ich sagen: Es hat sich gelohnt, dass mein Kollege Wolfgang Dudda das Öffnen von Briefen in Justizvollzugsanstalten thematisiert und kritisiert hat. Denn es ist keineswegs so, dass von vornherein alles richtig gelaufen wäre. Vielmehr haben Sie Ihre Meinung geändert.
Ich erinnere mich sehr wohl an die Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses, in der der Herr Staatssekretär noch vertreten hat, es sei stichprobenartig erlaubt, auch Abgeordnetenpost und Post des Petitionsausschusses, von Gerichten und so weiter zu öffnen. - „Stichprobenartig“ heißt: ohne Anhaltspunkte. Heute haben Sie, Frau Ministerin, hier vertreten, dass ein Öffnen nur zulässig sei, wenn sich wirklich Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass ein verbotener Inhalt enthalten sein könnte. Wenn ich Sie insoweit richtig verstanden habe, dann haben wir einen Fortschritt erzielt. Somit war es richtig und wichtig und hat sich gelohnt, dies zu thematisieren.
Auch nach dem, was Sie sagen, Herr Kollege Peters, bleibt allerdings die Frage: Wenn es denn so ist, dass konkrete Anhaltspunkte Voraussetzung für ein Öffnen sind, wo waren denn diese Anhaltspunkte im Fall der Briefe meines Kollegen Wolfgang
Dudda? Welche Anhaltspunkte sollen denn dafür vorliegen, dass ein Abgeordneter dieses Landtages verbotene Gegenstände an eine JVA schickt?
Sofort, Frau Präsidentin. Ich will gerade noch den Gedanken zu Ende führen.
Der Brief enthielt mehrere Absenderstempel des Abgeordneten.
Der Brief war vom Landtag, von unserer Poststelle, gestempelt. Wie soll bei einem solchen Brief ein Anhaltspunkt dafür vorliegen, dass er nicht vom Absender stammen könnte? Und dann das Öffnen zum wiederholten Male! Der erste Brief ist geöffnet und verifiziert worden. Dann schickt mein Kollege einen weiteren Brief an denselben Gefangenen, und er wird wieder geöffnet. Wie kann dies sein? Das ist nicht mit Anhaltspunkten zu rechtfertigen.
Jetzt nehme ich gerne die Zwischenfrage entgegen.
Herr Kollege, das mag sein. Mir ist aber nicht bekannt, dass schon einmal in der Post von Abgeord
neten des Landtags verbotene Gegenstände gefunden worden sind. Das ist ja die zentrale Frage, die in der Debatte offenbleibt, ob in der Post von Abgeordneten, von Gerichten, vom Petitionsausschuss jemals verbotene Gegenstände festgestellt worden sind. Frau Ministerin, auch Sie haben nicht gesagt, dass es dazu irgendeinen Erfahrungswert gibt. Solange das nicht der Fall ist, bleiben wir dabei: Es ist unverhältnismäßig, es ist rechtswidrig, und es ist verfassungswidrig, diese Post trotzdem zu öffnen.
Ja.
Ist das jemals vorgekommen?
- Es kann sehr wohl vorkommen. Einen Verteidigerstempel herzustellen, ist eine ganz einfache Sache. Da gehen Sie in einen Schreibwarenladen und sagen: „Machen Sie mir mal einen Stempel Verteidigerpost.“ Dann haben Sie das innerhalb von einem Tag.
Genauso leicht ist das bei anderen Stempeln. Das ist eine Möglichkeit, um Post in die JVA einzuschmuggeln, die dort nichts zu suchen hat, in dem ein falscher, anderer Absender fingiert wird.
- Herr Kollege Peters, wir sind uns einig, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass dann eine Veranlassung gegeben sein kann, wenn man andere Möglichkeiten ausgeschöpft hat, auch ein solches Schreiben in Anwesenheit des Gefangenen zu öffnen. Wenn Sie aber andersherum argumentieren, dass allein die Möglichkeit, dass es in Zukunft einmal vorkommen könnte, reichen soll, um einen
Brief zu öffnen, bin ich überrascht, weil ich das nicht von einer Partei gedacht hätte, die gegen Vorratsdatenspeicherung ist. Sie haben gerade dafür plädiert, anlasslos auf Vorrat nachzusehen, weil es einmal passieren könnte.
Das geht uns zu weit. Wenn es Anhaltspunkte gibt, kann es gerechtfertigt sein. Aber das war bei den Schreiben nicht der Fall. Da gab es ja gerade keine Anhaltspunkte dafür, dass das falsch gewesen sein könnte.
Ich habe genannt, woraus der Absender der Schreiben eindeutig hervorging. Sie haben nichts angebracht, was das widerlegt. Allein, dass vielleicht in früherer Post an diesen Gefangenen verbotene Gegenstände geschickt wurden, rechtfertigt doch nicht das Misstrauen, dass Abgeordnetenpost oder Gerichtspost an denselben Empfänger solche Gegenstände enthielten.
Ja.
- Herr Kollege Peters, wenn er das auf diese Art und Weise schon einmal versucht hätte, könnte ich es nachvollziehen. Aber unsere Frage, ob es jemals vorgekommen ist, dass irgendeine Post von Abgeordneten, vom Petitionsausschuss oder vom Gericht verbotene Gegenstände enthalten hat, ist bis heute nicht bejaht worden. Solange das nie vorgekommen ist, kann es auch bei diesem Gefangenen nicht vorgekommen sein. Dementsprechend war die Postöffnung hier rechtswidrig und unverhältnismäßig.
Ich freue mich auf die anstehende gerichtliche Entscheidung. Frau Justizministerin, bei allem Re
spekt, ich denke, dass die Entscheidung von gestern nicht darauf schließen lässt, wie über die Sache der Postkontrolle entschieden wird. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine tiefe Überzeugung ist: Damit jeder seinen Weg zum Glück finden kann, darf kein Überwachungsstaat und auch keine Wirtschaftslobby unser Leben kontrollieren. Wie schon der Volksmund sagt: Geld regiert die Welt. - Wie sehr sich die Politik doch im Griff der Wirtschaft befindet, zeigt kaum etwas besser als ein Konzernabkommen wie CETA.
Da soll zugunsten internationaler Konzerne ein eigenes Sondergericht eingerichtet werden, um Staaten auf Entschädigung wegen entgangener Profite verklagen zu können, und das unter Außerachtlassung rechtsstaatlicher Standards. Herr Kollege Vogt, da finde ich es schon interessant, dass die Rechtsstaatspartei FDP ihre Grundsätze über Bord wirft und es Ihnen egal ist, wenn selbst der Richterbund beklagt, dass hier rechtsstaatliche Standards nicht im Ansatz gewährleistet werden. Da werden Verbraucherschutz-, Umweltschutzund Datenschutzstandards hinter verschlossenen Türen ausge
handelt und damit der Entscheidungsfindung der Parlamente entzogen, Herr Kollege Wiegard. Das hat doch mit demokratisch nichts zu tun, wenn über so wichtige Fragen hinter verschlossenen Türen, statt bei uns im Parlament verhandelt und entschieden wird. Das kann nicht richtig sein.
Gern.
