Burkhard Peters

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Last Statements

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Grüne begrüßen wir sehr die Einigkeit aller Fraktionen bei der Feststellung der gemeinsam ermittelten Tatsachen und die weit überwiegende Einigkeit bei den Bewertungen und Schlussfolgerungen. Das ist das Ergebnis einer Ausschussarbeit, die vier Jahre lang von einem gemeinsamen Willen und von großer Kollegialität getragenen war.
Auf der Grundlage eines von allen demokratischen Fraktionen getragenen Einsetzungsbeschlusses haben wir den Ausschuss mehr als eine Enquetekommission gesehen, um die Arbeit der Landespolizei, aber auch der Strafverfolgungsbehörden in Schleswig-Holstein kritisch zu untersuchen und um teilweise über mehr als eine Dekade schwelende Konflikte aufzuarbeiten. Dabei haben wir immer das Ziel verfolgt, die Strafverfolgungsbehörden und die Landespolizei zu stärken.
Meine Damen und Herren, dies wird uns aber nur dann gelingen, wenn sich alle Seiten mit der konstruktiven Kritik des Schlussberichts auch konstruktiv auseinandersetzen.
Ausdruck des Charakters als Enquetekommission war auch, dass wir durch die Vorsitzenden seit Sommer 2021 in die Erstellung des Schlussberichts eng eingebunden wurden. Ich glaube, auch das ist ein Novum in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse in Schleswig-Holstein.
Diese Möglichkeit haben wir mithilfe unserer phantastischen Mitarbeiter - sie alle sitzen auf der Tribüne
intensiv genutzt. Ich möchte noch einmal mit ganzem Herzen meinen Dank aussprechen: Ohne euch hätten wir dieses Programm nicht geschafft. Ich habe große Hochachtung vor eurer sachlichen und fachlichen Kompetenz sowie eurem Fleiß. Das war großartig!
Vor allem die Aufnahme vieler Schlüsseldokumente im Originalwortlaut ist für uns im Sinne einer transparenten und damit nachvollziehbaren Darstellung der komplexen Sachverhalte unverzichtbar gewesen. Nur sie ermöglichen es den Leserinnen und Leser des Schlussberichts, sich ein eigenes Bild zu
machen und so die Feststellungen und Empfehlungen des Ausschusses nachzuvollziehen und kritisch zu überprüfen.
Auch der Mehrheitsteil, den wir gemeinsam mit CDU, SPD und dem SSW tragen, fußt auf Kompromissen. Für uns steht eine seriöse Aufarbeitung über den Interessen eines politischen Meinungsstreits. Auch im anlaufenden Wahlkampf wird das nicht stattfinden können; es geht um eine Sachenquete.
Meine Damen und Herren, ein Hauptanliegen für uns Grüne bei diesem PUA war und ist jedoch der Umgang mit sogenannten V-Personen, mit menschlichen Quellen. Schon in meiner Rede anlässlich des Einsetzungsbeschlusses im Februar 2018 hatte ich dargelegt, dass von V-Personen und der verdeckten Kooperation mit Personen aus dem kriminellen Milieu eine schwerwiegende Infektionsgefahr für den Rechtsstaat ausgeht. Sie sind und bleiben grundsätzlich ein Übel.
Das haben für mich auch die Untersuchungen dieses PUA gezeigt. Sind sie ein notwendiges Übel? Heiligt der Zweck der notwendigen Bekämpfung des organisierten Kriminalitätsfeldes den Einsatz dieses Mittels?
Meine Damen und Herren, hier kann ich Ihnen die Antwort jetzt liefern: Ja, menschliche Quellen aus den Milieus sind zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität in sehr engen Leitplanken leider ein notwendiges Übel.
Und nein, der Zweck der notwendigen Bekämpfung der organisierten Kriminalität heiligt auch hier nicht jedes Mittel. Die Grenzen zwischen Führen durch die Polizei und dem Versuch der Vertrauensperson, durch Manipulation der Polizei eigene Interessen zu verfolgen, sind fließend. Die Polizei darf sich aber nicht von Kriminellen vor den Karren spannen und selber instrumentalisieren lassen.
Umso bemerkenswerter ist die gemeinsam gewonnene Erkenntnis des Untersuchungsausschusses. Der Umgang mit verdeckten Quellen durch das Landeskriminalamt, die Staatsanwaltschaft Kiel und die Polizeiabteilung im Innenministerium hat sich im Untersuchungszeitraum als höchst problematisch dargestellt. Die von dem Kollegen Tim
Brockmann in dem Zusammenhang erwähnte Formulierung „Bockmist“ bescheinigt das ein wenig zu milde - nach meiner Ansicht.
Zeugenaussagen, Sperrerklärungen, Vertraulichkeitszusagen und Verpflichtungserklärungen unterliegen nicht der Beliebigkeit, sondern sie müssen rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.
Noch während des laufenden PUA haben wir in einem ersten Schritt mit unserer Jamaika-Koalition enge Leitplanken zur Regelung des VP-Einsatzes zur Gefahrenabwehr in unserem Landesverwaltungsgesetz definiert und geschaffen. Eine absolut dringend notwendige Regel in der StPO - das ist nicht unsere Gesetzgebungskompetenz - steht aus, ist aber im Koalitionsvertrag der Ampel vorgesehen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf drei konkrete, aus meiner Sicht sehr problematische menschliche Quellen eingehen, die im Schlussbericht angesprochen werden.
Erstens. Im Dezember des vergangenen Jahres berichtete der Norddeutsche Rundfunk über den ehemaligen sogenannten Präsidenten der im April 2010 verbotenen Bandidos Neumünster. Dieser sei vom LKA als Vertrauensperson geführt worden, habe aber nach eigenen Angaben keine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben oder einen Deal mit dem LKA Schleswig-Holstein geschlossen - also nichts davon.
Wir konnten diese Behauptung aus Zeitgründen nicht mehr aufklären. Sie ist jedoch eigentlich ungeheuerlich und in einem Rechtsstaat unvorstellbar. Eine Person soll ohne ihr Wissen zu einer V-Person gemacht worden sein! Daher haben wir dem Landtag im Abschlussbericht empfohlen, „die Landesregierung aufzufordern …, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen und dem Parlament darüber noch 2022 zu berichten“. Darauf bin ich sehr gespannt.
Dann ist da an zweiter Stelle ein weiterer sogenannter Präsident, diesmal der Präsident der ebenfalls verbotenen Legion 81 Kiel, nach Medienberichten eine ehemalige V-Person, ein Gewalttäter, Zuhälter, Teil der rechten Szene und ein Rocker. Mir liegen aufgrund der Antworten auf einen Abgeordnetenbrief Informationen zu diesem Themenkomplex vor, bekannt als größte Rockerrazzia Norddeutschlands. Zur Erinnerung: Im Zuge der Ermittlungen allein auf Grundlage der unzutreffenden Informa
tionen dieses Menschen wurde im Jahr 2012 hier in Kiel ergebnislos der Betonboden einer Fabrikhalle aufgestemmt, um eine angeblich dort einbetonierte Leiche zu finden - Schaden für den Landeshaushalt allein hier über 200.000 €.
Es ist für mich bis heute nicht nachvollziehbar, dass die Strafverfolgungsbehörden in Schleswig-Holstein allein aufgrund der Aussagen dieses Zeugen umfangreiche und im Ergebnis weitestgehend erfolglose Ermittlungsmaßnahmen ergriffen haben, obwohl in anderen Bundesländern eindeutige Erkenntnisse darüber vorlagen, dass den Einlassungen dieser Person nicht zu glauben sei. Eine zwingend gebotene kritische Nachbetrachtung dieser „Operation Wasserschlag“ scheint es bislang bei den Ermittlungsbehörden des Landes nicht gegeben zu haben.
Der dritte Fall, auf den ich eingehen möchte, war ebenfalls Gegenstand einer Berichterstattung des „Norddeutschen Rundfunks“ aus dem Dezember 2021, diesmal kein sogenannter Präsident, aber eine Person, die nahe an der Führungsriege der Hells Angels Kiel dran gewesen sein soll. Diese habe dem Landeskriminalamt Aufklärungshilfe geleistet und dabei Einblicke in die Ermittlungsarbeit und weitere polizeitaktische Informationen erhalten. Eine Verpflichtungserklärung habe die Person nicht unterschrieben. Diese Aussage hat mir das Innenministerium zwischenzeitlich bestätigt. Eine Verpflichtungserklärung wurde in diesem Zusammenhang nicht unterzeichnet. Warum nicht, weiß man im Innenministerium auch nicht.
