Protocol of the Session on August 26, 2021

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren von der AfD, beim Lesen Ihres Antrags habe ich eine Weile nachdenken müssen, was denn wohl die eigentliche Botschaft Ihres verschwurbelten Textes ist. Während Sie im Antragstext ganz allgemein Gewalt gegenüber der Polizei verurteilen, suggerieren Sie im Begründungstext, politische Verantwortliche in Berlin könnten durch „Vorgaben und Einflüsse auf die Polizeiführung“ für unrechtmäßige Gewaltanwendungen der eingesetzten Polizeikräfte gegenüber Demonstrationsteilnehmern verantwortlich sein. Das haben Sie dankenswerterweise gerade noch einmal unterstrichen, indem Sie den rot-rotgrünen Senat in Berlin sozusagen als Anstifter für Polizeigewalt genannt haben.

Was wollen Sie denn eigentlich?

Im Übrigen: Es kam nicht zu verschiedenen kleinen Versammlungen, wie Sie es in der Antragsbegründung so harmlos darstellen. Circa 5.000 Menschen haben nicht nur das Versammlungsverbot ignoriert, sondern auch jeglichen Coronaanstand. Es gab in dem Zusammenhang unzählige Festnahmen, Ermittlungsverfahren und verletzte Polizistinnen und Polizisten. Mein Kollege Tim Brockmann hat das alles schon dargelegt.

Die Querdenkerszene radikalisiert sich immer weiter, und Ihre Partei sympathisiert in vielen Verlautbarungen ganz unverhohlen mit den Menschen, die auch bereit waren, den Reichstag zu stürmen. Das ist unerträglich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Sie stellen sich an die Seite derjenigen, die Staatsgewalt nicht mehr akzeptieren, die auf Polizistinnen und Polizisten losgehen, sie anspucken und angreifen. Das ist wirklich ein Novum.

(Jörg Nobis [AfD]: So ein Quatsch! Haben Sie nicht mal zugehört?)

Genauso ist es ein Novum, dass Sie neuerdings den Gedanken unverhältnismäßiger Polizeigewalt zulassen. Wir freuen uns schon auf Ihre Anträge zur Untersuchung weiterer Fälle eventuell unrechtmäßiger Polizeigewalt. Wir Grüne begrüßen jede rechtsstaatliche Untersuchung möglicherweise rechtswidrigen Verhaltens der Polizei. Und auch der UN-Berichterstatter mag seine Arbeit tun. Aber wir wundern uns gleichermaßen, dass ausgerechnet diese die erste Demonstration ist, die Sie näher interessiert.

Wissen Sie übrigens, was die UN-Institution und auch Herr Nils Melzer schon seit Langem gegen rechtswidriges Polizeihandeln fordern? - Eine unabhängige Polizeibeauftragtenstelle.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Lars Harms [SSW] - Jörg Nobis [AfD]: Haben wir doch!)

Ich würde mich freuen, wenn Sie das demnächst auch so sehen würden.

Die Forderung, das Land Schleswig-Holstein dürfe bis zur Klärung offener Fragen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz in Berlin keine weiteren Polizeieinsatzkräfte nach Berlin entsenden, ist übrigens ein Wiedergänger. Sie wurde schon im Juni letzten Jahres im Zusammenhang mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz in Berlin erhoben.

(Claus Schaffer [AfD]: Genauso ist es rich- tig!)

Damals wurde unter anderem von der AfD behauptet, die in diesem Gesetz enthaltenen Rechtschutzmöglichkeiten auch gegenüber polizeilichen Vollzugshandlungen seien krass rechtswidrig, deswegen dürfe die Landesregierung keine eigenen Polizeieinsatzkräfte nach Berlin mehr entsenden.

Damals wie heute gelten die rechtlichen Vorgaben der sogenannten Amtshilfe, geregelt im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes. Ersucht eine Polizeibehörde eines Bundeslandes ein anderes Bundesland bei großen Demonstrationslagen um Unterstützung, sind die ersuchten Polizeibehörden zur Hilfeleistung verpflichtet. Weitere Einzelheiten, zum Beispiel über die Kostenerstattung, sind im Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei der Bundesländer geregelt.

