Protocol of the Session on July 21, 2016

Login to download PDF

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen allen einen sonnigen guten Morgen und bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die heutige Tagung und teile Ihnen zunächst mit, dass die Kollegin Anke Erdmann weiterhin erkrankt ist, der wir von dieser Stelle aus alles Gute und gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Zugleich darf ich Sie bitten, mit mir gemeinsam auf der Tribüne Gäste zu begrüßen. Es sind Schülerinnen und Schüler der Lernwerft Club of Rome Schule in Kiel sowie des Bernstorff-Gymnasiums aus Satrup. - Ihnen und euch allen herzlich willkommen hier im Kieler Landeshaus!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe in SchleswigHolstein und zur Schaffung eines Justizvollzugsdatenschutzgesetzes

Gesetzenzwurf der Landesregierung Drucksache 18/3153

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 18/4380

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/4470

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich zunächst der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Abgeordneten Barbara Ostmeier, das Wort.

Ich würde gerne auf die Vorlage verweisen.

Die Berichterstatterin verweist auf die Vorlage. Ich danke Ihnen dafür.

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst das Wort ebenfalls der Kollegin Abgeordneten Barbara Ostmeier von der CDU-Fraktion.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 124. Sitzung - Donnerstag, 21. Juli 2016 10369

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Juni vergangenen Jahres legte Justizministerin Spoorendonk dem Parlament abweichend vom Musterentwurf der Vorgängerregierung ihren eigenen Gesetzentwurf zum Strafvollzug in Schleswig-Holstein vor, eine Folge der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006. Die Ministerin hat darin einen ganzen Strauß von Modernisierungsvorschlägen formuliert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Familienfreundlich soll der Vollzug sein. Ganztägiger Aufschluss soll die Regel sein. Moderne Medien sollen Einzug halten. Das Tragen privater Kleidung soll zukünftig die Regel sein. Diese Liste ließe sich weiter fortsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich - da sind wir uns alle einig - ist die Chance auf soziale Wiedereingliederung eines der wesentlichen Ziele des modernen Justizvollzugs. Niemand, weder wir Politiker noch die Vollzugsbediensteten oder die große Zahl der anzuhörenden Fachleute, bestreitet dies. Aber: Strafvollzug ist kein Wunschkonzert. Das Leben in einer Haftanstalt unterscheidet sich nun einmal komplett von einem Leben in Freiheit. Jedwede Öffnung des Justizvollzugs muss sich am Grundsatz der Sicherheit und Ordnung messen lassen.

(Beifall CDU)

Daher steht es für mich außer Frage, dass sich alle Regeln und Visionen unseres Strafvollzugs an Realität und Praxis orientieren müssen. Dieser Gesetzentwurf wird dem in keiner Weise gerecht.

(Beifall CDU)

Mit dem erst kurz vor Ende der Beratungen eingebrachten Änderungsantrag der regierungstragenden Fraktionen wird der Bogen endgültig überspannt. Jede Tür, die sich öffnet, erfordert mehr Personal - ein Satz, so einleuchtend wie wahr.

(Beifall CDU und FDP)

Nehmen wir einmal § 12 des Gesetzentwurfs: Außerhalb der Nachtzeit dürfen sich die Gefangenen in Gemeinschaft aufhalten - eine schlichte Regelung mit enormen Auswirkungen in der Zukunft, führt sie doch unweigerlich zu einer Änderung der Schichtsysteme und zu höherem Personaleinsatz. Dabei können bereits heute Aufschlusszeiten häufig nicht eingehalten werden, weil das Personal fehlt.

Im Petitionsausschuss stapeln sich Beschwerden von Gefangenen zu genau diesem Thema.

Der Grund? Nach wie vor extrem hohe Krankenstände von bis zu 13 % beim allgemeinen Vollzugsdienst, Arbeiten am Limit, eine Bugwelle von Überstunden. Dem Ministerium ist das durchaus bekannt. In einigen unserer Vollzugsanstalten stehen die räumlichen Bedingungen für die Umsetzung überhaupt nicht zur Verfügung, beispielsweise in der JVA Lübeck mit langen, über mehrere Ebenen offenen Fluren.