- Herr Kollege Vogt, Sie gehören ja jetzt auch schon lang genug diesem Hohen Hause an, um zu wissen, dass wir PIRATEN ganz konkrete Vorschläge vorgelegt haben, wie man solche Verhandlung führen könnte, nämlich dass das Parlament ein Verhandlungsmandat erteilt, in dem Grundsätze und rote Linien für solche Verhandlungen festgesetzt werden. Das ist hier nicht geschehen, sondern man hat sich hinter verschlossenen Türen unter massivem Einfluss der Lobbyisten zusammengesetzt und Standards festzementiert, die für die beteiligten Parlamente nicht mehr veränderbar sind. Ich erinnere nur an das Thema Urheberrechtsschutz, zum Beispiel, wo Kopierschutzmaßnahmen und das Verbot von Privatkopien und vieles andere in das CETA-Abkommen geschrieben werden, während es gleichzeitig im Europaparlament Bestrebungen gibt, das zu liberalisieren, zu lockern und zu modernisieren. Das wird unmöglich gemacht, wenn Sie in solche internationalen Verträge solche wichtigen Fragen festzementieren. Das ist demokratisch danach nicht mehr veränderbar. Das kann nicht richtig
sein, dass in einem solchen Forum über so wichtige Fragen entschieden wird.
Gern.
- Dann hören Sie bitte dem Fortgang meiner Rede zu, Herr Kollege Vogt. Darauf komme ich nämlich jetzt zu sprechen.
Auch wenn Konservative, Liberale und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament die Hand für diese Selbstentmachtung gehoben haben, ist es doch so, dass jeder EU-Staat noch immer dieses Abkommen stoppen kann. Bei uns bedeutet das, dass der Bundesrat das noch stoppen kann, in dem bekanntlich die rot-grünen Länder die Mehrheit haben. Tausende von Schleswig-Holsteinern fordern von diesem Landtag, von dieser Landesregierung ein Nein zu CETA, genauso wie wir es hier schon im vergangenen Jahr beantragt haben.
Die Mehrheitsfraktionen im Parlament wollten sich dazu erst überhaupt nicht positionieren und überhaupt erst nach der Wahl eine Antwort geben, wie sie zu CETA im Bundesrat abstimmen wollen. Diese Vogel-Strauß-Politik mussten wir wieder einmal erst durchbrechen,
indem wir den Wissenschaftlichen Dienst beauftragt haben zu begutachten, ob es angehen kann, dass seit Monaten sechsfach unser Antrag immer
wieder vertagt wurde, ohne eine Sachentscheidung darüber zu treffen.
Das Schöne ist, wir hatten auch in diesem Fall Erfolg und werden heute sehen, wenn Sie unser Nein zu CETA ablehnen, dass es ganz klar ist, dass in diesem Haus nur die PIRATEN für ein Nein zu CETA stehen.
Der rabulistische Antrag der Koalition zu diesem Thema ist nur noch peinlich. Gestehen Sie doch endlich einmal ein, dass Ihre eigenen Bedingungen, die Sie mehrfach aufgestellt haben, eben nicht erfüllt sind. Sie haben selbst das Thema Schiedsgerichte angesprochen. Hören Sie endlich auf, sich ein Ja offenzuhalten. Wenn ich den Antrag lese, sehe ich, dass Sie sich ein Ja offenhalten und das nicht ausschließen.
Sie können Maßstäbe aufstellen, so viel Sie wollen, Frau Kollegin, aber Maßstäbe sind auch dazu da, angelegt und angewendet zu werden. Wir haben seit Monaten das fertige Abkommen. Sagen Sie doch einmal, ob Ihre Bedingungen erfüllt sind oder nicht. Warum schreiben Sie es denn nicht herein? Wenn Sie nicht erfüllt sind, sagen Sie, dass Sie es ablehnen. Das ist so, als wenn Sie zu einer Würstchenbude gehen und sagen: Ich hätte gern eine Wurst, aber bitte ohne Fleisch.
- Dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen, mit Kanada ein Tofu-Abkommen auszuhandeln.
Bei CETA ist ganz eindeutig, was drin ist, und dass Ihre eigenen Kriterien dort nicht erfüllt sind. Trotzdem erteilen Sie dem keine Absage. Deswegen ist es wie bei dem gesamten Koalitionsvertrag - wir hatten es gestern schon debattiert -, dass sich die Grünen offenbar nicht durchsetzen können, nicht durchsetzen wollen und dass im Endeffekt im Bundesrat Herr Albig abstimmt, wie er will. Das haben wir schon bei der Pkw-Maut gesehen. Es ist kein Verlass, dass CETA unter dieser Küstenkoalition hier nicht zugestimmt wird. Ein eindeutiges, ein klares Nein zu CETA und zu einem Handel frei vom Verbraucherschutz und zu demokratischer Kontrolle gibt es nur mit uns PIRATEN.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte Detlef Matthiessen ausdrücklich in Schutz nehmen. Er ist nicht schuld daran, sondern ich antworte auf Eka von Kalben und ihren Vorwurf, dass wir hier im Landtag etwas falsch dargestellt hätten.
Liebe Frau Kollegin, als Grüne oder als SSW können Sie so oft Sie wollen sagen, wir werden CETA nicht zustimmen. Fakt ist: Sie werden überhaupt nicht über CETA abstimmen, sondern abstimmen wird diese Landesregierung im Bundesrat.
Wir werfen Ihnen vor, dass Sie weder die Landesregierung auffordern, Nein zu CETA zu sagen, wie wir es tun, noch die Landesregierung auch nur dazu auffordern, CETA nicht zuzustimmen. Auch das steht ja nicht in Ihrem Antrag, sondern Sie schreiben in Ihrem Antrag: Wir werden nur zustimmen, wenn diese und jene Bedingungen erfüllt sind. - Ja, sind sie es denn, oder sind sie es nicht? Genau das ist unser Vorwurf, dass Sie dieser Landesregierung gar keine Handlungsanleitung und -anweisung mitgeben und ihr dadurch die Möglichkeit offenhalten, zuzustimmen. Deswegen ist es unehrlich, den Bürgern zu sagen, wir sind dagegen, wenn Sie gleichzeitig Ihren Vertretern freie Hand lassen, im Bundesrat auch zuzustimmen.
- Genau, es steht da nicht drin! Wenn Sie es ernst damit meinen, dass Sie die Koalitionsklauselkarte ziehen wollen, so hätte ich erwartet, dass in Ihrem Änderungsantrag drinsteht: Die Landesregierung wird aufgefordert, CETA im Bundesrat nicht zuzustimmen.
Das steht dort aber nicht.
Das heißt, Sie schließen eine Zustimmung nicht aus. - Das heißt es, und damit bleibt auch das richtig, was ich gesagt habe: dass wir PIRATEN die Einzigen sind, die heute die Landesregierung auffordern werden, im Bundesrat zu CETA mit Nein zu stimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vier Tagesordnungspunkte sind hier zusammengefasst worden, von denen jeder es verdient hätte, einzeln im Plenum behandelt zu werden. Neben dem täglichen Essen ist das Dach über dem Kopf eines der Grundbedürfnisse der Menschen nicht nur in unserem Bundesland. Aber dieses Grundbedürfnis kann der Bürger sich häufig selbst nicht befriedigen. Wohnraum ist in der breiten Masse zu teuer in Schleswig-Holstein.
