Wolfgang Baasch
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kalinka, lieber Werner, du bist ja als CDA-Sprecher und Vorsitzender in Schleswig-Hol
stein auch dafür bekannt, dass du - ich will nicht Querdenker sagen
etwas Andersdenkendes in die CDU hineinbringst. Das hier heute Morgen war wieder der typische alte Parteisoldat, der nichts anderes als seine Scheuklappen aufgesetzt und versucht hat, etwas zu rechtfertigen, was nicht gerechtfertigt werden kann.
Es geht darum - da sind wir uns bisher in allen Diskussionen einig gewesen -, dass wir unseren Finger auf diese Missstände legen, die in der Fleischindustrie und natürlich auch in einigen anderen Industriebereichen passieren, die mit prekärer Arbeit und aus prekärer Arbeit ihr Geld verdienen. Ich erinnere nur an die Paketbranche, die es ebenfalls nicht einfach hat. Es geht also um die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich.
Wir waren uns einig in der Anhörung, an der übrigens sehr viele Sozialdemokraten teilgenommen haben und in der wir auch sehr engagiert mit den Anzuhörenden diskutiert haben. Da haben wir deutlich gemacht, was wir von dieser Industrie erwarten. Wir erwarten, dass es Interessenvertretungen gibt, dass die prekären Arbeitsbedingungen aufhören, dass Wohnen und Arbeiten voneinander getrennt werden.
Natürlich haben wir darüber auch mit dem Sozialministerium eine Einigkeit hergestellt; denn dass dort verstärkt kontrolliert werden muss, ist richtig und vernünftig. Ich habe im Sozialausschuss den Minister dafür gelobt, dass er gemeinsam mit dem Kollegen Heil in Berlin in der Arbeits- und Sozialministerkonferenz die Initiativen auf den Weg gebracht hat, die eigentlich heute im Bundestag schon längst hätten beschlossen sein können.
Also: Wo sind denn die Blockiererinnen und Blockierer, wenn sie nicht bei FDP und SPD sind? Sie können doch nur in der CDU sitzen. Deswegen richten Sie doch einmal den Blick in die eigenen Reihen, und versuchen Sie deutlich zu machen, um welche Problemlagen es geht und was gelöst werden muss.
Die Kollegin Eickhoff-Weber hat ja eben schon einmal Frau Klöckner erwähnt. Das ist die Landwirtschaftsministerin. Von der haben wir in dieser Diskussion bisher verdammt wenig gehört, vielleicht einmal auch in diesen Bereich hinein spiegelnd, dass Verantwortlichkeit nicht immer nur abgewälzt werden kann, Kollege Kalinka, sondern vielleicht
auch mal in den eigenen Reihen gesucht werden muss.
Nun möchte ich das aufgreifen, was der Kollege von der FDP gesagt hat: Man kann nicht hineinkontrollieren. - Doch, man kann hineinkontrollieren. Man kann über Kontrollen die Auswüchse bekämpfen. Und das ist in diesem Bereich sehr, sehr notwendig.
Aber wir wissen auch, dass in den Betrieben, in denen es vernünftige Interessenvertretungen gibt, in denen es gewählte Betriebsräte gibt, in denen kein Outsourcing stattfindet, in denen nicht organisierte Verantwortungslosigkeit herrscht, die Arbeitsbedingungen vernünftig sind. Deswegen brauchen wir über das Maß von Verboten hinaus organisierte Interessenvertretungen, und wir brauchen eine Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, damit genau diese Auswüchse wirklich ein für alle Mal abgestellt werden können. Das ist einer der Ansätze, die wir als Sozialdemokraten vertreten.
Es muss wirklich einmal deutlich gemacht werden, dass die Fleischindustrie so, wie sie arbeitet, dieses System implementiert. In unserer Anhörung haben wir auch gehört, wie Verbraucher und die Märkte das heißt: die Händler - in diesem Bereich agieren. Man muss nicht nur an einer Stellschraube, sondern an vielen Stellschrauben drehen. Die entscheidende Stellschraube aber ist, dass wir dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie zumindest endlich den Arbeitsbedingungen entsprechen, die wir gesetzlich vorgeschrieben haben. Man kann auch noch viel Vernünftiges darüber hinaus tun.
Gerne.
entscheidenden Verbesserungen der Situation geführt hat. Mein Petitum ist, dass Sie hier nicht Sie persönlich, sondern Ihre politische Kraft - immer den Eindruck erwecken, man müsse nur den Werkvertrag verbieten und damit wäre alles, was wir hier an schlechten Dingen haben, abgeschafft. Es ist nicht so.
Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Sie überhaupt keinen nennenswerten Widerstand bekommen haben, als Sie gesagt haben, dass Sie den Werkvertrag abschaffen wollen? Raten Sie doch einmal, warum das so ist. Es ist so, weil man die Dinge, die man mit Werkvertragsarbeitnehmern machen kann, auch mit Stammbelegschaftsarbeitnehmern machen kann. Man muss sich einfach nur ein entsprechendes Konstrukt überlegen.
Genau das werden Sie sehen. Ich warne davor, dass Sie sich darauf konzentrieren, den Werkvertrag zu verbieten, aber nicht die bestehenden Gesetzeslücken zu schließen. Sie werden so nicht das Ziel erreichen, das wir uns gemeinsam vorgenommen haben.
- Herr Kollege Richert, ich habe Ihnen das nicht in dem Sinne vorgeworfen. Ich habe Ihnen die Argumentation, die Sie ja angeschlossen haben, vorgeworfen. Man kann nicht hineinkontrollieren. Man kann keine Qualität durch Kontrollen in einen Betrieb hineinbringen, wenn er bestimmte Missstände aufweist. Es wird dann auch bei Stammbelegschaften Missstände geben.
Deswegen habe ich eben noch einmal betont: Es kommt nicht nur darauf an, diese Gesetze zu organisieren, sondern es kommt auch darauf an, die Interessensvertretungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken und dafür zu sorgen, dass Betriebsräte in den Unternehmen vorhanden sind. Es muss dafür gesorgt werden, dass Tarifbindung herrscht.
Wenn Sie sich einmal angucken - das ist bei der Anhörung deutlich geworden -: Im Bereich der NGG berichten über 55 % der Betriebsräte davon, dass sie bei Betriebsratswahlen behindert werden. Man kann der Fleischindustrie den systemimmanenten Vorwurf machen, dass man dort eine Interessensvertretung, die eine wirksame Arbeitnehmervertretung wäre, überhaupt nicht haben will. Man will nämlich seine bescheuerten - Entschuldigung, falscher Ausdruck -, seine sehr bedenklichen Ar
beitspraktiken nicht mehr durchsetzen. Genau darum geht es: Nicht nur auf einen Bereich abzielen, sondern einen Strauß von Maßnahmen entwickeln, der dann dafür sorgt, dass Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie dem entsprechen, was wir wollen.
Aber gerne.
Das habe ich nicht so gesagt, und ich habe es auch nicht intendiert. Das ist nicht die Wahrheit.
- Gut. Dann werden wir uns in den nächsten Diskussionen darüber verständigen, was wir gemeinsam auf den Weg bringen. Wenn Sie bei den Arbeitnehmervertretungen genauso offen sind, wie ich es versucht habe zu formulieren, oder wenn Sie bei den Haushaltsberatungen in der Zukunft zum Beispiel dafür sorgen, dass die mobile Arbeitnehmerberatung, die wir in Schleswig-Holstein haben und die sich genau um diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kümmert, verstärkt - vielleicht sogar verdoppelt - wird, dann wären das tolle Ansätze. Dann wären wir mit Jamaika - oder zumindest mit der FDP-Fraktion - ein Stück weiter.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Einführung des Mindestlohns im Jahre 2015 wurde die Einkommenssituation von vielen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland deutlich verbessert. Der Mindestlohn hat zu einem wirksamen Anstieg der Löhne im Niedriglohnsektor geführt, und die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen für Wachstum und Beschäftigung, die so viele beschrieben haben, sind ausgeblieben. Gleichwohl arbeiten viele Menschen immer noch in prekären Arbeitsverhältnissen, und der derzeitige Mindestlohn in Höhe von 9,35 € ist nicht ausreichend.
Viele dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten übrigens in systemrelevanten, aber schlecht bezahlten Berufen. Darum ist der Einsatz für einen armutsfesten und sozial gerechten Mindestlohn nach wie vor notwendig.