Auch in diesem Fall wurde seinerzeit vom Innenministerium eine Sperrerklärung abgegeben, die ich zwischenzeitlich lesen konnte. Ich halte diese für unzulässig. Damit ist die unzulässige Sperrerklärung aus dem Subway-Verfahren - da gab es auch eine - schon kein Einzelfall mehr.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss nochmals auf ein Kernproblem, welches sich wie ein roter Faden durch diesen PUA zieht, zurückkommen. Das ist die Fehlerumgangskultur. Andere Redner vor mir haben schon darauf hingewiesen: Fehler werden immer und überall gemacht, das ist menschlich. Die große Herausforderung ist jedoch, wie mit diesen Fehlern umgegangen wird.
Das aktuelle Negieren der Notwendigkeit dieses PUA ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Schlussberichtes bereitet mir deswegen Sorgen. Da wird wenige Stunden nach Veröffentlichung des Abschlussberichtes von interessierter Seite pauschal behauptet, in der Polizei sei bereits
im Mai 2017 alles aufgearbeitet gewesen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den über 1.100 Seiten des Berichtes erfolgte erkennbar nicht. Ja, wie denn auch in diesen wenigen Stunden! Das ist die Fehlerumgangskultur der Zwanzigerjahre - leider des letzten Jahrhunderts. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Claussen, ganz herzlichen Dank für den 5. Opferschutzbericht. Der Bericht zeigt übrigens, dass Schleswig-Holstein im Opferschutz im Bundesvergleich schon sehr lange eine Vorbildfunktion hatte. Ich habe dem Bericht zum Beispiel entnommen, dass die generalpräventiven Räte in den Kommunen eine Erfindung aus Schleswig-Holstein gewesen sind. Das wusste ich bisher noch nicht, und das ist ein ganz wichtiger Baustein für den Opferschutz. Das sieht in anderen Bundesländern anders aus.
Die Aufarbeitung des Anschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin 2016 durch einen Untersuchungsausschuss im Bundestag zeigte nicht nur massive Defizite bei den Ermittlungen gegen den Täter. Auch der Umgang mit den Opfern und ihren Angehörigen war vielfach unsensibel, ineffektiv und alleinlassend. Die Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS, Bianca Biwer, sagte anlässlich des fünften Jahrestages gegenüber der Presse - ich erlaube mir zu zitieren -:
„Es laufen immer noch mühsame Prozesse vor allem im Bereich der Opferentschädigung.“
Im Umgang mit den Opfern hätten auch Behörden Fehler gemacht, etwa die Zusendung von Rechnungen aus der Gerichtsmedizin oder „blutgetränkter Gegenstände“ an Hinterbliebene und Opfer. Wörtlich sagte Frau Biwer:
„Da war kein opfersensibler Umgang zu erkennen“.
Vor diesem Hintergrund kamen die Justizministerinnen und -minister und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder überein, dass der Staat Sorge trägt, dass Opfer von schweren Straftaten schnell und gezielt Hilfe und Unterstützung erhalten und dass hierfür im Bereich des Opferschutzes, insbesondere bei Terroranschlägen, zentrale Strukturen unbedingt erforderlich sind.
Meine Damen und Herren, wir können es also nur begrüßen, dass wir seit Mitte 2020 auch in Schleswig-Holstein die Zentrale Anlaufstelle und die Institution der unabhängigen Opferschutzbeauftragten haben. Im Bericht von Frau Stahlmann-Liebelt heißt es an einer Stelle:
„Während Schleswig-Holstein bislang von Terroranschlägen verschont geblieben ist, waren Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern bereits in erheblichem Maße in ihrer Eigenschaft als Opfer(schutz)beauftragte gefragt.“
Sie weist damit vor allem auf die Anschläge von Halle 2019 und Hanau 2020 hin.
Nimmt man den Tag des Breitscheidplatzanschlags zum Bezugspunkt, ist diese Feststellung sicherlich richtig. Aber bei einer längeren Rückschau zeigt sich, dass auch unser Land nicht von Terroranschlägen verschont geblieben ist. In diesem Jahr jährt sich der ausländerfeindliche Anschlag in Mölln mit drei Todesopfern und neun teilweise sehr schwer verletzten Menschen zum 30. Mal. 1996 fand der Brandanschlag auf das Lübecker Asylbewerberheim in der Hafenstraße mit zehn Todesopfern und 38 teilweise schwer verletzten Hausbewohnerinnen und -bewohnern statt. Auch hier gab es also bereits viele Opfer von Terror und strafrechtlich relevanten Schadenslagen. Die überlebenden Opfer in Mölln und Lübeck hätten eine solche Anlaufstelle und eine engagierte Opferschutzbeauftragte wie Frau Stahlmann-Liebelt bitter nötig gebraucht.
Im Fall von Mölln kann ich diesbezüglich aus unmittelbarer Anschauung berichten: Die Schmerzensgeldansprüche der Verletzten und Hinterbliebenen gegen die Täter konnten zwar schnell eingeklagt werden. Aber die Urteile waren letztlich das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt waren. Sie konnten nie vollstreckt werden, auch gegen den Täter nicht, der als Heranwachsender nur zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Uns als Rechtsanwälten der Opfer wurde auch nach Haftentlassung die zustellungsfähige Anschrift des Verurteilten verweigert, weil er insoweit von staatlichen Stellen
unter Schutz gestellt war. Er hatte wohl die Gefahr von Racheanschlägen angeführt.
Auch die Verfahren der in Mölln Verletzten nach dem Opferentschädigungsgesetz waren extrem zäh und langwierig und erbrachten nur geringe Entschädigungsleistungen.
Den Opfern und Hinterbliebenen in Lübeck erging es noch schlechter. Denn hier wurde überhaupt kein Täter zur Rechenschaft gezogen, nachdem sich die Ermittlungsbehörden zunächst auf einen falschen Verdächtigen kapriziert hatten und zweimal kläglich vor Gericht damit scheiterten. Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächlich Verantwortlichen Rechtsextreme waren, die letztlich nicht überführt werden konnten - eine nach wie vor schwärende Wunde in der Rechtsgeschichte unseres Landes. Auch hier blieben Entschädigungsverfahren nach dem Opferschutzgesetz erfolglos.
Mögen die beiden neuen Opferschutzstellen auf Grundlage des heute ebenfalls verabschiedeten Gesetzes dazu beitragen, dass wir in Schleswig-Holstein nun besser aufgestellt sind. Frau StahlmannLiebelt sehe ich als eine personifizierte Garantie dafür an. Ihre langjährige Erfahrung als Staatsanwältin in Fällen von Kindesmissbrauch und sexueller Gewalt hat ihre Sicht auf den Opferschutz geprägt. Ihre hohe Expertise in diesem Bereich brachte sie schon früh bei pro familia und haupt- wie ehrenamtlichen Opferberatungsstellen ein. Ihr Engagement bringt die opferschützende richterliche Videovernehmung nicht nur landesweit, sondern auch im Bund voran. Kurz: Es handelt sich um die perfekte Besetzung für die Stelle. Unser Land kann sich glücklich schätzen, Frau Stahlmann-Liebelt für diese Stelle gewonnen zu haben. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Es ist gut, dass wir uns in diesem Haus immer wieder auf einstimmige Anträge verständigen können. Es spricht für die Kommunikation in unserem Haus, eine gute demokratische Kultur. Gerade wenn es um die Feuerwehr und den Brandschutz in unserem Land geht, ist es gut, wenn alle an einem Strang ziehen. Das ist nicht selbstverständlich, und darüber freue ich mich.
Wir haben nun also das Brandschutzgesetz gemeinsam moderat reformiert, und auch das freut mich. Das ist in großem Einmut mit den Verbänden und den Feuerwehren vor Ort sowie den Kommunen erfolgt. Auch das ist wichtig für den Brandschutz und unser Gemeinwesen in unserem Land. Denn die Feuerwehr braucht unsere Rückendeckung.
Es gibt kaum ein Ehrenamt, auf das wir so sehr angewiesen sind wie das in der Feuerwehr. Deshalb erleichtern wir das Ehrenamt so, dass sich die Mitglieder noch besser auf ihre Kernaufgaben in der Feuerwehr konzentrieren können. Daher können im Vorstand jetzt auch nicht aktive Mitglieder mitmachen. Gerade der Job als Kassenprüferin oder Kassenprüfer ist wohl eher unbeliebt.
