Zunächst einmal zu den Erkrankungen: Erkrankt sind die Kolleginnen Ines Strehlau und Dr. Marret Bohn. -Wir wünschen ihnen an dieser Stelle gute Besserung!
Dann haben wir Beurlaubungen in der Landesregierungsriege. Ministerpräsident Albig, die Ministerinnen Heinold und Spoorendonk sowie der Minister Studt sind beurlaubt und haben auswärtige Bundestermine wahrzunehmen. Das ist vom Ältestenrat so genehmigt.
Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Kronshagen und des Gymnasiums Altenholz. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Das Plenum hat sich verständigt, den TOP 45, Bericht zur Metropolregion Hamburg und zur bilateralen Zusammenarbeit Schleswig-Holsteins und Hamburgs in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik, ohne Aussprache zu behandeln. Die Reden werden zur Protokoll gegeben. Außerdem werden die Tagesordnungspunkte 48, Bericht über die Unterrichtssituation im Schuljahr 2015/2016 und 50/51, Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendaktionsplans und der Bericht zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen abgesetzt und in der NovemberTagung behandelt.
Damit kommen wir nun zum ersten Tagesordnungspunkt des heutigen Tages. Ich rufe Tagesordnungspunkt 49 auf:
Ich erteile das Wort dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Robert Habeck.
Vielen Dank - Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren! Guten Morgen auch von meiner Seite. Der Tierschutzbericht 2016, den ich Ihnen hiermit vorstelle und vorlege, ist der zweite Tierschutzbericht, den Schleswig-Holstein seit dem Jahr 2004 gefertigt hat und vorlegt. Der Bericht legt ein Augenmerk auf die Entscheidungen, Projekte und Dinge, die in den letzten Jahren vorangebracht beziehungsweise verändert worden sind. Er beginnt mit einem allgemeinen Einstieg und endet mit der Aufstellung der Tierschutzgremien, die wir haben ich gehe kurz darauf ein, da es wichtig ist, diese Gliederung zu verstehen -:
Wir haben erstens den Tierschutzbeirat, der in neuer Besetzung berufen wurde, der in Eigenverantwortung selbst Themen aufrufen kann, sich aber wahrscheinlich und vor allem auf die Tiere und Tierschutzaspekte der Nichtnutztierhaltung konzentrieren wird.
Dann gibt es zweitens die Ethikkommission, die mit den Tierversuchen befasst ist und aus sechs Personen besteht. Ihr gehören zwei Mitglieder von Tierschutzorganisationen an. Er begleitet das Genehmigungsverfahren von wissenschaftlichen Tierversuchen und gibt hierzu Empfehlungen.
Drittens gibt es den Vertrauensmann Tierschutz in der Landwirtschaft, Herr Schallenberger, den wir vor zwei Jahren als bisher erstes und einziges Bundesland aufgrund der Whistleblower-Vorkommnisse im Umfeld der Schlachthofschließung in Bad Bramstedt ins Amt gesetzt haben. Ich danke Herrn Schallenberger für die wirklich hervorragende Arbeit, die er hier geleistet hat. Er findet meines Erachtens genau das richtige Maß an Hilfe für die Betroffenen und gleichzeitiger Beratung der Politik in bestimmten Themengebieten.
Viertens gibt es den Runden Tisch „Tierschutz in der Nutztierhaltung“, auf den sich der Hauptaspekt meiner Rede konzentriert, nämlich auf den Umgang mit Tieren, die gehalten werden, um deren Produkte - beispielsweise Milch oder Eier - zu verwenden oder gar diese Tiere selbst zu töten und danach zu essen.
Der Bericht geht allerdings auch auf Aspekte ein, die dieses Haus immer wieder in Nebenaspekten beschäftigt haben, beispielsweise den Gnadenschuss für möglicherweise angefahrene Wölfe.
Auch Katzenkastrationen sind hier zu nennen oder die Bundesratsinitiative, die Schleswig-Holstein angestrengt hat, um die Nerzfarmen zu verbieten.
Einen fünften Punkt möchte ich hier noch nach vorn stellen, weil er in der Öffentlichkeit zu wenig beachtet wird. Auf der Seite 25 im Bericht können Sie nachlesen, dass deutsche Investitionen beziehungsweise Investitionsförderungen oder Bürgschaften im Ausland zur Errichtung von Tierhaltungsanlagen zwar gegeben werden, aber auch für Anlagen, die nicht den deutschen Standards entsprechen. Es gibt also deutsches Geld dafür, dass im Ausland Hähnchenmastanlagen errichtet werden, die in Deutschland nicht errichtet werden dürften. Das hat Schleswig-Holstein immer skandalös gefunden. Wir haben das mehrfach auf AMK-Konferenzen angemahnt. Wir haben Teilerfolge erzielt, es ist aber immer noch so, dass die OECD-Richtlinien für die Haltungsanlagen nicht den Tierschutzvorgaben, die wir hier selbstverständlich zugrunde legen, entsprechen. Das muss dringend geändert werden.
Zum Runden Tisch „Nutztierhaltung“ und einigen anderen Aspekten, die in den letzten Jahren dort verabredet wurden, möchte ich die folgende allgemeine Aussage machen. Der Runde Tisch setzt sich zusammen aus Vertretern der Landwirtschaft, also der Nutztierhalter, des Tierschutzes und der Wissenschaft. Er agiert so, dass er möglichst versucht, einen Konsens zu finden. Dieser Konsens war am Anfang schwer zu erzielen, weil die Interessenlagen natürlich gegensätzlich sind.
Aber in vielen Bereichen gelang es uns ja dann doch. Und sie alle hatten Konsequenzen, die wir dann umgesetzt haben. Ich nenne sechs davon, zum einen den Landeskodex Schleswig-Holstein zum Verzicht auf das Schlachten hochtragender Rinder im letzten Trächtigkeitsdrittel. Es heißt Schlachten gravider Rinder, es geht aber im Kern darum, das ungeborene Kalb, das, wenn die Mutterkuh geschlachtet wird, lebendig auf das Fließband fällt, nicht leiden zu lassen. Man hat sich darauf geeinigt, dass im letzten Trächtigkeitsdrittel der Kühe das Schmerzempfinden der Kälber schon so hoch ist, dass ab diesem Zeitpunkt ein Schlachtverbot für diese Rinder greift. Es geht also nicht darum, die Kühe, sondern die Kälber zu schonen, die ansonsten am Schlachtband ersticken würden oder unsachgemäß getötet werden müssten. Damit war Schleswig-Holstein Vorreiter. Dieser Landeskodex ist eingesetzt worden. Er wird kontrolliert. Die
Schlachthöfe melden Befunde, wenn doch Rinder geliefert werden, die im letzten Trächtigkeitsdrittel sind. Wir können davon ausgehen, dass dies umgesetzt wird. Niedersachsen als nächstes großes rinderhaltendes Land hat sich dem angeschlossen.
Zweitens gibt es eine Vereinbarung zur Gabe von Sedativa und Schmerzmitteln bei der Enthornung von Kälbern. Sie wissen, dass Kühe in der Regel Hörner haben. Aber Sie finden keine Kühe mit Hörnern mehr, wenn Sie in die Ställe hineingehen. In den ersten 14 Tagen werden die Hornknospen der Kälber ausgebrannt. Man macht es so, dass man das Fell wegschneidet, dann mit einer Art Lötkolben, mit einem innen hohlen Stab, die Hornknospen umfasst und aushebt.
Das wurde früher so gemacht, dass man dafür den Kalbskopf auf einem Teller beziehungsweise einem Brett fixiert hat und ein Seil um den Kopf gewickelt hat, sodass das Kalb den Kopf nicht wegziehen konnte. Das war natürlich sehr schmerzhaft. Wir haben uns nach vielen Debatten darauf geeinigt, dass die Kälber jetzt Sedativa und Schmerzmittel erhalten, sodass sie schlafen, das nicht erleben und auch danach noch betäubt sind. Auch das ist umgesetzt worden. Das gilt jetzt als Maßgabe für den Einzelhandel. Es gibt jetzt die Vorgabe des Einzelhandels, in Zukunft nur noch Milch und andere tierische Produkte von Kühen anzubieten, die bei der Enthornung sediert und betäubt waren.