Ein erhöhter Mindestlohn muss das Armutsrisiko wirksam bekämpfen. Ein erhöhter Mindestlohn muss aber auch eine reale Chance bieten, ein Rentenniveau zu erreichen, mit dem auch Altersarmut entgegengewirkt werden kann.
Ein höherer Mindestlohn verringert den Niedriglohnsektor, und ein höherer Mindestlohn stärkt die gesellschaftliche Teilhabe von Millionen Menschen. Ein gestärkter Mindestlohn fördert die Konsumnachfrage spürbar und trägt wesentlich zum Wirtschaftswachstum bei. Diese Argumente zeigen deutlich: Ein höherer Mindestlohn ist ökonomisch und sozial richtig.
Das zeigt sich übrigens auch jetzt in der Pandemie. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zum Beispiel aus dem Gastronomiebereich, sind in Kurzarbeit und beklagen, dass ihr Kurzarbeitergeld nicht zum Leben reicht. Das liegt daran, dass ihr Grundgehalt sehr niedrig ist. Hier wäre ein höherer Mindestlohn und eine stärkere Tarifbindung wichtig. Das sind zentrale Bausteine für mehr soziale Gerechtigkeit.
Dass die Pandemie auch armutsverschärfend wirkt, können wir anhand der Studien, die derzeit aufgestellt werden, sehen. Zum Beispiel wird nachgewiesen, dass in den Einkommensgruppen bis zu 900 € netto etwa 50 % der Beschäftigten Einkommenseinbußen haben, während in dem Einkommensbereich ab 4.800 € netto nur 27 % der Menschen Einkommenseinbußen haben. Das macht deutlich: Auch die Armutssituation wird durch die Pandemie verstärkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Gesellschaft lebt von sozialer Gerechtigkeit und Solidarität. Wir müssen aber feststellen, dass die Schere zwischen Arm und Reich unerträglich weit geöffnet ist. Diese Kluft zwischen Arm und Reich muss wieder kleiner werden. Dazu bedarf es einer deutlichen Erhöhung des Mindestlohns, um damit den Niedriglohnsektor wirksam zu begrenzen. Es wäre aber auch notwendig, die Regelsätze bei Hartz IV deutlich zu erhöhen.
Aber machen wir uns nichts vor. Wer Armut bekämpfen will, braucht genauso eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, er braucht eine Erbschaftsteuer, und er braucht auch eine erkennbare und wirksame Vermögensteuer. Das ist alles nichts Neues.
Dies alles würde aber wirken, um die soziale Schieflage in unserer Gesellschaft wieder mehr ins Gleichgewicht zu bringen. Ein fairer Mindestlohn und ein deutliches Aufstocken von Hartz IV wären schon ein deutliches Zeichen der Solidarität in unserer Gesellschaft.
Die Mindestlohnkommission hat im Sommer eine Erhöhung des Mindestlohns auf 10,45 € im Jahr 2022 beschlossen. Aber reicht das aus? Warum sollten wir nicht den Mindestlohn auf 13 € anheben, wie es der SSW fordert? Warum nicht die Regelsätze bei Hartz IV einfach um 50 % erhöhen, damit der Niedriglohnsektor noch unattraktiver wird und noch mehr Menschen wenigstens die Chance auf eine einigermaßen vernünftige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben?
Gerade in der Pandemie dürfen die Menschen in prekären Lebensverhältnissen nicht allein gelassen werden. Eine soziale Gesellschaft, unsere Gesellschaft, ist zur Solidarität verpflichtet.
Auch die Europäische Kommission beschäftigt sich mit dem Thema. Sie schlägt eine Richtlinie für angemessene Mindestlöhne in der EU vor. Darin steht, ich zitiere:
„In den Ländern mit gesetzlichen Mindestlöhnen soll die vorgeschlagene Richtlinie sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die gesetzlichen Mindestlöhne in angemessener Höhe festgelegt werden...“
Vielleicht bringt das auch neuen Schwung in unsere Debatte. - Den SSW-Antrag unterstützen wir vorbehaltlos.
Frau Präsidentin! In der Kürze der Zeit verweise ich auf die Vorlage.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie stellt uns vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Menschen müssen Hygieneregeln einhalten. Sie müssen Abstand halten. Sie müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Das sind wichtige Bestandteile, um uns vor dem Virus zu schützen. Aber wir wissen zum Beispiel auch, dass nicht jeder Mensch einen Mund-Nasen-Schutz tragen kann.
Für viele Menschen mit Behinderung ist das nicht zumutbar, etwa, wenn sie eine Atemwegserkrankung haben, generell schlecht Luft bekommen oder eine psychische Behinderung haben, die eine Maske im Gesicht zur Qual macht. Zudem kann der Mund-Nasen-Schutz die Kommunikation beeinträchtigen, zum Beispiel bei Menschen mit Hörbeeinträchtigungen, die auf Lippenlesen angewiesen sind. So hat jedes Bundesland, auch SchleswigHolstein, Ausnahmeregelungen beim Tragen des Mund-Nasen-Schutzes getroffen.
Dennoch berichten der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, die Antidiskriminierungsstelle sowie Bürgerinnen und Bürger persönlich per Mail oder in Gesprächen von vielen Situationen, in denen Betroffenen - auch in rüder Form - zum Beispiel der Zugang zu Lebensmittelgeschäften verweigert wurde oder sie an der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs gehindert wurden. Vorhandene Nachweise und Atteste wurden vor Ort nicht anerkannt.
Aber auch in Zeiten einer Pandemie haben Menschen mit Behinderung ein Recht auf Teilhabe am öffentlichen Leben. Sie verlieren nicht ihr Recht auf Selbstbestimmung.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkung oder einer Behinderung keinen Mund-Nasen-Schutz tragen können, vom öffentlichen Leben oder gar in ihrer Versorgung mit den grundlegendsten Mitteln ausgeschlossen werden.
Wir Sozialdemokraten haben daher die Forderung des Landesbeauftragten aufgegriffen und fordern unsererseits die Landesregierung auf, möglichst rasch einen einfachen und eindeutigen Ausweis auf den Weg zu bringen, der es Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen, die keinen Mund-Nasen-Schutz tragen können, ermöglicht, sich zu legitimieren. Dies würde vielen Betroffenen, aber auch denen, die in Geschäften oder im öffentlichen Personennahverkehr die Einhaltung des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes kontrollieren,
helfen und Sicherheit geben. Die Pandemie wird uns noch länger begleiten und daher auch der Mund-Nasen-Schutz. Also brauchen wir hier eine Regelung, die im Interesse aller Betroffenen ist und in Zukunft dazu führt, unnötige Konflikte zu vermeiden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung darf in Pandemiezeiten nicht einfach vergessen werden. Menschen mit Behinderung müssen einbezogen und angehört werden, wenn Konzepte, die ihre Lebensbereiche betreffen, von einer Landesregierung erstellt werden. Partizipation ist das A und O, um Akzeptanz zu schaffen.
Wir unterstützen daher das Anliegen der Koalitionsfraktionen im Antrag 19/2364, werden ihm auch zustimmen. Ich sage auch ganz offen: Wir werden genau hinschauen, ob und wie die Menschen mit Behinderung bei der Erstellung der dort geforderten Konzepte eingebunden werden. Das ist die Voraussetzung für Akzeptanz und dafür, dass Menschen mit Behinderung ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben können. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Karstadt-Komplex in Lübeck existiert - nicht in dieser Form, aber als Warenhaus - seit 136 Jahren. Niemand kann bestreiten, dass das über 136 Jahre stadtprägend ist. Wer heute durch die Lübecker Breite Straße geht und sieht, was das für ein Kaufhauskomplex - heute! - ist, wird erkennen, dass dieser sich nicht einfach durch Leerstand hervortun darf, sondern durch Belebung, durch Aktivitäten hervortun muss. Bei so einem großen Kasten mitten in der Lübecker Altstadt - es sind sogar zwei Warenhäuser in dieser Größe - braucht es Alternativkonzepte.
Das ist notwendig und auch klar sichtbar. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, nicht nur Zeit zu gewinnen, sondern sich aktiv mit finanziellen Voraussetzungen daran zu beteiligen, Alternativen zu schaffen und vorzusehen.
