Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung. Bevor wir in den ersten Tagesordnungspunkt am heutigen Tag eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass erkrankt sind: aus der SPD-Fraktion die Abgeordnete Sandra Redmann, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kollegin Marret Bohn und die Kollegin Aminata Touré sowie von der Landesregierung die Ministerin Monika Heinold. Wir wünschen allen von dieser Stelle aus gute Besserung.
Wir haben Gäste auf der Besuchertribüne. Das sind Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Kronshagen sowie Schülerinnen und Schüler aus dem Regionalen Berufsbildungszentrum Technik aus Kiel. - Herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Ich sehe gerade, passend zum ersten Tagesordnungspunkt, auch den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Herrn Dr. Ulrich Hase. Herzlich willkommen auch Ihnen hier im Landtag!
Bericht des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung beim Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landestages über die Situation der Menschen mit Behinderung in SchleswigHolstein sowie über seine Tätigkeit 2015 bis 2017
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat für die CDU-Fraktion die Abgeordnete Andrea Tschacher das Wort.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Professor Hase! Sehr geehrte Gäste! Von der Politik wird viel erwartet, und das ist gut und richtig so. Es ist unsere Aufgabe, auf die gesellschaftlichen Entwicklungen zu reagieren, Lösungen zu finden und diese auch umzusetzen. Dazu bedarf es aber auch Menschen, die auf Bedarfe und Situationen aufmerksam machen, die die erarbeiteten Lösungen umsetzen und aktiv gestalten. An dieser
Stelle möchte ich als Erstes den Dank an Professor Hase und natürlich auch an sein Team aussprechen.
Der 7. Tätigkeitsbericht 2015 - 2017 formuliert Ziele, wo und inwieweit in unserer Gesellschaft weiterer Handlungsbedarf besteht. Er fasst wichtige Errungenschaften für mehr Barrierefreiheit und Inklusion der letzten beiden Jahre zusammen. Der Bericht verdeutlicht, was in den vergangenen zwei Jahren geleistet und auch auf kommunaler, auf Landes- und auf Bundesebene erreicht werden konnte.
Die Broschüre „Jetzt handeln“ fasst zudem komprimiert die Handlungsbedarfe zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderung zusammen und all das macht eines deutlich: Bestehende Hürden müssen beseitigt werden, auch die in den Köpfen! Angefangen von der Barrierefreiheit, die vielfach noch nicht an allen öffentlichen Orten gegeben ist, bis zur gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsmarkt. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist zwar stabil; die Arbeitslosenzahlen sinken. Davon konnten auch Menschen mit Behinderung profitieren, allerdings im Durchschnitt deutlich weniger. Die Beweggründe sind dabei vielfältiger, als man annehmen mag.
Auf einen Fall, der in diesem Bericht geschildert wird, möchte ich exemplarisch eingehen und ihn ganz bewusst nennen. Eine Petentin ist auf einen Diätbegleithund als medizinisch verordnetes Hilfsmittel angewiesen. Sie berichtete, dass sie einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht folgen konnte, da ihr die Mitnahme des Assistenzhundes verweigert wurde. Ihr wurde also in der Konsequenz die Chance auf Teilnahme am Bewerbungsverfahren verweigert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies zeigt uns, dass oftmals durch faktische Unwissenheit um dieses Thema Menschen mit Behinderung noch immer benachteiligt werden und genau das darf nicht passieren.
Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung wahr- und ihre Bedürfnisse ernst nehmen. Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung hat hierbei auf die bestehenden Probleme hingewiesen. Nun ist es an uns, mögliche Lösungsansätze zu beraten und dort anzusetzen, wo der Bedarf besteht. Ich sage Ihnen an dieser Stelle sehr deutlich: Die Jamaika-Koalition hat hier schon mit der Arbeit begonnen.
Wir haben in den vergangenen acht Monaten unserer Regierungszeit erstens den Fonds für Barrierefreiheit mit 10 Millionen € auf den Weg gebracht und zweitens das erste Teilhabestärkungsgesetz so gut wie auf den Weg gebracht.
- Auch hier ist es uns als Jamaika-Koalition wichtig, Frau Pauls, dass wir diesen Weg der Umsetzung besonnen gehen. Auch deshalb werden wir prüfen, wie wir nochmals eine Verbesserung des Gesetzentwurfes erreichen können. Diese Zeit nehmen wir uns, und das ist gut so.
Drittens haben wir neue Weichen in der Koordination des Querschnittsthemas Inklusion gestellt; denn beim Thema Inklusion sind die verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche angesprochen. Somit sind auch alle Ministerien inhaltlich verantwortlich. Deshalb sehen wir dieses Thema in der Koordination der Staatskanzlei bestmöglich verortet, ein Aspekt, der auch lobende Worte in diesem Bericht findet.