In § 5 Verwaltungsverfahrensgesetz ist genau festgeschrieben, wann eine um Amtshilfe ersuchte Behörde die Hilfe nicht leisten muss. Ein ganz kurzer Blick in das Gesetz reicht völlig aus, um zu erken

nen, dass die dort abschließend genannten fünf Gründe für eine Hilfeversagung im Falle des Ansinnens der AfD eindeutig nicht vorliegen.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Hört, hört!)

Ihre Aufforderung an die Landesregierung, bis zur Vorlage des Berichtes des UN-Sonderberichterstatters keine Kräfte der Bereitschaftspolizei des Landes Schleswig-Holstein zu Demonstrationen nach Berlin zu entsenden, ist danach auf ein eindeutiges rechtswidriges Handeln der Landesregierung gerichtet. Das sollten Sie als Polizeibeamter, Herr Schaffer, eigentlich wissen. Ihr Antrag ist ohne Weiteres abzulehnen. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Hansen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie wissen, rede ich gern und lang zum Thema Polizei und die Belange der Polizei. Heute will ich mich aber anders als meine Vorrednerinnen und Vorredner kurzfassen. Natürlich wird Schleswig-Holstein Bundesländer unterstützen, wenn andere Bundesländer um Hilfe ersuchen. Das steht außer Frage und darf auch von niemandem in Zweifel gezogen werden.

(Beifall FDP)

Ich habe die gleichen Probleme wie meine Vorredner gehabt: Was will die AfD? - Sie haben Ihre Rede so gehalten, dass hier überhaupt nichts mehr zusammenpasst. Lassen Sie mich, da der Sachverhalt an sich unstrittig ist, auf drei Punkte eingehen.

Erstens. Ein UN-Sonderbotschafter kann und darf Untersuchungen anstellen, wenn ihm Beschwerden vorliegen. Das steht außer Frage. Er tut das im Gespräch mit dem Innensenator in Berlin und mit der Polizeiführung, so wie sein Job es verlangt. Er hat es selbst so eingeordnet, dass die Gespräche positiv verlaufen sind. Das ist Punkt eins.

Punkt zwei. Die Polizei hat das Gewaltmonopol des Staates inne, und sie geht verantwortlich damit um. Sie setzt zur Durchsetzung ihrer Maßnahmen auch unmittelbaren Zwang ein. Auch das ist unstrittig. Das Gebot des Rechtsstaates ist es, wenn Missbrauch damit betrieben wird, dass dann auch Unter

suchungen stattfinden. Auch die Frage ist geklärt. Die Polizei in Berlin stellt die Untersuchungen auf der Grundlage von Videomaterial und Anzeigen an. Auch dieser Punkt ist also abgeräumt.

Der dritte Punkt macht mich wie meine Vorredner sprachlos. Es geht Ihnen gar nicht um den Sachverhalt, es geht Ihnen auch gar nicht um die Landespolizei Schleswig-Holstein. Sie wissen, dass dieser Antrag abgelehnt wird, und trotzdem stellen Sie ihn.

(Claus Schaffer [AfD]: Dann bräuchte ich gar keine zu stellen!)

- Sie wissen, dass er abgelehnt wird, und trotzdem stellen Sie ihn.

(Jörg Nobis [AfD]: Das ist doch ein Witz schlechthin!)

Es geht Ihnen also nicht um die Polizei, sondern es geht Ihnen nur darum, aus politischem Kalkül ein Zeichen zu setzen, das völlig fehlgeleitet ist.

(Beifall FDP und SSW - Jörg Nobis [AfD]: Sagen Sie doch klar, wir dürfen keine Anträ- ge mehr stellen!)

Es ist wichtig, ungemein wichtig, damit die Polizei auch agieren kann, dass die Bundesländer sich bei großen Einsatzlagen unterstützen. Das steht außer Frage. Darauf sind meine Vorredner auch eingegangen. Sie wollen also dieses Solidaritätsgebot aus politischem Kalkül ad absurdum führen beziehungsweise sich da rausziehen. So funktioniert Polizei nicht. Das wurde Ihnen erklärt.