Platz ist angeblich in der kleinsten Hütte. Man muss nur erstmal eine Hütte finden, die den Anforderungen genügt und die vor allem bezahlbar ist. In Schleswig-Holstein sind viele Menschen händeringend auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum. Das Land ist ein von vielem Menschen bewohntes Flächenland, ein Tourismusland mit Feriengästen, ein Land mit Hochschulstandorten und Studenten und leider auch mit Arbeitsuchenden und Hartz-IVEmpfängern. Alle brauchen eine Wohnung und alle wollen eine nach ihren Verhältnissen bezahlbare Wohnung. Tatsächlich fehlt es im Land aber an bezahlbaren Wohnungen.
Vertreter der studentischen Vertretungen und die Wohnungslosenhilfe sind alarmiert und schlagen Alarm, weil immer mehr Menschen keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. Studenten, Geringverdiener und Empfänger von Transferleistungen stehen vor dem Problem, dass sie auf dem Wohnungsmarkt einfach keine günstigen Wohnungen finden. Dieses Problem gibt es nicht erst seit heute.
Es ist über viele Jahre entstanden, ohne dass die Politik wirksam gegengesteuert hätte.
Die vorliegenden Zahlen belegen das Versagen der Landesregierung bei der Bewältigung dieser Wohnungskrise:
Allein 1.500 Studierende warten auf einen Wohnheimplatz. Die vom Studentenwerk gebauten und betriebenen Studentenwohnheime reichen bei Weitem nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen.
Die Mieten beispielsweise in Kiel und Lübeck sind in den vergangenen zehn Jahren um 40 % gestiegen. Das führt zu einem dramatisch angespannten Wohnungsmarkt für alle Gruppen. Natürlich sind die Einkommen - wenn überhaupt vorhanden nicht in dem gleichen Maße gestiegen. In keinem anderen deutschen Flächenland muss ein so hoher Teil des Einkommens für die Miete ausgegeben werden wie im Norden.
Gerade diese Gruppen wären auf staatlich geförderte Wohnungen angewiesen, also vor allem auf Sozialwohnungen. Aber auch die sind für die Bedürftigen nur sehr schwer zu bekommen. Noch nie gab es so wenige Sozialwohnungen in Schleswig-Holstein wie unter Ihrer Regierung, Herr Ministerpräsident Albig. Die Anzahl der Sozialwohnungen ist in Ihrer Regierungszeit sogar um ein Drittel zurückgegangen.
Angesichts dieser verheerenden Bilanz fordern wir PIRATEN ein Umsteuern. Es müssen nicht nur irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden, es müssen die richtigen Maßnahmen kommen:
Wir fordern erstens, dass Schluss gemacht wird mit der Förderung von Neubauten nach dem Gießkannenprinzip. Bei solchen planlosen Förderungen wird zwangsläufig am Bedarf vorbei gebaut. Die Förderungen führen zu einem großen Teil nicht zu bezahlbaren Wohnungen. Das sehen Sie an der Entwicklung direkt vor der Tür: 98 % der Neubauten in Kiel sind für Wenigverdiener überhaupt nicht bezahlbar.
Überspitzt formuliert heißt das: Während die Menschen händeringend nach einer kleinen Hütte suchen, fördern Sie den Bau von Palästen.
Natürlich ist die Schaffung neuen Wohnraums nicht schlecht, sondern zu begrüßen. Aber richtig muss es gemacht werden! Die Landesregierung muss die Wohnungsbauförderung auf bezahlbaren Wohnraum konzentrieren. Das kann in Form der Förderung des Baus von Sozialwohnungen oder aber auch in Gestalt der Förderung des Baus von Wohnraum in öffentlichem Eigentum erfolgen. Dazu zäh
len wir auch die vom Studentenwerk errichteten Wohnheime für Studierende.
Insofern gehen die Anträge zum studentischen Wohnraum schon in die richtige Richtung. Sie reichen aber bei Weitem nicht aus. Ich erinnere daran: 1.500 Studierende suchen einen Wohnheimplatz.
Aber es suchen eben nicht nur Studenten bezahlbare Wohnungen oder Unterkünfte. Nicht nur sie brauchen bezahlbaren Wohnraum. Geringverdiener, Empfänger von Transferleistungen, Großfamilien haben erhebliche Schwierigkeiten, mit ihren zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen Ressourcen bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Das zeigt, dass in der Vergangenheit Misswirtschaft betrieben wurde. Heute rächt es sich, dass gerade auch SPD-regierte Städte und Gemeinden die öffentlichen Wohnungsbestände zerschlagen und versilbert haben. Heute ist umgekehrt zu überlegen, ob nicht die Neugründung von kommunalen Wohnungsunternehmen gefördert werden müsste.
Wir PIRATEN fordern, dass der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und Sozialwohnungen endlich ermittelt wird und dann schrittweise auch gedeckt wird.
Zweitens. Die Schaffung neuen Wohnraumes kann aber nur die eine Säule des Konzeptes zur Behebung der Wohnungskrise sein. Daneben muss dem rasanten Verlust des vorhandenen bezahlbaren Wohnraums durch Gentrifizierung oder Zweckentfremdung entgegengetreten werden. Zu viel Wohnraum wird von den Eigentümern gewerblich genutzt oder leer stehengelassen. Dadurch verliert der Markt eine Vielzahl von Wohnungen. Dieser Schwund an bezahlbarem Wohnraum geht so schnell, da können Sie gar nicht gegen anbauen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident. Deswegen fordern wir PIRATEN weiter: In diesen Gebieten müssen die Kommunen das Leerstehenlassen und die Umwandlung von Wohnraum verbieten können. Das haben wir schon vor Jahren beantragt.
Außerdem stehen die genannten Gruppen in einer Wettbewerbssituation mit solchen Interessenten, die sich auch höhere Mieten leisten können und wollen. Dementsprechend entstehen am Markt die für viele nicht mehr bezahlbaren Mieten. Dieser Mietanstieg muss gebremst werden. Die Mietpreisbremse darf nicht nur in 1 % der Städte und Gemeinden im Norden gelten wie von Ihnen beschlossen. Die Verordnung muss vielmehr im gesamten Hamburger Randgebiet, in den Städten an der Ostküste und in den Tourismusgebieten Anwendung finden. Das
beantragen wir heute mit unserem hier eingereichten Antrag.
Schließlich muss im Zusammenhang mit der Errichtung von Sozialwohnungen auch unbedingt die Wiedereinführung einer Fehlbelegungsabgabe geprüft werden, damit die wenigen verbleibenden Sozialwohnungen auch den Bedürftigen zugutekommen.
Herr Ministerpräsident, machen Sie die Wohnungskrise in unserem Land zur Chefsache. Hören Sie auf, der Immobilienbranche nach dem Mund zu reden und fast jeden Vorschlag, den zum Beispiel der Mieterbund macht, zu blockieren oder zu verschleppen. Brechen Sie mit der Breitner-Kuscheltradition und nehmen Sie endlich auch die Immobilienbranche in die Pflicht:
Wo bezahlbarer Wohnraum händeringend gesucht wird, gilt unser Grundgesetz „Eigentum verpflichtet“. Das hat der Gesetzgeber unter den Eindrücken der verheerenden Wohnungslage nach dem Krieg in das Grundgesetz aufgenommen. Jedermann hat ein Recht auf ein bezahlbares Zuhause. Genau das fordern wir PIRATEN hier ein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, immerhin haben Sie uns eine lange Redezeit beschert. Das ist schon einmal hier ein Erfolg Ihrer Rede.
Wir bedanken uns nichtsdestotrotz für die Beantwortung unserer Anfrage und möchten noch einmal den Hintergrund erläutern.