Auch Ersatz- und Entschädigungspauschalen ersetzen Bürokratie, wenn es um die Abrechnung geht.
Wir möchten auch dafür sorgen, dass es dem Nachwuchs leichtfällt, sich für die Freiwillige Feuerwehr zu entscheiden. Ganz besonders wichtig war uns daher, die Repräsentation der Jugendlichen in den Delegiertenversammlungen weiterhin sicherzustellen.
Denn es ist nicht nur unser Anliegen, dass die Stimme der Jugendlichen Gehör findet. Ohne Nachwuchs kann die Feuerwehr einpacken. Ich bin froh, dass Koalition und Opposition das genauso sehen.
Auch an anderer Stelle bereiten wir das Brandschutzgesetz mit Weitsicht auf anstehende Herausforderungen vor. Der Klimawandel und die steigende Gefahr von Hitze, Dürre und Bränden wird es erforderlich machen, dass wir uns bereits jetzt gut aufstellen. Es ist daher gut, dass wir der Stiftung Naturschutz einen Platz im Brandschutzbeirat einräumen, um auch den Gefahren durch den Klimawandel angemessen Rechnung zu tragen.
Mit dem reformierten Brandschutzgesetz beschließen wir heute ein rundum gelungenes Paket. Denn wir brauchen unsere Feuerwehren! Wir brauchen einen attraktiven Feuerwehrdienst, damit genügend Menschen mitmachen. Dafür werden wir uns weiterhin einsetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für den Bericht. Der hier in Rede stehende § 6 a Volksabstimmungsgesetz wurde im Juni 2016 eingeführt. Die zur Umsetzung des parlamentarischen Auftrags erforderliche Landesverordnung trat am 1. Oktober 2021 in Kraft. Fünf Jahre und drei Monate ist für den Erlass einer Verordnung ein überdurchschnittlich langer Zeitraum. Die im Bericht dafür angegebenen Gründe zeigen allerdings auf, dass die zu klärenden Details und Probleme im Bereich einer sicheren Authentifizierung der Zeich
nungsberechtigten nicht banaler Natur waren. Dann kam auch noch Corona dazwischen.
Ich muss darauf hinweisen, dass in der Anhörung auch der Verein „Mehr Demokratie“ für eine sichere Authentifizierung plädiert hat. Daher ist das ein Aufgabenfeld gewesen, das auf jeden Fall umgesetzt werden musste, wie es das Gesetz auch vorgeschrieben hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allem Verständnis für die gründliche Arbeit der Verwaltung: Die traditionell händische Sammlung von Unterstützungsunterschriften für eine Volksinitiative war unter den Bedingungen eines Lockdowns extrem erschwert. Es wäre also besser gewesen, wenn die notwendige Verordnung schon zuvor in Kraft getreten wäre.
Immerhin: Was lange währt, wird endlich gut. Das System scheint jetzt zu funktionieren. Eine Volksinitiative läuft bereits. Wir haben es gehört. Als Freund von Schüttelreimen, der ich nun einmal bin, könnte man natürlich auch sagen: Was lange gärt, wird endlich Wut.
Uns erreichten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend mehr verärgerte Anfragen aus der Bevölkerung und von Verbänden, wann denn nun endlich die elektronische Unterschriftsleistung für Volksinitiativen möglich sein wird, die der Gesetzgeber schon so lange versprochen hat. Mir wurde es zunehmend peinlicher, weiter um Geduld bitten zu müssen.
Dem schriftlichen Bericht entnehme ich, dass das zentrale IT-Management SH in Abstimmung mit dem MILIG im Februar 2021 einen externen Projektleiter mit der abschließenden Entwicklung des Onlinedienstes eParti beauftragte. Danach sei es dann sehr flott gegangen bis zur Anwendungsreife. Da stelle ich mir natürlich die Frage, warum wir diesen Schritt nicht schon früher gegangen sind. Die Probleme lagen doch schon bei dem Bericht durch Staatssekretär Geerdts am 3. Juni 2020 im Innen- und Rechtsausschuss auf dem Tisch.
Nun gut, Schluss mit dem Gemecker. Ich bin sehr froh, dass das System jetzt steht.
Optimierungen für analoge Dinos wie mich sind sicher möglich. Daran werden wir noch weiterarbeiten. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die starke Betonung des Resozialisierungsansatzes beim Strafvollzug im Jamaika-Koalitionsvertrag von 2017 war uns Grünen ein ganz besonderes und wichtiges Anliegen.
- Ja, dafür haben wir stark gerungen. - Der Koalitionsvertrag unterstreicht, dass zum Erreichen des Ziels eine durchgehende Betreuung der haftentlassenen Menschen zu gewährleisten ist. So steht es dort drin.
Das erfordert eine intensive Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und freien Trägern. Dafür nahmen wir ausdrücklich auch die Schaffung eines Resozialisierungsgesetzes in Aussicht. Heute verabschieden wir dieses Gesetz, das den im Koalitionsvertrag niedergelegten Grundgedanken einer intensiven Kooperation aller staatlichen Institutionen und freien Träger beim Übergangsmanagement und bei der Rückfallvermeidung nach der Haft durchdekliniert und auf eine tragfähige gesetzliche Grundlage stellt.
Besonders zu begrüßen ist, dass der Gesetzesentwurf die Perspektive der Kriminalitätsopfer ausdrücklich einbezieht. Das sind zwei Seiten einer Medaille.
Auch der Aspekt des Datenschutzes in diesem besonders sensiblen Bereich der Zusammenarbeit von staatlichen Strafvollzugsbehörden und freien, also privaten Akteuren ist ausführlich und angemessen geregelt. Sehr gut ist ebenfalls, dass durch das Gesetz ausdrücklich die kriminologische Forschung einbezogen wird, um die Wirksamkeit des Strafvollzugs und der ambulanten Resozialisierungsleistungen kontinuierlich und dauerhaft zu überprüfen.
Ursprünglich hatten wir im Koalitionsvertrag vorgesehen, einen gemeinsamen kriminologischen Dienst mit Hamburg einzurichten, um die Wirksamkeit des Strafvollzugs zu überprüfen. Leider konnten wir bislang Hamburg nicht für eine solche Zusammenarbeit gewinnen. Dann machen wir das eben jetzt selber. Vielen Dank dafür.
Meine Damen und Herren, wir sind allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizministeriums und dem Minister außerordentlich
dankbar für die Vorlage des Gesetzesentwurfs, der im Rahmen der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss weitgehende Anerkennung gefunden hat - gerade auch durch die freien Träger in der ResoArbeit. Zu diesem Kapitel gehört auch, dass im Innen- und Rechtsausschuss einstimmig empfohlen wurde, diesen Gesetzentwurf zur Annahme anzunehmen. Ich finde es einen großartigen Ausdruck, dass wir hier an einem Strang ziehen.
Haftvermeidung und Verhinderung von Drehtüreffekten nämlich sind hocheffektive Präventionsarbeit. Sie schützt die Gesellschaft deutlich besser als wegschließender Verwahrvollzug und kalte Entlassung aus dem Gefängnis, und sie spart teure Haftplätze. Schon heute ist Schleswig-Holstein in Bezug auf die sogenannte Gefangenenrate, also wie viele Menschen sich, bezogen auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, in Strafhaft befinden, europaweit ein Musterland. Der Minister hat es hier schon dargelegt. In Zahlen sind es in unserem Land nur 37 Personen, im Bundesdurchschnitt fast doppelt so viele, nämlich 70, und in den USA, um einmal einen Blick über die Bundesrepublik hinaus zu werfen, sind es zum Vergleich 639, zehnfach höher als der Bundesdurchschnitt. Das muss man sich einmal vorstellen: 639!
Also, gelungene Resozialisierung und Haftvermeidung schaffen nicht nur mehr Sicherheit, sondern sparen auch hohe Kosten ein. Was kann man sich eigentlich mehr wünschen?
Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings auch bei diesem Gesetz dabei - wir sprachen es schon an -: die Einführung einer Fachaufsicht für die Bewährungshilfe, angesiedelt beim Justizministerium. Das ist beim Berufsverband der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer sehr sauer aufgestoßen. Ich gebe zu, dass ich anfangs durchaus Sympathien für den bisherigen Zustand hatte. Bislang liegt die Fachaufsicht der Bewährungshilfe bei sogenannten Richterlichen Referentinnen und Referenten in den vier Landgerichtsbezirken. Letztlich aber hat mich der Gedanke überzeugt, dass es sinnvoller ist, dass die Bewährungshilfe durch Fachleute der gleichen Profession
beaufsichtigt wird, wie es übrigens in allen anderen Bundesländern auch der Fall ist. Ich hoffe stark, dass der betroffene Verband im Verlauf der Gesetzesumsetzung doch mit dieser neuen Struktur
seinen Frieden machen kann. Letztlich werden sich die vier neu zu besetzenden Stellen ja auch aus ihrem Berufsfeld heraus rekrutieren. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Sütterlin-Waack, vielen Dank für die Erläuterung des Verfassungsschutzberichts. Gestatten Sie mir, dass ich mir nur zwei Punkte herauspicke.
Erstens: Wie ist die Querdenkerszene in SchleswigHolstein einzuschätzen?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat für die Querdenkerszene und andere Coronaleugnende einen neuen Phänomenbereich kreiert: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“.
Das ist deswegen problematisch, weil das Anzweifeln der Legitimität einzelner staatlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung, zum Beispiel Ausgehverbote, ganz klar von der Meinungsfreiheit gedeckt und für einen offenen politischen Diskurs in einer Demokratie selbstverständlich ist. Ab wann sind solche kritischen Mei
nungsäußerungen eine „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung“? Reichen lautstarke Parolen wie „Impfzwang ist Coronadiktatur“ aus? Oder müssen Aktionen wie die Erstürmung der Treppen des Reichstags dazu kommen?
In der Presseerklärung des MILIG vom 4. Mai 2021 zum Verfassungsschutzbericht wird die Grenze insoweit gezogen, als „die Verächtlichmachung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung mit dem Ziel der Zersetzung“ nicht mehr zu dulden sei. Unser Landesverfassungsschutzgesetz setzt „eine aktiv kämpferische aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Verfassungsordnung voraus“. Der Erstürmungsversuch des Reichstags von Akteurinnen und Akteuren der Querdenkenden ist zweifellos Ausdruck einer „aktiv kämpferischen Haltung“. Derartige Exzesse hat es in Schleswig-Holstein allerdings noch nicht gegeben. Aber wie ist die alleinige verbale oder schriftliche „Verächtlichmachung mit dem Ziel der Zersetzung“ zu bewerten?
Hier kommt meines Erachtens eine der zentralen Denkfiguren der Querdenker- und Coronaleugnerszene zum Tragen, die sie aus dem ideologischen Arsenal der rechtsextremistischen und neurechten Bewegung übernimmt, nämlich die, vor allem antisemitisch aufgeladene, Verschwörungstheorie. Das ist das bereitwillig weit geöffnete ideologische Einfallstor, welches führende Protagonistinnen und Protagonisten der Querdenkerszene auch in Schleswig- Holstein dem rechtsradikalen Spektrum zum erwünschten Anschluss öffnet.
Der Mythos sagt: George Soros und Bill Gates sind Impfteufel, die sich die Welt mit einer übertriebenen Pandemie untertan machen, um Milliarden zu scheffeln. Natürlich sind sie aus Sicht dieser Erzählung nur Teil einer viel größeren Verschwörung, die sich in Form des Deep State in geheimen Zirkeln trifft, um sich mit dem Blut entführter Kinder zu verjüngen: QAnon heißt dieser Wahnsinn, der sich während der Pandemie noch schneller verbreitete als das Virus.
Wichtige Protagonistinnen und Protagonisten der Coronaleugner in Schleswig-Holstein sind laut Aussagen auf Demonstrationen in Eckernförde und anderswo stark beeinflusst von derartigen Verschwörungsmythen. Mit den neurechten Identitären haben sie gemeinsam, dass sie die staatlichen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung geschichtsrelativierend mit der Nazidiktatur vergleichen - zum Beispiel, wenn in einer Rede in Eckernförde währen einer Coronademonstration mit der rhetorischen Frage an das Publikum: „Wollt ihr den totalen
Schutz?“, ein Vergleich zur Goebbels-Rede im Berliner Sportpalast gezogen wird.
Insofern bewerte ich die Aussage im Verfassungsschutzbericht kritisch, es gebe hierzulande bislang keine Anhaltspunkte, dass die öffentlichen Proteste gegen die Coronamaßnahmen der Regierung von Rechtsextremisten oder Reichsbürgern maßgeblich beeinflusst würden. Es sind die bekannten rechtsextremen Verschwörungsmythen, die in den Köpfen wichtiger Protagonistinnen und Protagonisten der Bewegung verankert sind. Das ist überall in Deutschland zu beobachten, aber eben auch in Schleswig-Holstein.
Dass sich die Szene auch hier massiv radikalisiert, zeigen ganz aktuelle Ereignisse wie beispielsweise Gewalt- und sogar Morddrohungen gegenüber Schulleitungen und Lehrerinnen und Lehrer in Niebüll und Altenholz im Zusammenhang mit der Impfkampagne an Schulen und der Verlängerung der Maskenpflicht.
Zweitens: Ist die TKKG Kiel wirklich ein Fall für den Verfassungsschutz?
Erstmalig taucht im Bericht die sogenannte TurboKlimaKampfGruppe unter den linksextremistischen Organisationen auf. Anhaltspunkt dafür ist, dass sich die Organisation zum Beispiel zum Antifaschismus bekennt, sich im Zusammenhang mit der Novellierung des Landespolizeirechts kritisch geäußert hat, und dass sie in Aktionen gegen Straßenbauvorhaben die „Macht der Autoindustrie“ angegriffen hat. Wenn das schon ausreicht, als linksextremistischer Beobachtungsgegenstand des Verfassungsschutzes gelabelt zu werden, habe ich damit ein Problem. Ihre Aktionen halten sich im Rahmen zivilen Ungehorsams, ohne sich direkt und militant gegen Menschen oder Polizeikräfte zu richten. Die Autoindustrie in Deutschland ist nicht institutioneller Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das neue Polizeirecht in SchleswigHolstein wurde von Teilen der Wissenschaft stark kritisiert, aber auch in einigen Details von Institutionen wie dem Kinderschutzbund. Man kann dazu inhaltlich eine dezidiert andere Sichtweise haben, aber ob die genannten Punkte ausreichen, die TKKG mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten, sollten Sie uns im Innen- und Rechtsausschuss noch einmal genauer erklären.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren von der AfD, beim Lesen Ihres Antrags habe ich eine Weile nachdenken müssen, was denn wohl die eigentliche Botschaft Ihres verschwurbelten Textes ist. Während Sie im Antragstext ganz allgemein Gewalt gegenüber der Polizei verurteilen, suggerieren Sie im Begründungstext, politische Verantwortliche in Berlin könnten durch „Vorgaben und Einflüsse auf die Polizeiführung“ für unrechtmäßige Gewaltanwendungen der eingesetzten Polizeikräfte gegenüber Demonstrationsteilnehmern verantwortlich sein. Das haben Sie dankenswerterweise gerade noch einmal unterstrichen, indem Sie den rot-rotgrünen Senat in Berlin sozusagen als Anstifter für Polizeigewalt genannt haben.
Was wollen Sie denn eigentlich?
Im Übrigen: Es kam nicht zu verschiedenen kleinen Versammlungen, wie Sie es in der Antragsbegründung so harmlos darstellen. Circa 5.000 Menschen haben nicht nur das Versammlungsverbot ignoriert, sondern auch jeglichen Coronaanstand. Es gab in dem Zusammenhang unzählige Festnahmen, Ermittlungsverfahren und verletzte Polizistinnen und Polizisten. Mein Kollege Tim Brockmann hat das alles schon dargelegt.
Die Querdenkerszene radikalisiert sich immer weiter, und Ihre Partei sympathisiert in vielen Verlautbarungen ganz unverhohlen mit den Menschen, die auch bereit waren, den Reichstag zu stürmen. Das ist unerträglich.
Sie stellen sich an die Seite derjenigen, die Staatsgewalt nicht mehr akzeptieren, die auf Polizistinnen und Polizisten losgehen, sie anspucken und angreifen. Das ist wirklich ein Novum.