Das Zweite - das wird im Antrag unserer Fraktion deutlich -: Da sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Lübeck sind es nicht 80, sondern 180, die ihre Kündigung erhalten haben. Das sind 180 Menschen und deren Familien, die darauf angewiesen sind, dass es für sie eine Perspektive gibt. Da ist es doch selbstverständlich, dass die Landesregierung sofort sagt: Ja klar, Transfergesellschaft, auch über einen längeren Zeitraum, nicht nur sechs Monate, sondern zwölf Monate. Wir geben dort wirklich finanzielle Mittel rein, um diesen Menschen und ih
ren Familien Perspektiven zu schaffen. - Was sonst sollte diese Landesregierung tun?
Wenn man sich den Kollegen Knuth angehört hat, kommt man zu dem Schluss, man macht halt ein Grabkreuz und stellt es vor den Kaufhausladen. Das kann man tun. Das Problem ist aber: Wenn ich mir angucke, mit welchem Einsatz wir in anderen Industrie- und Beschäftigungsbereichen vorgehen, mit welcher Kraft wir versuchen, die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft zu erhalten oder für die Windenergie kämpfen, wenn ich mir den Einsatz für die Hafenstandorte angucke: Alles das ist notwendig.
Wir können aber doch dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Karstadt nicht im Regen stehen lassen! Das geht doch nicht!
Nein, danke.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Alternativen bieten müssen und Solidarität mit den Beschäftigten bei Karstadt nicht nur öffentlich, sondern auch mit praktischem Handeln auf den Weg bringen müssen.
Ich glaube, dass es notwendig ist, den Städten, die arg gebeutelt sind, tatsächlich eine Perspektive für eine Entwicklung - und nicht für Leerstände - an den Standorten zu bieten. Da helfen auch keine Wolkenkuckucksheime mit kleinteiligen Geschichten. Das ist, wenn man sich die Kisten, die dort stehen, anguckt, nicht so einfach.
Die Kommunen brauchen dort eine starke Unterstützung. Die fordern wir von der Landesregierung ein.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will kurz auf das Bildungs- und Teilhabepaket eingehen, das hier als Krücke oder wirksame Antwort zur Lernmittelfreiheit oder Hilfsmittel für Menschen, die in Armut geraten sind, so euphorisch genannt wird.
Wir haben im Sozialausschuss das Wirtschaftsministerium gefragt. Der Wirtschaftsminister ist ja
für das Bildungs- und Teilhabepaket und für die Auszahlung der Gelder zuständig. Wir haben im Sozialausschuss gebeten, uns zu berichten, was mit den Geldern des Bildungs- und Teilhabepakets passiert ist, die ja individualisiert sind. Die werden ja nicht einer Schule oder einer Kommune gegeben, sondern das ist eine Leistung für die einzelne Familie, für das einzelne Kind.
Wir wollten wissen, was in der Zeit, in der es keine Schule gab, in der es kein Mittagessen in der Schule gab und auch keine Angebote im Sportverein gab, weil ja alles heruntergefahren war, mit diesem Geld passiert ist. Das hätte das Wirtschaftsministerium ja wissen können, denn die sind ja diejenigen, die das Geld weitergeben. Sie wissen es nicht, wurde uns berichtet, weil sie das Geld an die Kommunen durchgeben und überhaupt keine Kontrollfunktion, überhaupt keine Möglichkeit haben zu recherchieren, was mit diesem Geld geschieht.
Es wäre doch eine tolle Sache gewesen, es gab viele Wohlfahrtsverbände, viele Organisationen, die gesagt haben: Menschen, die von Hartz IV und in Bedarfsgemeinschaften leben, haben es in Zeiten des Lockdown besonders schwer; gebt denen doch pauschal 100 € mehr!
Das ging nicht, wahrscheinlich, weil sich SPD und CDU auf Bundesebene nicht einigen konnten, oder warum auch immer. Da waren zumindest Gelder des Bildungs- und Teilhabepakets vorhanden, die für einzelne Kinder bewilligt waren. Die hätten Eltern doch bar ausgezahlt bekommen können; das Geld wäre da gewesen.
Aber nein, man konnte uns im Sozialausschuss nicht auf diese Frage antworten. Das Wirtschaftsministerium war nicht in der Lage, unsere Fragen zu beantworten. Das ist ein Zeichen dafür, dass es mit Bedarfserhebungen überhaupt nicht getan ist, Frau Kollegin Klahn. Wir haben viele Bedarfe, aber wir haben auch Geld, das da ist, aber wir haben keine Ahnung darüber. Da muss nachgesteuert werden.
Ich möchte kurz einen zweiten Gedanken anschließen. Ich habe von einer Mutter einen Brief bekommen, in dem sie mir eine Liste von Dingen mitgeschickt hat, die ihr Kind, das in die erste Klasse kommt, besorgen muss. Wenn man auf dieser Liste alles zusammenzählt und allein die festen Preise nimmt, die in der Liste für Bücher, Einmalzahlung, Kultureuro, Schulagenda und so weiter auftauchen, kommt man locker auf 100 €. Da ist noch nicht einmal das Turnzeug dabei, da ist mitnichten etwas da
bei, was die berühmten 3,22 € Kleckerbeträge anbelangt.
Dass Kinder Kopierpapier mitbringen müssen, Familienpackungen Taschentücher mitbringen müssen, all das steht auf den Listen drauf. Man kann sich darüber streiten, ob man mit einer eigenständigen Kindergrundsicherung wesentlich besser als mit solchen Listen arbeiten kann. Geben Sie sich einen Ruck, und kämpfen Sie für Lernmittelfreiheit!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unerträglich, dass Arbeitnehmerrechte in deutschen Schlachthöfen missachtet werden, auch hier in Schleswig-Holstein, dass Arbeitnehmerrechte und faire Arbeitsbedingungen missachtet werden und dass in der Fleischindustrie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerade aus Mittel- und Osteuropa ausgebeutet werden. Hier haben wir viel zu lange auf die Umsetzungen von freiwilligen Selbstverpflichtungen gewartet. Es ist nicht so, dass die Welt erst 2019 aufgewacht ist und diese Arbeitsbedingungen angeprangert hat, sondern wir haben das durch unsere Anträge im Landtag schon wesentlich früher gemacht. Kollege Kalinka weiß ganz genau, dass die Anhörung zum Thema Schlachthöfe schon lange läuft. Wir haben erst eine schriftliche Anhörung durchgeführt und uns wegen der Coronapandemie verständigt, nach der Sommerpause eine mündliche Anhörung dazu anzuschließen. Das zeigt deutlich, dass wir uns mit dem Thema beschäftigt haben.
Das Thema ist gerade jetzt noch einmal sehr deutlich nach oben gespült worden. Ich finde, es ist viel
zu spät, aber es ist Gott sei Dank jetzt so weit. Wir können dieses Thema aufgreifen und deutlich machen, dass die Realität in den Schlachthöfen auch in Schleswig-Holstein so aussieht, dass nach wie vor unbezahlte Überstunden geleistet werden, dass überteuerte und schlechte Unterkünfte bestehen, dass mangelnde Hygiene vorhanden ist, dass Verstöße gegen das Arbeitszeit- und das Mindestlohngesetz begangen werden. Das alles macht deutlich: Jetzt muss gehandelt werden, jetzt muss hier etwas verändert werden. Dass die Coronakrise etwas Gutes haben soll, ist nicht meine Überzeugung. Corona hat eigentlich nichts Gutes. Aber dass wir an dieser Stelle gefordert sind zu handeln, kann nun keiner mehr in Abrede stellen.
Jamaika formuliert, dass es, wie Herr Knuth es eben dargestellt hat, nur mit Ihnen geht: Ich glaube gern, dass Sie das, was Sie als Text formuliert haben, Herr Kollege Knuth, vielleicht nur mit Jamaika hinbekommen. Aber wenn Sie das beim Betriebsverfassungsgesetz umsetzen wollen, werden Sie das nur mit Rot-Grün hinbekommen. Das werden Sie mit CDU und FDP auf keinen Fall erreichen.
Da wird deutlich: Wohlfeile Texte sind die eine Sache, aber politisches Handeln und politische Veränderungen werden Sie nur in einer fortschrittlichen Kombination und nicht einem rückwärtsgewandten Bündnis hinbekommen.