Sehr geehrter Professor Hase, wir bedanken uns ganz herzlich bei Ihnen und Ihrem Team für die seit vielen Jahren geleistete Arbeit und Ihr persönliches Engagement für Menschen mit Behinderung.
Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal ein Lob für den Austausch mit Ihnen aussprechen. Wir als Jamaika-Koalition schätzen es sehr, dass wir auch kritisch miteinander sind und Sie uns auch immer wieder zeigen, dass wir noch etwas zu tun haben. Uns ist es wichtig, dass wir nicht nur Inklusion fordern, sondern dass wir politische Wege eröffnen, damit Inklusion auch gelebt werden kann. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes und die Realisierung des Landesaktionsplanes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die Forderung nach Barrierefreiheit, die Teilhabe in allen Lebensbereichen sowie Wahlrechtsausschlüsse, Schutz vor Gewalt gegen Menschen mit Behinderung und Förderung von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen sind nur einige Stichworte, die die Gestaltung von Politik mit und für Menschen mit Behinderung deutlich machen. Diese Stichworte machen auch schlagwortartig deutlich, wie notwendig die Arbeit des Beauftragten für Menschen mit Behinderung in SchleswigHolstein ist. Lieber Ulrich Hase, dir und deinem Team ein großes Dankeschön für die geleistete Arbeit.
Der Tätigkeitsbericht 2015 bis 2017 und die neue Darstellungsform sind sehr ansprechend, und die Überschrift „Jetzt handeln“ ist nicht nur sehr gut gewählt, sie ist auch eine klare Aufforderung an die Landespolitik und an alle anderen, die in Kommunen, Land und Bund Verantwortung tragen, sich den Herausforderungen der Teilhabe und der Inklusion auch aktiv zu stellen.
Unter der Überschrift „Jetzt handeln“ finden sich 48 klare und eindeutige Formulierungen für eine barrierefreiere und inklusive Gesellschaft. Vier dieser Handlungsempfehlungen will ich kurz ansprechen:
Erstens: Fortsetzung des Landesaktionsplanes! Alle Landesbehörden müssen sich der Fortschreibung des Landesaktionsplanes und der aktiven Umsetzung der Behindertenrechtskonvention stellen, und dies unter umfassender Einbeziehung und Beteiligung der Menschen mit Behinderung selbst. Auch hier gilt: Nicht ohne uns über uns. Dieses Motto sollte mittlerweile für uns alle Handlungsleitlinie sein.
Zweitens: Präventionskonzepte erstellen! Aufgrund der oft stark von Gewalt betroffenen Menschen mit Behinderung sind Präventionskonzepte notwendig und sollten verpflichtend für alle Einrichtungen der Behindertenhilfe gelten. Hier braucht es dringend landesweite Standards und eine stärkere öffentliche Wahrnehmung.
schen mit Behinderung müssen weiter gesteigert werden. Dabei muss das Budget für Arbeit in ganz Schleswig-Holstein umsetzbar und ein selbstverständlicher individueller Anspruch sein. Die Ausbildungssituation gilt es zu verbessern. Dazu sollte der Übergang von Schule in den Beruf gezielt begleitet werden. Natürlich muss auch der öffentliche Dienst sich dieser Herausforderung stellen und Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung attraktiver gestalten.
Viertens - diese Aufforderung von Ulrich Hase in seinem Bericht finde ich besonders wichtig; sie gibt sehr zu denken -: Wahlrechtsausschlüsse beenden! Knapp 3.000 Schleswig-Holsteiner werden oder wurden von der Bundestagswahl ausgeschlossen. Hier sollten wir Demokraten gemeinsam handeln und diesen Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention beenden.
Wahlrechtsausschlüsse sind diskriminierend und ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Menschenrecht, zu wählen und gewählt zu werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt nach dem Lesen des Tätigkeitsberichts die Feststellung, dass fehlende Barrierefreiheit das größte Hindernis in allen Lebensbereichen für ein gleichberechtigtes Leben ist. Die nicht existierende Gleichberechtigung behinderter Menschen belastet nicht nur unser gesellschaftliches Zusammenleben, sondern ist vor allem eine Belastung und eine individuelle Beleidigung und Stigmatisierung Betroffener.
Es bleibt die Feststellung: Mensch wird nicht behindert geboren. Der Behindertenrechtsaktivist Raul Krauthausen hat dies einmal so formuliert, ich zitiere:
„Ich wurde mit einem Körper geboren, der nicht der Norm entspricht und der in einer Welt, die für genormte Körper gebaut wurde, nicht ohne Hilfsmittel existieren kann. Der entscheidende Punkt ist nicht die Andersartigkeit meines Körpers - sondern die fehlende Barrierefreiheit. Die Gesellschaft entschied bisher, dass eine barrierefreie Umgebung nicht wichtig ist. Würden die mich behindernden Umstände durch Barrierefreiheit wegfallen, hätte das Thema Behinderung keine Relevanz mehr.“