Genauso ist es ein Novum, dass Sie neuerdings den Gedanken unverhältnismäßiger Polizeigewalt zulassen. Wir freuen uns schon auf Ihre Anträge zur Untersuchung weiterer Fälle eventuell unrechtmäßiger Polizeigewalt. Wir Grüne begrüßen jede rechtsstaatliche Untersuchung möglicherweise rechtswidrigen Verhaltens der Polizei. Und auch der UN-Berichterstatter mag seine Arbeit tun. Aber wir wundern uns gleichermaßen, dass ausgerechnet diese die erste Demonstration ist, die Sie näher interessiert.
Wissen Sie übrigens, was die UN-Institution und auch Herr Nils Melzer schon seit Langem gegen rechtswidriges Polizeihandeln fordern? - Eine unabhängige Polizeibeauftragtenstelle.
Ich würde mich freuen, wenn Sie das demnächst auch so sehen würden.
Die Forderung, das Land Schleswig-Holstein dürfe bis zur Klärung offener Fragen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz in Berlin keine weiteren Polizeieinsatzkräfte nach Berlin entsenden, ist übrigens ein Wiedergänger. Sie wurde schon im Juni letzten Jahres im Zusammenhang mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz in Berlin erhoben.
Damals wurde unter anderem von der AfD behauptet, die in diesem Gesetz enthaltenen Rechtschutzmöglichkeiten auch gegenüber polizeilichen Vollzugshandlungen seien krass rechtswidrig, deswegen dürfe die Landesregierung keine eigenen Polizeieinsatzkräfte nach Berlin mehr entsenden.
Damals wie heute gelten die rechtlichen Vorgaben der sogenannten Amtshilfe, geregelt im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes. Ersucht eine Polizeibehörde eines Bundeslandes ein anderes Bundesland bei großen Demonstrationslagen um Unterstützung, sind die ersuchten Polizeibehörden zur Hilfeleistung verpflichtet. Weitere Einzelheiten, zum Beispiel über die Kostenerstattung, sind im Verwaltungsabkommen über die Bereitschaftspolizei der Bundesländer geregelt.
In § 5 Verwaltungsverfahrensgesetz ist genau festgeschrieben, wann eine um Amtshilfe ersuchte Behörde die Hilfe nicht leisten muss. Ein ganz kurzer Blick in das Gesetz reicht völlig aus, um zu erken
nen, dass die dort abschließend genannten fünf Gründe für eine Hilfeversagung im Falle des Ansinnens der AfD eindeutig nicht vorliegen.
Ihre Aufforderung an die Landesregierung, bis zur Vorlage des Berichtes des UN-Sonderberichterstatters keine Kräfte der Bereitschaftspolizei des Landes Schleswig-Holstein zu Demonstrationen nach Berlin zu entsenden, ist danach auf ein eindeutiges rechtswidriges Handeln der Landesregierung gerichtet. Das sollten Sie als Polizeibeamter, Herr Schaffer, eigentlich wissen. Ihr Antrag ist ohne Weiteres abzulehnen. - Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Echo in den Medien und die Stellungnahmen der beiden Richterverbände zeigen, dass wir uns mit der Modifizierung der Richterwahl auf ein schwieriges Terrain begeben haben.
Die Positionen scheinen unversöhnlich. Ein in sich stimmiger Ausgleich der sogenannten Bestenauslese mit dem parlamentarischen Anspruch, auch wirklich eine Wahl zu haben, scheint dem Versuch der Quadratur des Kreises nahezukommen, denn das Prinzip der Bestenauslese geht von der Grundannahme aus, dass bei Vorliegen und bei korrekter Anwendung klar definierter Beurteilungsmaßstäbe eindeutig die am besten geeignete einzige Person gefunden werden kann. Das ist ein Grundsatz der Bestenauslese.
Für eine Wahl bleibt da eigentlich überhaupt kein Raum. Das Wählen reduziert sich bisher im Richterwahlausschuss auf den Vergleich von Notentabellen. Wer die besten Noten vorweisen kann, ist zu wählen, Punkt! Das verträgt sich aber nicht mit unserem parlamentarischen Selbstverständnis.
Gleichzeitig liegt üblicherweise dem Prinzip der Wahl ein besonderes Element zugrunde: Das Amt wird immer nur für einen begrenzten Zeitraum vergeben. Das ist ein korrigierendes und limitierendes Element des Wahlvorgangs. Wenn es eine schlechte
Wahl war, wird sich das nämlich herausstellen, und die Person hat für eine weitere Wahlperiode dann eben keine Chance mehr. Ein Richter oder eine Richterin muss sich hingegen nicht nach einer bestimmten Amtszeit wieder zur Wahl stellen.
Es gibt daher in der Rechtsliteratur durchaus Stimmen, welche die Richterinnen- und Richterwahl durch einen Parlamentsausschuss insgesamt als einen Irrweg bezeichnen.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier aber betonen, dass wir Fraktionen uns nicht leichtfertig auf dieses glatte Eis begeben haben. Es war das Bundesverfassungsgericht selbst, das 2016 die Leinen für den Richterinnen- und Richterwahlausschuss des Bundestages gelockert hat. Der vorliegende Gesetzentwurf hält sich wörtlich an die Vorgaben dieser Entscheidung. Die beiden Richterverbände gehen auf diese Leitentscheidung letztlich gar nicht ersichtlich ein.
Zuvor wurde kritisiert, die erwähnte Entscheidung sei auf den Richterinnen- und Richterwahlausschuss im Landtag nicht übertragbar, weil hier im Gegensatz zum Bund das föderative Element, ein föderativer Ausgleich in der Richterschaft bei Bundesgerichten nicht zu berücksichtigen sei. Vor Einbringung des Gesetzesentwurfs haben wir namhafte Rechtswissenschaftler schriftlich und mündlich befragt. Niemand hat bestätigt, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Schleswig-Holstein wegen dieser föderalen Sonderaspekte bei der Bundesrichterwahl nicht übertragbar sei.
Im Übrigen blenden die beiden Richterinnen- und Richterverbände einen maßgeblichen Punkt bei der Besetzung von Richterinnen- und Richterstellen weitgehend aus. Die Rolle derjenigen, welche die Beurteilungen schreiben, nämlich die Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte in SchleswigHolstein. Diese Personen lassen sich in aller Regel einem der beiden genannten Richterinnen- und Richterverbände zuordnen.
Bekanntlich haben wir den mehr konservativ orientierten Richterinnen- und Richterverband und die eher SPD und Grünen zugeneigte Neue Richterinnen- und Richtervereinigung. Schon optisch wird das bei der Sitzordnung im Richterinnen- und Richterwahlausschuss deutlich. Mitglieder des Richterinnen- und Richterverbandes sitzen bei der CDU, das NRV-Mitglied sitzt auf der Seite der SPD.
Meine Damen und Herren, dass zumindest im Hintergrund parteipolitische Präferenzen bei der Bestenauslese auf der Grundlage der nur scheinbar völlig neutralen Beurteilung mitschwingt, ist für mich,
der seit nunmehr neun Jahren im Richterinnen- und Richterwahlausschuss sitzt, nicht von der Hand zu weisen.
Wir haben vor Einbringung des Gesetzentwurfs mit Vertreterinnen und Vertretern beider Verbände intensiv gesprochen. Wir gehen ergebnisoffen in das parlamentarische Beratungsverfahren. Es liegt zwischenzeitlich auch eine Stellungnahme der Neuen Richterinnen- und Richtervereinigung vor, die versucht, das Interesse der Fraktionen an einer Erweiterung ihrer Einflussmöglichkeit zu ermöglichen. Die hier angerissene Diskussion wird also intensiv und offen im Ausschuss weitergeführt.
Meine Damen und Herren, mir ist wirklich sehr daran gelegen, letztlich einen Weg zu finden, der für beide Seiten tragbar ist. Denn eine „Verstimmung“ zwischen den Gewalten können wir uns in diesen bewegten Zeiten eigentlich nicht erlauben. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der Mai-Tagung hat der Kollege Harms darauf hingewiesen, dass angesichts der aktuellen Abgeordnetenskandale um Maskenbeschaffung, Spenden und so weiter eine Baustelle besteht, nämlich im § 108 e StGB. Er beendete seine Ausführungen mit dem Satz:
„§ 108 e des Strafgesetzbuches muss also in seinen Tatbeständen erweitert werden. Sonst haben wir nur ein stumpfes Schwert.“
Nur einen Tag später lieferte der SSW und reichte den jetzt vorliegenden Antrag zur Änderung des § 108 e StGB ein. Vielleicht wäre eine gewisse Besinnungspause doch sinnvoll gewesen.