Als Drittes möchte ich auf das Töten von Saugferkeln, also von frischen, jungen Ferkeln, eingehen tut mir leid. Hierüber fand infolge skandalöser Bilder eine intensive Debatte statt. Ferkel dürfen wie Eintagsküken natürlich nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen getötet werden. Häufig werfen Sauen mehr Ferkel, als sie Zitzen haben. Es besteht immer der Verdacht, dass die schwachen Ferkel getötet werden, weil sie zu schwach sind. Die Tötung erfolgt nach allen Regeln, die wir hier haben, so, dass die Ferkel zuerst betäubt werden, und dann erfolgt das Töten durch Blutentzug, das heißt, in der Regel durch Bolzenschuss. Nun stellen Sie sich vor, ein handtellergroßes Ferkel muss mit einem Bolzenschuss getötet werden. - Das geht gar nicht und ist auch keinem Landwirt zuzumuten. Wir haben uns nach vielen Debatten mit den Fachleuten darauf geeinigt, dass in diesem Fall ausnahmsweise der Schlag auf das Ferkel mit einem stumpfen Gegenstand möglich ist. Dann ist das Ferkel betäubt, das
Viertens: Es gibt eine Vereinbarung mit dem Einzelhandel zum Unterlassen des Kupierens von Schnabelspitzen. Hühner sind im Grunde kleine, gefiederte Dinosaurier; das wissen Sie wahrscheinlich. Die Schnäbel von Hühnern werden - man muss vielmehr sagen: wurden - regelmäßig kupiert, also mit einem Laserstrahl stumpfgeschnitten, weil die Hühner aufgrund der Haltungsbedingungen aneinander picken und alle anderen Hühner über ein Huhn, das angepickt ist, herfallen. Bei scharfen Schnäbeln würde es also einen Kannibalismus in den Hühnerhaltungsanlagen geben. Das war der Grund für das Kupieren der Schnabelspitzen. Nach vielen Gesprächen haben sich die Halter und die Brütereien dazu bereiterklärt, darauf zu verzichten, und zwar ab dem 1. Januar 2017. Das heißt, eigentlich dürften schon jetzt keine Hühner mit kupierten Schnabelspitzen mehr nach Schleswig-Holstein geliefert werden.
Ein Grund für diese Entscheidung ist, dass in den Schnabelspitzen die Nervenzentren der Hühner liegen. Man muss eben andere Haltungsformen finden, die den Kannibalismus bei diesen Arten ein Stück weit reduzieren.
Noch zwei Aspekte. - Vor geraumer Zeit haben wir mit den Akteuren, inklusive Bauernverband, eine Vereinbarung zum Verzicht auf das routinemäßige Schwanzkupieren beim Schwein getroffen. Schweine haben Ringelschwänze. Weil in der Endmast 20 bis 30 Schweine auf 20 qm gehalten werden und die Beschäftigungsmöglichkeiten für diese hochintelligenten Lebewesen - Schweine sind ja mitunter sogar klüger als Hunde - auf den Vollspaltenböden und den Matten, auf denen sie gehalten werden, nicht besonders ausgeprägt sind, beißen sie sich in die Schwänze. Eitrige, blutige Schweineschwänze können faulen und zu Entzündungen bis ins Rückgrat hinein führen. Dementsprechend werden die Schwänze der Ferkel in den ersten Lebenswochen kupiert, also ein Teil abgeschnitten. Ebenso wie die Schnabelspitzen der Hühner sind auch die Schweineschwänze empfindsame Organe. Sie spielen bei der Rangordnung eine Rolle und lassen Rückschlüsse darauf zu, wie es den Schweinen geht. Deswegen gibt es jetzt eine Vereinbarung, das Schwänzekupieren ab dem Jahr 2017 sein zu lassen. Das ist aber nicht ganz einfach. Man muss die Haltungsbedingungen extrem ändern, die Fütterung
ändern und das Stallklima ändern. Aber wir sind auf einem guten Weg dahin. Ich bin zuversichtlich, dass auch das Ende 2017 aufhört.