Mit unserer Großen Anfrage zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarungen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW durch diese Landesregierung wollten wir für die letzte Tagung dieses Landtages in dieser Legislaturperiode etwas erreichen, was es vorher in diesem Haus in dieser geballten Form noch nicht gegeben hat, nämlich, das Regierungshandeln der letzten fünf Jahre an den damals vereinbarten eigenen Zielen Ihrer Koalition zu messen.
Das wollen wir, Herr Ministerpräsident, schon sehr konkret. Wir wollen nicht diese Aussprache zu einer Generaldebatte machen, sondern uns sehr genau Ihre Koalitionsvereinbarung von 2012 ansehen. Wir als PIRATEN halten einen solchen Rechenschaftsbericht für wichtig und richtig, soll er doch Aufschluss darüber geben, ob die vielen Versprechen auch wirklich eingehalten worden sind.
- Herr Kollege Garg, es kommt darauf an, was man daraus macht.
Man kann generaldebattieren, man kann aber auch einfach sagen: Lassen Sie uns einmal ansehen, was Sie selbst versprochen haben und was daraus geworden ist.
Es ist nicht, wie der SPD-Mann Franz Müntefering einmal sagte, unfair, Politiker an ihren Versprechen zu messen, sondern vielmehr hängt die Glaubwürdigkeit der Politik davon ab, dass sie ihre Versprechen ernst nimmt und zu ihnen steht.
Wir PIRATEN haben uns 2012 den Koalitionsvertrag sehr genau angeschaut, ihn analysiert, ihn an unserem Wahlprogramm gemessen und ihn mehrheitlich für gut befunden.
Die Koalition hatte tatsächlich einen guten Start und hat in der Folgezeit größere Teile ihrer Ziele umgesetzt, vor allem natürlich bei ihren Lieblingsund Wohlfühlthemen, wie zum Beispiel bei den Schulen oder beim Mindestlohn.
Die gehaltenen Versprechen - ja, die Lieblings- und Wohlfühlthemen - zu präsentieren, überlasse ich gern dem Ministerpräsidenten und den nachfolgenden Rednern, die das sicherlich weidlich tun werden, und möchte lieber meine Redezeit, meine knappe Redezeit nutzen.
Ich möchte sie aber nicht zur Selbstbeweihräucherung nutzen, Herr Präsident, sondern lieber dazu, um auf die unbequemen Themen einzugehen, bei
denen Sie auch vielfach den Kopf in den Sand gesteckt und Versprechen verschleppt, verwässert oder überhaupt nicht umgesetzt haben. Da gilt, gemessen an Ihren eigenen Ankündigungen im Koalitionsvertrag vielfach: Versprochen, gebrochen.
Jetzt komme ich zu dem Top-Thema dieses Landtages laut Meinungsumfrage, nämlich zum Thema Integration. Versprochen war im Koalitionsvertrag, eine Initiative für die Einführung eines Ausländerwahlrechts zu ergreifen, um Menschen, die lange bei uns leben, endlich auch das Recht der demokratischen Mitwirkung zu geben. Der Landtag hat das noch einmal bekräftigt. Die Landesregierung hat nichts getan in dieser Richtung.
Versprochen war im Koalitionsvertrag ein Modellprojekt zur anonymisierten Bewerbung, um auch Menschen mit Migrationshintergrund eine bessere Möglichkeit zu geben, sich frei von Diskriminierung - auch unterbewusster Diskriminierung, zum Beispiel wegen ihres Namens - im Landesdienst bewerben zu können. Ein solches Modellprojekt hat es nie gegeben.
Sie haben im Koalitionsvertrag eine Initiative zur Abschaffung der Abschiebehaft versprochen. Stattdessen stimmen Sie auf Bundesebene ihrer Ausweitung zu. So viel zum Thema Umsetzung des Koalitionsvertrages im Bereich Integration.
Thema Transparenz und Mitbestimmung. Sie haben im Koalitionsvertrag - was uns auch wichtig war versprochen, ein Konzept zum Schutz von Hinweisgebern - Whistleblowern - vorzulegen. Das ist auch bitter nötig, weil bis heute Hinweisgeber in unserem Land oft mehr Nachteile zu befürchten haben als die Täter, die sie anzeigen wollen. Was sagt die Landesregierung zu dieser Vereinbarung im Koalitionsvertrag? - Man sehe keinen Regelungsbedarf.
Haben Sie eigentlich das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes gelesen, Herr Albig? Er hat genau analysiert, inwieweit Whistleblower im öffentlichen Dienst bis heute nicht geschützt sind, Nachteile befürchten müssen und welcher große Handlungsbedarf besteht.
Wenn Sie so etwas im Koalitionsvertrag vereinbaren und versprechen, dann erwarte ich, dass es umgesetzt wird und nicht - wie im Dezember geschehen -, dass man vergessen hat, dass es diese Vereinbarung im Koalitionsvertrag noch gibt.
Im Koalitionsvertrag war eine betragsgenaue Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten versprochen. Wir haben es gestern erst diskutiert. Versprochen, gebrochen. Sie haben nichts in dieser Richtung getan. Sie sind weit hinter Ihrer Ankündigung und selbst hinter dem Modell Bundestag zurückgeblieben.
Es hat keinen verstärkten Einsatz von freier und quelloffener Software in den landeseigenen Betrieben und Behörden gegeben. So viel zum Thema digitale Revolution, Herr Ministerpräsident. Sie haben das Thema in den vergangenen fünf Jahren fast völlig verschlafen und verlieren sich gegen Ende Ihrer Regierungszeit in Allgemeinplätzen einer Beta-Agenda, die bezeichnenderweise tatsächlich ohne Internetbeteiligung erarbeitet wurde, und die auch mit keinem Cent Haushaltsmitteln hinterlegt ist. Das ist nicht der richtige Weg zur Gestaltung der digitalen Revolution.
Einen versprochenen „Tag der Bürgerbeteiligung“ in Schleswig-Holstein hat es in dieser Form leider an keinem Tag gegeben.
Was das Thema Mitbestimmung angeht, Herr Ministerpräsident, Sie haben das Thema Windenergieplanung angesprochen. Bei der aktuellen Planung erlauben Sie weniger Mitbestimmung als noch 2012 bei der Aufstellung der letzten Pläne, denn der Gemeindewille und der Bürgerwille ist Ihnen bei dieser Planung rein gar nichts mehr wert. Er wird nicht berücksichtigt. Er fließt nicht in die Abwägung ein. Sie versuchen nicht einmal, die gesetzlichen Grundlagen zu ändern, um Möglichkeiten der Berücksichtigung wieder einzuführen - wie sie eine ganze Reihe von Juristen durchaus sehen und wieder einführen. Ich sage Ihnen: Mit dieser Politik ernten Sie Proteststürme und gefährden das komplette Projekt der Energiewende in unserem Land.
Danke schön. - Sie haben versprochen, dass Sie Schleswig-Holstein zu einem Vorbild für aktive Informationsfreiheit machen wollen. Und was soll tatsächlich morgen beschlossen werden? - Sie wollen das Bürgerrecht auf Informationszugang zertrümmern und verkürzen. Sie wollen weniger Transparenz in diesem Land, keinen Einblick mehr in die eigene Steuerakte, keinen Einblick in abgeschlossene Gerichtsverfahren, keinen Einblick in Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes.