Unter Punkt eins soll durch eine Streichung der Worte „im Auftrag oder auf Weisung“ dem Problem beigekommen werden, dass bisher nachgewiesen werden muss, dass es einen Auftrag gab und dieser Auftrag angenommen wurde. Dieser Beweis ist eigentlich nie zu führen, weil niemand so dämlich ist, einen entsprechenden Auftrag oder eine Weisung zu dokumentieren. Es werden auch keine Zeuginnen oder Zeugen zur Verfügung stehen, denn die Vertragspartner auf der anderen Seite würden sich wiederum selbst wegen Abgeordnetenbestechung strafbar machen.
Konkludentes Handeln, so sagte der Kollege Harms damals, sollte für eine Anklage ausreichen. Deshalb müsse nach der Auffassung des SSW klargestellt werden, dass derartige Vergehen auch dann geahndet werden können, wenn ein Auftrag oder eine Weisung nicht explizit nachweisbar seien.
Wenn ich das richtig verstehe, soll nach der Vorstellung des SSW also bereits der böse Schein eines kollusiven Zusammenwirkens - so nennen wir Juristen solche Unrechtsvereinbarungen - von Interessenvertretenden und Abgeordneten ausreichen.
Lieber Kollege, bei aller Sympathie für das Grundanliegen: Als Rechtsanwalt, der gelegentlich auch im Bereich der Strafverteidigung unterwegs ist, sträuben sich mir die Nackenhaare. Ich habe massive Bedenken. Es ist ein Grundprinzip des Strafrechts, dass für die Verurteilung einer Straftat durch die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte der sogenannte Strengbeweis zu führen ist. Das gilt auch für die Frage der Kausalität zwischen Handlung und Tatbestandsverwirklichung.
Natürlich.
- Nein.
- Doch! Zumindest haben Sie so abgestimmt.
- Die Frage ist, ob konkludentes Handeln für eine strafrechtliche Verurteilung ausreichend ist. Ich werde dazu noch weiter ausführen. Passen Sie gut auf.
Noch eine Frage!
- Okay, gut. - Insgesamt: Tiefer überlegen ist immer gut, und deswegen haben wir jetzt noch eine Chance.
Nach dem Vorschlag des SSW soll aber für den Beweis einer strafbaren Unrechtsvereinbarung zwischen Abgeordneten und Interessenträgern eine Art Anscheinsbeweis - das stammte nicht aus dem Wortlaut - ausreichen.
Der Anscheinsbeweis hat seinen Platz jedoch nur im Zivilrecht und im Verwaltungsrecht. Im Strafrecht gilt nach wie vor der eherne Grundsatz der Unschuldsvermutung,
der eindeutigen Bestimmtheit und Normenklarheit. Das ergibt sich schon aus Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz. Diese Verfassungsvorschrift verbietet eine Strafverhängung auf Grundlage von Vermutungen und von bösem Schein - eindeutig!
Die grüne Bundestagsfraktion hatte dazu bereits 2014 einen präziseren Vorschlag geliefert. Danach sollen die Worte „im Auftrag oder auf Weisung“ durch die Wörter „zur Vertretung oder Durchsetzung der Interessen des Leistenden oder eines Dritten“ ersetzt werden. Dort wird eben halt genau auf
diese Nachweisbarkeit des Kausalitätszusammenhangs abgestellt. Es werden nur andere Kriterien angelegt.
Ich meine, wir sollten das Problem im Innen- und Rechtausschuss vertiefen, um dann möglicherweise unter fachkundiger Beratung doch zu einer gemeinsamen, tragfähigen Formulierung zu kommen, und vor allen Dingen auch unseren eigenen Wissenschaftlichen Dienst einmal befragen.
Der zweite Punkt Ihres vorliegenden Antrags zielt auf Handlungen, die in der Vergangenheit liegen und für die es nachträglich eine Gegenleistung gibt - parallel zur normalen Bestechlichkeitsdogmatik im StGB. Darin scheinen mir weniger Probleme zu liegen. Es ist kein Grund zu erkennen, warum Abgeordnete in diesem Zusammenhang anders behandelt werden sollen als Beamte.
Ich bin dann doch dafür, dass wir es im Ausschuss beraten. - Vielen Dank. Tschüs.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Lars Harms, bekanntlich rennen Sie mit Ihrem Antrag bei uns Grünen offene Türen ein. Ich erinnere an den Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2012. Darin hieß es:
„Wir bekennen uns zu der Einführung eines allgemeinen Ausländerwahlrechtes auf kommunaler und Landesebene“
- liebe SPD, so haben wir es damals festgehalten
„für alle Menschen in Schleswig-Holstein. Hierfür werden wir uns im Bundesrat starkmachen und das Thema auf die Agenda der Integrationsministerkonferenz setzen. Ziel ist es, einen rechtssicheren Weg zu finden, der das Wahlrecht für Nicht-Deutsche möglich macht.“
Der Umsetzung dieser Koalitionsvereinbarung machte seinerzeit eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen aus dem Jahr 2014 einen Strich durch die Rechnung. Von diesem wurde ein entsprechendes Koalitionsvorhaben von SPD und Grünen leider abgelehnt. Staats
volk im Sinne der wahlrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes sei nun einmal nur das deutsche Volk, und das gelte auch für die Landesverfassungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Grundlage dafür ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1990, nach dem ausschließlich Deutsche berechtigt seien, die Vertretungen der kommunalen Gebietskörperschaften zu wählen. Dies beruhe darauf, dass auch für Kommunalvertretungen die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage des Wahlrechts gelte.
Kollege Neve hat schon darauf hingewiesen. Pikanterweise erging die Entscheidung auf Antrag der Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Erstunterzeichner des Antrags war Alfred Dregger gegen eine Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes in Schleswig-Holstein im Jahr 1989. Darüber wollten die Angehörigen der Staaten Dänemark, Irland, Niederlande, Norwegen, Schweden und der Schweiz ein aktives Kommunalwahlrecht erhalten.
Die schon damals bestehenden Fronten in der Frage bestehen bis heute fort; wir haben es gerade wieder gehört. Die CDU ist nach wie vor strikt dagegen. Bei der FDP ist die Lage nicht ganz klar. In Niedersachsen war die FDP 2016 zusammen mit der SPD und den Grünen für eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes. In Nordrhein-Westfalen war sie 2017 dagegen.
Namhafte Stimmen aus der Verfassungsrechtswissenschaft plädieren jedoch seit Langem dafür, die festgefahrenen Fronten in dieser Frage endlich aufzulösen. So sagte die Professorin für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität Frankfurt, Frau Astrid Wallrabenstein, 2019 anlässlich einer Anhörung zu einem entsprechenden Gesetzesentwurf der Grünen im Sächsischen Landtag - ich zitiere -:
„Die Diskussion über ein Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer wird schon länger geführt.“
- In der Tat.
„Die Gegner verstecken sich hinter einem dreißig Jahre alten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und verkennen sowohl die rechtlichen sowie gesellschaftlichen Entwicklungen seither.“
Sie meinte damit unter anderem, dass die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1990 spätestens seit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für EU-Bürgerinnen und -bürger im Vertrag von Maastricht 1992 nicht mehr konsistent sei.
- Warum? EU-Bürgerinnen und -bürger eines anderen Staates besitzen, nur weil sie in Deutschland leben, natürlich nicht die deutsche Staatsangehörigkeit.
Deswegen ist diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1990 von der Realität längst überholt. Wir sollten die Gesetzeslage endlich an die Gegebenheiten, die wir hier in Deutschland haben, anpassen.
Ich schlage vor, wir vertiefen das Thema im Innenund Rechtausschuss. In der Tat, bei der augenblicklichen Konstellation im Bundestag ist das Unterfangen schon wegen des Endes der laufenden Wahlperiode nicht mehr sinnvoll einzubringen. Schauen wir einmal, was die Bundestagswahl am 26. September 2021 an neuen Möglichkeiten bringt. In unserem aktuellen grünen Bundestagswahlprogramm ist auf jeden Fall die Forderung erneut aufgenommen, dass alle, die dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, ein kommunales Wahlrecht erhalten sollen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Justizvollzugsmodernisierungsgesetz ist wirkliches ein Dickschiff. Die 300 Seiten Beschlussvorschlag, die Ihnen hier vorliegen, sind nur ein Teil des Gesetzentwurfs. Der Gesetzentwurf war am Anfang 600 Seiten stark.
- 592 Seiten, ja, gut, okay.
