Protocol of the Session on March 24, 2017

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Auch nach dem, was Sie sagen, Herr Kollege Peters, bleibt allerdings die Frage: Wenn es denn so ist, dass konkrete Anhaltspunkte Voraussetzung für ein Öffnen sind, wo waren denn diese Anhaltspunkte im Fall der Briefe meines Kollegen Wolfgang

(Wolfgang Dudda)

Dudda? Welche Anhaltspunkte sollen denn dafür vorliegen, dass ein Abgeordneter dieses Landtages verbotene Gegenstände an eine JVA schickt?

Herr Kollege, jetzt gibt es Wünsche nach Bemerkungen. Ich frage Sie zunächst, ob Sie eine Bemerkung des Kollegen Rother gestatten.

Sofort, Frau Präsidentin. Ich will gerade noch den Gedanken zu Ende führen.

Gut.

Der Brief enthielt mehrere Absenderstempel des Abgeordneten.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Ja, mehrere Absen- derstempel!)

Der Brief war vom Landtag, von unserer Poststelle, gestempelt. Wie soll bei einem solchen Brief ein Anhaltspunkt dafür vorliegen, dass er nicht vom Absender stammen könnte? Und dann das Öffnen zum wiederholten Male! Der erste Brief ist geöffnet und verifiziert worden. Dann schickt mein Kollege einen weiteren Brief an denselben Gefangenen, und er wird wieder geöffnet. Wie kann dies sein? Das ist nicht mit Anhaltspunkten zu rechtfertigen.

Jetzt nehme ich gerne die Zwischenfrage entgegen.

Herr Rother, bitte!

Herr Dr. Breyer, ist Ihnen denn bekannt, dass im Haftraum des Gefangenen, der sich auch bei uns gemeldet und an den Petitionsausschuss und den Innen- und Rechtsausschuss geschrieben hat, schon mehrfach verbotene Gegenstände gefunden wurden, die ja irgendwie dorthin gelangt sein müssen?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war wahr- scheinlich in der Post von Ihnen!)

Herr Kollege, das mag sein. Mir ist aber nicht bekannt, dass schon einmal in der Post von Abgeord

neten des Landtags verbotene Gegenstände gefunden worden sind. Das ist ja die zentrale Frage, die in der Debatte offenbleibt, ob in der Post von Abgeordneten, von Gerichten, vom Petitionsausschuss jemals verbotene Gegenstände festgestellt worden sind. Frau Ministerin, auch Sie haben nicht gesagt, dass es dazu irgendeinen Erfahrungswert gibt. Solange das nicht der Fall ist, bleiben wir dabei: Es ist unverhältnismäßig, es ist rechtswidrig, und es ist verfassungswidrig, diese Post trotzdem zu öffnen.

(Beifall PIRATEN)

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Bemerkung, in diesem Fall vom Kollegen Peters?

Rechtsgeschichtlich betrachtet, war das ein großes Problem bei RAF-Verteidigern, aber darum geht es hier nicht. - Es geht nicht darum, dass ein Vorwurf gegen den Absender insinuiert wird. Es kann ja sein, dass der Empfänger, der Strafgefangene derartige Sachen von außen fingiert durch andere Absender als diejenigen, die vorgegeben werden.

Ist das jemals vorgekommen?

(Zurufe)

- Es kann sehr wohl vorkommen. Einen Verteidigerstempel herzustellen, ist eine ganz einfache Sache. Da gehen Sie in einen Schreibwarenladen und sagen: „Machen Sie mir mal einen Stempel Verteidigerpost.“ Dann haben Sie das innerhalb von einem Tag.

Genauso leicht ist das bei anderen Stempeln. Das ist eine Möglichkeit, um Post in die JVA einzuschmuggeln, die dort nichts zu suchen hat, in dem ein falscher, anderer Absender fingiert wird.

- Herr Kollege Peters, wir sind uns einig, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass dann eine Veranlassung gegeben sein kann, wenn man andere Möglichkeiten ausgeschöpft hat, auch ein solches Schreiben in Anwesenheit des Gefangenen zu öffnen. Wenn Sie aber andersherum argumentieren, dass allein die Möglichkeit, dass es in Zukunft einmal vorkommen könnte, reichen soll, um einen

(Dr. Patrick Breyer)

Brief zu öffnen, bin ich überrascht, weil ich das nicht von einer Partei gedacht hätte, die gegen Vorratsdatenspeicherung ist. Sie haben gerade dafür plädiert, anlasslos auf Vorrat nachzusehen, weil es einmal passieren könnte.

(Widerspruch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das geht uns zu weit. Wenn es Anhaltspunkte gibt, kann es gerechtfertigt sein. Aber das war bei den Schreiben nicht der Fall. Da gab es ja gerade keine Anhaltspunkte dafür, dass das falsch gewesen sein könnte.

(Widerspruch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich habe genannt, woraus der Absender der Schreiben eindeutig hervorging. Sie haben nichts angebracht, was das widerlegt. Allein, dass vielleicht in früherer Post an diesen Gefangenen verbotene Gegenstände geschickt wurden, rechtfertigt doch nicht das Misstrauen, dass Abgeordnetenpost oder Gerichtspost an denselben Empfänger solche Gegenstände enthielten.