- Herr Kollege Peters, in der mündlichen Anhörung haben die Sachverständigen selbst teilweise gefordert, lieber diesen Gesetzentwurf komplett zurückzuziehen, als ihn so zu beschließen. Es geht nicht, mit den eigenen Versprechensankündigungen so umzugehen. Ich weiß nicht, ob Sie es nicht können oder ob Sie es nicht wollen, Ihre eigenen Vereinbarungen umzusetzen. Wir haben uns darauf verlassen und sind in diesen Punkten enttäuscht. Das muss ich ganz ehrlich sagen.
Ich hätte nicht gedacht, dass es Ihnen so wenig Wert ist, was Sie selbst vereinbart und versprochen haben.
Sie haben versprochen, die geringe erlaubte Menge weicher Drogen zum Eigenverbrauch in Schleswig-Holstein anzuheben. Wenn wir das hier im Landtag beantragen, stimmen Sie tatsächlich unisono dagegen.
Wie soll der Bürger das verstehen, wie soll er das noch für verlässlich halten, was Sie versprechen?
Thema Bürgerrechte: Im Koalitionsvertrag wurde beschlossen, die Videoüberwachung von Versammlungen einzuschränken. Tatsächlich aber haben Sie die Überblicksaufnahmen von friedlichen Versammlungen überhaupt erst möglich gemacht und ausgeweitet, die im Bundesversammlungsgesetz nicht vorgesehen waren, Herr Kollege Peters, Sie wissen es.
- Sie sind nicht erlaubt im bisherigen Versammlungsrecht, um gar nicht von Ihrer regelrechten Kameramanie in anderen Bereichen zu sprechen. Ich nenne nur Polizeifahrzeuge mit Überwachungskameras, demnächst Polizeibeamte mit Überwachungskameras, den Body-Cams. In Nahverkehrszügen haben Sie Betreiber gezwungen, Überwachung einzuführen, die sie gar nicht haben wollten. Selbst in Psychiatrien und entsprechenden Anstalten kann jetzt videoüberwacht werden. Das ist die Bilanz Ihrer Regierungspolitik.
Die Unternehmenssubventionen sind mitnichten anders als im Koalitionsvertrag festgelegt - gestrichen und vollständig abgeschafft worden. Tatsächlich haben sie vielmehr sogar zugenommen auf inzwischen über 30 Millionen € per annum. Dem NDR sagte gar der Hotelier Herr Haltermann zu diesem Punkt im Koalitionsvertrag, es sei 2012 hilfreich gewesen, den einen oder anderen an der richtigen Stelle zu kennen, um die Subventionen für sein Projekt dennoch erhalten zu können. Die zuständigen Minister oder Staatssekretäre seien ihm dabei tolle Partner gewesen. - Herzlichen Glückwunsch, Herr Minister Meyer, dass Sie es geschafft haben, den Koalitionsvertrag in einem zentralen Punkt und Versprechen auszuhebeln und das Gegenteil zu tun.
Versprochen war, das Beratungsangebot der Verbraucherzentralen zu erhalten und zu optimieren. Tatsächlich ist es aber so, dass die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen ihre Öffnungszeiten einschränken mussten. Das heißt, die Beratungszeiten waren noch nie so kurz wie heute. Nur durch unseren ständigen Druck und jedes Jahr neue Anträge konnten wir Schlimmeres verhindern und immerhin eine Mittelerhöhung erreichen, die aber immer noch geringer ist als das, was die Verbraucherzentrale inflationsbereinigt, wenn man es hochrechnet, Frau Kollegin Herdejürgen, eigentlich im Vergleich zu früheren Jahren bekommen müsste, um überhaupt nur ihre Kostensteigerungen aufzufangen.
Versprochen war ein Tierschutzplan für SchleswigHolstein - Fehlanzeige! Es hat ihn nicht gegeben. Erst auf unseren Druck soll jetzt wenigstens ein ehrenamtlicher Tierschutzbeauftragter eingerichtet werden. Wir bleiben aber dabei: Wer Tierschutz ernst meint, braucht einen hauptamtlichen Tierschutzbeauftragten für Schleswig-Holstein.
Zum Thema Finanzen, das Sie, Herr Ministerpräsident, angesprochen haben: Im Koalitionsvertrag hatten Sie versprochen, eine Altschuldenregelung für Länder und Kommunen zu treffen, das heißt eine schrittweise Tilgung und Abtragung des Schuldenbergs. Was ist daraus geworden? - Fehlanzeige! Das Ergebnis ist vielmehr: Der Schuldenberg des Landes ist heute so erdrückend wie fast nie zuvor in der Geschichte unseres Landes. Er ist so hoch, Herr Ministerpräsident, wie es fast noch nie der Fall gewesen ist.
Gerechtigkeit, davon haben Sie gesprochen, muss doch auch Generationengerechtigkeit bedeuten. Die ist bei einem so hohen Schuldenberg nicht gewährleistet. Da können Sie so viel Geld ausgeben, wie Sie wollen. Es bleibt dabei: Der Schuldenberg muss von der nächsten Generation abgetragen und getilgt werden. Das ist nicht gerecht.
Im Koalitionsvertrag wurde angestrebt, die Spielbanken zu verkaufen. Was hat sich getan? - Nichts.
Bis heute ist es Aufgabe dieses Landes, Spielbanken zu betreiben. Ich finde: Nein, ist es nicht, sollte es nicht sein.
Warum sind die bis heute nicht verkauft worden?
Jetzt komme ich zu dem großen Thema der SPD im Wahlkampf: „Mehr Gerechtigkeit für alle“. Herr Ministerpräsident, ich will doch dazu erst einmal festhalten: Es war doch in den Jahren der rot-grünen Schröder-Fischer-Koalition im Bund, als der Grundstein dafür gelegt wurde, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland inzwischen weiter öffnet als in jedem anderen europäischen Land. Das ist Fakt heute.
Damals wurden die Steuern für Spitzenverdiener und für Unternehmen gesenkt, und der Weg für Billiglohnjobs wurde freigemacht. Der Koalitionsvertrag versprach 2012, man wolle die Leih- und Zeitarbeit begrenzen. Was machen Sie aber selbst, Herr Ministerpräsident? - Es hat über 2.000 Einsätze von Leih- und Zeitarbeitern alleine in Ihrer Landesvertretung in Berlin gegeben.
Ist das konsequent? - Ich finde, nein, von den Praktikanten, auf die wir später am heutigen Tag noch zu sprechen kommen, gar nicht zu reden. Der Koalitionsvertrag hat versprochen, Initiativen zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes sowie zur Einführung einer Vermögensteuer zu ergreifen, um diese soziale Spaltung zu überwinden. Frau Finanzministerin, auch hier gilt: Versprochen, gebrochen! Keine Initiative in diesem Sinne ist eingelöst worden. Was ist das Ergebnis davon? - Eine soziale Spaltung, die sich unter Ihrer Regierung weiter vertieft hat. Die Armutsgefährdungsquote in SchleswigHolstein ist auf einem Rekordstand
und war noch nie zuvor so hoch in unserem Land. Die Kinderarmut befindet sich auf einem Rekordstand. Minderjährige Sozialleistungsempfänger - es gab noch nie zuvor so viele in diesem Land. Frau Kollegin, das können Sie gern in der Armutsstatistik nachlesen.
Da nehmen Sie mit dem Kita-Geld einfach Geld in die Hand, verteilen es mit der Gießkanne, statt es zielgerichtet dort zu investieren, wo es am dringendsten benötigt wird.
Auch beim Vorzeigethema Bildung zeigt sich, dass die Bilanz, die Sie hier präsentieren, geschönt, um nicht zu sagen gefälscht ist. Auf unsere Frage nach der versprochenen paritätischen Mitbestimmung an Hochschulen heißt es in der Antwort auf unsere Große Anfrage, ein neues, paritätisch besetztes zentrales Hochschulorgan sei eingeführt worden. Die Wahrheit ist aber, dass die Universität Kiel, die Muthesius-Kunsthochschule und auch die Universität Flensburg gar keinen erweiterten Senat eingerichtet haben,
und dass für die Uni Lübeck nicht einmal mehr die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden ist. Wenn man bei einer so falschen Erfolgsbilanz davon spricht, es sei ein neues, paritätisch besetztes zentrales Hochschulorgan eingesetzt worden, dann kann ich nur sagen:
Seien Sie froh, dass Bilanzfälschung bei Regierungsbilanzen nicht strafbar ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich muss ehrlich sagen: Ich hätte nicht gedacht, dass Ihnen Ihre eigenen Versprechen und Vereinbarungen so wenig wert sind. Für die Zukunft kann es eigentlich nur bedeuten, dass kein Verlass mehr auf Ihre Versprechen und Ihre Vereinbarungen ist. Das finde ich schade, weil es um Glaubwürdigkeit der Politik an dieser Stelle geht.
Wenn man einen Koalitionsvertrag vereinbart, sollte man ihn auch umsetzen und einhalten und nicht immer weiter verwässern, verschleppen oder ganz ignorieren.
Deswegen komme ich zu dem Ergebnis, dass die Bilanz der Koalition heute enttäuschend ist. Die Koalition hat einen Aufbruch für dieses Land versprochen und zu Beginn auch angefangen umzusetzen. Aber wir haben dann im weiteren Verlauf einen schwindenden Einfluss des Ministerpräsidenten und eine steigenden Einfluss des SPD-Fraktionsvorsitzen Herrn Dr. Stegner beobachten müssen.
Ihre Koalition ist unter diesem Einfluss zusehends in alte Politikmuster zurückgefallen. So ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das bedauern wir ausdrücklich.
Jenseits Ihrer Lieblingsthemen mussten wir Sie immer wieder zum Jagen tragen, oder es herrschte ganz Stillstand. Das ist die Vogel-Strauß-Politik in diesem Land, die wir an dieser Stelle immer wieder kritisiert haben. Am 7. Mai 2017 kann der Wähler zum Glück diesen Vogel aufscheuchen und ihm Beine machen. Er sollte allerdings aufpassen, dass der Vogel dann nicht rückwärts rennt, sondern vorwärts,
und dass er in Richtung echte Mitbestimmung und direkte Demokratie sowie echte Transparenz in der Politik und Schutz der Bürgerrechte läuft. Wenn das nach der Wahl gelingt, wird der Glücksindex hier im Norden durch die Decke schießen, da bin ich mir ganz sicher.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte doch noch einmal auf die Große Anfrage zurückkommen. Ich erinnere daran, dass wir eingangs in unserem Redebeitrag Ihr Handeln an den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag gemessen und gezeigt haben, bei welchen Punkten beides auseinanderfällt. Nun hat die Kollegin Eka von Kalben, die jetzt leider nicht da ist, dankenswerterweise den Versuch unternommen, das zu rechtfertigen und die Gründe zu nennen, warum man nicht das macht, was man vereinbart und versprochen hat.
Der erste von ihr genannte Grund war, man habe Kompromisse eingehen müssen. Nun ist natürlich jedem klar, dass man sich nach einer Wahl zusammensetzen, sich einigen und Kompromisse eingehen muss, was die eigenen Wahlprogramme und Wahlversprechungen angeht. Tatsächlich neu war mir aber, dass man sich, wenn man sich als Koalition auf einen Koalitionsvertrag verständigt hat, bei der Umsetzung noch einmal darüber streitet und wieder Kompromisse eingeht. Im Endeffekt kommt so in einigen Punkten sogar das Gegenteil der ursprünglichen Versprechungen heraus.
Ich finde, dass sich die heutige Debatte gelohnt hat, weil wir gelernt haben, dass alles, was in Ihren Koalitionsverträgen steht, unter Kompromissvorbehalt
steht und manchmal auch das Gegenteil dabei herauskommen kann.
Ich frage mich nur, ob das auf Bundesebene eigentlich auch so gehandhabt wird. Herr Dr. Stegner, ich erinnere mich, dass gerade Ihre Partei auf Bundesebene immer wieder alle möglichen Sachen mit Vehemenz verteidigt hat. Alle Formulierungen, die die CDU Ihnen bei den Koalitionsverhandlungen abgerungen hat, trägt die SPD wider bessere Erkenntnis mit, weil es in irgendeinem Satz im Koalitionsvertrag steht - sei es in Bezug auf die schwachsinnige Pkw-Maut, sei es in Bezug auf das Erziehungsgeld, die Herdprämie.
Da frage ich mich schon, wie es sein kann, dass im Bund so penibel auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages geachtet wird und dass er hier im Land so wenig wert ist. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Koalitionspartner in Schleswig-Holstein nicht willens und nicht in der Lage sind, tatsächlich einzufordern, was sie ausgehandelt haben. Das finde ich wegen der Glaubwürdigkeit der Politik sehr schade.
Ja, ich lasse die Zwischenfrage gern zu.
- Herr Kubicki, dann zeigen Sie mir mal den Herrn Erdogan, der die Koalition daran gehindert hätte, zum Beispiel die Grenzwerte für den Eigengebrauch weicher Drogen abzusenken, wie es versprochen worden ist, oder viele andere Punkte umzusetzen, die im Koalitionsvertrag ganz konkret festgehalten waren, zum Beispiel die Nebenein
künfte von Abgeordneten betragsgenau zu veröffentlichen.
- Natürlich hätten Sie die Möglichkeit gehabt. Sie haben die Mehrheit, um das umzusetzen und Ihre Versprechen einzulösen. Da steht Ihnen kein Herr Erdogan im Weg, der da angeführt werden könnte.
Ich komme jetzt zum Ausländerrecht, denn Kollegin von Kalben hat ein zweites Argument genannt, warum man Vereinbarungen nicht umgesetzt habe. Sie hat sich nämlich hinter diversen Gerichtsurteilen versteckt. Das gibt mir Gelegenheit, das zu widerlegen.
In Bezug auf das Urteil zum Ausländerrecht: Im Koalitionsvertrag war eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes vereinbart, um ein solches Ausländerwahlrecht einführen zu können. Das wäre möglich gewesen. Kein Gerichtsurteil steht dagegen. Sie haben es aber nicht getan.
Immer wieder kommen Sie mit dem Argument, dass Punkte, die wir kritisieren, die fehlenden Mitbestimmungsrechte bei der Windenergieplanung durch die Bürger oder auch, dass Sie kein Frackingverbot in Schleswig-Holstein einführen wollen, mit der Verfassung nicht vereinbar seien.