Wie gesagt, ich wollte mich kurz halten. Der Antrag ist abzulehnen. Die Zielrichtung, Ihre Motivlage, ist politisch verwerflich. So darf man mit einer Landespolizei nicht umgehen, und man darf sie vor allen Dingen nicht für das eigene politische Kalkül instrumentalisieren. Das werfe ich Ihnen konkret vor. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt CDU)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Lesen des Antrags musste ich insgesamt feststellen, dass es meiner Meinung nach doch ein recht merkwürdiger Antrag ist, den die AfD hier

(Burkhard Peters)

stellt. Aber ich habe gemerkt: Ich bin nicht der Einzige, den dieses Gefühl beschleicht. Da springt die AfD auf den Zug einer Einzelperson auf, um unsere Polizeikräfte pauschal und ohne rechtskräftigen Nachweis zu diskreditieren.

(Claus Schaffer [AfD]: Das steht da mit kei- ner Zeile drin!)

Es hat aus den Reihen von Querdenkern und von anderen Äußerungen über angebliche Polizeigewalt auf Coronademonstrationen gegeben, und das mag auch überprüft werden, aber ohne dass es einen konkreten, rechtskräftigen Nachweis über Polizeigewalt gibt, gilt auch hier erst einmal die Unschuldsvermutung.

Für die AfD ist das natürlich anders, denn obwohl sie sich sonst polizeifreundlich gibt, fährt sie hier großes Kaliber auf, weil es ja um ihre Vorfeld-Organisationen Querdenker, Esoteriker, Rechtsradikale und andere Grüppchen geht. Da ist es bei der AfD dann doch schnell mit der Polizeifreundlichkeit vorbei. Meine Empfehlung: Gehen Sie einfach auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit! Dann kann man eigentlich nicht so fürchterlich viel falsch machen.

(Beifall SSW und Bernd Heinemann [SPD])

Ich weiß nicht so recht, was eigentlich der Kern des Problems sein soll, denn wenn man ehrlich ist, dann war der Eindruck bei den Coronademonstrationen eher so, dass die Polizei sich auffällig zurückgehalten hatte, obwohl die Demonstranten massiv gegen die Auflagen für die Demos verstoßen hatten. Das spricht eher für Besonnenheit als für massive Polizeigewalt.

Ich weiß aber, dass für uns als SSW absolut klar ist, dass sich die Bundesländer aus gutem Grund gegenseitig unterstützen. Gängiges Beispiel sind hier, wie im Antrag erwähnt, große Demonstrationen oder Fußball-Bundesligaspiele, aber auch die Flutkatastrophe vor wenigen Wochen ist ein Beispiel, wo Hilfe von anderswo benötigt wird. Man stelle sich einmal vor, in Berlin passierte eine Katastrophe, und wir würden keine Leute hinschicken. Was für eine Sauerei wäre das wohl?

(Beifall SSW, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Claus Schaffer [AfD]: Deswegen war das auf Demonstratio- nen bezogen!)

Hier zwischen den Bundesländern klappt die Zusammenarbeit sehr gut. Ohne die Hilfe von anderen Bundesländern würden die Bediensteten der jeweiligen Bundesländer dieser großen Aufgabe oft gar

nicht angemessen nachkommen können. Es gelten hierbei die bekannten Absprachen und natürlich auch die gesetzlichen Grundlagen. Natürlich muss hier auch die Balance stimmen. Auch wenn Berlin wahrscheinlich mit Abstand die meisten Großdemonstrationen zu verzeichnen hat, so ist die Amtshilfe ganz grundsätzlich in den meisten Fällen eher sehr ausgeglichen, und insofern klappt die Zusammenarbeit gut.

Wir verurteilen jede Form von Gewalt. Polizeibedienstete gilt es ebenso zu schützen wie Menschen, die an einer Demonstration oder Veranstaltung teilnehmen. Über letzteres haben wir in der jüngsten Vergangenheit auch hier im Plenum gesprochen. Es ist darüber hinaus auch regelmäßig Gegenstand der Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss.