Protocol of the Session on November 16, 2017

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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung. Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich folgende Kolleginnen und Kollegen entschuldigen, weil sie erkrankt sind. Aus der CDU-Fraktion ist es Wolf Rüdiger Fehrs, aus der SPD-Fraktion Tobias von Pein, und aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Marlies Fritzen. - Wir wünschen allen von dieser Stelle aus gute Besserung!

(Beifall)

Beurlaubt ist aus der SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Bernd Heinemann. Wegen auswärtiger Verpflichtungen ist vonseiten der Landesregierung Herr Ministerpräsident Daniel Günther beurlaubt. Herr Minister Dr. Habeck ist nach dem ersten Tagesordnungspunkt beurlaubt.

Der Abgeordnete Kubicki hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung des Landtages verhindert ist.

Wir begrüßen jetzt gemeinsam auf der Besuchertribüne Gäste. Es sind Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Kiel-Hassee. - Herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe nun den ersten Tagesordnungspunkt des heutigen Tages, Tagesordnungspunkt 12, auf:

Ausstiegsplan aus dem Einsatz von Glyphosat jetzt!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/291

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber für die SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Seit Jahren diskutieren wir auch in diesem Hohen Haus über das Totalherbizid Glyphosat. Die Auseinandersetzungen sind Teil einer öffentlichen Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft, um

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Verbraucherschutz, um Artensterben und um die Frage, welchen Wert Lebensmittel für uns haben. Auf Bundesebene und im Europaparlament wird darum seit Jahren gerungen. Die Zulassung dieses weltweit eingesetzten Totalherbizids läuft in Europa Ende des Jahres aus. Wir sind in der Phase der Entscheidungen, der Weichenstellungen über die Zukunft der europäischen Landwirtschaft.

Der Agrarausschuss des Europaparlaments hat für eine dreijährige Verlängerung gestimmt, das Europaparlament für eine fünfjährige Verlängerung. Der EU-Ministerrat hat erst gegen eine zehnjährige Verlängerung, dann gegen eine fünfjährige Verlängerung gestimmt. Kommissionspräsident Juncker ist für eine fünfjährige Verlängerung, Frankreich und Italien sind für eine dreijährige Verlängerung. Deutschland ist Berichterstatter und enthält sich, weil sich Landwirtschaftsminister und Umweltministerin nicht einigen können. Bei aller Verwirrung: Man muss nicht Kassandra heißen, um zu wissen, dass das Ende von Glyphosat in Sicht ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt AfD)

Das ist nicht nur das Ergebnis der Auseinandersetzungen zur Frage der Toxizität; es geht nicht nur um den Streit unter Wissenschaftlern. Die 1,3 Millionen Menschen, die in einer Online-Petition das Verbot von Glyphosat in Europa verlangen, verlangen einen Richtungswechsel in der Agrarpolitik.

(Beifall SPD und vereinzelt SSW)

Seit fast 50 Jahren kommt der Wirkstoff in unterschiedlichen Produkten in der Landwirtschaft zum Einsatz. Glyphosat ist Teil der sogenannten pfluglosen Bodenbearbeitung, die Boden und Klima schützen soll. Das muss man sich vor Augen führen und auf der Zunge zergehen lassen: Da wird unseren Bauern regelmäßig empfohlen, ein Totalherbizid einzusetzen, um das Klima zu schützen. Also: Pflanzen vergiften, weil das dem Klima hilft.

Machen wir uns nichts vor, der Einsatz von Glyphosat spart Geld und Arbeitszeit, synchronisiert die Ernte, ist also ein wesentlicher Teil der Effizienzstrategie, die letztlich auch mit der dramatischen Konzentration in der Ernährungswirtschaft und dem Lebensmitteleinzelhandel korreliert.

Immer wieder begegnet uns das Argument, Schleswig-Holstein müsse die Welt ernähren. Zum einen stellt man sich die Frage, wie wir, stecknadelkopfklein auf dem Globus, die Welt ernähren wollen. Zum anderen ist, wenn sich das dramatische Insektensterben, der dramatische Artenverlust in der Kul

turlandschaft fortsetzen, die Welternährung in größter Gefahr.

(Beifall SPD, vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Immer wieder begegnet uns das Argument, dass Ackerbau in der konventionellen Landwirtschaft ohne Glyphosat gar nicht mehr möglich sei. Ich weiß von vielen Landwirten in Schleswig-Holstein, dass sie ohne dieses Gift wirtschaften, und sogar hier im Parlament sitzen zwei, die das können. Das hat uns bestärkt. Der Ausstieg muss jetzt kommen;

(Beifall SPD und vereinzelt SSW)

ein sofortiges Verbot für die privaten Nutzer und eine möglichst kurze Verlängerung, die an einen klaren Ausstiegsplan mit begleitenden Restriktionen gebunden sein muss. Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Landwirtschaft hier in Schleswig-Holstein insgesamt auf diesem Weg nicht alleinlassen. Wir müssen sicherstellen, dass das eine Totalherbizid nicht einfach durch ein anderes ersetzt wird. Wir haben jetzt die große Chance, die Weichen zu stellen.

Die SPD-Landtagsfraktion steht für eine ressourcenschonende Landwirtschaft. Das Ziel ist eine Landwirtschaft der Nachhaltigkeit; ökologisch verträglich, sozial gerecht und ökonomisch rentabel.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen endlich den Ausstiegsplan, den ich an diesem Pult schon am 14. Oktober 2015 gefordert habe. Forschung und Lehre, technische Entwicklung, Innovation beim Digital Farming müssen wir dafür endlich auch finanziell unterstützen; so, wie wir auch den ökologischen Landbau fördern. Dazu müssen wir europäische Agrarförderung umschichten und die noch nicht abgerufenen Mittel endlich für unsere Bauern nach Schleswig-Holstein holen.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist Zeit. Nutzen wir die Chance für eine Neuausrichtung. Diskutiert haben wir genug. Das Ziel ist klar. Jetzt müssen wir gemeinsam mit den Bauern den Weg beschreiben und finden. Es ist Zeit, entschlossen zu handeln. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

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(Kirsten Eickhoff-Weber)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Heiner Rickers.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen! Liebe Damen und Herren! Glyphosat ist natürlich ein Thema, das uns alle umtreibt, und das schon über Jahre. Deswegen will ich zugeben: Ich bin der SPD-Fraktion und insbesondere Frau Eickhoff-Weber dankbar für diesen Antrag. Wo, wenn nicht hier, sollte so etwas diskutiert werden? Wo, wenn nicht hier, interessiert es auch die Bürger in Schleswig-Holstein, wenn solche wichtigen Abstimmungen auf Bundesebene, auf EU-Ebene oder vielleicht auch weltweit anstehen?

Aber ich will vorweg auch sagen: Es hat sich in den letzten Jahren viel getan, auch befeuert durch die durchaus kritisch geführte Diskussion mit der Koalition. Sehen wir die Verbrauchsmengen im Vergleich an. Sie werden feststellen und mir zustimmen müssen: Allein in Deutschland ging der Verbrauch von 2012 bis 2016, die Daten für 2017 sind noch nicht erhoben, von bundesweit 6.000 t auf 3.700 t im Jahr 2016 zurück. Das ist ein Drittel weniger Verbrauch. Und siehe da: Die Welt ist nicht zugrunde gegangen, und die Landwirtschaft gibt es immer noch, auch die klassisch-konventionelle.

Aber - jetzt komme ich zum eigentlichen Kernthema, über das wir schon einmal diskutiert haben Glyphosat ist nicht nur ein inhaltlich fachliches und wissenschaftliches Thema, sondern es genießt durchaus auch eine politische Komponente; sonst würden wir heute auch nicht so intensiv darüber diskutieren. Aus fachlicher Sicht ist ganz klar, dass wir auf diejenigen hören sollten, die fachlich und wissenschaftlich arbeiten, allen voran das Bundesinstitut für Risikoforschung. Insoweit versuche ich es jetzt einmal mit einer ganz aktuellen Darstellung zu allen Forschungsergebnissen, die es zu Glyphosat gegeben hat.

Das Bundesinstitut für Risikoforschung stellt am Ende fest - das ist ein Zitat von dem dortigen Verantwortlichen -: Glyphosat ist nach heutigen Erkenntnissen der Wissenschaft als nicht krebserregend einzustufen. Angesichts dieser einheitlichen Bewertung der Fachbehörden weltweit liegt eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung der Wiedergenehmigung von Glyphosat durch die Politik vor.

So sagt die Wissenschaft. Ich als Agrarpolitiker sage: Lassen Sie uns auf die Wissenschaft hören. Wir verlängern die Genehmigung von Glyphosat, ohne lange zu diskutieren. Wo ist das Problem?

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

Da dürfen Sie gern klatschen.

(Beifall CDU und FDP)

Aber jetzt kommt das Problem, Herr Dr. Stegner, und das ist die wissenschaftliche Betrachtungsweise.

Wenn Sie jeden Tag 1.000 l Bier trinken müssten, um die heutzutage mit Topdiagnostik nachgewiesenen Abbauprodukte von Glyphosat in diesem Bier zu sich zu nehmen, die in Deutschland gefunden worden sind, um nach Ansicht von Fachleuten in irgendeiner Form gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzunehmen, würden Sie sagen: „1.000 l Bier sind absolut unwahrscheinlich und unrealistisch. Wo ist also das Problem? Es besteht keine Gefahr.“

Wenn ich dann aber Herrn Dr. Stegner frage, ob er denn damit einverstanden ist, dass es Restmengen in dem Wasser gibt, das zum Brauen des Biers benötigt wird oder in der Gerste vorhanden ist, sodass Sie auch dann, wenn Sie die 1.000 l Bier nicht trinken, freiwillig nicht entscheiden können, ob die Restmenge darin enthalten ist, würde Herr Dr. Stegner als Verbraucher sagen: „Nein, das will ich nicht. Ich will keine Restmenge, und ich will auch keine Chemikalien, wenn sie denn in irgendeiner Form nicht von mir beeinflusst werden können, in meinem Bier, in irgendwelchen Lebensmitteln oder wo auch immer.“ Also gibt es auch hier wieder zwei Sichtweisen. Genau auf diese zweite Sichtweise will ich noch ganz kurz einzugehen versuchen.

Zunächst möchte ich auf den aus agrarpolitischer Sicht und auch aus der Sicht der CDU-Fraktion richtigen Weg eingehen: Wir haben in Anlehnung an unseren Koalitionsvertrag in der Jamaika-Koalition richtigerweise beschlossen, dass der HerbizidEinsatz, der Fungizid-Einsatz, also der PestizidEinsatz in der Landwirtschaft nicht nur verringert werden soll, sondern dass wir mit Unterstützung der Politik versuchen wollen, den Landwirten andere Wege aufzuzeigen.

(Beifall CDU, FDP und Bernd Voß [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Landwirte sind durchaus bereit, diesen Weg zu gehen.

Jetzt komme ich zu einer Kernaussage meines ganzen Vortrages. Diese will ich abschließen mit ei