Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen guten Morgen. Seien Sie herzlich willkommen in froher Runde zur letzten Sitzung vor der sitzungsfreien Zeit.
Krankgemeldet ist weiterhin der Abgeordnete Jürgen Weber. Wir wünschen ihm an dieser Stelle gute Besserung.
Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Mitglieder des CDU-Ortsvereins Mölln und der Seniorenunion Mölln. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe in SchleswigHolstein und zur Schaffung eines Justizvollzugsdatenschutzgesetzes
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In den Justizvollzugsanstalten unseres Landes wird an 365 Tagen im Jahr gearbeitet, und zwar rund um die Uhr. Das ist eine Arbeit, die nicht leicht ist und die die Bediensteten oft an ihre Grenzen bringt. Es ist ein Spagat zwischen sozialpädagogischem Geschick und dem Reagieren auf gefährliche Situationen, der die Arbeit besonders anspruchsvoll macht.
Um diese Arbeit zu unterstützen, haben mein Haus und ich in Abstimmung mit Verbänden, Gewerkschaften, Experten und der Politik ein modernes Landesstrafvollzugsgesetz erarbeitet.
Wir entwickeln bewährte Ansätze weiter und ergänzen sie um aktuelle kriminologische Erkenntnisse. Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz die Vollzugsziele künftig noch besser erreichen werden. Damit werden wir insbesondere auch einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Straftäter im Anschluss an die Haft nicht so häufig wieder rückfällig werden.
Meine Damen und Herren, wir werden mit diesem Gesetz den Justizvollzug im Land zeitgemäß durch personelle und organisatorische Regelungen, durch soziale, behandlungsfördernde Strukturen und Qualifizierungsangebote sowie durch bauliche Maßnahmen optimieren.
Ich betone ausdrücklich: Dabei behalten wir selbstverständlich die Sicherheitsbelange, die Fürsorgepflicht und die Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Justizvollzugsanstalten immer im Blick.
Wir sind mit ihnen im Gespräch, und wir nehmen ihre Anliegen und ihre Anregungen ernst. Seit Anfang Juni laufen die ersten Kurse der Schulungsreihe „Deeskalation und Selbstverteidigung“. Zudem haben wir sichergestellt, dass unsere Bediensteten im Falle eines traumatisierenden Vorfalls schnell Hilfe erhalten. Dafür haben wir einen Vertrag mit der Unfallkasse Nord abgeschlossen, der psychologische Hilfe durch qualifizierte Therapeuten innerhalb einer Woche nach Meldung des Vorfalls garantiert.
Meine Damen und Herren, bereits 2014 haben wir begonnen, das betriebliche Gesundheitsmanagement in den Justizvollzugsanstalten auszubauen. Erstmals gibt es eine komplette Organisationsanalyse mit umfassender Anhörung und Rückmeldung der Beschäftigten. Ich freue mich sehr, dass dieses wichtige Projekt von allen Beteiligten so gut unterstützt wird. Das ist wichtig, meine Damen und Herren; denn es ist keine leichte Aufgabe, dieses weiterzuentwickeln. Genau das machen wir mit den Bediensteten der Anstalten zusammen.
Unser gemeinsames Ziel ist es, die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und ihre Arbeitszufriedenheit zu steigern. Nur so gewährleisten wir die Leistungsfähigkeit und Motivation unserer Bediensteten. Eines ist klar: Ohne gesunde und motivierte
Meine Damen und Herren, der sogenannte BGMProzess ist deshalb für den Vollzug von zentraler Bedeutung. Seine Umsetzung ist eine Daueraufgabe.
Auch wenn es in anderen Ländern deutlich größere Probleme gibt: Wir müssen den hohen Krankenstand senken. Je nach Justizvollzugsanstalt liegt er seit Langem zwischen 9 % und 13 %. Das will ich hier gar nicht verschweigen. Wir arbeiten aber daran; denn nur mit fitten und motivierten Kolleginnen und Kollegen wird ein moderner Vollzug funktionieren.
