Protocol of the Session on February 26, 2021

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung. Nach Mitteilung der Fraktionen sind erkrankt der Abgeordnete und Landtagspräsident Klaus Schlie sowie die Abgeordneten Sandra Redmann, Eka von Kalben und Dr. Frank Brodehl. - Wir wünschen gute Besserung!

(Beifall)

Der Abgeordnete Dirschauer hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtags mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung verhindert ist. Der Abgeordnete Professor Dr. Dunckel hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtags mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Nachmittagssitzung verhindert ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute, vor genau 75 Jahren traten im Kieler Stadttheater die Mitglieder des ersten Schleswig-Holsteinischen Landtages zusammen. Das geschah noch unter Aufsicht der britischen Besatzungsbehörden, und die Abgeordneten waren nicht gewählt, sondern lediglich ernannt worden.

Dieser Tag war aber trotzdem der wichtigste erste Schritt Schleswig-Holsteins auf dem Weg zu einem demokratischen Neubeginn in einer äußerst schwierigen Zeit. Damals prägte schwere Not das Leben der Menschen. In Schleswig-Holstein lebten neben 1,5 Millionen Einwohnern auch 1 Million vertriebener und geflüchteter Menschen aus dem Osten.

Die Wirtschaft und das gesamte öffentliche Leben lagen am Boden, existenzielle Sorgen bestimmten den Alltag der Menschen. Die ungeheuren Verbrechen der Nationalsozialisten waren zwar durch die Alliierten beendet worden, ihre Dimension aber wurde vielen Menschen erst jetzt langsam bewusst vor allem die schuldhafte Verstrickung eines jeden, der solche Taten begangen oder auch nur still geduldet hatte.

Die erste Sitzung des Landtages vor 75 Jahren war deshalb ein wichtiges Signal des Neuanfangs - das Signal, dass es eine bessere, eine demokratische Zukunft für Schleswig-Holstein geben konnte und geben musste, ein Signal auch, alle Kräfte für diesen Neuanfang zu mobilisieren und Hoffnung zu schöpfen.

Mit dem Zusammentreten dieses ersten Landtages waren zugleich die Weichen für ein eigenständiges

Land Schleswig-Holstein gestellt. Viele Abgeordnete konnten sich 1946 eine solche Eigenständigkeit nicht vorstellen. Sie gingen davon aus, dass Schleswig-Holstein Teil eines künftigen Landes Preußen sein würde, wie es 80 Jahre lang der Fall gewesen war. Zum Glück kam es anders: Der Schleswig-Holsteinische Landtag wurde zur Keimzelle des Landes Schleswig-Holstein.

Meine Damen und Herren, wenn wir in dieser von der Coronaepidemie geprägten Zeit an 75 Jahre Gründung unseres Landes erinnern, dann sind es zwei Aspekte der damaligen Zeit, die gerade in dieser herausfordernden Gegenwart wichtig sind. Noch vor der Gründung der Bundesrepublik und noch vor der eigentlichen Gründung des Landes SchleswigHolstein trat ein Schleswig-Holsteinischer Landtag zusammen, um sich mit den Problemen der Menschen, mit ihrer Not und mit Lösungen dieser Herausforderungen zu beschäftigen. Das verpflichtet uns bis heute in besonderem Maße - der SchleswigHolsteinische Landtag ist und bleibt der wichtigste Ort der politischen Entscheidungen.

Das Jahr 1946 ist nicht im Ansatz vergleichbar mit der Situation, die wir derzeit erleben. Wir können aber in der enormen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbauleistung von damals einen Ansporn sehen, den gegenwärtigen gewaltigen Herausforderungen unserer Gesellschaft mit Selbstvertrauen zu begegnen.

75 Jahre Schleswig-Holsteinischer Landtag bedeuten zugleich 75 Jahre demokratisches SchleswigHolstein. Das ist eine Verpflichtung, und das ist ein festes Fundament für unsere Gegenwart und Zukunft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, SSW und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz (LVwG- PORÄndG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 19/2118

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 19/2775

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2819

Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 112. Sitzung - Freitag, 26. Februar 2021 8517

Ich erteile der Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Abgeordneten Barbara Ostmeier, das Wort.

Ich verweise auf die Vorlage.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wortmeldungen zum Bericht sehe ich nicht. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Tim Brockmann von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein richtig guter Tag für die schleswigholsteinische Landespolizei.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Endlich verabschieden wir das Gesetz zur Änderung polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz - eine Novelle, die aus meiner Sicht längst überfällig ist. Das ist auch in den Anhörungen deutlich geworden. So schrieb Professor Schwarz in seiner Stellungnahme, und ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

„Der Gesetzentwurf ist damit im Grunde von dem Bestreben geprägt, die rechtlichen Rahmenbedingungen polizeilichen Handelns den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, um so auch zu verhindern, dass der präventiv-polizeiliche Auftrag zur Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge durch Vorenthaltung entsprechend rechtlicher Instrumente gefährdet würde.“

Damit hat er recht: Der Landtag kommt mit dem Gesetz seiner Aufgabe nach, einer Gefährdung der effektiven Polizeiarbeit vorzubeugen. In unserem Rechtsstaat muss die Polizei ordentlich und effektiv für die Bürgerinnen und Bürger arbeiten können. Dafür braucht sie die notwendigen Befugnisse. Deshalb ist die vorliegende Novelle unumgänglich.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Mit dem Gesetz schaffen wir ein modernes Polizeirecht. Wir geben unseren Polizistinnen und Polizisten die Rechts- und Handlungssicherheit, die sie in schwierigen und häufig unübersichtlichen Einsatzlagen brauchen. Sie haben einen Anspruch darauf.

Wir halten damit nicht nur unser Versprechen, das im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, wir gehen darüber hinaus. Der Schwachstellenanalyse folgte die Schließung vieler - nicht aller - regulatorischen Lücken.

Der Gesetzentwurf ist weit davon entfernt, eine bestimmte Farbe zu tragen. Er ist weder gelb noch grün noch schwarz, er trägt diese Farben gemeinsam. Jeder Koalitionspartner kann für sich einerseits in Anspruch nehmen, Dinge erreicht zu haben. Andererseits musste jeder auch Abstriche an seinen politischen Forderungen hinnehmen.

Für uns als CDU war im Diskussionsprozess aber völlig klar: Wir wollen die Arbeit der Polizei stärken. Im 21. Jahrhundert haben sich die Anforderungen an eine bürgernahe Polizeiarbeit geändert. Für die bürgernahe Polizeiarbeit muss auch die Effektivität der Gefahrenabwehr im Vordergrund stehen. Deshalb ist es absolut richtig, dass wir neue Befugnisnormen schaffen.

Dass wir keine Regelungen zulassen werden, die die Arbeit der Polizei unverhältnismäßig erschweren oder das Misstrauen gegen unsere Polizei zum Ausdruck bringen, hatte bei den Gesprächen für uns immer höchste Priorität. Unser Anspruch war und ist es, der Polizei den Rücken zu stärken.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wird es auch keine Kontrollquittung geben. Polizeikontrollen und Identitätsfeststellungen erfolgen dann, wenn sie polizeilich erforderlich sind und der Gefahrenabwehr dienen. Daran ändert auch der neue Absatz 2 in § 181 LVwG nichts. Diskriminierungsfreies Handeln ist durch die Polizei grundsätzlich zu gewährleisten, und ich bin fest davon überzeugt, dass die Polizistinnen und Polizisten dem in der Praxis bereits jetzt umfassend Rechnung tragen.

Umso mehr freue ich mich, dass wir jetzt eine verfassungskonforme Regelung der Identitätsfeststellung in § 181 Absatz 5 LVwG gesetzlich verankern werden. Wir schaffen damit ein effizientes Instrument für die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität. Eine solche Regelung war überfällig. Die Herausforderungen in diesem Bereich sind groß.

Ein gutes Signal an die Polizei ist auch, dass wir die Nutzung der Bodycam rechtlich normieren, und zwar im Sinne eines Instruments zur Eigensicherung und nicht im Sinne eines Instruments der polizeilichen Kontrolle. Es ist doch eine völlig absurde Idee, vor jedem Einsatz körperlichen Zwangs die

(Vizepräsidentin Aminata Touré)

Bodycam einschalten zu müssen. In einer solchen Situation, in der die Eskalation weit fortgeschritten ist, hat die Eigensicherung der Beamten Vorrang.

(Beifall CDU und FDP)

Ich mache allerdings keinen Hehl daraus, dass wir als Union uns den Einsatz der Bodycam in Wohnungen gewünscht hätten, zumal die Anhörung deutlich gemacht hat, dass das verfassungsrechtlich möglich wäre. Andere Bundesländer, etwa Bremen, machen das bereits möglich.

Mit unserer Polizeirechtsnovelle drücken wir uns auch nicht vor moralisch-ethisch schwierigen Fragestellungen. Das gilt insbesondere für den Schusswaffengebrauch. So wird endlich der finale Rettungsschuss gesetzlich normiert. Bereits in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs haben wir über den Schusswaffengebrauch intensiv diskutiert. Ich bin froh, dass wir bei den von der Landesregierung vorgeschlagenen Formulierungen geblieben sind.

(Beifall CDU und FDP)

Damit geben wir den Beamtinnen und Beamten die erforderliche Rechtssicherheit. Wir als Parlament tragen dem Bestimmtheitsgebot Rechnung und kommen unserer Fürsorgepflicht nach.

(Beifall CDU und Annabell Krämer [FDP])

Meine Damen und Herren, in der Anhörung ist auch deutlich geworden, an welchen Stellen das Polizeirecht in den kommenden Jahren nachgeschärft werden muss, damit wir die Staatsaufgabe Sicherheit nicht vernachlässigen. Dies gilt herausragend für die Normierung von Ermittlungsinstrumenten im digitalen Zeitalter. Hier muss die Polizei auch in der Gefahrenabwehr mit dem technischen Fortschritt Schritt halten. Dieses Schritthalten ist notwendiges Instrument zur Herstellung einer gewissen technischen Parität. Nicht nur aus der Wissenschaft, sondern auch aus der polizeilichen Praxis heraus wurde das Fehlen dieser Elemente im Gesetzentwurf kritisiert; wir als Union teilen diese Einschätzung.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, sofort. - Meine Damen und Herren, nichtsdestotrotz handelt es sich um einen guten Gesetzentwurf der Landesregierung. An dieser Stelle noch einmal mein herzlicher Dank! Diesen Gesetzentwurf haben wir in der parlamentarischen Beratung noch besser

gemacht. Wir stärken unserer Polizei den Rücken und schaffen Rechts- und Handlungssicherheit. Ich bitte daher um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses. - Vielen Dank.