Er befasst sich mit allen Justizvollzugsformen des Landes und setzt außerdem die EU-Vorgaben zum Datenschutz um. Was dort alles sonst noch drin steht, ist schon erwähnt worden, das brauche ich jetzt nicht zu wiederholen.
Ein kleiner Rückblick in die 18. Wahlperiode sei mir doch erlaubt: Das Landesstrafvollzugsgesetz vom Juli 2016 aus dem Hause Anke Spoorendonk
war eines der umstrittensten Gesetzesvorhaben der Küstenkoalition. Wir hatten hierzu im Landtag sehr kontrovers geführte Debatten, nicht wahr, Barbara Ostmeier, wir erinnern uns? Die damalige Opposition von CDU und FDP ließ kein gutes Haar an dem ambitionierten Gesetz. Dreh- und Angelpunkt war weniger der Inhalt als vielmehr, dass für eine Umsetzung schlicht das erforderliche Personal fehlen würde. Kurz: Das Gesetz verspreche mehr, als es in der Praxis einhalten könne.
Meine Damen und Herren, deswegen war es völlig vernünftig, dass der Jamaika-Koalitionsvertrag jetzt erst einmal vereinbart hatte, den tatsächlichen Personalbedarf in den Vollzugsanstalten extern analysieren zu lassen und auf dieser Grundlage das Gesetz zu überprüfen.
Die Studie ergab einen tatsächlichen Personalmehrbedarf im gesamten Haftsystem von 85 Stellen. Die Kritik der Opposition in der letzten Wahlperiode war teilweise berechtigt, wohlgemerkt: teilweise; denn der kleinere Teil der Mehrbedarfe ging originär auf das Gesetz von 2016 zurück - das hat der
Kollege und jetzige Justizminister gerade noch einmal erwähnt -, 36 Stellen nämlich. Es handelte sich also überwiegend um schon vorher vorhandene Defizite beziehungsweise um Defizite, die durch das jetzige Gesetz entstehen.
Meine Damen und Herren, diese Personallücke ist natürlich nicht in kurzer Zeit zu schließen. Die erforderlichen Kräfte müssen erst einmal gefunden und ausgebildet werden. Das haben wir hier im Landtag bereits ausführlich erörtert.
Angesichts dieser Situation hatte ich zunächst die Befürchtung, dass der Entwurf aus dem Justizministerium in dieser Wahlperiode die wichtigen Verbesserungen durch die Küstenkoalition zurücknimmt, also beim ambitionierten Behandlungsvollzug, bei der Familienorientierung, bei den verlängerten Aufschlusszeiten, bei der privaten Kleidung, bei der Einführung und Gewährung neuer Medien und an vielen anderen Stellen mehr.
Meine Damen und Herren, ich kann heute feststellen, dass diese Befürchtung unbegründet war.
Die wichtigen Kernelemente des Gesetzes der Küstenkoalition blieben unangetastet. Es sind sogar wichtige neue Vollzugsschwerpunkte hinzu gekommen, Sportangebote im Vollzug, Opferorientierung im Bereich des Vollzuges - wichtig für die Resozialisierung. Das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon alles sehr vernünftig dargelegt.
Meine Damen und Herren, natürlich gibt es bei einem so großen Paket auch etwas zu meckern. Als Beispiel möchte ich auf die Kritik des Kinderschutzbundes und des Verbandes für soziale Strafrechtspflege zum Trennungsgebot zwischen Jugendarrest und Strafvollzug verweisen. Diese Kritik ist insoweit überzogen gewesen, als auch der neue Wortlaut die strikte Trennung von Jugendarrest und Strafvollzug nicht aufhebt. Das hat der Minister völlig klar dargelegt, und das stimmt so.
Dennoch ermöglicht theoretisch die Neufassung ein räumliches Zusammenrücken der Vollzugsformen, zum Beispiel durch den Neubau einer Arrestanstalt auf der Liegenschaft der Jugendstrafvollzugsanstalt in Schleswig. Der Grund dafür liegt ganz banal darin, dass die bestehende Arrestanstalt in Moltsfelde permanent zu 80 % leer steht. Das ist völlig unnötig ausgegebenes Geld; dieser Zustand ist nicht aufrechtzuerhalten.
Dennoch halte ich es für misslich, wenn eine neue Jugendarrestanstalt zwar außerhalb der Mauern,
aber immerhin in Sichtweite der Jugendstrafanstalt in Schleswig errichtet wird. Denn das Stigma „Jugendknast in Schleswig“ könnte sich auf eine dort angesiedelte Arrestanstalt durchaus übertragen.
Meine herzliche Bitte lautet daher, sich bei der Suche für einen neuen Standort des Jugendarrestes zum Beispiel auf das ehemalige Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung in Boostedt zu konzentrieren. Das hätte auch Vorteile in Hinblick auf die zentrale Lage im Land.
Insgesamt ziehe ich aber eine durchaus positive Bilanz. Bestärkt hat mich in dieser Einschätzung, dass Lars Harms im Innen- und Rechtsausschuss dem Gesetzespaket zugestimmt hat. Das hätte er sicher nicht getan, wenn das neue Gesetz zu viele Abstriche vom Gesetz „seiner“ Ministerin Anke Spoorendonk aus der Küstenkoalition enthalten hätte. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
In diesem Fall haben wir aber das PwC-Gutachten. Dieses Verhältnis kann man genau beziffern. 85 Stellen fehlen. 36 sind induziert durch das Gesetz von 2016, also deutlich weniger als die Hälfte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau El Samadoni, es ist gut, dass wir den Bericht der Polizeibeauftragten und den Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Lan
desbeamtengesetzes in einem Tagesordnungspunkt zusammenzufassen. Diese Initiative stammt nicht nur aus einem Bericht der Polizeibeauftragten; wie viele andere Empfehlungen aus den vorliegenden Berichten macht sie selbst für die hartnäckigsten Kritiker und Kritikerinnen der Polizeibeauftragtenstelle deutlich: Frau El Samadoni ist nicht eine Misstrauensbeauftragte gegen die Polizei, sondern neben einer kompetenten Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger auch eine engagierte Vertreterin der Interessen innerhalb der Polizei selbst.
Das macht auch der vorliegende Bericht für die Jahre 2018 bis 2020 sehr deutlich. Von den 504 Fällen in diesem Zeitraum stammen 308 Eingaben aus der Polizei. Bei 190 Angelegenheiten handelt es sich um Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. Auch die Entwicklung der Fallzahlen macht deutlich, dass die Polizeibeauftragte gebraucht wird. Waren es im ersten Berichtszeitraum knapp 400 zu bearbeitende Fälle, sind es jetzt ungefähr 100 mehr. Diese Zahlen belegen, dass die Erzählung, eine Polizeibeauftragte sei überflüssig, weil es ja genügend andere Beschwerdemöglichkeiten - zum Beispiel Dienstaufsichtsbeschwerde, Personalvertretungen, Berufsverbände, Mobbingkommission in der Polizei - gebe, nicht überzeugt. Wer am 31. Mai 2021 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur sogenannten Rockeraffäre mitverfolgt hat, wie eine erfahrene Polizeipsychologin aus dem Arbeitskreis Mobbing und ein langjähriger Konfliktberater der Polizei erschüttert und erbittert darüber berichteten, wie sie im Landeskriminalamt ab 2012 an einer Mauer aus Ignoranz, Machtbewusstsein und nicht vorhandener Fehlereinsicht des Führungspersonals scheiterten, wurde eines Besseren belehrt.
Liebe Frau El Samadoni, wir sind froh und glücklich, dass es Sie und Ihr engagiertes Team gibt. Seien Sie versichert: Die Landtagsfraktion der Grünen wird Sie immer und in jeder Situation bei Ihrem wichtigen Auftrag und Ihrer wichtigen Arbeit unterstützen.
Ich komme kurz zum Gesetzentwurf. Nummer 1 erscheint mir unmittelbar nachvollziehbar und sinnvoll zu sein: Ist der Aufenthalt der schadensersatzpflichtigen Person nicht zu ermitteln, übernimmt die Dienstherrin oder der Dienstherr. Wer sich beruflich mit gerichtlichem Forderungseinzug befasst, weiß, dass derartige Fälle in der Praxis nicht selten
sind. Aus Fürsorgegesichtspunkten ist es angemessen, die betroffenen Menschen mit diesem Risiko nicht alleinzulassen.