Für diesen setzt unser Landesstrafvollzugsgesetz Schwerpunkte. Ich will auf einzelne etwas näher eingehen:
Erstens. Der Gesetzentwurf sieht eine frühzeitige Planung für die Wiedereingliederung der Gefangenen vor, beginnend mit der Aufnahme in den Vollzug. Das ist vorausschauende Kriminalitätsverhütung. Vorgesehen sind deutlich mehr Behandlungsmaßnahmen als bisher. Die sozialtherapeutische Behandlung wird auf schwere Gewaltstraftaten ausgeweitet. In der Justizvollzugsanstalt Neumünster wird eine neue Sozialtherapie errichtet, und die bestehende in der Justizvollzugsanstalt Lübeck wird ausgebaut. Am Problem des Umgangs mit der zunehmenden Zahl psychisch kranker Gefangener werden wir weiter arbeiten.
Zweitens. Der offene Vollzug soll insbesondere durch eine Verbesserung der Unterbringungsmöglichkeiten und Beschäftigungsangebote gestärkt werden. Dafür werden in den Justizvollzugsanstalten Lübeck und Neumünster Arbeitshallen errichtet.
Drittens. Ein ganz wesentlicher Schwerpunkt ist für mich die Familienorientierung. Bereits jetzt laufen einige Projekte, in denen der Kontakt zwischen Vätern und Kindern intensiviert wird. Schließlich sind es meistens Väter. Die Inhaftierung trifft die Gefangenen, aber stets auch Partner, Kinder und andere Familienangehörige. Das ist nicht nur ungerecht, sondern zerstört auch wichtige Bindungen. Das kann zu Rückfällen führen. Wir wollen diese Auswirkungen daher so weit wie möglich mindern.
Durch erweiterte Besuchsmöglichkeiten fördern wir den Erhalt der Beziehungen. Warte- und Besuchsräume werden kindgerecht gestaltet. Die Belange der Kinder werden bei vollzuglichen Ent
scheidungen stärker berücksichtigt. Bei der Wiedereingliederung soll die Stabilisierung des familiären Umfelds mehr beachtet werden.
Viertens. Zudem wollen wir die Belange der Geschädigten berücksichtigen. Hierfür stehen TäterOpfer-Ausgleich und Opfer-Empathie-Training.
Fünftens. Sicherstellen wollen wir schließlich auch ein vielfältiges, differenziertes und am Arbeitsmarkt ausgerichtetes Spektrum an schulischen und beruflichen Qualifizierungen und Arbeitsplätzen. Dafür wird die Justizvollzugsanstalt Neumünster zur zentralen Ausbildungsanstalt. Die Gefangenen werden dort an eine „normale“ Beschäftigung herangeführt. Auch hier gilt: Wer im Anschluss an die Haft in Lohn und Brot ist, wird weniger häufig rückfällig.
Meine Damen und Herren, einen zeitgemäßen Strafvollzug gibt es nicht zum Nulltarif. Er kostet Geld und braucht mehr Personal; das ist so. Auch an dieser Stelle zeigt sich daher die zentrale Bedeutung des BGM-Prozesses. Denn sinkt der Krankenstand nur um 1 %, entspricht dies sieben zusätzlichen Stellen. Ich muss sagen: Als ich das hörte, war ich sehr beeindruckt und auch erschüttert. Darum mache ich noch einmal deutlich die Ansage, dass wir die Krankenstände reduzieren müssen und wollen. Das nehmen wir im Rahmen unseres BGMProzesses in Angriff.
Aber, meine Damen und Herren, wir geben auch mehr Personal in das System: Zum einen nutzen wir die bei der Schließung der Abschiebehafteinrichtung Rendsburg frei gewordenen Stellen für den Vollzug. Zusätzlich werden zehn neue Planstellen geschaffen. Der weitere Stellenbedarf wird durch organisatorische Maßnahmen im Justizvollzug gedeckt werden. Das betrifft einerseits die Koordination der baulichen Maßnahmen. Daneben gibt es aber auch Abläufe innerhalb der Anstalten, die verbessert werden können. Auch hier sind wir in guten Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die natürlich genau wissen, was noch verbessert werden kann.
Das Thema moderner Justizvollzug und Sicherheit ist komplex. Es erfordert Sachlichkeit und Ehrlichkeit. Mit dem Landesstrafvollzugsgesetz schaffen wir die bestmöglichen Voraussetzungen für unsere JVA-Bediensteten, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, ohne um ihre Sicherheit fürchten zu müssen, für die Häftlinge, damit ihre Wiedereingliede
Für die CDU-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Barbara Ostmeier das Wort. Sie hat eine um 4 Minuten längere Redezeit. Um diese Zeit hat nämlich die Landesregierung überzogen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegenstand der heutigen Debatte ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung über den Vollzug der Freiheitsstrafe sowie zum Schutz der Justizvollzugsdaten in Schleswig-Holstein. Das Landesstrafvollzugsgesetz steht am Ende einer Reihe von Vollzugsgesetzen, die Schleswig-Holstein im Zuge der Föderalismusreform bereits auf den Weg gebracht hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es steht am Ende dieser Kette, denn es ist das wichtigste Gesetz in diesem Bereich. 5 Minuten Redezeit - Gott sei Dank ist es etwas mehr geworden - werden der Bedeutung dieses Gesetzentwurfs eigentlich überhaupt nicht gerecht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Landesregierung mit diesem Entwurf von dem ursprünglichen Musterentwurf, den wir noch in der letzten Legislaturperiode miteinander beraten haben, deutlich absetzt und dem Gesetz eine gänzlich neue Systematik gibt.
Eines sei vorweggeschickt: Wir als CDU-Fraktion werden uns intensiv, sachlich und auch konstruktiv mit diesem Gesetzentwurf beschäftigen. Wir stehen an Ihrer Seite, ein leistbares, gutes und modernes Strafvollzugsgesetz in unserem Land auf den Weg zu bringen. Wir sehen aber erheblichen Erklärungsbedarf. Sehen Sie es mir nach, dass ich diese Redezeit nutze, auch heute schon einmal darauf hinzuweisen. Denn anders als der Musterentwurf aus der letzten Legislaturperiode formulierte die Landesregierung Wunschvorstellungen und entwirft im Gesetz das Bild eines Strafvollzugs weitab der Realität und weitab dessen, was wir im Moment tatsächlich leisten können.
Voraussetzungen für die praktische Umsetzung sind weitgehend nicht geschaffen. Lassen Sie mich zwei bis drei Beispiele nennen: die erhebliche Ausweitung der täglichen Aufschlusszeiten, Einschluss
überwiegend nur in den Nachtzeiten. Der anerkannte Personalbedarf wird nur für die Wochenenden mit zusätzlichen Stellen bedient. Von montags bis freitags muss die Anstalt den Mehrbedarf organisatorisch leisten. Die Ausweitung der Sozialtherapie in Neumünster und Lübeck, erneute aufwendige Baumaßnahmen voraussichtlich bis Ende 2019. Ob die bereits auf den Weg gebrachten Baumaßnahmen in Neumünster - alles befindet sich gerade wieder im Umbau - schon abgeschlossen sind, werden wir prüfen müssen.
Der zusätzliche Personalbedarf soll „durch Bauund Umstrukturierungsmaßnahmen“ erbracht werden. Wir haben zu klären, was sich dahinter versteckt.
Zusätzlicher Personalbedarf in Lübeck und Moltsfelde, im Nachgang noch zu erstellender Arbeitshallen, zusätzlich nur vier Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst, ein Übergangsmanagement ebenfalls mit deutlich höherem personellen Mehraufwand. Lösungsvorschlag - die Ministerin hat es gerade erwähnt -: gewonnene personelle Ressourcen aus der Schließung der Abschiebehafteinrichtung in Rendsburg. Wir wissen alle, dass SchleswigHolstein hierbei einen Alleingang vorgenommen hat. Die Verlässlichkeit dieses Vorschlags erscheint vor dem Hintergrund der Bleiberechtsreform zumindest fraglich.
In der Begründung des Gesetzentwurfs bestätigt die Landesregierung die Herausforderung durch eine steigende Anzahl psychisch kranker Häftlinge. Wenn wir in den Anstalten unterwegs sind, wissen wir, dass dies ein großes Problem ist. Die Landesregierung und auch die Ministerin haben dies in diesem Jahr noch einmal deutlich bestätigt: Gerade die Bediensteten in den Anstalten haben ein großes Problem, diesen Häftlingen gerecht zu werden, insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Wiedereingliederung.