Protocol of the Session on July 4, 2018

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 13. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.

Erkrankt ist der Kollege Wolf Rüdiger Fehrs. Wir wünschen ihm gute Genesung.

(Beifall)

Beurlaubt ist der Kollege Tobias von Pein. Er muss seine Familienplanung zum Abschluss bringen. Ich glaube, dafür haben wir alle Verständnis.

(Heiterkeit und Zurufe)

- Ich weiß gar nicht, warum es da Missverständnisse geben kann. Das bedeutet, dass der Erfolg für das, was geplant ist, jetzt kurz bevorsteht. Warum denken Sie darüber nach?

Die Abgeordnete Ostmeier hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme an der heutigen Nachmittagssitzung ab 15:30 Uhr verhindert ist. Auch der Abgeordnete Dr. Stegner hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Nachmittagssitzung verhindert ist.

(Zuruf)

- Meine sehr geehrten Damen und Herren, das geht auch ohne Kommentierung.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln:

Zu den Tagesordnungspunkten 3, 4, 5, 7, 14, 16, 27, 29, 30, 31, 32 und 36 ist eine Aussprache nicht geplant.

Die Fraktion der AfD hat beantragt, den Tagesordnungspunkt 36, Verfassungsschutzbericht 2017, von der Tagesordnung abzusetzen und für das Plenum im September vorzusehen. - Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

(Wortmeldung Abgeordneter Claus Schaffer [AfD])

- Es wird doch gewünscht? - Pardon, das habe ich nicht gesehen, Entschuldigung. Bitte, Sie haben das Wort.

Wir beantragen die Verschiebung der Aussprache zum Verfassungsschutzbericht auf die 14. Tagung. Wir erachten den Verfassungsschutzbericht 2017 und diesen öffentlich zu diskutieren als außerordentlich wichtig. Ich denke, das ist auch eine gewisse Wertschätzung, die wir der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz damit entgegenbringen. Ich bitte darum, diesem Antrag zu folgen. Danke.

(Vereinzelter Beifall AfD)

Dann lasse ich jetzt über diesen Geschäftsordnungsantrag abstimmen. Wer dafür ist, dass der Verfassungsschutzbericht im September zur Beratung vorgesehen wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der AfDFraktion. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Abgeordneten der SPD-Fraktion. Wer weiß jetzt, dass er sich enthält? - Das sind die Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW, die Abgeordneten der Fraktion der FDP und die Abgeordneten der Fraktion der CDU. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 11, 12, 38 und 41.

Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 8, 9 und 39, Recht auf angemessenen Wohnraum, 13, 19 und 40, Digitalisierung der Energiewende, 5, 33 und 34, Reduktion des Pflanzenschutzmittel- und Glyphosateinsatzes und zum Grundwasserschutz, 18 und 22, Berufsund Studienorientierung, 20 und 28, Pflegeassistenzausbildung und Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen, sowie 31 und 32, Tätigkeit des Petitionsausschusses.

Anträge zu einer Fragestunde liegen nicht vor.

Der Wahlvorschlag zu Tagesordnungspunkt 10, Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Landesverfassungsgerichts, wurde zurückgezogen.

Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 13. Tagung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden heute und morgen jeweils unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause längstens bis 18 Uhr tagen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen und insbesondere die Parlamentarischen Ge

schäftsführungen bitten, dies bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen, weil wir wissen, dass an beiden Abenden relativ schnell im Anschluss an die Plenarsitzungen Parlamentarische Abende vorgesehen sind.

Am Freitag ist, wie wir es im Ältestenrat vereinbart haben, keine Sitzung vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages begrüßen wir Mitglieder des Jobcenters Flensburg und Schülerinnen und Schüler des Sophie-Scholl-Gymnasiums aus Itzehoe. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde zu öffentlichen Äußerungen des Landtagsvizepräsidenten Rasmus Andresen anlässlich der Absetzung von Tagesordnungspunkt 10 der 13. Tagung, Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Landesverfassungsgerichts

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/851

Bevor wir in die Debatte einsteigen, bitte ich zu beachten, dass gemäß § 11 a unserer Geschäftsordnung die Beratungen des Ausschusses zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Landesverfassungsgerichts vertraulich sind. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Wahl der Mitglieder des Landesverfassungsgerichts nach § 6 Absatz 3 Landesverfassungsgerichtsgesetz ohne Aussprache erfolgt.

Das Wort für die Abgeordneten der AfD hat deren Fraktionsvorsitzender, der Abgeordnete Jörg Nobis.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

- Dann hat zunächst der Abgeordnete Brodehl das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Guten Morgen! Anfang des Jahres sind Abgeordnete dieses Hauses auf einen renommierten Hamburger Juristen mit der Frage zugegangen, ob er das Amt eines stellvertretenden Richters am Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein annehmen wolle. Dies geschah - wie üblich - vertraulich. Für heute war die Wahl dieses Kandidaten hier im Plenum angesetzt. Der Punkt wurde jedoch am letzten Frei

tag von der Tagesordnung gestrichen. Was war geschehen? - Der Kandidat, ein Staatsrechtler, der als Prozessvertreter zahlreiche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geführt und seit Jahren eine außerplanmäßige Professur an der Universität Göttingen innehat, wurde plötzlich als Persona non grata behandelt.

