Meine Damen und Herren, ich eröffne die heutige Sitzung und bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Gestern haben wir die traurige Nachricht erhalten, dass am 10. November 2020 der frühere Abgeordnete Neithart Neitzel verstorben ist. Er wurde 77 Jahre alt.
Der 1943 in Berlin Geborene wuchs in St. Peter Ording auf. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und der Politischen Wissenschaften in Berlin und Kiel war der Volljurist von 1974 bis 1980 zunächst als Rechtslehrer an der damaligen Grenzschutzschule in Lübeck tätig. 1983 wurde er stellvertretender Leiter der Grenzschutzverwaltung Küste, der heutigen Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt. 1986 wechselte er als Referatsgruppenleiter in das Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein.
Neithart Neitzel, seit 1966 Mitglied der FDP, gehörte von 1970 bis 1983 dem Landesvorstand seiner Partei an. In der 8. und 9. Wahlperiode sowie erneut in der 11. Wahlperiode war er Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Hier hatte er zwischen 1980 und 1983 den Vorsitz der FDPLandtagsfraktion inne. Zentrale Felder seiner parlamentarischen Arbeit waren der Finanzausschuss, dem Neithart Neitzel in allen drei Wahlperioden angehörte, sowie der Volksbildungsausschuss und der Ausschuss für Kultur, Jugend und Sport.
In der 8. Wahlperiode gehörte er zwischen 1975 und 1978 zwei thematisch miteinander verwobenen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen an: Dem Untersuchungsausschuss zur „Aufklärung einer möglichen Beeinflussung der Landespolitik durch geschäftliche Interessen des Abgeordneten Gerisch (CDU) oder/und von Firmen des BIG-Konzerns“ und dem Untersuchungsausschuss zur „Aufklärung eines möglichen Mandatsmissbrauchs durch Oppositionsführer Matthiesen und zur Aufklärung eines möglichen pflicht- oder dienstwidrigen Verhaltens anderer Personen zum Nachteil des früheren Abgeordneten Gerisch und/oder der BIGGruppe“.
Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich Neithart Neitzels Arbeit im Ausschuss „Kommunaler Investitionsfonds“, im Nordschleswig-Gremium, in der Parlamentarischen Kontrollkommission sowie im
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde unser verstorbener Kollege Neitzel Staatssekretär im Sozialministerium des Landes MecklenburgVorpommern und blieb dies bis 1994. In diesen Jahren unterstützte er den Aufbau demokratischer Verwaltungsstrukturen und prägte diese maßgeblich mit. Danach ließ sich Neithart Neitzel als Rechtsanwalt in Berlin nieder.
Meine Damen und Herren, Neithart Neitzel war ein überzeugter und überzeugender Liberaler, der den politischen Diskurs und das gesellschaftliche Miteinander nicht durch das bloße Übertragen bereits bekannter Muster gestalten wollte. Er forderte unvoreingenommenes Denken ein und ging hier mutig neue Wege. Ganz besonders deutlich wurde dies nach seinem Wechsel nach Schwerin, in den Jahren seiner Aufbauarbeit in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheitswesen und in der beruflichen Weiterbildung in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Haltung Neithart Neitzels war klar und unbeirrbar. Individuelle Freiheit erfordert Mut, aber auch den Raum zu differenziertem Handeln, denn sie ist unverzichtbarer Grundstein einer freien, offenen und gerechten Gesellschaft. Diesem Grundsatz ist Neithart Neitzel zeitlebens treu geblieben.
Meine Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag ist dankbar für die von Neithart Neitzel geleistete Arbeit und wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Seinen Angehörigen spreche ich die Anteilnahme des ganzen Hauses aus.
Ich bitte Sie, einen Moment innezuhalten - im Gedenken an unseren ehemaligen Abgeordneten Neithart Neitzel. - Sie haben sich zu Ehren Neithart Neitzels erhoben. Ich danke Ihnen.
Nach Mitteilung der Fraktionen beziehungsweise der Regierung ist von der SPD-Fraktion der Abgeordnete Thomas Hölck erkrankt. - Wir wünschen gute Besserung.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Touré nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtags mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist. Ebenso hat dieses für die CDUFraktion der Abgeordnete Fehrs erklärt.
a) Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz in der Fleischindustrie vor Lobbyinteressen stellen - keine wertvolle Zeit bei der Umsetzung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes verlieren
Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen in der Fleischwirtschaft sicherstellen und Gesetzgebungsverfahren zum Arbeitsschutzkontrollgesetz zum Abschluss bringen
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne somit die Aussprache. Für die SPDFraktion hat die Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, ich überlege gerade, ob mich die Debatte um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Fleischindustrie eher an eine Seifenoper oder an eine Schmierenkomödie erinnert. Eine Seifenoper dauert ewig und kommt dabei kein Stück voran. Eine Schmierenkomödie ist ein niveauloses Stück, dessen Komik auf billige und vor allem uralte Gags setzt. Ich glaube inzwischen, dass es tatsächlich beides ist. Denn seit Jahren kommen wir keinen einzigen Schritt weiter. Das ist die Seifenoper.
Als Argumente kommen von der Union immer nur dieselben alten Parolen. Das ist die Schmierenkomödie, auch wenn einem das Lachen im Halse stecken bleiben sollte, wenn man zumindest Anstand hätte.