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Abgeordneten Peters?

Der Anlass kann in der Person des Inhaftierten liegen, wenn er schon einmal auf diese Art und Weise versucht hat, einen Kassiber zu bekommen. Das ist das Problem. Ich weiß nicht, ob das in diesem Fall vorgelegen hat oder nicht; das wird man mir aus Datenschutzgründen nicht sagen. Aber die denktheoretische Möglichkeit müssten auch Sie einräumen.

- Herr Kollege Peters, wenn er das auf diese Art und Weise schon einmal versucht hätte, könnte ich es nachvollziehen. Aber unsere Frage, ob es jemals vorgekommen ist, dass irgendeine Post von Abgeordneten, vom Petitionsausschuss oder vom Gericht verbotene Gegenstände enthalten hat, ist bis heute nicht bejaht worden. Solange das nie vorgekommen ist, kann es auch bei diesem Gefangenen nicht vorgekommen sein. Dementsprechend war die Postöffnung hier rechtswidrig und unverhältnismäßig.

Ich freue mich auf die anstehende gerichtliche Entscheidung. Frau Justizministerin, bei allem Re

spekt, ich denke, dass die Entscheidung von gestern nicht darauf schließen lässt, wie über die Sache der Postkontrolle entschieden wird. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Vielen Dank. - Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich jetzt dem Kollegen Wolfang Kubicki von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich der Justizministerin beispringen. Herr Kollege Dudda, es gibt keine rechtsfreien Räume. Das kann man daran erkennen, dass sich der Gefangene zu Recht gegen die Art und Weise wehrt. Was Sie wahrscheinlich gemeint haben, ist, dass Beamte im Rahmen ihrer Ermessensausübung das so gut ausgelegt haben, dass sie ihre Ermessensgrenzen deutlich überschritten haben. Das ist aber etwas anderes als ein rechtsfreier Raum.

(Wolfgang Dudda [PIRATEN]: Genau so!)

Nun zu den brillanten Ausführungen des Kollegen Peters, die ich bei seinem Beitrag unterschrieben hätte. Es ist ja zutreffend, da sind wir uns völlig einig, dass immer dann, wenn ein Anlass besteht, ein Verdacht besteht, dass mit einem Brief etwas in die Anstalt geschmuggelt werden soll, was Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden könnte, die Möglichkeit bestehen muss, nicht nur eine Sichtkontrolle durchzuführen, sondern auch den Brief zu öffnen, zu schauen, durch Falten oder Herausnehmen festzustellen, ob etwas darin ist, ob der Verdacht bestätigt wird.

Was auf jeden Fall nicht geht, ist das, was Sie gerade behauptet haben. Da ist ein Gefangener, der einmal einen Kassiber hineinbekommen hat, und deshalb müssten wir jetzt durch Öffnen des Briefes überprüfen, ob da nicht ein weiterer Kassiber reingeschmuggelt werden soll. Das würde voraussetzen, dass Sie den Brief lesen. Sonst können Sie nicht feststellen, ob die Botschaft, die darin ist, ein Kassiber ist oder nicht. Das ist definitiv verboten, weil das eine Inhaltskontrolle ist.

Wir müssen aufhören, uns mit solchen theoretischen Möglichkeiten zu beschäftigen. Wir waren schon viel weiter. Frau Ministerin, ich möchte aufgreifen, was Sie gesagt haben. Es wäre doch überhaupt kein Problem, wenn das Justizministerium durch Erlass feststellen würde, dass die Öffnung

(Dr. Patrick Breyer)

von Briefen von der begünstigten Personengruppe, Verteidigern, Abgeordneten, Petitionsausschuss, Verfassungsrichtern, grundsätzlich unzulässig ist, es sei denn, es gibt einen Anhaltspunkt, dass mit dem Brief etwas hineingeschmuggelt werden soll, was die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden würde. Das ist unstreitig.

Ich möchte darum bitten, dass die Anstalt verpflichtet wird festzulegen, was der Anhaltspunkt war, der zur Öffnung des Briefes geführt hat. Denn eine rechtliche Überprüfung ist ja nur möglich, wenn man hinterher nicht abstruse Erklärungen bekommt, sondern vorher feststellt: Wir haben die Möglichkeit, den Brief zurückzuschicken oder ihn im Beisein des Gefangenen zu öffnen, um festzustellen, ob sich der Verdacht bestätigt. Dann aber bitte auch notieren, was der Anlass dafür war zu glauben, dass die Post die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden würde.

Wenn wir uns darauf verständigen - so habe ich den zweiten Beitrag der Ministerin verstanden -, wäre allen geholfen. Dann wären wir in dem Bereich, den ich mir vorgestellt habe. Sie können sicher sein: Dass ich einer anlasslosen Öffnung von Verteidigerpost zustimme, können Sie sicher ausschließen.

Lassen Sie uns diesen Weg gehen; wenn das Ministerium bereit ist, das zu machen, ist doch alles in Ordnung. - Herzlichen Dank.

(Vereinzelter Beifall FDP und PIRATEN)

Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung. Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 18/5316 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.