Wie stillstehend Jamaika ist, erkennt man doch auch daran deutlich, dass Jamaika in diesem Antrag nicht ein Wort zur EU sagt: kein Wort zur EU-Entsenderichtlinie, kein Wort dazu, was das auch für die Europäische Union bedeutet. Ich sage Ihnen deutlich: Wer Europa in dieser Frage nicht auf dem Schirm hat, hat eigentlich Politik für die Zukunft nicht auf dem Schirm, denn Europa ist unsere Zukunft. Wer wie die Fleischindustrie europäisches Recht mit Füßen tritt, wer dort trickst, der schadet auch der europäischen Idee. Das muss man sehr deutlich benennen.
Hier wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa missbraucht. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist nicht in Ordnung. Dem gehört ein Riegel vorgeschoben. Ich glaube ganz fest, dass wir der europäischen Idee nur auf die Beine helfen und auch neuen Schwung, der im Moment notwendig ist, verleihen,
wenn wir uns tatsächlich in vielen Bereichen an ein gemeinsames soziales und solidarisches Europa machen. Dazu gehört nicht die Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Vielen Dank, dass ich Gelegenheit bekomme, auf Ihr Argument vom Schleifen der Tarifautonomie zu antworten. Entscheidend ist doch die Realität. Die Realität besagt, dass nicht einmal mehr 30 % der Arbeitgeber in der Pflege überhaupt in einem Tarifverbund organisiert sind. Wer schleift denn hier Tarifverträge? - Es ist doch gar nicht möglich in diesem Zusammenhang.
Sie glauben tatsächlich, -
Entschuldigen Sie. Sie glauben also tatsächlich, dass es so eine Art naturgesetzliche Entwicklung ist: Wenn auf der einen Seite etwas passiert, dann passiert es auch auf der anderen Seite? - Das kann ich vielleicht noch nachvollziehen, wenn ich einen Science-Fiction-Roman lesen würde. Allerdings war meine Frage: Wenn die Arbeitgeber sich nicht einmal mehr organisieren, hätten die Arbeitnehmer überhaupt keinen Ansprechpartner. Es wäre also erst einmal die Aufgabe, dass die Arbeitgeber sich in einem Arbeitgeberverband so organisieren, dass sie tariffähig werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Begeisterung für einen Bericht sieht anders aus, zumal der Minister es geschafft hat, einen Bericht in Rekordzeit zu halten. Man merkt, dass dies eigentlich etwas ist, mit dem man die Zukunft nicht gestalten kann - zumindest nicht mit dem Zukunftslabor. Wenn es doch beim Zukunftslabor darum geht, die berühmten Megatrends - und das hört sich doll an, und man kann damit wahrscheinlich jede „Weltspiegel“-Überschrift bestücken - herauszuarbeiten, will ich einmal auf drei Punkte eingehen.
Gehen wir zunächst einmal vom Gesundheitssystem aus: Die tollen Privatisierer der Bertelsmann Stiftung haben doch tatsächlich noch Anfang des Jahres vorgeschlagen, circa 20 % der Krankenhäuser in Deutschland zu schließen, weil sie überzählig seien. Wäre das umgesetzt worden, wäre es in der Coronakrise die nackte Katastrophe gewesen. Diesen Megatrend, sich neu darüber zu unterhalten, wie das Gesundheitssystem aufgestellt werden soll, brauchen wir in dieser Form nicht.
Der zweite Megatrend ist eben vom Kollegen Lars Harms angesprochen worden. Finnland hat den Versuch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen einmal durchgespielt. Sie sind dort zu dem Ergebnis gekommen: Es schafft nicht mehr Menschen in Arbeit und bringt in dem Sinne nichts. Es führt bei denjenigen, die ein Grundeinkommen bekommen, zu Zufriedenheit.
Den Effekt, den man sich davon versprochen hat, ist gleich null. Ich glaube, dass ein Zukunftslabor, wenn man es auf die Beine stellen sollte, andere Fragen bearbeiten müsste, zum Beispiel die Situation von armen Kindern in der Bundesrepublik Deutschland. Warum kommen wir nicht dazu, dass wir endlich die eigenständige Kindergrundsicherung umsetzen?
Dies wäre notwendig, und nicht, darüber zu fabulieren, warum Kinder arm sind. Es geht darum, ihnen aus der Armut herauszuhelfen.
Dritter Punkt: Warum reden wir über die Armut von alten Menschen? Warum setzen wir nicht die Grundrente um? Gerade jetzt fangen wir schon wieder an, die Grundrente infrage zu stellen, anstatt ganz konkret diese Projekte umzusetzen.
- Ja, das könnten wir doch in Berlin gemeinsam prima umsetzen. Wir sind auf einem anständigen Weg, besser als das Zukunftslabor, wenn man jetzt nicht anfinge, mit finanziellen Haken noch einmal wieder da hineinzugrätschen.
Leider reicht die Zeit nicht, um auch noch auf den Arbeitsmarkt einzugehen. Das ist doch eine Antwort, in einer konkreten Krise zu sagen: nicht 60 % oder 67 % Kurzarbeitergeld, sondern bis zu 90 %. Das sind die Antworten, die wir brauchen, und darüber muss man sich sozialpolitisch einen Kopf machen und nicht über ein Zukunftslabor, das über Megatrends forscht, die am Ende dann so gar nicht infrage stehen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Arbeit ist keine Ware, deren Preis und deren Bedingungen willkürlich festgelegt werden dürfen. Gute und faire Arbeitsbedingungen können nur entstehen, wenn starke Gewerkschaften mit den Unternehmen für ausgewogene Tarifentscheidungen sorgen.
Gute und faire Arbeitsbedingungen brauchen eine aktive Mitbestimmung im Betrieb und in den Aufsichtsgremien der Unternehmen. Zur Umsetzung guter Arbeit gehören beispielsweise auch zukunftsweisende Arbeitszeitkonzepte, Weiterbildung und Altersvorsorge, um nur einige Stichpunkte zu nennen. Dafür braucht es starke Gewerkschaften und Unternehmen, die bereit sind, sich an flächendeckende Tarifverträge zu halten. Denn flächendeckende Tarifverträge nützen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, weil sie damit einen guten Lohn und mehr Urlaubstage erhalten.
Flächendeckende Tarifverträge stärken die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zum Beispiel in dem Bereich der Entgeltgleichheit.
Flächendeckende Tarifverträge sind wichtig für Arbeitgeber, weil sie ein gutes Betriebsklima und motivierte Beschäftigte schaffen und für fairen Wettbewerb unter Unternehmen sorgen. Flächendeckende Tarifverträge stärken soziale Standards. Flächendeckende Tarifverträge sind ein wirksames Gegenmittel, um Egoismus, Dumpinglöhne und ruinösen Wettbewerb zu bekämpfen.
Wir wollen faire und gute Arbeitsbedingungen sichern, und das Schleifen des Tariftreue- und Vergabegesetzes durch die Jamaika-Regierung in Schleswig-Holstein war hier ein total falsches Signal.
Ein Signal, das dem Handeln von selbstherrlichen Egoisten und skrupellosen Unternehmern Vorschub leistet. Hierzu passt die aktuelle Meldung des Deutschen Gewerkschaftsbundes: Immer mehr „Armut trotz Arbeit“.
Viele Beschäftigte, gerade im Niedriglohnbereich, müssen neben ihrem Hauptjob noch einen Nebenjob haben, um über die Runden zu kommen. Nach aktuellen Daten ist die Zahl der Mehrfachbeschäftigten in Schleswig-Holstein von 2018 auf 2019 um über 4.000 auf knapp 117.000 angestiegen. Dies macht deutlich: Die prekäre Beschäftigung weitet sich aus, und das dürfen wir nicht weiter hinnehmen.
Hier wollen wir gegensteuern, und hier muss gegengesteuert werden. Wir wollen Egoismus und Skrupellosigkeit sowie Willkür in der Arbeitswelt überwinden. Wir wollen, dass alle von guten und fairen Arbeitsbedingungen profitieren und dass alle Unternehmen sich an flächendeckende Tarifverträge halten beziehungsweise sie mit den Gewerkschaften aushandeln.
