Protocol of the Session on April 20, 2021

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 47. außerordentliche Tagung des SchleswigHolsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt sind die Abgeordneten Martin Habersaat, Ines Strehlau und Anita Klahn. Wir wünschen ihnen gute Genesung.

(Beifall)

Die Abgeordneten Ostmeier und Lehnert haben nach § 47 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich)

In der Nacht vom 29. auf den 30. März 2021 ist unser langjähriger Kollege Holger Astrup verstorben. Er gehörte diesem Hause von 1988 bis 2009 als Mitglied der SPD-Landtagsfraktion an, deren Parlamentarischer Geschäftsführer er über viele Jahre hinweg war.

Holger Astrup, am 7. Mai 1948 in Flensburg geboren, starb völlig unerwartet. Die Nachricht von seinem Tode erfüllt den Schleswig-Holsteinischen Landtag mit tiefer Trauer. Holger Astrup gehörte zu den Persönlichkeiten, die dieses Haus ganz maßgeblich und über den Tag hinaus geprägt haben, von den parlamentarischen Abläufen bis hin zum Umbau des Landeshauses und dem damit verbundenen Neubau des Plenarsaals zwischen 1999 und 2004, den Holger Astrup an maßgeblicher Stelle begleitete.

Nach seinem Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule Flensburg war Holger Astrup als Lehrer an der Grundschule Norderstapel und ab 1973 an der Stapelholm-Schule in Erfde tätig. In Erfde begann auch Holger Astrups Weg in die Politik. 1973 gründete er den SPD-Ortsverein und war von da an mehr als 30 Jahre lang kommunalpolitisch aktiv - als Gemeindevertreter in Erfde, Kreistagsabgeordneter und Kreisrat im Kreis SchleswigFlensburg. Holger Astrup war und blieb tief in der örtlichen Gemeinschaft verwurzelt. Nicht nur dort genoss er höchstes Ansehen und blieb bis zu seinem Tode ein vielfältig engagierter Bürger, ein wichtiger und vor allem gesuchter Ratgeber.

1988 folgte der nächste Schritt: Holger Astrup errang das Direktmandat und zog erstmals in den Schleswig-Holsteinischen Landtag ein, dessen Mitglied er bis zum Ende der 16. Wahlperiode im Oktober 2009 war. 1992 wählte ihn seine Fraktion zum stellvertretenden Vorsitzenden. Vollauf in seinem Element und zugleich eine der einflussreichsten Persönlichkeiten in diesem Hause war Holger Astrup jedoch in jenen 13,5 Jahren, in denen er Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion war.

In der 12. Wahlperiode gehörte Holger Astrup dem Innen- und Rechtsausschuss sowie dem Sonderausschuss „Verfassungs- und Parlamentsreform“ an. In der 15. Wahlperiode saß er - zu dieser Zeit bereits PGF - dem Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium vor. Überdies gehörte er dem 2002 eingesetzten Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 15. Wahlperiode an. Die meisten von uns haben Holger Astrup auch als versierten Finanzpolitiker in Erinnerung, der von 1992 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Landtag 2009 dem Finanzausschuss angehörte. In der 13. Wahlperiode hatte er hier den Ausschussvorsitz inne.

Die Funktionen, die Holger Astrup in diesem Hause durchlaufen hat, sind beeindruckend. In ihrer Kombination wird vor allem zweierlei deutlich: zum einen, dass Holger Astrup ein ausgesprochen fleißiger, sachkundiger und hoch belastbarer Politiker war. Zum anderen zeigt sich hier das feine Gespür des politischen Strategen, der als Vollblutparlamentarier alle entscheidenden Weichen zu stellen wusste, um die Zukunft Schleswig-Holsteins zu gestalten.

Auch lange nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag leistete Holger Astrup einen wichtigen Beitrag dazu, die Rahmenbedingungen parlamentarischer Arbeit in und für Schleswig-Holstein zu gestalten. Er gehörte der im Juni 2018 vom Ältestenrat eingesetzten Unabhängigen Sachverständigenkommission an, die die Alterssicherung der Abgeordneten evaluierte und dem Landtag Reformvorschläge unterbreitete, um deren Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Holger Astrup war ein Mensch, der zeitlebens klare Haltung bewies. Der Sozialdemokrat verstand sich auf den in der Sache harten und leidenschaftlich geführten Schlagabtausch. Er wusste, all seine persönliche Autorität und seinen politischen Einfluss zu nutzen. Doch der einstige Grundschullehrer Holger Astrup war dabei nie schulmeisterlich, sondern

auch in der politischen Auseinandersetzung voll und ganz verständiger Pädagoge. Er war klar im Kurs, aber immer humorvoll, wohlwollend und warmherzig und stets darauf bedacht, den wechselseitigen Respekt im Auge zu behalten, auch wenn es im politischen Diskurs einmal hoch herging. Er war ein Kollege, auf dessen Wort man sich immer verlassen konnte und mit dem wir wohl alle gern zusammenarbeiteten.