Ich weiß nicht, ob ich meine Redezeit überzogen habe, aber ich möchte noch einen Punkt ansprechen. Es geht um die Haltung von Mastrindern. Kühe geben Milch, weil sie Kälber bekommen haben. Die Bullenkälber sind in der landwirtschaftlichen Produktion kaum zu verwerten. Die Wertschöpfung erfolgt größten Teils über die Milch und nicht über das Rindfleisch. Deswegen haben die Bullenkälber häufig die schlechtesten Haltungsbedingungen. Sie stehen in den ältesten Ställen, in den dunkelsten Ecken. Ich glaube, Schleswig-Holstein ist das erste Land, das sich mit diesem Thema der Nutztierhaltung beschäftigt. Wir haben am Eunden Tisch „Tierschutz in der Nutztierhaltung“ eine Vereinbarung getroffen, nach der auch bei der Haltung der Bullenkälber und Mastrinder später Haltungsvorgaben eingehalten werden müssen: beispielsweise Platz am Futtertisch, Boxentiefe und, wenn es geht, auch Einstreu.
Man kann sehen, dass, wenn man geduldig an die Sache herangeht und akzeptiert, dass alle Seiten Rechte haben, aber nicht akzeptieren will, dass wir die Tiere den Ställen anpassen, sondern will, dass wir langsam wieder dazu übergehen, die Ställe den Tieren anzupassen, Fortschritte möglich sind. - Vielen Dank.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat der Herr Abgeordnete Heiner Rickers. Sie dürfen nicht nur reden, sondern Sie dürfen sogar 5 Minuten länger reden, denn die Regierung hat die vereinbarte Redezeit um 5 Minuten überzogen. - Bitte schön.
Ich werde mir Mühe geben. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie in einer nicht gekannten Sachlichkeit mit wenig Ideologie Ihren Tierschutzbericht hier vorgestellt haben. Nach zwölf Jahren liegt nun wieder ein Bericht vor, der nun diskutiert wird und von mir, aus der Opposition heraus, ein Stück weit politisch beurteilt wird.
Es ist richtig, dass der Tierschutzbericht darauf hinweist, dass es wichtig ist, nach zwölf Jahren mal wieder innezuhalten und darüber zu berichten, wie weit der Tierschutz in Schleswig-Holstein gediehen ist und wo es noch Probleme gibt. Der alte Klassenkampf zwischen den Nutzern und den Schützern, den wir vor zehn bis 15 Jahren hier im Parlament noch erlebt haben, ist ein Stück weit begraben worden. Auch dafür möchte ich mich bedanken. Insofern kann ein Tierschutzbericht den Fachleuten und den Nichtfachleuten durchaus dienlich sein. In diesem 50-seitigen Werk kann man nachlesen, wie es um den Tierschutz in SchleswigHolstein bestellt ist. Das ist wichtig. Auch ich habe beim Lesen dieses Tierschutzberichts etwas gelernt.
Positiv ist - auch das will ich sagen -, dass Sie bei vielen Themenbereichen einen wissenschaftlichen Ansatz gewählt haben. Sie haben auch mal auf die CDU hingewiesen, insbesondere auf die CDU in Niedersachsen, die mit einem Tierschutzplan schon 2011 unter dem damaligen Landwirtschaftsminister Lindemann in genau diese Richtung gegangen ist. Sie haben auch unsere Regierungszeit erwähnt und gesagt, dass wir diesen Runden Tisch „Tierschutz“ ein Stück weit mit auf den Weg gebracht haben.
Auf diesen 50 Seiten wird ein Themenstrauß beschrieben: Sie gehen auf das Tierschutz-Verbandsklagerecht, den Runden Tisch „Tierschutz“, die Katzenkastration und das Hundegesetz ein. Sie beschreiben, wie sich Tiertransporte heute in Schleswig-Holstein und Deutschland darstellen, beschreiben die Situation in den Tierheimen und auf den wenigen Pelztierfarmen, die wir in Deutschland noch haben, und erwähnen - das ist positiv; da kann ich mich nur anschließen -, dass es Ihnen gelungen ist, mit Herrn Professor Schallenberger einen Ombudsmann für Fragen des Tierschutzes und der Tierhaltung zu installieren, der bei Konflikten zwischen Nutztierhaltern und Gesellschaft vermittelt. Er macht das sogar ehrenamtlich. Er leistet auch aus unserer Sicht eine ganz hervorragende Arbeit.