Nur ein starkes Tarifsystem hilft gegen Niedriglohn und prekäre Beschäftigung. Dass in immer weniger Betrieben Tarifverträge gelten, hat eine immer stärkere Differenzierung von Löhnen und Gehältern zur Folge. In tarifgebundenen Unternehmen verdienen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 20 % mehr. Es ist also unerträglich, dass Unternehmen aus der Tarifbindung fliehen. Nicht einmal mehr 50 % der Unternehmen in Deutschland sind an Tarifverträge gebunden. Die Reichweite von Tarifverträgen ist in westdeutschen Bundesländern zwischen 1998 und 2018 um 19 Prozentpunkte gesunken.
Um diese Entwicklung umzudrehen, braucht es das Engagement des Staates, braucht es auch die Verantwortung des Landes Schleswig-Holstein. Das Land Schleswig-Holstein muss hier aktiv werden. Wir müssen die Unternehmen belohnen, die tarifgebunden sind, und den Dumpingwettbewerb bestrafen, indem öffentliche Aufträge und Fördergelder
Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 81. Sitzung - Donnerstag, 20. Februar 2020 6179
nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge anwenden.
Abschließend möchte ich noch einmal den Deutschen Gewerkschaftsbund zitieren:
„Wir brauchen mehr Druck auf die Privatwirtschaft und klare Kriterien in der Wirtschaftsförderung, zum Beispiel durch ein“
- wirksames
„Tariftreuegesetz.“
In diesem Sinne bitte ich Sie um Unterstützung für unseren Antrag. Ich finde, dass wir es den Beschäftigten und den Arbeitnehmern in Schleswig-Holstein schuldig sind, uns um ihre Arbeitsbedingungen ganz aktiv zu kümmern. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Ihre nach hinten gerichteten Folgerungen habe ich nun verstanden.
Ich will nur eine kurze Anmerkung machen. Die Zahlen, die ich genannt habe, sind von der Bundesagentur für Arbeit. Vielleicht sollte sich der Arbeitsminister auch einmal mit den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit auseinandersetzen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Diskussion von heute Morgen wird es nicht wundern, dass man solche Papiere aufmerksam liest, gerade wenn sie im Bündnis und mit breiter Beteiligung geschrieben werden, und man dann einmal schaut, welche Stichpunkte man findet.
Unter dem Stichwort Tarifbindung findet man zum Beispiel in dem Papier: Die sinkende Tarifbindung stelle eine solche ausgewogene Wirtschaftsentwicklung infrage. Das steht dort drin, das hat der Herr Minister gestern, als man dies vorgestellt hat, mit vorgestellt. Er sagt dann: Die Landesregierung wird sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen mit den Mitteln der Landespolitik fördern.
Nichts anderes haben wir heute Morgen beantragt und gefordert.
- Sie können ruhig krakeelen, nichts anderes haben wir beantragt. Wir haben gesagt: mit landespolitischen Möglichkeiten Tarifbindung stärken, Tarifbindung fördern. Wenn man dies heute Morgen ablehnt, es aber gleichzeitig in sein industriepolitisches Papier wieder hineinschreibt, dann ist das ein Zeichen von Unglaubwürdigkeit, und das ist etwas, was wir Ihnen natürlich ins Stammbuch schreiben müssen.
Also: Ich glaube, das ist nicht nur so, weil Gewerkschaften an diesem Kompromiss beteiligt sind, sondern man braucht diese Politik, um glaubwürdig für Tarifpolitik einzustehen.
Zweitens. Der Kollege Kilian tritt immer so forsch auf und kann alle gut maßregeln. Das ist auch ein schöner Zug, daran kann man sich abarbeiten. Eines muss er schon noch lernen: nicht nur gucken, was aktuell diskutiert wird, sondern auch - wie Herr Buchholz - einmal gucken, was früher gemacht worden ist. Was hat denn zum Beispiel die schwarzgelbe Landesregierung 2009 bis 2012 als Erstes gemacht? - Sie hat das beitragsfreie Kita-Jahr gestrichen. Ja, das war das Erste, was sie gemacht hat.
Was ist jetzt bei der Kita-Reform? Sie streichen das Krippengeld und das Kita-Geld. Das ist Ihre Politik. Sie stellen sich hier hin und tun so, als seien immer nur andere für etwas verantwortlich. Nein, da ist die eigene Nase näher, und die sollten Sie einmal packen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Feststellungen zu diesem Reformprozess: Ja, der Reformprozess war überfällig, und es ist notwendig, dass wir an diese Aufgabe - egal, in welcher Konstellation - herangehen.
Zweitens. Dieses Ergebnis ist unzureichend, und zwar schlicht und ergreifend deshalb, weil alles, was mit Inklusion zu tun hat, in diesem Gesetzentwurf unzureichend abgebildet ist. Es gibt keinen Plan, wie Inklusion umgesetzt werden soll.
Ich finde, das alles ist noch verheerender, weil Sie unseren Antrag, schon in der Evaluationsphase über Inklusionsprozesse zu diskutieren und Inklusion einzuarbeiten, in der Sitzung des Sozialausschusses
abgelehnt haben. Es ist also nicht so, wie Frau von Kalben hier sagte, dass man sich schon in der Evaluationsphase um Inklusion kümmern wird. Nein, Jamaika hat das abgelehnt.
Was bedeutet das in der Konsequenz, wenn man die Evaluationsphase bis 2024 laufen lässt? Das bedeutet fünf Jahre Stillstand bei der Inklusion in der frühkindlichen Betreuung. Das ist ein Skandal und geht überhaupt nicht.
Nein, ich will das noch an zwei, drei Punkten weiter aufziehen. - Vorhin hieß es ja, keiner wird in dem Reformprozess schlechtergestellt. Bis jetzt sind für Kinder, die Inklusionsbedarf haben und heilpädagogische Betreuung bekommen, keine Beiträge gezahlt worden. Die Eltern brauchten keine Beiträge für diese Kinder zu zahlen. In Zukunft müssen sie Beiträge zahlen, aber sie haben nicht mehr den automatischen Zugang zur Betreuung; denn Zugang haben sie nur, wenn die Voraussetzungen vorhanden sind. Das heißt, diese Eltern und diese Kinder werden schlicht und ergreifend schlechtergestellt.
Da kann mir doch keiner erklären, dass das hier ein Reformprozess ist, der mit Hurra aufgenommen werden muss. Nein, ganz im Gegenteil. Ich finde, Sie von Jamaika sollten sich dafür schämen, dass Sie Kinder mit Behinderungen ausgrenzen. Das ist die Folge dieses Gesetzentwurfs.
- Wenn Sie es mir nicht glauben, dann erinnere ich an die von vielen - ich finde, zu Recht - gelobte Anhörung, die wir durchgeführt haben. Dort hat der Verein ElternSTIMME Ihnen und uns allen doch ganz deutlich gesagt:
„Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Einrichtungen Kinder ablehnen oder den Vertrag kündigen dürfen, wenn sie aufgrund einer bestehenden oder drohenden Behinderung dort nicht bedarfsgerecht betreut werden können.
Dies verstößt gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.“
Das hat uns der Elternverband ElternSTIMME mit ins Stammbuch geschrieben. Sie tun so, als hätten Sie das nicht gehört, und lehnen unseren Antrag, mit dem wir versucht haben, das zu regeln, im Ausschuss auch noch ab. Also mitnichten haben Sie gut zugehört, und Sie haben es vor allem nicht umgesetzt. Das ist viel schlimmer.
Ja. Frau Präsidentin. - Ich hätte noch zwei, drei andere Punkte, aber für mich reicht das bisher Gesagte schon, um deutlich zu machen: Diesem Reformprozess kann ich so nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus dem allgemeinen Mindestlohngesetz, das zum 1. Januar 2015 in Kraft trat, wurden Jugendliche ausgenommen, um zu verhindern, dass Jugendliche anstelle einer Ausbildung einen Job ergreifen, in dem der Mindestlohn gezahlt wird.
Die SPD hat sich deshalb für eine Mindestausbildungsvergütung eingesetzt. Nun können wir mit
Stolz sagen: Die SPD hat sich bei der Mindestausbildungsvergütung durchgesetzt. Im Oktober hat der Bundestag den Azubi-Mindestlohn beschlossen.
Mit der Mindestausbildungsvergütung wird die Verpflichtung für angemessene Ausbildungsvergütungen endlich konkretisiert und im Berufsbildungsgesetz verankert. Auszubildende sind die Zukunft der Betriebe in unserem Land. Sie lernen und packen mit an. Ihre Leistung verdient deshalb Respekt und vor allem eine ordentliche Bezahlung.