Aus ganz persönlichem Erleben füge ich hinzu, dass Holger Astrup in einer der schwierigsten Phasen der Landespolitik als Brückenbauer zwischen den Fraktionen für ein menschlich vertrauensbildendes Klima jenseits der politischen Unterschiede gesorgt hat.

Holger Astrup war ein Politiker von echtem Schrot und Korn, der sich seit Jahrzehnten für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes starkmachte, eine Persönlichkeit, die höchstes Ansehen und Vertrauen über die Fraktionsgrenzen hinweg genoss. Er hat sich um Schleswig-Holstein verdient gemacht. Holger Astrup zu verlieren wiegt schwer, nicht nur für seine Partei, die SPD, für die er im „Land zwischen den Meeren“ über viele Jahre einer der wichtigsten politischen Akteure war, sondern für uns alle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag trauert um Holger Astrup und ist dankbar für die von ihm geleistete Arbeit. Sein Andenken werden wir in Ehren bewahren. Unsere tiefe Anteilnahme gilt seiner Familie. Ich bitte Sie, im Gedenken an unseren ehemaligen Abgeordneten, den Kollegen Holger Astrup, einen Moment innezuhalten. - Sie haben sich zu Ehren Holger Astrups erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen die im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Zu TOP 2 ist eine Aussprache nicht geplant. Weitere Tagesordnungspunkte liegen nicht vor. Wir werden heute bis circa 17:30 Uhr tagen. Ich höre keinen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.

Ich begrüße auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Parlaments ganz herzlich die Besucherinnen und Besucher, die heute trotz dieser widrigen Situation bei uns sind. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

(Präsident Klaus Schlie)

Mündlicher Bericht zur geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes und den daraus folgenden Auswirkungen auf das Land Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2921

Für eine bundesweite effektive Pandemiebekämpfung

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2924

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Mit dem Antrag Drucksache 19/2921 wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Ich bitte um Ihr Handzeichen. - Ich sehe, dass das einstimmig so beschlossen ist.

Ich erteile dann das Wort für die Landesregierung dem Ministerpräsidenten Daniel Günther.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich gebe ich gern einen mündlichen Bericht über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes und über die Auswirkungen dieses Gesetzes aller Voraussicht nach - für das Land SchleswigHolstein. Ich möchte damit beginnen, die Lage zu beschreiben: Wie ist sie im Moment in SchleswigHolstein? - Es ist erst einmal wichtig zu sagen, dass die Impfquote in Schleswig-Holstein bei den Erstimpfungen über 20 % liegt und wir dort in der Spitzengruppe der Bundesländer liegen. Ich weiß, dass es in den Bereichen immer viel Frust gibt, aber es ist, auch im Vergleich, eine gute Bilanz, die wir haben.

Ich will - das kann ich gemeinsam mit dem Gesundheitsminister tun - all denjenigen, die diese Arbeit in den Impfzentren und Hausarztpraxen leisten, einfach einmal ein ganz herzliches Dankeschön dafür sagen, was dort im Moment für großartige Arbeit geleistet wird.

(Beifall)

Wo stehen wir ansonsten mit den Zahlen bei uns im Land? - Das Verhältnis zum Bund stellt sich so dar: In Schleswig-Holstein haben wir aktuell eine Inzidenz von 72, in Deutschland von 162. Das gibt

schon Anlass zur Sorge, aber ich sage an der Stelle deutlich - weil man anfängt, so etwas als Selbstverständlichkeit zu nehmen -: Der Blick auf die Landkarte, auf der Schleswig-Holstein noch eine andere Färbung als die anderen Bundesländer hat, zeigt, dass unter den acht besten Landkreisen in der Entwicklung mittlerweile acht Landkreise aus Schleswig-Holstein sind. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit.

