nem Bericht von Carl-Albrecht Bartmer, dem Präsidenten der DLG. Diese Person ist schlechthin die Verkörperung der klassischen Landwirtschaft. CarlAlbrecht Bartmer hat vorgestern auf der Agritechnica in Hannover doch tatsächlich gesagt - das öffentlich, und das hat für Schlagzeilen gesorgt -: Er vertrete die klassische Landwirtschaft. Sie könnte mit weniger Glyphosat leicht rund die Hälfte einsparen. Dafür gebe es gute Ansätze. Wir brauchten es in privaten Bereichen und auf öffentlichen Flächen beziehungsweise im öffentlichen Bereich nicht und wenn doch, dann nur mit Ausnahmegenehmigung. Wir brauchten es auch nicht zur Abreifebeschleunigung. Wir müssten das gesamte Verfahren also so konditionieren, dass in der Praxis am Ende sehr, sehr vorsichtig und sparsam, aber dennoch Glyphosat eingesetzt werden könne. Dann seien wir auf einem guten Weg.
Wenn so von der Bundesregierung und letztendlich auch auf EU-Ebene entschieden wird, eine nicht zu lang gefasste Wiedergenehmigung von Glyphosat auszusprechen, dann können wir in den nächsten drei bis fünf Jahren abschätzen, ob es in irgendeiner Form noch Risiken gibt, die wir heute nicht berücksichtigt haben, und dann wird neu entschieden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich hatte am Anfang das Zitat des Präsidenten der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft bringen wollen, wonach sich in Europa der Einsatz von Glyphosat vermutlich um die Hälfte reduzieren ließe. Aber diese Erkenntnis ist leider etwas zu spät gekommen. Hätte man früher auf die enorme Ausweitung des Einsatzes von Glyphosat durch Aufzeigen pflanzenbaulicher Alternativen und mit einer ernstgemeinten Reduktionsstrategie reagiert, hätten wir heute nicht diese zugespitzte Debatte.
Glyphosat ist auch deswegen so stark in den Fokus gekommen, weil es weltweit mit Abstand der in den letzten fast 50 Jahren am häufigsten eingesetzte Wirkstoff geworden ist.
Als es erste Hinweise gab, dass Glyphosat möglicherweise nicht so harmlos ist, wie dies immer verkauft worden ist, haben viele in den politischen Instanzen, aber auch in der landwirtschaftlichen Beratung abgewiegelt, zögerlich reagiert und abgewehrt. Deshalb ist es kein Wunder, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für diese Art der Landwirtschaft schwindet und nicht mehr zu halten ist. Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, wo Glyphosat heute überall zu finden ist.
Noch vor zwei Jahren stand eine Verlängerung der Zulassung um 15 Jahre in Aussicht. Die EU-Kommission hatte damals die Entscheidung getroffen und die Zulassung von Glyphosat nur um anderthalb Jahre verlängert. Das war in der damaligen Situation gut so. Die Kommission hatte damals außerdem den Mitgliedstaaten empfohlen, Anwendungsbeschränkungen zu erlassen. Es ist bedauerlich, dass sie dies nicht rechtsverbindlich getan hat. Denn die Große Koalition im Bund hat sich dann nicht in die Verantwortung setzen lassen und diesen Hinweis der EU Kommission nicht so weit wie möglich umgesetzt. Dies zeigt aber auch - ich glaube, das muss man als europäisches Signal werten -, Europa lebt. Es wirkt, wenn sich die 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU in die Entscheidungsprozesse einbringen und mitgestalten.
Ein konkretes europaweites Ausstiegszenario ist überfällig. Wichtiger als die Entscheidung der zuständigen EU-Gremien, ob eine Verlängerung für zwei, drei, fünf oder sieben Jahre erfolgt, ist, dass konkrete Schritte sofort vereinbart und umgesetzt werden. Wir brauchen ein klares Signal, dass Schluss ist mit dem Setzen immer neuer Zulassungsverlängerungen.
Als erste Schritte, die sofort möglich wären, nenne ich hier nur drei Punkte, die hoffentlich auch von der EU-Kommission vorgeschlagen werden. Das ist zunächst ein EU-weites Verbot der Vorerntebehandlung. Wir haben so etwas in Deutschland, allerdings mit Ausnahmegenehmigungen. Ich nenne weiter ein Verbot von Glyphosat auf Verkehrswegen und Plätzen, und ich nenne Privatgärten, Parks und Spielflächen, auf denen es ebenfalls keinen Glyphosat-Einsatz geben sollte. Wir wissen, dass in Privatgärten und auf Wegen jährlich 90 t glyphosathaltige Mittel eingesetzt werden. Wahrscheinlich gibt es insoweit auch noch eine sehr große Dunkelziffer des nicht erlaubten Einsatzes auf Wegen und Plätzen. Das Gros der Anwendung erfolgt aber in der Landwirtschaft.
In der Debatte um Glyphosat geht es aber um mehr als um diesen einen einzelnen Wirkstoff. Es geht um das „System Glyphosat“. Es geht um den Ausstieg aus einem System, das eine einseitige Entwicklung mit sich gebracht und die Landwirte von der chemischen Industrie abhängig gemacht hat,
weil sie sich arbeitswirtschaftlich in der Fruchtfolge, in den Anbauverfahren und in der Maschinenausstattung schon derart auf diesen - wie bei einem Junkie - „Stoff“ eingestellt haben, dass die Entzugserscheinungen ökonomisch schmerzlich sein werden. Dabei müssen die Beratung, das Versuchswesen und die Forschung dringend auf die Entwicklung von Alternativen im Anbau konzentriert werden.
In die jüngsten Zielvereinbarungen von Landwirtschaftskammer und Landesregierung fand dies bereits Einzug. Das war die Zeit der Küstenkoalition.
Auf EU- und Bundesebene gehört eine Reform des Zulassungsverfahrens dringend auf die Agenda. Die erforderliche Unabhängigkeit und Transparenz von Untersuchungen bei der Zulassung, Evaluierung und Kontrolle sind derzeit einfach nicht gewährleistet.
Ich begrüße eine ganze Reihe von Punkten im Antrag der Kollegin Eickhoff-Weber und schlage vor, sie zur weiteren Beratung in den Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen - nicht die Kollegin, sondern den Antrag.
Glyphosat ist ein Problem, aber Glyphosat ist bei Weitem nicht der einzige problematische Wirkstoff. Die Parteien der Jamaika-Koalition haben in ihrem Koalitionsvertrag eine wirksame Pestizidreduktion in der Kompetenz des Landes vereinbart. Man sieht wieder: Grün wirkt. Man sieht auch anhand der Vereinbarungen, die gestern für eine GroKo in Niedersachsen getroffen wurden: Wenn Grün nicht mehr wirkt, dann kommt es zu einem Rückbau der Agrarwende.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD fordert von der Jamaika-Koalition einmal wieder etwas ein, was sie selbst trotz jahrelanger Regierungsverantwortung in Land und Bund nicht durchgesetzt hat. Heute ist es die Episode: das Glyphosat-Verbot. Aber immerhin - das muss man auch anerkennen - fordern Sie ja nun kein Sofortverbot mehr. Das haben Sie eben auch noch einmal klar gesagt: kein Sofortverbot für die Landwirtschaft. Außerdem macht die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag Vorschläge dazu, wie die Landwirtschaft auf dem Weg zum Ausstieg unterstützt werden könnte. Über diese Vorschläge sollte man im zuständigen Ausschuss definitiv reden. Darauf komme ich nachher noch zurück.
In dem vorliegenden Antrag geht es ausschließlich um die auf dem Wirkstoff Glyphosat basierenden Herbizide. Dabei - auch diese Anmerkung gestatten Sie mir bitte - ist das Thema Pestizideinsatz deutlich umfassender. Hier im Land sind wir, sprich FDP, CDU und Grüne, naturgemäß deutlich weiter als die SPD.
„Wir setzen uns dafür ein, dass der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft und bei der außerlandwirtschaftlichen Anwendung reduziert wird.
Wir unterstützen - wie bei der Reduktion der Nährstoffüberschüsse - insbesondere auch intensive Beratungsmaßnahmen. Im Rahmen der Landeszuständigkeit werden wir eine Strategie zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes gemeinsam mit Beratung - -“
wenn ich Sie richtig verstehe, dann steht in Ihrem Koalitionsvertrag, dass in SchleswigHolstein der Nationale Aktionsplan zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, der auf Bundesebene schon lange da ist, und zwar mit all den Inhalten, die Sie gerade beschrieben haben, jetzt endlich umgesetzt werden soll.
Das wird jetzt endlich von der Jamaika-Koalition umgesetzt, weil Sie es nicht auf die Reihe gekriegt haben, genau. Sie hätten es ja machen können. Ich habe einmal in Ihren Koalitionsvertrag geguckt, den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SSW. Was stand da eigentlich zum Thema Pestizideinsatz oder Pestizidreduzierung drin? - Da stand nichts drin. Warum eigentlich nicht? Warum, Frau EickhoffWeber, stand in Ihrem Koalitionsvertrag nichts? Das ist die spannende Frage.
Also, ich hätte jetzt aus unserem Koalitionsvertrag noch weiter vorgelesen. Aber das können Sie auch selber nachlesen. Ich will nur sagen, wir haben uns zu diesen Thema auf etwas verständigt. So wird das auch umgesetzt, und das ist gut so.
Zurück zum Kern des SPD-Antrags, zum Thema Glyphosat. Es ist immer leicht, Frau Eickhoff-Weber und Herr Dr. Stegner, Stimmungen aufzunehmen und sich bestimmte Gutachten herauszupicken, um dann einen Schaufensterantrag zu stellen. Da wird eben deutlich, was Sozialdemokraten von Liberalen unterscheidet. Bei öffentlichen Diskussionen über bestimmte Wirkstoffe, wie beispielsweise Glyphosat, zählen für uns Freie Demokraten nämlich nicht Stimmungen und Kampagnen, sondern nachvollziehbare Fakten, meine Damen und Herren.
Fakt ist nun mal, dass der sachkundige Gebrauch des seit 1974 zugelassenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat vom Bundesinstitut für Risikobewertung als unbedenklich bewertet wird.
Was würde eigentlich ein sofortiges Glyphosatverbot bedeuten? Die Gefahr wäre doch groß, meine Damen und Herren, dass Alternativen eingesetzt werden könnten, die deutlich schädlicher sind,
Stichwort: Eisenbahn. Dort wird Glyphosat für die Gleisbettvegetationspflege verwendet. Diese Maßnahme ist notwendig, um die Sicherheit des Personentransports zu gewährleisten. Es gibt Alternativen, aber diese sind wesentlich schädlicher. Ich halte es auch für erwähnenswert, dass der sachkundige Gebrauch von Glyphosat in der Landwirtschaft zu einem bodenschonenden, pfluglosen Anbau führt, bei dem es keine Bodenerosionen gibt. Auch das sollte man sich überlegen.
Natürlich muss es das Ziel sein, zukünftig den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern deutlich zu verringern und gleichzeitig den Ertrag und die Qualität möglichst zu erhalten. Es ist ja auch klar: Das Ende von Glyphosat wird kommen. Das wird die EU irgendwann beschließen. Da komme ich dann zurück auf den eben zitierten Absatz aus unserem Koalitionsvertrag. Es sind nun einmal gemeinsam mit der Landwirtschaft und der Wissenschaft Lösungswege zu erarbeiten.
Auch die Digitalisierung wird da eine gewichtige Rolle spielen. In der Digitalisierung, Stichwort „Smart Farming“, stecken enorme Chancen. Daher sollte auf Bundesebene unbedingt endlich auch eine Strategie zur Digitalisierung in der Landwirtschaft erarbeitet und umgesetzt werden. Das ist leider noch nicht gemacht worden. Auch über den Zugang zu wichtigen Geo- und Katasterdaten sollte geredet werden.