Durch die Einführung der Mindestausbildungsvergütung können wir nun die Ausnahme von Jugendlichen beim Mindestlohn streichen. Das ist jetzt auch aktuelle Beschlusslage der Sozialdemokratie.
Kolleginnen und Kollegen, das Mindestlohngesetz hatte zunächst einen Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde vorgesehen. Heute liegt der Mindestlohn bei 9,19 € pro Stunde und steigt zum 1. Januar auf 9,35 € pro Stunde. Nach einer Studie von Arbeitsmarktexperten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat der flächendeckende Mindestlohn zu einer Lohnsteigerung von rund 10 % für die betroffenen Beschäftigten geführt. Die von vielen Lohndumpingexperten errechneten Arbeitsplatzverluste sind dagegen sehr gering ausgefallen und vor allem ausschließlich bei Minijobs aufgetreten. Vor diesem Hintergrund ist es richtig und notwendig, die Ungleichbehandlung von Jugendlichen unter 18 Jahren in Bezug auf den Mindestlohn zu beenden.
Das Jugendarbeitsschutzgesetz muss dabei weiterhin streng eingehalten werden. Die Einführung des Mindestlohns in Deutschland war eine überfällige Reform unserer Arbeitsmarktpolitik. Sie hat sich bewährt. Wo reguläre Arbeit geleistet wird, muss auch regulär gezahlt werden. Deshalb muss der Mindestlohn auch unabhängig vom Lebensalter gelten.
Ohne Mindestlohn besteht die Gefahr, dass Menschen ausgebeutet werden. Die Kreativität von Arbeitgebern, die den Mindestlohn umgehen wollen, ist sehr beeindruckend. Natürlich halten sich die meisten Unternehmer beziehungsweise Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber an den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Aber die Realität am Arbeitsmarkt kennt auch die Umgehung von Mindestlöhnen: durch gestrichene Zuschläge, durch weni
ger Urlaubstage oder zum Beispiel durch Überstunden, die nicht vergütet werden.
Aber auch Jugendliche sind heute schon bei der Umgehung des Mindestlohns von Tricks der Arbeitgeber betroffen. Da gibt es zum Beispiel den Praktikumstrick, in dem Arbeitsverhältnisse zu Praktika oder Volontariaten deklariert werden, obwohl es sich um Arbeitsverhältnisse handelt. Da gibt es aber auch den sogenannten SohnemannTrick. Da werden Minijobber angehalten, Familienangehörige unter 18 Jahren bei ihrem Arbeitgeber anzumelden, um die Ausnahmen für Minderjährige zu nutzen.
Diese Liste lässt sich fortsetzen, sind doch Arbeitgeber sehr findig darin, wenn es darum geht, die gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn zu umgehen. Auch darum ist es wichtig, die Ausnahmen für Jugendliche unter 18 Jahren zu beenden.
Dennoch muss klar sein: Mindestlöhne sichern nur das Mindeste. Gute Arbeit geht nur mit Tarifvertrag. Deshalb braucht es konkrete Maßnahmen und den politischen Willen, um die Tarifbindung in Deutschland zu erhöhen. Wir brauchen umfassende Tariftreueregelungen und eine wirksame Erleichterung von Erklärungen zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Das eine geht auf Bundesebene, das andere haben wir leider kontraproduktiv durch die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein erlebt. Das Schwächen des schleswig-holsteinischen Tariftreue- und Vergabegesetzes war ein Riesenrückschritt im Kampf für gerechte Löhne
und für die Stärkung der Rechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hier muss die Landesregierung endlich umsteuern. Die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehören nicht geschwächt, sondern gestärkt.
Die SPD tut es jedenfalls. Wir wollen die perspektivische Anhebung des Mindestlohns auf 12 €. Hier sollte die öffentliche Hand bei der Auftragsvergabe mit gutem Beispiel vorangehen. Dafür wollen wir auf Bundesebene ein Tariftreuegesetz mit einem Mindestlohn von 12 € schaffen.
Dem Antrag des SSW stimmen wir auf jeden Fall zu. - Vielen Dank.
Herr Präsident, vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf hier heute Abend noch eine Initiative des Europaausschusses erläutern. Wir haben bereits im Juli 2017 hier im Landtag einen interfraktionellen Antrag „Weitere Unterstützung für Minority-SafePack-Initiative“ diskutiert und mit allen Fraktionen beschlossen. Wir haben als Landtag diese Initiative der FUEN, deren Ziel ein verstärkter Minderheitenschutz in Europa ist, von Anfang an unterstützt. Das war für uns als ein Land, in dem allein drei von vier der nach dem Rahmenübereinkommen des Europarats geschützten Minderheiten in Deutschland leben, nämlich die Dänen, die Friesen und die Sinti und Roma, eine Selbstverständlichkeit.
In unserem Land hat die Minderheitenpolitik einen hohen Stellenwert über alle demokratischen Parteien und Fraktionen hinweg. Wir haben die Minderheiten unter den Schutz unserer Landesverfassung gestellt. Ihr Schutz und ihre Förderung ist fraktionsübergreifender Konsens in unserem Land. Das ist in Europa aber lange nicht so selbstverständlich wie bei uns in Schleswig-Holstein.
In Europa leben etwa 340 autochthone Minderheiten. Mehr als 100 Millionen Menschen gehören einer Minderheit oder einer Volksgruppe an. Es werden 60 Regional- oder Minderheitensprachen gesprochen. Jeder siebte EU-Bürger gehört einer autochthonen Minderheit oder einer Volksgruppe an. Die autochthonen nationalen Minderheiten sind Brückenbauer in Europa. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für gegenseitiges Verständnis und Frieden in Europa. Das können sie aber nur, wenn ihre Rechte anerkannt und durchgesetzt werden und ihr Schutz und ihre Förderung in den einzelnen Staaten gewährleistet sind.
Leider ist die Situation von vielen Minderheiten in europäischen Staaten bis heute eine andere. Diskriminierung und Ausgrenzung nehmen wieder zu. Deshalb und weil mit der Wahl zum neuen Europaparlament Rechtspopulisten, die Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten mit Füßen treten, noch stärker in der EU geworden sind, ist es so wichtig, dass die Belange der Minderheiten einen festen Platz in der europäischen Politik insgesamt und in der Arbeit der neuen Kommission im Besonderen erhalten.
Der Bürgerinitiative „Minority SafePack“ ist es gelungen, europaweit über 1,2 Millionen Unterschriften zu sammeln - ein großer Erfolg! Es ist ein Erfolg, der die neu eingesetzte Europäische Kommis
sion auffordert, die Rechte der Minderheiten zu stärken und in der Arbeit der Kommission wahrnehmbar zu verankern. Anfang 2020 werden die Unterschriften der Europäischen Kommission übergeben. Daher ist es gut und eine Bekräftigung unserer Unterstützung für diese Initiative, dass wir heute unser Bekenntnis zum aktiven Minderheitenschutz und zur engagierten Minderheitenförderung in Europa wiederholen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unserer heutigen Beratung liegt eine Beschlussempfehlung des Europaausschusses, Drucksache 19/1862, zugrunde - eine Beschlussempfehlung, die wir im Europaausschuss in großer Übereinstimmung gemeinsam erarbeitet haben. Ausgangspunkt war unsere interessante Ausschussreise nach Südtirol im September dieses Jahres. In intensiven, sehr kollegialen Gesprächen mit Landtagskollegen und Regierungsvertretern aus Südtirol war auch das Thema Minderheitenrechte und Minderheitenschutz von zentraler Bedeutung. Ein gemeinsames Ergebnis dieser Gespräche ist, dass wir, die Landtage von Südtirol und Schleswig-Holstein, uns für eine Unterstützung und Umsetzung der Bürgerinitiative „Minority SafePack“ aussprechen. Diesen Auftrag haben wir gern aufgenommen und im Europaausschuss zielgerichtet bearbeitet. Hierfür bedanke ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, weil dies alles wirklich in großer Gemeinsamkeit und mit viel Einsatz aller Beteiligten geleistet worden ist.