Man kann natürlich darüber streiten: Woran liegt das eigentlich? Ist es die Küste? Sind es die Menschen in unserem Land? Ich möchte in allererster Linie allen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern danken, denn ich glaube, dass es insbesondere an ihrem disziplinierten Verhalten liegt, dass Abstandregeln eingehalten werden. Das haben wir den Bürgerinnen und Bürgern in Schleswig-Holstein zu verdanken. Dafür sage ich an dieser Stelle für die Landesregierung einmal ganz herzlich danke.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das führt uns dahin, dass wir im Unterschied zum Bund eine völlig andere Situation in den Krankenhäusern haben, sodass sich viele Menschen natürlich immer fragen: „Was ist das für eine Diskussion, die im Moment stattfindet?“. Die sehen, dass die Lage in unserem Land eine völlig andere ist auch die Belegungen auf den Intensivstationen -, das ist ein sehr großer Unterschied. Aber: Das heißt, dass wir trotzdem vorsichtig sein müssen.

Heiner Garg hat es vorhin bei uns im Kabinett gesagt; ich sage es hier auch noch einmal ausdrücklich, weil wir häufig über die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern sprechen: Hamburg hilft auch dabei, dass die Situation so ist. Ein Drittel aller Patientinnen und Patienten in Hamburg kommt nicht aus Hamburg, sondern aus anderen Bundesländern - auch aus Schleswig-Holstein. Deswegen dürfen wir für die Zusammenarbeit mit Hamburg und die Arbeit, die dort in den Krankenhäusern geleistet wird, auch einmal danke sagen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wir müssen vorsichtig sein. Unser Stufenplan funktioniert offenkundig, sorgt auch für Akzeptanz. Es sind klare Regeln in Schleswig-Holstein, die wir dort erlassen haben. Es lohnt sich, sich ans Regelwerk zu halten, wenn man versteht, wie Regeln gemacht werden: dass man natürlich verschärfte Maßnahmen ergreifen muss, wenn Inzidenzen hoch sind, dass aber, wenn Inzidenzen niedrig sind, auch

(Präsident Klaus Schlie)

Öffnungsschritte möglich sind. Wir können Öffnungsprojekte machen, haben aber gleichzeitig einen 50er- und einen 100er-Erlass. Das heißt: Gehen die Zahlen nach oben, handeln wir an der Stelle eben auch sehr konsequent.

Dieser Weg hat sich bewährt. Was ich zutiefst bedauere, ist, dass durch die Debatte der letzten Wochen der Eindruck entstanden ist, als bräuchten die Bundesländer beim Management dieser Coronakrise jetzt dringend die Hilfe des Bundes. Ja, wir brauchen sie - beim Impfstoff. Da brauchen wir die Hilfe des Bundes: dass an der Stelle mehr kommt.

(Beifall CDU, FDP und SSW)

Ich sage sehr deutlich: Beim Management brauchen wir das nicht.

(Beifall CDU, FDP und SSW)

Das sage ich auch für andere Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern: Wir haben schon die ganze Zeit das Rüstzeug in den Händen. Ganz offen gesagt: Wenn mich jemand fragt: „Bedarf es dieser Änderung des Infektionsschutzgesetzes?“, dann sage ich voller Stolz aus schleswig-holsteinischer Perspektive: Wir hätten diese Änderung in SchleswigHolstein nicht gebraucht.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das derzeitige Regelwerk lässt sämtliche Handlungen zu. Erinnern Sie sich daran: Als wir in Flensburg eine Inzidenz hatten, die Richtung 200 ging, haben wir eingegriffen. An der Stelle haben wir übrigens auch eine Ausgangssperre verhängt. Daran, dass sie es war, die die Zahlen nach unten gebracht hat, habe ich trotzdem meine Zweifel.

(Beifall FDP)

Es waren die Kontaktbeschränkungen, die wir durchgeführt haben, die diese Entwicklung möglich gemacht haben. Man sieht dort aber, was viele Menschen übrigens insbesondere in Berlin, wo immer über den „Flickenteppich“ gesprochen wird, nicht glauben - dass das ja so unsinnig wäre, ist eine typische Diskussion, die von Berlin aus von Journalisten und anderen geführt wird -: Nein, regionales Management macht Sinn. Es macht Sinn, in Flensburg deutlich schärfere Maßnahmen zu haben als gleichzeitig in unmittelbarer Nähe in Schleswig-Flensburg.