Dazu will ich Ihnen noch einmal eines sagen. Wenn Juristen zu bestimmten Fragen unterschiedliche Meinungen vertreten, dann, so glaube ich, will keiner, dass sie gegen ihre eigene Überzeugung entscheiden. Aber die Bürger erwarten, wenn es um eine offene Frage oder um eine ungeklärte Frage geht, dass sie sich dann der bürgernahen und bürgerfreundlichen Auslegung anschließen und diese im Zweifel dann auch vor Gericht überzeugend verteidigen und nicht aus Angst vor einem Risiko von vornherein die Finger davon lassen. Gerade gestern haben wir im Fall Friesenhof beklagt, dass dort ein Prozessrisiko angeführt wurde, um nicht das Beste für die Kinder zu tun. Genauso ist es, wenn Sie davor zurückschrecken, es auch nur zu versuchen, dem Bürgerwillen, dem Gemeindewillen, im Abwägungsprozess der Landesplanung Gewicht zu geben.
Es ist doch offenbarer Unsinn, Windkraftanlagen dort zu bauen, wo die Menschen dagegen Sturm laufen, sie aber dort nicht zu bauen, wo sie seit Jahren akzeptiert sind, wie zum Beispiel in Nordfriesland.
Gerade das vieldiskutierte Urteil zum Finanzausgleichsgesetz zeigt doch, dass auch diese Landesregierung in ihrer Einschätzung zur Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen nicht die Wahrheit gepachtet hat. Also sollten wir das doch auch niemandem vorwerfen, dass er in ungeklärten Fragen verschiedene Meinungen vertritt.
Sie haben erklärt, die Weichen der Koalition seien auf Grün gestellt worden. Da frage ich mich aber schon, von welchen Weichen wir hier reden. Es ist doch Ihre Koalition, die dafür zuständig ist, dass bis heute in der Nordsee giftiger Hafenschlick verklappt wird, ein Kuhhandel von Hamburg gegen eine Zahlung. Es ist Ihr Energiewendeminister, der politisch tatsächlich neue Ölbohrungen unterstützt und verteidigt, gar als moralisch geboten - was ich für eine unglaubliche Bankrotterklärung halte, wenn er so etwas sagt. Sie sind dafür zuständig, dass giftiger Bohrschlamm bei uns seit Jahren herumliegt, ohne untersucht zu werden, und dass das geheimgehalten wird. Sie haben dem Fracking-Ermöglichungsgesetz im Bundesrat zugestimmt.
Sie setzen die Hinterland-Anbindung der umweltschädlichen Fehmarnbelt-Querung um und haben diese sogar zum Haushaltsplan und zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Sie stimmen gegen ein Nein zu CETA - das werden wir morgen sehen -, obwohl dies eine Gefahr für Umweltstandards in Europa bedeutet. Sie fahren die Energiewende vor die Wand, wenn Sie die Akzeptanz der Bürger verspielen.
Was das für grüne Weichen sein sollen, weiß ich nicht. Vielleicht liegen die außerhalb von Schleswig-Holstein.
Nun zum Thema Transparenz-Ranking. Sicherlich ist es so, dass auf der Grundlage des bisherigen Informationszugangsgesetzes Schleswig-Holstein einen zweiten Platz errungen hat. Darauf können wir stolz sein. Aber wer das Ranking aufgestellt und die Analyse vorgenommen hat, das ist Arne Semsrott von der Organisation FragDenStaat. Er hat auf Mediennachfrage ausdrücklich betont, diese Note beziehe sich auf das jetzt geltende Gesetz und nicht auf die Änderungen, die Sie anstreben. Was er von dieser Änderung hält, ob das im Bereich der Note eins spielt oder sogar zu einem Abrutschen führt - wie ich sage -, das können Sie in seiner Stellungnahme an den Innen- und Rechtsausschuss
nachlesen. Er hat nämlich Ihre Novelle auseinandergenommen und vernichtend beurteilt. Deswegen werden wir durch Ihre Novelle im TransparenzRanking abfallen und nicht aufsteigen.
Es ist ja auch nicht nur in dem Bereich so, dass Transparenz abgebaut wird, sondern die Landesregierung hält zum Beispiel die Standorte der Bohrschlammproben geheim. Sie verweigert auch die Herausgabe von Arbeitsplänen von Ölunternehmen, die in Schleswig-Holstein bohren wollen. Sich hier also „Transparenz“ auf die Fahnen zu schreiben, ist nicht zu verstehen.
Wenn hier so viel von sozialer Gerechtigkeit die Rede gewesen ist, dann frage ich: Wie sozial gerecht müssen es die Bürger eigentlich empfinden, dass Sie daran festhalten, dass Minister bereits ab 62 Jahre in Rente gehen können? Während jeder normalsterbliche Arbeitnehmer, jeder Beamte künftig bis zum Alter von 67 Jahren warten muss, soll für Minister ausdrücklich etwas anderes gelten, anders als im Bund, anders als in vielen Bundesländern. Das ist soziale Gerechtigkeit für die SPD?
Sie unterstützen CETA, ein Abkommen, gegen das die Gewerkschaften Sturm laufen. Und das soll soziale Gerechtigkeit sein?
Sie sind verantwortlich dafür, dass Praktikanten teilweise monatelang unbezahlt in unseren Ministerien ausgebeutet werden. Auch das verstehen wir nicht unter sozialer Gerechtigkeit.
Sie sind dafür verantwortlich, dass es in SchleswigHolstein so wenige Sozialwohnungen gibt wie noch nie in den letzten zehn Jahren unseres Landes. Mit sozialer Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.
Deswegen will ich noch einmal festhalten: Die heutige Debatte war, wie ich denke, goldrichtig, weil sie sich zumindest in ihren lichten Momenten nicht darum gedreht hat, was wer will oder verspricht, sondern was Sie können und was Sie eingehalten haben. Insoweit haben wir gelernt, dass es um die Einhaltung des Koalitionsvertrages in vielen Punkten schlecht bestellt ist, dass man sich nicht darauf verlassen kann. Das bestätigt uns PIRATEN in dem, was wir immer sagen, nämlich niemand darf sich darauf verlassen, was versprochen wird oder was in Programmen steht. Niemand sollte den Plakaten vertrauen. Auch unseren nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Vertrauen Sie keinem Plakat, sondern informieren Sie sich selbst. Bilden Sie sich eine eigene Meinung, und schauen Sie sich an, was gemacht wird,
und nicht nur, was versprochen wird. Dann werden wir am 7. Mai 2017 eine gute Wahl haben. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Kubicki, zu Ihren unglaublichen Anwürfen in Sachen AfD und den Worten meines Kollegen Wolfgang Dudda wird er gleich selbst noch Stellung nehmen.
Ich will aber zurückweisen, dass Sie versuchen, unsere Bilanz und unsere Arbeitsbilanz in diesem Landtag kaputtzumachen.
Es war doch immer die FDP, die sagt: Leistung muss sich lohnen. Deswegen kann ich gut verstehen, dass es sie wurmt, dass es die PIRATEN sind und nicht die FDP, die pro Abgeordneten die Fleißigsten waren und
die die meisten Initiativen gestartet haben. Lesen Sie die dpa-Meldung aus dieser Woche, und Sie wissen Bescheid.
Natürlich haben wir mit unserer Anfrage aufgedeckt, dass in 100 Gemeinden in Schleswig-Holstein Bohrschlamm verklappt worden ist und seit Jahren nicht untersucht wurde, ob noch giftige Rückstände vorhanden sind. Natürlich war es unsere Initiative, die zu dem Gesetz zur Offenlegung von Managergehältern von öffentlichen Unternehmen geführt hat. Natürlich wäre es ohne uns nicht dazu gekommen, dass die Stelle des Landesdatenschutzbeauftragten erstmals offen ausgeschrieben wurde, statt nach Parteienproporz wieder neu zu besetzen. Das hätte es ohne uns nicht gegeben. Und die Karenzzeiten sind dadurch zustande gekommen, dass wir immer wieder Druck gemacht haben, bis dahin, dass wir zur Durchbrechung Ihrer Antragsblockade sogar einen Vogel-Strauß-Preis überreichen mussten. Das hat dann auch Wirkung gezeigt.
Nein, diesmal nicht, Frau Präsidentin.
Dass in Schleswig-Holstein schon ab 16 Jahren gewählt werden darf, war ein Gesetzentwurf, den wir geschrieben haben, bei dem wir Sie gebeten haben, ob Sie sich dem Gesetzentwurf anschließen wollen. Lesen Sie es nach. Wer steht als erster Antragsteller auf dem Gesetzentwurf?
Das waren natürlich wir, weil es unser Gesetzentwurf war. Ich weiß, dass Sie das auch wollen. Das haben nun einmal Beschlüsse des Landtags so an sich, dass es immer Sachen sind, die Sie auch wollen, sonst hätten Sie dem ja auch nicht zugestimmt.
Aber was ich im Interview gesagt habe, war korrekt: Dieser Gesetzentwurf geht auf uns zurück.
Unser Antrag war es, die Leichte Sprache einzuführen, unser Antrag war es, die anonyme Spurensicherung verstärkt einzuführen, und auch die Offenlegung von Sexismus und Rassismus an der Polizeischule, die vom Ministerium und von den Beteiligten vertuscht werden sollte, hätte es ohne uns PIRATEN nicht gegeben. Und das lassen wir uns auch nicht kaputtmachen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum ist diese Debatte, die wir hier heute führen, eigentlich so wichtig? Es geht um die Wähler in unserem Land und um ihr Recht auf freie und faire Wahlen.
Dass in einer Demokratie die Regierungsmacht immer nur bis zur nächsten Wahl, also auf Zeit, verliehen wird und dass dann in freien Wahlen jede andere Partei auch gleiche Chancen haben muss, an die Macht zu kommen, das ist wirklich eine demokratische Errungenschaft und ein Juwel, auf das wir stolz sein können und das wir verteidigen müssen.
Gleiche Chancen zu garantieren, unterscheidet uns ja auch von autoritären Regimes wie der Türkei oder wie Russland, wo Oppositionelle verfolgt und die kritische Öffentlichkeit gleichgeschaltet werden. Natürlich gibt es so etwas bei uns nicht; bei uns findet im Wahlkampf eher ein Informationskrieg statt, in dem leider auch nicht immer die Grenzen der Verfassung und der Gesetze eingehalten werden. Insofern ist das Verhalten dieser Landesregierung kein Einzelfall. Lassen Sie mich drei Beispiele nennen:
Im Zuge der Barschel-Affäre sollte etwa ein politischer Konkurrent bespitzelt und diskreditiert werden. Eine modernere Form dessen haben wir neulich in den USA erlebt, wo durch einen Hacker-Angriff letztlich Material gegen eine politische Partei ausspioniert und veröffentlicht wurde. Wir haben aber auch in Deutschland erlebt, dass etwa die CDU schwarze Kassen angelegt und dieses Geld auch im Wahlkampf eingesetzt hat. Bei der letzten Landtagswahl hatte der Vorsitzende der letzten FDPBundestagsfraktion, Herr Brüderle, Wahlwerbebriefe verschickt, die das nordrhein-westfälische Verfassungsgericht als Verstoß gegen das Mäßigungsverbot verurteilt hat. Aber trotzdem wurden die Mittel meines Wissens nie zurückgezahlt.
Dass Herr Ministerpräsident Albig und seine Minister ihr Amt im vorliegenden Fall missbraucht haben, um für ihre Wiederwahl zu werben, das steht für uns PIRATEN außer Frage.
Weil wir aber den Antrag der CDU-Fraktion nicht in allen Einzelheiten teilen - zum Beispiel heißt es im zweiten Absatz sinngemäß, die entsprechenden Ministerschreiben dienten einzig und allein der Wahlwerbung; das sehen wir nicht so -, beantragen wir eine separate Abstimmung über den dritten Absatz, wie es der Herr Oppositionsführer auch schon getan hat. Diese Missbilligung, die darin enthalten ist, sprechen auch wir PIRATEN aus.
Trotz aller Missbilligung, zu reparieren sein wird der durch die Schreiben und Werbevideos entstandene Schaden kaum. Deshalb wäre es sinnvoll und nötig, Herr Ministerpräsident, dass Sie durch einen Erlass, durch ein Rundschreiben, die Grundsätze der Wahlwerbung klarstellen, wie das auch frühere Ministerpräsidenten getan haben, und noch einmal ganz klar zeigen, was im Wahlkampf nicht erlaubt ist; und daran sollten Sie sich auch selbst halten.
Wir PIRATEN haben schon im letzten Jahr vorgeschlagen: Lassen Sie uns doch vor Wahlen eine Wahlinformation an alle Wähler versenden, in der jede Partei die Chance bekommt, ihre Position darzustellen. So etwas macht die Schweiz schon seit Jahren mit großem Erfolg, und das sorgt für gleiche Chancen im Wahlkampf.
Wir dürfen aber auch nicht bei dem konkreten Anlass stehen bleiben, der uns hier zur Missbilligung vorliegt. Die Wahlwerbung durch diese Landesregierung wirft allgemein die Frage auf: Haben eigentlich alle Parteien die gleichen Chancen im Wahlkampf, wie es unsere Verfassung verlangt? Da, finde ich, ist es eigentlich um die Chancengleichheit schlecht bestellt. Das fängt schon damit an, dass in Deutschland juristische Personen, also Unternehmen, die gar nicht wahlberechtigt sind, Parteien Spenden zahlen dürfen und dadurch den ihnen nahestehenden Parteien Werbung im Wahlkampf finanzieren dürfen. Ist das eigentlich richtig? Es geht weiter damit, dass natürliche Personen in unbegrenzter Höhe Parteispenden leisten dürfen, was es natürlich den Wohlhabenden, den Reichen in stärkerem Maße ermöglicht, eine Aufmerksamkeit für die ihnen nahestehende Partei zu finanzieren, als es Parteien können, die für die weniger Wohlhabenden eintreten.
Es kommt hinzu, dass durch Mandatsträgerabgaben die Parteien, die schon in Parlamenten vertre
ten sind, natürlich auch einen finanziellen Vorteil gegenüber den anderen haben. Neue und kleine Parteien sind auch wegen der Sperrklausel und der Angst der Wähler vor einer verlorenen Stimme vielfach chancenlos. Deswegen haben wir eine Diskussion darüber angestoßen, ob man nicht eine Ersatzstimme einführen sollte, um die Chancengleichheit der Parteien, auch kleiner Parteien, besser zu gewährleisten.
Hinzu kommt, dass einige Schulen in unserem Land zu Diskussionsveranstaltungen nur die schon im Landtag vertretenen Parteien einladen. Auch das ist ein Problem mit Blick auf gleiche Chancen.
Ich beobachte in vielen Ländern im Moment mit Sorge, dass sich die Menschen dann, wenn bei einer Wahl quasi zwischen den bisherigen Parteien beziehungsweise dem bisherigen Establishment und einem radikalen Bruch im Sinne eines autoritären Staats entschieden werden kann, oft beziehungsweise zu oft für den Nationalismus entscheiden.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.