Wie wir den „Lübecker Nachrichten“ vom 30. Juni 2018 entnehmen können, kommt es heute nicht zur Wahl, weil plötzlich bekannt geworden sei, dass der Kandidat ein Rechtsgutachten für den Verein „echte Toleranz e.V.“ erstellt und einen Vortrag auf einem Symposium der Initiative „Demo für alle“ gehalten habe. Beide Vereine werden im Zeitungsartikel als „umstrittene rechte Vereine“ bezeichnet.

Dieser Vorgang ist aus mehreren Gründen befremdlich und skandalös. Zum einen wurde nicht wirklich irgendetwas plötzlich bekannt. Mit dem Rechtsgutachten wurden CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP bereits Ende des Jahres 2016 konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten. Außerdem war das hier in Rede stehende Gutachten bereits mehrfach Thema im Bildungsausschuss; bei einer dieser Sitzungen war auch der Landtagsvizepräsident anwesend.

Zum anderen ist an dem Vorgang skandalös, dass die Rücknahme des Kandidatenvorschlags überhaupt den Weg in die Medien gefunden hat. Das Verfahren zur Wahl eines Richters des Landesverfassungsgerichtes ist - wie schon erwähnt - vertraulich, es ist streng vertraulich und das aus gutem Grund. Noch gravierender ist aber, dass der Landtagsvizepräsident in den „Lübecker Nachrichten“ damit zitiert wurde, dass der Richter-Kandidat - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis - „unter keinen Umständen mehr wählbar sei“, weil er sich „zum Sprachrohr von Menschenfeinden und Rechten gemacht habe.“

Meine Damen und Herren, was hat den Landtagsvizepräsidenten wohl dazu bewogen, dieses Vokabular - „Sprachrohr von Menschenfeinden und Rechten“ - zu verwenden?

Der Presse entnehmen wir, dass der Stein des Anstoßes das Rechtsgutachten und der Vortrag des Kandidaten waren. Damit Sie wissen, um was es überhaupt geht, zitiere ich einmal mit Ihrer Erlaubnis aus dem Gutachten: Staatliche Sexualerziehung, die darauf gerichtet ist, Schüler dazu zu erziehen, jedes Sexualverhalten gleichermaßen wertzuschätzen, verstößt gegen das Indoktrinationsverbot und ist damit verfassungswidrig.

Das ist das Ergebnis des besagten Rechtsgutachtens, das der Kandidat im Herbst 2016 veröffentlicht hat ein Gutachten - und das ist in diesem Zusammenhang nicht ganz unwichtig -, das bis heute von keinem anderen Staatsrechtler inhaltlich angegriffen, geschweige denn widerlegt wurde.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Darum geht es gar nicht!)

- Ich weiß, dass es darum nicht geht, aber das Plenum muss ja den Hintergrund wissen.

Im Mai des Jahres 2017 hielt nun derselbe Kandidat auf einem Symposium in Wiesbaden einen Vortrag mit dem Titel „Sexualpädagogik der Vielfalt - der rechtliche Rahmen.“ Auch dieser Vortrag kommt zu dem Ergebnis, dass staatliche Sexualerziehung, die darauf gerichtet ist, Schüler zu Akzeptanz statt nur zu Toleranz sexueller Vielfalt zu erziehen, verfassungswidrig ist.

Wenn der Landtagsvizepräsident die Bezeichnung „Sprachrohr von Menschenfeinden und Rechten“ verwendet, soll damit offenbar ein profilierter Staatsrechtler allein deshalb öffentlich diskreditiert werden, weil das Ergebnis seines rechtswissenschaftlichen Arbeitens zum Thema der schulischen Sexualerziehung der Auffassung des Vizepräsidenten in diesem Punkt widerspricht.

Das, meine Damen und Herren, ist ein beispielloser Vorgang. Dass sich ein Landtagsvizepräsident öffentlich über einen Kandidaten in einem geheimen Richterwahlverfahren äußert, hat es so noch nie gegeben.

(Zuruf Flemming Meyer [SSW])

- Fragen Sie doch am Mikrofon. So verstehe ich das kaum.

Würde dieses Beispiel ohne Konsequenz bleiben, hieße das, dass eine fatale Botschaft an alle Juristen in Schleswig-Holstein und auch darüber hinaus gesendet würde. Diese Botschaft lautet - Sie ahnen es -: Das Verfahren zur Wahl eines Richters am Landesverfassungsgericht ist in Schleswig-Holstein nicht mehr geheim. Wer Rechtsauffassungen vertritt, die der sogenannten Politischen Korrektheit nicht entsprechen, wird öffentlich als rechts stigmatisiert, er darf nicht Richter am Landesverfassungsgericht werden, und er ist raus. - Eine solche Botschaft darf in unserem demokratischen Rechtsstaat, zu dessen Grundfesten eine unabhängige Justiz gehört, keinen Raum haben.