Ich will noch weitergehen. Vielleicht ist das, was wir gerade erleben, nicht nur eine Seifenoper und eine Schmierenkomödie, sondern es hat auch ein Muster, so eine Art Matrix. Man kann daran lernen,
Es ist übrigens immer wieder das gleiche Muster. Wir kennen es aus vielen Debatten, Debatten über den Mindestlohn und über das Lieferkettengesetz. Gerade erleben wir das auch beim Thema „Frauen in Führungspositionen“. Es passiert etwas Schlimmes, ein Skandal, in diesem Fall die massiven Ausbrüche von Corona in den Schlachthöfen. Die Öffentlichkeit schaut auf einmal hin und erkennt dieses Problem. Es gibt Diskussionen bei „Hart aber Fair“ und bei Anne Will. Große Tageszeitungen berichten. Der öffentliche Druck ist enorm. In diesem Akt des Schauspiels tut die CDU sehr betroffen. Man sehe das Problem und müsse sehr dringend handeln. Der Arbeitnehmerflügel der CDU meldet sich zu Wort und darf scharf verurteilen. Erste halbherzige Reformvorschläge folgen.
Das ist aber eine Scheinheiligkeit. Wir haben dieses Problem schon lange. Die Gewerkschaften, aber auch Kirsten Eickhoff-Weber thematisieren dieses Problem schon lange. Nur ein paar Beispiele. 2013: Werkarbeiter im Kreis Vechta müssen in selbst gebauten Hütten und in Höhlen schlafen. Arbeiter aus Ungarn, die 10, 14 Stunden am Tag arbeiten, bekommen für zwei Monate gerade einmal 362 € Lohn. Wir in Schleswig-Holstein mussten 2014 erleben, dass massive Verstöße von Vion in Bad Bramstadt bekannt geworden sind.
Dieses miese Spiel der Werkverträge und der Leiharbeit müssen wir beenden, und zwar überall, wo dieser Missbrauch stattfindet.
Zurück zum Schauspiel. Der öffentliche Druck wird immer größer. Es gibt einen Koalitionsausschuss. Tatsächlich bewegt sich hier die Union, und es gibt Verbesserungen. Ein Gesetzentwurf folgt. Hubertus Heil legt ihn vor. Aber, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Welt dreht sich weiter. Das Thema ist nicht mehr so wichtig und verschwindet aus der Öffentlichkeit. In der Zwischenzeit schwärmen die Lobbyisten hinter den Kulissen aus und säen Zweifel an diesem Gesetz.
Vorhang auf: Aufritt der Mittelstandsvereinigung der Union. Dr. Linnemann betritt die Bühne und sagt, das sei alles nicht so schlimm. Arbeitsplätze könnten doch verloren gehen, und das schade der deutschen Wirtschaft. Auch Friedrich Merz meldet sich zu Wort; denn er darf ja nicht fehlen, wenn es gegen den Schutz der Rechte von Arbeitnehmerin
nen und Arbeitnehmern geht. Zack, verschwindet das Gesetz auf einmal von der Tagesordnung des Deutschen Bundestages; denn man will ihm wohl doch nicht mehr so zustimmen. Das ist billig, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Das ist niveaulos. Dann auch noch mit dem Argument zu kommen, wir müssten Angst um das Ende der Grillwurst haben, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Dieses Spiel wollen wir nicht länger mitmachen. Ich bin froh darüber, dass die CDU im SchleswigHolsteinischen Landtag mit ihrem Alternativantrag zeigt, dass sie dieses miese Spiel in Schleswig-Holstein und in Deutschland beenden will. Wir haben ja gestern gehört, was für einen großen Einfluss der Ministerpräsident in Berlin hat. Daher fordern wir die CDU auf, dafür zu sorgen, dass der Gesetzentwurf im Dezember wieder auf die Tagesordnung des Bundestages gebracht wird.
Wir brauchen hier Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es geht um den Schutz der Beschäftigten. Es geht darum, bessere Kontrollen im Land durchzuführen, und es geht letztendlich auch darum, die miesen Geschäftspraktiken der Lobbyisten tatsächlich zu verhindern. Das Taktieren, das Lobbyieren und das Tricksen muss ein Ende haben.
Wir haben gestern viel über Wirtschaft und über gutes Wirtschaften gesprochen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist weder Wirtschaft noch gutes Wirtschaften. Das alleine ist die Gier und der reine Egoismus dieser Fleischlobbyisten, ausgetragen auf dem Rücken der Beschäftigten. Diesen sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen wollen wir in Deutschland endlich Einhalt gebieten. Daher brauchen wir das Arbeitsschutzkontrollgesetz. Ich bitte Sie daher um Zustimmung.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Regionale Schlachthöfe sind als Grundinfrastruktur unabdingbar, um unserem Bundesland Standortvorteile in der Fleisch- und Viehwirtschaft
zu garantieren. Noch steht Schleswig-Holstein mit den regionalen Schlachthöfen ganz passabel da. Aber man darf sich nicht täuschen. Die derzeitigen freien Kapazitäten fußen hauptsächlich auf aktuellen Marktschwankungen, nicht auf einem systematisch aufgebauten Netz von regionalen Schlachtstätten. Doch genau so ein Netz gilt es - so unser heutiger Antrag - seitens der Landesregierung zu unterstützen, vorzuhalten und im Verbund mit den lokalen Betrieben auszubauen. Das ist nicht einfach; denn regionale Schlachtstätten sind nur bei optimaler Auslastung rentabel. Die oftmals fehlenden Rinder- und Schweinemastbetriebe im Umkreis führen den Regionalbegriff ad absurdum und zwingen viele Schlachthöfe zur Aufgabe. Das ist im Moment angesichts des Schlachtstaus bei Schweinen ein großes Problem. Die „allgemeine fleischer zeitung“ führte aus - ich zitiere -: