Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

Auch die Digitalisierung wird da eine gewichtige Rolle spielen. In der Digitalisierung, Stichwort „Smart Farming“, stecken enorme Chancen. Daher sollte auf Bundesebene unbedingt endlich auch eine Strategie zur Digitalisierung in der Landwirtschaft erarbeitet und umgesetzt werden. Das ist leider noch nicht gemacht worden. Auch über den Zugang zu wichtigen Geo- und Katasterdaten sollte geredet werden.

Meine Damen und Herren, wir sollten also im Umwelt- und Agrarausschuss über die in der heutigen Debatte angeführten Punkte in aller Sachlichkeit diskutieren. Wir sollten auch schauen, was genau auf EU-Ebene entschieden und beschlossen wird, und unsere Strategien dementsprechend ausrichten. Wie gesagt, in dem Antrag sind Punkte enthalten, über die wir definitiv reden sollten. Jetzt komme ich Ihnen entgegen. Ich habe für diese Debatte extra eine rote Krawatte angezogen.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Oh!)

Ich freue mich ganz besonders auf die Diskussion im Ausschuss. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat die Abgeordnete Fürstin von Sayn-Wittgenstein.

(Oliver Kumbartzky)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorausschicken: Wir von der AfD sind keine Freunde von Glyphosat. Wir finden aber, dass in der Diskussion auch der private Einsatz, also Glyphosat für Garageneinfahrten und so weiter, problematisiert werden sollte, und im ökologischen Landbau ist auch nicht alles Gold, was glänzt.

Zu den Fakten: Glyphosat ist nach internationalen Standards weniger giftig als beispielsweise Kochsalz oder Backpulver. Die Einstufung als krebserregend ist höchst umstritten. Es existieren widersprüchliche Studien, und die jeweiligen Befürworter der Studien werfen sich gegenseitig fehlende Objektivität bei der Erhebung der Ergebnisse vor.

Was für weitreichende Folgen ein Ausstieg hätte, belegt eine Studie des Marktforschungsunternehmens Kleffmann Group. Ohne Glyphosat wären die Landwirte gezwungen, Unkräuter mit anderen Herbiziden oder mechanisch mit Maschinen zu bekämpfen. Dies hätte neben höheren Produktionskosten eine vermehrte Bodenerosion zur Folge, was die Bodenfruchtbarkeit langfristig verschlechtern würde.

Des Weiteren würden bei einem Einsatz von Maschinen zur Bodenbearbeitung aufgrund des erhöhten Treibstoffverbrauchs die CO2-Emissionen rapide ansteigen, worauf der Bauernverband hinweist.

Bei Ackerbaukulturen, wie zum Beispiel Silomais oder Gerste, müssten die Landwirte mit erheblichen Ernteeinbußen rechnen. Bei derart verringerten Erträgen müssten insgesamt als Ausgleich die Anbauflächen um 2,4 Millionen ha vergrößert werden - in einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland ein Ding der Unmöglichkeit. Alternativ müssten mehr Lebensmittel importiert werden. Ob die nach derart strengen Kriterien produziert werden wie bei uns, möchte ich dahinstehen lassen.

Der von der SPD geforderte Schwenk zur ökologischen Landwirtschaft und zu den nachhaltig wirtschaftenden konventionellen Betrieben ist ebenfalls kritisch zu betrachten; denn im Biolandbau darf anstelle von Glyphosat Pelargonsäure als Kontaktherbizid eingesetzt werden. Es gilt ökotoxikologisch als riskant für Wasserorganismen, Bienen, Gliederfüßler im Feld, Erdwürmer und Bodenmikroorganismen. Auch eine Schädigung von Vögeln und Kleinsäugern kommt vor.

Der Einsatz von schwermetallhaltigen Kupferspritzmitteln ist ebenfalls nicht zielführend; denn sie vergiften den Boden und stehen hier auch nicht

zur Debatte. Diese Mittel können bei Menschen Leberschäden auslösen, sie können Bodenorganismen abtöten und bei Fischen sogar tödlich wirken.

Es gibt im Leben leider nicht nur Schwarz und Weiß. Dies ist auch im Hinblick auf das Pflanzenschutzmittel Glyphosat der Fall. Ein Ausstieg ist sicherlich wünschenswert. Er kommt für uns von der AfD aber nur in Betracht, wenn Alternativen vorliegen, die die Landwirte und die Umwelt nicht belasten. Dies gilt sowohl für den konventionellen als auch für den biologischen Anbau. Ansätze zu Studien soll es ja bereits geben. Setzen wir uns hierfür ein! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Breitbandherbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat gehört zu den am häufigsten verwendeten Herbiziden weltweit. Es findet Anwendung in der Landwirtschaft, im öffentlichen sowie im Haus- und Kleingartenbereich, um unerwünschte Pflanzen zu vernichten oder die Reife von Getreide zu beschleunigen. Weltweit ist mit rund 650.000 t pro Jahr ein steigender Verbrauch zu erkennen. Bei fachmännischer Anwendung wird nur eine geringe Konzentration benötigt, was dafür spricht, dass es sich dabei um ein hochwirksames Herbizid handelt.

Der Einsatz von Glyphosat ist nicht unumstritten. Das haben wir bereits gehört. Bei kaum einem anderen landwirtschaftlichen Thema streiten sich die Gelehrten so wie bei Glyphosat. Sollte darauf verzichtet werden oder eben nicht? Es geht hierbei auch um die Frage, inwieweit das Mittel krebsfördernd ist. Auch wenn Glyphosat bereits seit 1970 auf dem Markt ist, gibt es derzeit immer noch keine wissenschaftlich fundierte Langzeituntersuchung bezüglich der chronischen Toxizität.

Derzeit gibt es unterschiedliche Aussagen hierzu. Auf der einen Seite stuft die Internationale Agentur für Krebsforschung das Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Auf der anderen Seite stuft das Bundesinstitut für Risikobewertung Glyphosat als „nicht akut gesundheitsgefährdend“ ein. Zugegeben, beide Aussagen lassen einen gewissen Raum für Spekulationen. Wir wissen aber, dass Glyphosat

mittlerweile überall nachgewiesen wurde, beispielsweise im Brot, im Bier oder auch im menschlichen Urin. Das bedeutet ganz klar, dass wir nicht so tun können, als verschwinde Glyphosat nach dem Ausbringen einfach.

(Beifall SSW und SPD)

Ich bin der Antragstellerin dankbar, dass sie das Thema aufgegriffen hat; denn wir wissen, dass die Zukunft von Glyphosat derzeit in der EU heiß diskutiert wird. Es geht um die Frage, ob Glyphosat weiterhin zugelassen werden soll. Daher unterstützen wir den Antrag in dem Punkt, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für den Ausstieg einsetzt. Die Abstimmung darüber findet im Dezember statt. Sollte keine Einigung erzielt werden, läuft die Zulassung ab. So oder so steht sehr viel auf dem Spiel.

Der vorliegende Antrag gibt uns hier und heute noch einmal die Möglichkeit, darzustellen, wie man zu Glyphosat steht. Für den SSW will ich ganz klar sagen: Solange nicht wirklich ausgeschlossen werden kann, dass Glyphosat krebserregend ist, gehört es vom Markt genommen, zumal es mittlerweile an Stellen festgestellt wird, wo es nicht hingehört. Daher muss in erster Line das Vorsorgeprinzip gelten. Wir haben als Politik eine Verantwortung gegenüber den Menschen und nicht gegenüber der Chemieindustrie.

(Beifall SSW und SPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist das!)

Unabhängig von der Entscheidung in Brüssel muss alles dafür getan werden, in unabhängigen Langzeitstudien zu erforschen, inwieweit Glyphosat das Risiko erhöht, an Krebs zu erkranken.

Die Diskussion um Glyphosat ist aber auch eine Stellvertreterdiskussion; denn es geht dabei um die zukünftige Ausrichtung der Landwirtschaft in Deutschland und in der EU. Wie soll sich die Landwirtschaft entwickeln? Eines ist doch klar: Es gibt auch andere Herbizide als Glyphosat, und die können zu einem ebenso effektiven und auch destruktiven Cocktail zusammengemischt werden. Mit ihnen hätten wir nur den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben und unterm Strich nichts gewonnen.

Sollte Glyphosat in der EU keine weitere Zulassung bekommen, sehe ich dadurch eine Chance für die Landwirtschaft. Dann müsste auf Alternativen ausgewichen werden, was durchaus auch eine nichtchemische Unkrautbekämpfung bedeuten kann. Bisher hat der relativ niedrige Preis von Glyphosat ein solches Umdenken über Jahrzehnte verhindert.

Bei der Frage der Zulassung muss es aber auch um eine generelle Reduzierung des Herbizideinsatzes gehen. Es müssen Wege aufgezeigt werden, die auf eine Betriebsbewirtschaftung ohne oder nur mit sehr geringem Einsatz von Herbiziden ausgelegt sind.

Ich bin sehr froh über diesen Antrag; denn er zeigt in die richtige Richtung.

(Beifall SSW und SPD)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Die Kollegin Eickhoff-Weber aus der SPD-Fraktion hat sich gemeldet.

Was hat die Debatte gezeigt? Es liegen keine neuen Argumente auf dem Tisch. Die Argumentation ist an vielen Stellen die gleiche. Die CDU bringt den Vergleich mit 1.000 l Bier und hofft, dass alle lachen. Die CDU vergisst aber all die Pflanzen, die nicht mehr da sind, vergisst das dramatische Artensterben.

Die FDP rühmt sich mit etwas, was in SchleswigHolstein schon lange passiert. Sie haben das in den Koalitionsvertrag geschrieben, was schon lange auf dem Weg ist.

(Beifall SPD)

Die Dinge, die Sie beschreiben, gehen doch auf Entscheidungen zurück, die vor dem Mai 2017 getroffen wurden.

Das alles ist also nichts Neues. Und doch: Der Kollege von den Grünen, Bernd Voss, hat gesagt, es ist Zeit für den Ausstieg aus dem System. Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren dies nicht zum ersten Mal, sondern haben lange genug darüber diskutiert. Wir haben im Oktober 2015 hier eine sehr ernsthafte Diskussion zu diesem Thema geführt. Es ist Zeit, dass wir jetzt den Mut haben zu zeigen, wo wir stehen und wofür wir stehen. Flemming Meyer hat es gerade auch noch einmal ausdrücklich gesagt. Es ist jetzt Zeit für die Weichenstellung, für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik.

Deshalb beantrage ich Abstimmung in der Sache und beantrage namentliche Abstimmung. - Danke.

(Beifall SPD)

(Flemming Meyer)

Vielen Dank. - Nun hat der Kollege Arp das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag.

(Zurufe CDU: Das Bier!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht auf die 1.000 l Bier eingehen, sondern auf die ernsthafte Debatte. Die JamaikaKoalition hat das Angebot der Zusammenarbeit gemacht. Lassen Sie uns also im Ausschuss darüber beraten. Sie wissen, dass es gleichzeitig in Berlin Beratungen darüber gibt. Sie wissen, dass es auch in Brüssel Beratungen gibt. Diese sollten wir bei unserer Meinungsbildung berücksichtigen.

Deshalb schlagen wir Ausschussüberweisung vor. Herr Dr. Stegner, damit Sie sich nicht blamieren: Das ist der weitergehende Antrag. Deshalb wird über ihn zuerst abgestimmt.

Herr Kollege, zum Verfahren kommen wir später. Jetzt möchte Herr Kollege Dr. Stegner zunächst eine Zwischenfrage stellen.

Darauf freue ich mich sehr.

Zwei Bemerkungen, Herr Kollege Arp. - Zum Ersten habe ich bisher das Selbstbewusstsein der Koalition immer so verstanden, dass man selbst Position bezieht und auf andere Einfluss nimmt und dass man nicht wartet, was andere sagen, bevor man sich eine Meinung bildet. Ich habe Ihre Argumentation also bisher immer anders verstanden.

Zum Zweiten sind uns die parlamentarischen Gepflogenheiten durchaus bewusst, und wir wissen, dass Sie mit Ihrer Mehrheit verhindern können, dass in der Sache abgestimmt wird. Unsere Frage ist, ob Sie den Mut haben, in der Sache abzustimmen oder ob sich beispielsweise die Kollegen links von mir davor drücken und es lieber in die Ausschüsse schieben.

(Unruhe FDP)

Das ist die Frage, über die wir heute Morgen reden, und keine andere.