Aufgrund personeller Engpässe kann das moderne Besucherzentrum der JVA Lübeck für Kontakt zur Familie aktuell nur an zwei Tagen die Woche geöffnet werden. Über den zusätzlichen Arbeitsaufwand für die vorgesehene Vollzugsplanung und Dokumentationspflichten gibt es wohl keine zwei Meinungen. Wir haben die Ministerin wiederholt nach Konzepten und Umsetzungsmöglichkeiten gefragt: Da kam bis heute nichts.

Sehr geehrte Damen und Herren, in Fachkreisen völlig unbestritten ist, dass die verstärkte Kooperation zwischen Behörden und freien Trägern durch verbindliche Absprachen vor und nach der Entlassung von entscheidender Bedeutung für das Gelingen der Wiedereingliederung ist. Bei der Frage nach Konzepten zum Übergangsmanagement: keine Antwort. In Ermangelung eigener Ergebnisse wird die Zuständigkeit des Vollzugs stattdessen auf die Zeit nach der Haftentlassung ausgeweitet.

Ab September müssen nach Wunsch der regierungstragenden Fraktionen in allen Haftanstalten Möglichkeiten zur Nutzung moderner Medien eingerichtet werden. Diese Regelung schlägt dem Fass den Boden aus. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen erklären, warum. Mit Skype allein, so wie es uns berichtet wurde, als Besuchsersatz ist es doch nicht getan.

(Beifall CDU und FDP)

Völlig unbeleuchtet wurden Fragen nach sinnvollen Haftraum-Mediensystemen oder nach notwendiger Überwachungstechnologie in Form von geeigneter Infrastruktur. Auf die Nachfrage, wie das alles zukünftig im eh schon knappen Haushalt finanziert werden soll - eine Frage der Organisation, so die Ministerin. Die wahrgenommene Verantwortung der Ministerin endet mit den Buchstaben des Gesetzes. Das ist zu wenig.

Wenn wir dieses Gesetz heute verabschieden, dann schaffen wir große Verunsicherung in den Justiz

vollzugsanstalten. Wir werden für große Unsicherheiten in anderen Bereichen der Justiz

(Beifall CDU und FDP)

wie den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten sorgen. Es gibt nur diesen einen gemeinsamen Justizhaushalt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den bisherigen Gesetzen haben wir konstruktiv zusammengearbeitet. Lassen Sie dies nicht an ideologischen Grenzen scheitern! Wir alle wollen einen modernen und funktionsfähigen Strafvollzug in Verantwortung für die uns überlassenen Gefangenen, in Verantwortung für die Menschen, die die Arbeit dort leisten, und in Verantwortung für die Opfer der begangenen Straftaten. Diesem Gesetzentwurf fehlt das Fundament. Für meine Fraktion beantrage ich deshalb eine dritte Lesung.

(Lebhafter Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der SPD hat jetzt Kollege Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach wirklich sehr ausführlicher Beratung

(Lachen bei CDU und FDP)

- wobei ich nicht weiß, was da eine dritte Lesung noch ergeben soll

(Zuruf CDU: Du warst doch gar nicht dabei!)

und einem umfangreichen Anhörungsverfahren können wir heute mit dem neuen allgemeinen Strafvollzugsgesetz und dem Justizvollzugsdatenschutzgesetz

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- du warst gar nicht dabei, Hans-Jörn, du weißt gar nicht, wovon du redest,

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

ja, manchmal hilft ein Feldversuch - aktuelle Erkenntnisse von sozialer Strafrechtspflege, Vollzug, Kriminologie in zwei neuen Vorschriften umsetzen - und das weitgehend im Einklang mit den anderen Bundesländern.

Schwerpunkte - das hat Frau Ostmeier richtig beschrieben - sind die familienbezogenere Vollzugs

gestaltung, die Erweiterung des therapeutischen Angebots, die Nutzung neuer Medien, eine bessere Entlassungsvorbereitung und der Täter-Opfer-Ausgleich im Vollzug. Nur, von all dem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der rechten Seite, haben Sie sich mit Ihrem Änderungsantrag verabschiedet.