Die Nummer 2 sollte genauer betrachtet werden. Es geht darum, eine Schadensübernahme auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen die schadensverursachende Person in einem Zustand der Schuldunfähigkeit handelte und deswegen ein zivilrechtlicher Schmerzensgeldtitel gegen sie nicht erwirkt werden kann. Auf den ersten Blick scheint das oft einzutreten, denkt man an Fälle, in denen eine Angreiferin oder ein Angreifer bei einem Polizeieinsatz volltrunken ist oder schwer unter Drogen steht.
Tatsächlich ist aber in diesen Fällen scharf zwischen der strafrechtlichen Schuldunfähigkeit und der zivilrechtlichen Deliktsunfähigkeit zu unterscheiden. In den meisten denkbaren Fällen, in denen eine Schuldunfähigkeit nach den Maßstäben des Strafrechts und dem Grundsatz in dubio pro reo nicht ausgeschlossen werden kann, bleibt eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nach § 827 BGB durchaus bestehen und könnte in einem Strafverfahren im Wege eines Adhäsionsantrags auch verfahrensökonomisch geltend gemacht werden.
Wir sollten daher im Rahmen der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss genauer unter die Lupe nehmen, ob für die Nummer 2 des Änderungsvorschlags tatsächlich ein praktisches Bedürfnis besteht. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Professor Danker und sehr geehrtes Team! Heute Mittag haben Sie uns die zentralen Ergebnisse der im April 2018 in Auftrag gegebenen Studie in sehr beeindruckender Weise dargestellt. Ich glaube, das Gefühl der Beklemmung hier im Saal war teilweise mit Händen zu greifen.
Schon die Erkenntnisse aus der ersten Studie, welche die Landtage und die Landesregierung von 1946 bis 1987 in den Fokus nahmen, waren sehr bemerkenswert. Mein damaliger Landtagskollege und vorheriger Beiratsvorsitzende Jürgen Weber hat das so zusammengefasst: Die Studie hat das Bild Schleswig-Holsteins als Sonder- und Extremfall von Karrierewegen ehemaliger Nationalsozialisten nicht widerlegt, sondern umfassend bestätigt.
Meine Damen und Herren, dies gilt nach dem Vortrag von heute Vormittag noch viel mehr für große Teile der untersuchten Berufs- und Verwaltungsbereiche, namentlich Justiz, Polizeioffizierskorps, aber auch für bestimmte Bereiche der Landessozialverwaltung.
Ich befürchte, dass eine entsprechende Analyse anderer Funktions- und Beamtengruppen in unserer schleswig-holsteinischen Exekutive, aber auch im Bildungssystem, ein ähnliches Bild ergeben würde. Richtig, Herr Kollege Stegner: Auch die im März im Sozialausschuss vorgestellte Studie zu den langjährigen missbräuchlichen Medikamentenversuchen an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Psychiatrien des Landes weist aus meiner Sicht auf eine Kontinuitätsproblematik hin.
Meine Damen und Herren, ein Beispiel aus der Studie, welches mich als Jurist besonders erschreckt hat, möchte ich hier kurz darstellen. Es findet sich im Beitrag zum strafrechtlichen und politischen Umgang mit NS-Justizverbrechen.
Am 19. Mai 1944 beantragte Werner Rhode, Staatsanwalt bei dem Sondergericht am Deutschen Landgericht in Prag, gegen die tschechische Schneiderin Anna Kovář die Todesstrafe. Der einzige Anklagevorwurf lautete: Sie habe sich mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem aus dem Prager Ghetto geflo
henen Juden Franz Guempel, zum Kaffee, zum Essen und zu Spaziergängen getroffen. Die Angeklagte wurde antragsgemäß zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Rhode beantragte als Ankläger am Sondergericht in Prag in vielen ähnlichen Bagatellfällen solche Todesstrafen.
Zehn Jahre später, im Juli 1954, ist Herr Rhode bereits Erster Staatsanwalt in Kiel, ein halbes Jahr später Oberregierungsrat im Landesjustizministerium als Personalreferent. Er macht also gerade eine steile Karriere, als ihn die Vergangenheit einholt. Die NS-Justizverbrechen an den Sondergerichten der Nationalsozialisten geraten aufgrund internationalen Drucks in den Fokus von strafrechtlichen Ermittlungen, mindestens wegen des Versuchs oder des Vorwurfs der Rechtsbeugung. Seit Januar 1960 werden also auch Ermittlungen gegen Herrn Rhode geführt. Sachbearbeiter ist der Kieler Oberstaatsanwalt Paul Adolf Thamm. Dessen Rolle im Nationalsozialismus wird in der vorliegenden Studie als exponiert nationalsozialistisch eingestuft, als Verfolgungsakteur in der Variante B, also ein Mann, bei dem nach Quellenlage zumindest eine persönliche Nähe zu, wenn nicht gar Verstrickung in NS-Gewaltverbrechen unterstellt werden muss.
Wie beurteilt Thamm strafrechtlich das Agieren seines Berufskollegen Rhode vor 16 Jahren in Prag? Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn werden 1960 eingestellt. Seine Justizkarriere geht bruchlos weiter. 1978 wird er im Rang eines Leitenden Ministerialrates pensioniert.
Meine Damen und Herren, viele Erkenntnisse aus der Studie sind ebenso beklemmend. Es wurde schon intensiv auf die Rolle des Polizeikorps in Schleswig-Holstein hingewiesen. Ich möchte das jetzt nicht alles wiederholen.
Wie lässt sich mit einem solchen Führungspersonal eine rechtsstaatlich orientierte demokratisch gesinnte Polizei aufbauen? Waren nicht die meisten dieser Akteure ab 1948 maßgeblich in Personalentscheidungen eingebunden, die den Geist der Polizei noch über weitere Jahrzehnte mitprägten? Wie übertrugen sich ihre Denkmuster und Vorstellungswelten auf die nächsten Generationen der von ihnen ausgebildeten und geführten jüngeren Beamtinnen und Beamten? Die gleichen Fragen gelten für den Bereich der Justiz.
Der bedeutende Wert der vorliegenden Studie liegt darin, mit dem bereits für die erste Kontinuitätsstudie neu entwickelten und wirklich wegweisenden Methodenarsenal prägende Elemente des herr
schenden Geistes nach 1945 in wichtigen exekutiven Strukturen in Schleswig-Holsteins eingefangen zu haben, und zwar empirisch mit biografisch genau belegten Einordnungen, mit exakten Zahlen und Diagrammen auf Grundlage der untersuchten Lebensläufe von mehr als 480 Personen. Damit gelingt es, die geistige und moralische Befindlichkeit der Nachkriegszeit genauer als bisher zu beschreiben.
Ich bin sehr froh, dass wir uns vor zwei Jahren einstimmig dazu entschlossen haben, diese Folgestudie in Auftrag zu geben, und dass wir erneut Professor Danker und sein Team für diese wichtige Arbeit gewinnen konnten.
Vor uns liegt das Ergebnis einer ebenso arbeitsintensiven wie wissenschaftlich akribischen Recherche- und Auswertungsarbeit eines perfekt zusammenarbeitenden Teams der Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History an der Europa-Universität Flensburg. Ihnen gilt unser aller großer Dank.
Ich gehe davon aus, dass diese Studie mindestens die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und Anerkennung in der Geschichtswissenschaft erhalten wird wie schon die erste Studie. Aber sie wird hoffentlich vor allem ihren Weg in die Ausbildung und Fortbildung von Juristinnen und Juristen, von Polizeivollzugskräften und zum Beispiel in die Lehrpläne unserer Verwaltungsfachhochschule in Altenholz finden, denn sie zeigt uns auf: Exekutive Funktionseliten stehen in der Gefahr, missbraucht zu werden. Sie sind aber auch in hohem Maße anpassungsfähig. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen schönen Spruch: Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. - Die Idee in diesem Zusammenhang ist, dass prohibitive Ansätze in Bezug auf suchtförderndes Verhalten im Grundsatz geschichtlich immer gescheitert sind.
Ich will noch einmal in Erinnerung bringen: Das bezieht sich auch auf Cannabis. Sie haben im März dieses Jahres auf Antrag der nordfriesischen Genossinnen und Genossen einen Landesparteitagsbeschluss beschlossen, der den bis dahin lange in Schleswig-Holstein verfolgten Irrweg, den auch die SPD immer unterstützt hat, im Bereich dieser Problematik beendet hat. Ich bin völlig davon überzeugt, dass auch Sie im Bereich des Glücksspiels irgendwann eines Besseren belehrt sein werden. Danke schön.