Ich will an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, mich beim Ausschussbüro zu bedanken. Die gute, ja perfekte Planung unserer Ausschussreise hat es uns ermöglicht, zu diesem Ergebnis zu kommen, viele gute Kontakte zu knüpfen und intensive Einblicke in die gesellschaftliche Realität Südtirols zu bekommen.
Auf dieser Grundlage können wir heute diesen Beschluss zur Stärkung der Minderheitenrechte fassen. Ich sage ausdrücklich: Herzlichen Dank, Herr Wagner, Frau Schönfelder und, für die perfekte Begleitung, Jan Diedrichsen.
Ich bitte Sie um Unterstützung.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Sie haben eben auch, wie Ihre Jamaika-Vorredner -
Das wäre schön, wenn man das so verstehen darf, dass Sie auch in Richtung Sechsstundentag gehen würden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist wichtig, auch noch einmal einzuordnen, in welcher Realität wir uns befinden. Nicht einmal mehr 50 % aller Betriebe haben überhaupt noch tarifvertragliche Bindungen. Nicht einmal mehr 50 % der Betriebe auch in Schleswig-Holstein haben vertragliche Bindungen mit Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertretungen.
Wenn man sich dann hier hinstellt und sagt, das könnten doch die Tarifverträge regeln und das könnten die Gewerkschaften aushandeln, dann muss ich sagen: Nein, wir sind im Moment in einer Situation, dass dies in vielen Bereichen, in denen es keine Tarifverträge mehr gibt, gar nicht mehr möglich ist.
Zweitens. Hier wird immer so freundlich gesagt, es sei doch ergebnisoffen, wie man verhandele. Aber wie sieht denn die Realität aus? Die 12-StundenNachtschicht einer Krankenschwester, ob nun beim UKSH oder an einem anderen Krankenhaus in Schleswig-Holstein, ist Realität. Da geht es gar nicht um acht Stunden oder die Ausnahme, die Herr Kilian hier so wunderschön für die Hochzeitsfeier auf dem Land beschrieben hat. Nein, für die ist das Realität, und zwar jede Nacht, in der diese Krankenschwester arbeiten muss: 12 Stunden. Da kommt gar keiner auf die Idee zu sagen: „Ach komm, mach mal hier!“ oder was weiß ich, was Sie dazu erzählt haben. Nein, Sie konstruieren einfach Geschichten, damit Sie es nach hinten aufweichen können, damit Sie in diesem Bereich eine Loslösung bekommen können.
Ja, gern.
Ach, Mensch! Man kommt immer raus, wenn man gerade so schön drin ist. Aber bitte schön.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass Sie ein Restaurant in Schleswig-Holstein kennen. Ich möchte Ihnen aber vorschlagen, sich in wei
teren Restaurants und vielleicht auch einmal mit dem Hotel- und Gaststättenverband zu unterhalten. Es geht hier um ein tagtägliches Problem sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Es findet in Abstimmung beider Seiten miteinander tagtäglich eine Verschiebung der Arbeitszeitgrenzen statt, obwohl das eigentlich nicht legal ist. Dieses Problem ist der SPD auf Bundesebene sicher auch bekannt. Ich wüsste sonst nicht, warum darum im Koalitionsvertrag eine Regelung geschaffen werden sollte.
- Trotzdem bleibt für Sie das Nachdenken darüber, wie Sie dann den massenhaften Gesetzesbruch eindämmen wollen. Sie gehören zu einer Rechtsstaatspartei. Ich kann mir vorstellen, dass Sie auch daran arbeiten, dass Rechtsbruch nicht mehr stattfindet. Wenn Sie sich damit beschäftigen, haben Sie vielleicht erst einmal genug zu tun.
Ich will aber darauf hinweisen -
Ach so!
Es ist schwierig am Anfang.
- Genau das ist eine der Folgen. Wir müssen dafür sorgen, dass genau dieses mehr kontrolliert wird. Aber wir bräuchten auch eine starke Interessenvertretung im Bereich der DEHOGA, und zwar nicht nur durch die Arbeitgeber, sondern auch durch die Arbeitnehmer. Denn genau dort fehlen ganz viele Tarifverträge und tarifvertragliche Vereinbarungen.
Ich habe zwar viele Rechte, aber ich habe auch das Recht, mir eine Zwischenfrage meines Fraktionsvorsitzenden zu wünschen. Also bitte schön.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass ich hier das Rederecht erteile.
Es geht hier nicht darum, die Redezeit von Herrn Baasch auszudehnen, indem Steilvorlagen aus der eigenen Partei gegeben werden. Zwei habe ich zugelassen. Jetzt lasse ich es nicht mehr zu. - Herr Baasch, ich möchte Sie bitten fortzuführen. Sonst entziehe ich Ihnen jetzt das Wort.
Liebe Frau Präsidentin, warum Sie mir androhen, das Wort zu entziehen, geben, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Aber ich werde trotzdem mit meinem Dreiminutenbeitrag fortfahren und auf zwei
Punkte hinweisen. Das eine bezog sich auf die Realität. Ich habe von der Krankenschwester gesprochen, dass es Realität ist, dass sie nachts 12-Stunden-Schichten macht, aber auch tagsüber, vor allem aber, was ich sehr belastend finde, 12 Stunden Nachtschicht. Natürlich sind auch in anderen sozialen Berufen geteilte Dienste, wo man morgens zwei, drei Stunden arbeitet, dann am Nachmittag oder am Abend noch einmal zwei oder drei Stunden arbeiten muss, Realität. Gehen Sie mal in ein Pflegeheim! Schauen Sie sich doch an, wie die Arbeitsbedingungen in einem Pflegeheim sind!
Deshalb, glaube ich, muss man andere Regelungen finden.
Ich will noch einmal das Jahr 1994 aufgreifen. Der Kollege Dunckel hat schon gesagt, dass sich die Arbeitsgesetzgebung verändert hat. Aber das ist nur die eine Wahrheit. Wir haben 1994 nie über Burnout, ausgebrannte Arbeitnehmer in diesem Sinne geredet. Auch das hat sich entwickelt. Wir müssen den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer viel stärker in den Blick nehmen. Genau das ist etwas, was wir in die Arbeitsgesetzgebung aufnehmen sollten.
Dann will ich noch an 1919 erinnern. 1919 war ein wichtiges Jahr in der deutschen Geschichte, nicht nur, weil wir das Frauenwahlrecht und die erste Demokratie bekommen haben. Es wurde auch der VFB Lübeck gegründet. Es ist die Arbeiterwohlfahrt gegründet worden, also ein ganz wichtiges Jahr. Aber es ist auch der Achtstundentag eingeführt worden. Ich finde, es ist notwendig, heute darüber zu reden, dass wir den Achtstundentag infrage stellen und sagen, sechs Stunden vielleicht in einer 30-Stunden-Woche sind gut. Oder wenn wir auf vier Tage in der Woche gehen, sind auch 7,5 Stunden an vier Tagen in der Woche in Ordnung. Ich glaube, in diese Richtung für Familienfreundlichkeit, aber auch für Arbeitssicherheit und die Zufriedenheit von Arbeitnehmern muss man diskutieren.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt und die Feststellung, dass Arbeit ein wesentlicher Schlüssel für die gesellschaftliche und soziale Teilhabe ist, sind nach wie vor richtig. Das letztere gilt natürlich auch für geflüchtete Menschen. Geflüchtete, die nach Deutschland zugewandert sind, müssen eine Chance erhalten, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Berufsausbildung und Arbeit sind hierbei hervorragend geeignet, die Integra
tion von Geflüchteten in unsere Gesellschaft zu erleichtern.
Ich freue mich sehr über die aktuellen Zahlen, dass so viele Geflüchtete eine Arbeit und vor allem eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden haben. Das ist ein Erfolg für unsere Gesellschaft, und ich möchte mich bei allen, die sich um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten bemühen, bedanken.
Viele Unternehmen - gerade auch die vielen kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein - berichten von guten Erfahrungen mit den neuen Kolleginnen und Kollegen. Sie leisten einen Großteil dieser sehr wichtigen integrativen Arbeit.
Deren Erfahrungen gilt es aufzugreifen und den geflüchteten Menschen den Weg in ihr neues Leben zu erleichtern. Geflüchtete Menschen müssen dabei viele Hürden und Herausforderungen überwinden beziehungsweise meistern. Die Zugewanderten müssen die deutsche Sprache erlernen und sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt orientieren, der anders als in ihren Heimatländern funktioniert. Sie müssen Zeugnisse oder Nachweise beschaffen, um Vorqualifikationen anerkannt zu bekommen. Sie müssen ihre Kenntnisse immer und immer wieder nachweisen. All dies erschwert die Integration.
Die Zugewanderten müssen auch weitere Angelegenheiten organisieren, um an einer Berufsqualifikation oder Arbeit teilzunehmen. Dazu gehört zum Beispiel die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes, was im ländlichen Raum oft eine große Hürde ist, wenn man auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen ist. Die Organisation der Kinderbetreuung ist ebenfalls eine große Herausforderung, um konzentriert an einer Berufsvorbereitung oder Ausbildung teilzunehmen. Darum brauchen geflüchtete Menschen bei der Arbeitsmarktintegration eine gute Beratung und Unterstützung, die es ihnen erleichtern, eine Berufsausbildung, eine Qualifizierung oder eine Arbeit aufzunehmen.
Unser Ziel muss es sein, die Integrationschancen von jungen Flüchtlingen in Ausbildung und die Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Flüchtlingen in Arbeit durch Beratung und Unterstützung zu fördern. Das schon angesprochene Projekt HAYATI zum Beispiel, das weiblichen
Flüchtlingen mit Kindern Unterstützung und Hilfe anbietet, hat sich bewährt, um diese an den deutschen Arbeitsmarkt heranzuführen. Schade ist, dass dieses Projekt nicht landesweit angeboten wird. Wir haben von den vier Standorten gehört, aber man könnte es ausweiten.
Beratung und Unterstützung nimmt auch das neue Förderprogramm Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen - AmiFlü - in den Fokus. Mit diesem Programm sollen Projekte initiiert werden, die die individuelle Ausbildung und Beschäftigungsfähigkeit von Geflüchteten stärken. Diese Projekte, die dann ab Anfang 2020 in Schleswig-Holstein ihre Arbeit aufnehmen, werden hoffentlich dazu beitragen, die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu stärken.
Natürlich gibt es an diesem Projekt auch etwas zu kritisieren - darauf werden Sie gewartet haben, wenn die Opposition zu dem Bericht des Ministers Stellung nimmt. Ich will es ganz deutlich sagen: Ich halte es für einen Fehler, dass diese Projekte nur zu 90 % vom Ministerium gefördert werden. Die restlichen 10 % müssen die Träger der Projekte als Eigenmittel oder aus Drittmitteln aufbringen. Gerade in ländlichen Gebieten, wenn Fahrtkosten entstehen und eventuell eine individuell angepasste Kinderbetreuung organisiert werden muss, können die finanziellen Mittel für einige Projekte sehr schnell sehr knapp werden.
Des Weiteren mussten wir mit dem Blick in den aktuellen Haushaltsentwurf der Jamaika-Koalition feststellen, dass die Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt um 730.000 € gekürzt werden. Das ist eine stattliche Summe, die nicht mehr zur Verfügung stehen soll. Auch wenn ein Projekt nicht so funktioniert, wie es eingeplant war, hätte man das Geld trotzdem für andere Projekte in diesem Bereich belassen können. Wenn 8.000 Menschen, arbeitslose Geflüchtete, noch da sind - um die Zahlen des Ministers aufzugreifen - und darauf warten, dass sie Unterstützung bekommen, ist es komplett unvorstellbar, dass in diesem Bereich in dieser Größenordnung gespart werden wird.
Für die SPD ist und bleibt die Arbeitsmarktintegration ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe von zugewanderten Menschen. Hier dürfen wir nicht nachlassen und schon gar keine Sparhaushalte fahren. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will ein Thema aufgreifen, das meine Kollegin Midyatli nur kurz gestreift hat. Der Ansatz von Kindergartenarbeit beziehungsweise frühkindlicher Bildung ist natürlich der Bildungsauftrag. Der Bildungsauftrag ist auch im Kindertagesstättengesetz zentral festgeschrieben. Das, finde ich, ist auch gut und richtig so.
Aber es gibt auch die UN-Behindertenrechtskonvention, die ein einbeziehendes, inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen fordert. Das heißt, das gilt auch für Kindertageseinrichtungen. Deswegen ist es verstörend, ja geradezu empörend, dass Inklusion in dieser Kita-Reform fast keine Rolle spielt. Das Ziel der Landesregierung, für jedes Kind einen gesicherten Zugang zu bedarfsgerechter Kindertagesbetreuung zu gewährleisten, muss natürlich auch für Kinder mit Behinderung gelten.
Ich bin daher dankbar für die Stellungnahme des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung. Das ist ja eine der wenigen Stellungnahmen, die wir vonseiten Landesregierung aus dem Bereich der Behindertenhilfe bekommen haben. Der Landesbeauftragte fasst zumindest meine Empörung über diesen Gesetzentwurf zur Kita-Reform in einem sehr nüchternen Satz zusammen - ich zitiere -:
„Leider ist mit dem Gesetzentwurf die Chance verpasst worden, Inklusion und Teilhabe für alle Kinder konsequent umzusetzen.“
Wenn das kein Makel dieses Gesetzentwurfs ist, dann weiß ich nicht, wie man einen Makel beschreiben sollte. Insoweit sollte man mit dem Abfeiern von Gesetzentwürfen vorsichtig sein.
Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände macht in ihrer Stellungnahme deutlich, dass, wenn es darum geht, die pädagogische Qualität nicht nur zu sichern, sondern sie auch weiterzuentwickeln, die Förderung von Kindern mit Behinderung, mit Beeinträchtigung, mit Benachteiligung in der Kita-Reform aufgegriffen werden müsse, damit Teilhabe und individuelle Hilfen ge
währleistet werden und dies auch finanziell abgesichert ist. Natürlich braucht es dafür auch finanzielle Ressourcen. Darüber wird aber in der Kita-Reform nicht geredet. Es wird auch nicht nach vorn gestellt, dass man sich um den Teil der Kinder mit Behinderung bemüht.
Ich finde es empörend, dass zehn Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention die Teilhabe und die Bildung von Kindern mit Behinderung in einem solch zentralen Gesetzesreformvorhaben der Landesregierung einen derart marginalen Stellenwert hat.
Ich sage ganz deutlich: Kinder mit Behinderung brauchen Teilhabe. Familien, die mit Kindern mit Behinderung leben, brauchen unsere Unterstützung. Diese wird durch die Kita-Reform nicht gewährleistet. Das ist kein Wunsch und kein Versprechen, sondern die Umsetzung von Inklusion sollte für uns alle auch im Rahmen der Kita-Reform Verpflichtung sein.
Deswegen werden wir das im Rahmen der Ausschussberatungen nacharbeiten müssen. Ich hoffe hierbei auf die Einsicht der Jamaika-Koalition.
Vielen Dank für die Flexibilität. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist es so, dass man doch noch einmal mit falschen Vorstellungen in Bezug auf die Abläufe aufräumen muss.
Zu der Aussage, dass sich keine Landesregierung vorher daran getraut habe: Ich will nur daran erinnern, was die SPD in den letzten 20 Jahren in diesem Bereich gemacht hat.
Von 2009 bis 2012 gab es eine andere Landesregierung. Eines der zentralen Versprechen in der Regierungserklärung damals war die Vereinheitlichung der Sozialstaffel, die man sich von 2009 bis 2012 als zentrales Thema vorgenommen hatte. Deswegen hat man den Kindergartenbereich in das Bildungsministerium überführt. Der Kollege Klug, der damals für die FDP den Kindergartenbereich betreute, ist schlicht und ergreifend an der einheitlichen Sozialstaffel gescheitert. Er hat nichts auf den Weg gekriegt.
Man soll also nicht sagen, dass es nie versucht worden sei. Sie haben es versucht, sind aber kläglich gescheitert.
- Ja, natürlich, wir haben angefangen, die Elternbeiträge zu vereinheitlichen und in diese Struktur hineinzukommen. In dieser Debatte wird immer wieder gesagt, dass die Menschen mit Transferleistungen freigestellt werden. Das haben wir schon in der Küstenkoalition geregelt.
Transferleistungsempfänger zahlen keine Kita-Gebühren. Dass Sie sich das jetzt noch einmal groß in Ihre Rechnung eintragen, ist eine Mogelpackung. Man muss das jetzt sagen, weil hier immer erzählt