Protocol of the Session on August 27, 2020

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Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich begrüße Sie alle sehr herzlich und eröffne die heutige Sitzung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Erkrankt sind die Kollegen Christopher Vogt und Jan Marcus Rossa. Wir wünschen von hier aus gute Besserung.

(Beifall)

Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind der Ministerpräsident in der Zeit von 11 Uhr bis 13 Uhr und Minister Dr. Heiner Garg am Nachmittag beurlaubt. Der Abgeordnete von Pein hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung verhindert ist.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 44 und 49 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Perspektiven für Galeria Karstadt Kaufhof entwickeln

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2333

b) Trendwende für die Innenstädte und Ortszentren in Schleswig-Holstein einleiten - Zukunftsräume und kommunale Identitätsanker schaffen!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2344

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Serpil Midyatli.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Prioritäten setzen, das ist gerade in Krisenzeiten so wichtig. Ich habe - wie viele Kolleginnen und Kollegen auch - die Sommerzeit genutzt, um im Land unterwegs zu sein. Kolleginnen und Kollegen, schöne Bilder mit Pferden kann ich nicht bieten. Auch musste ich nicht meine Kochkünste weiter verfeinern. Meine Priorität und volle Aufmerksamkeit haben die Menschen in diesem Land.

(Beifall SPD - Unruhe)

Wichtig war mir, mir ein Bild der Lage zu machen und zu fragen: Wie hat unser Konjunkturprogramm gewirkt?

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- Ich weiß, es ist 9 Uhr, das ist eine ungewöhnliche Uhrzeit. Trotzdem würde ich gern fortfahren.

Wie hat unser Konjunkturprogramm gewirkt? Vor allem: Wo gibt es weiteren Unterstützungsbedarf? Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wo sind krisenbedingt Arbeitsplätze in Gefahr? Ein Beispiel ist besonders dramatisch, nämlich die Ankündigung des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof - Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir zu sagen, für meine Generation bleibt das Karstadt -, alle Häuser bis auf eines in Schleswig-Holstein zu schließen. Diese Ankündigung hat die Beschäftigten hart getroffen. Man muss es sich einmal vorstellen: Gerade ist man aus dem Lockdown heraus, die Geschäfte und Kaufhäuser haben wieder geöffnet, und es kommt die Ankündigung: Hier wird dichtgemacht.

Ich habe Betriebsräte in Flensburg und Lübeck getroffen. Viele Häuser beschäftigen übrigens zu 90 % Frauen. Zwei Frauen sitzen hier im Parlament, die selbst einmal bei Karstadt Erfahrungen machen durften, weil sie kurz dort gearbeitet oder ihre Ausbildung gemacht haben. Die Beschäftigten lieben ihren Job, und sie hätten gern mehr von der Landesregierung gesehen.

(Beifall SPD)

Sie haben aber nur das Nötigste getan und den Kampf um die Arbeitsplätze erst gar nicht aufgenommen.

Dass es anders geht, zeigen Berlin und NordrheinWestfalen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Da haben sich die Landesregierungen nämlich reingehängt. In Berlin werden dadurch nur noch zwei statt sechs Filialen geschlossen, und in Nordrhein-Westfalen gibt es ein Sofortprogramm in Höhe von 70 Millionen € für die Kommunen, damit Investitionen in die Innenstädte unterstützt werden. In Schleswig-Holstein gibt es noch nichts.

Dabei geht es nicht nur um Karstadt, das muss uns allen klar sein. Das ist ein Symbol für das lange Sterben vieler Innenstädte im Land: Leerstände, zurückgehende Besucherzahlen, einbrechende Umsätze. Das gibt es tatsächlich schon seit Jahren. Die Coronakrise verschärft den Druck auf den Einzelhandel. Viele Einzelhändler in Schleswig-Holstein, das haben der UV Nord, aber auch der Präsident der IHK zu Kiel bestätigt, gehen davon aus, dass sie 20 % bis 30 % ihrer Umsätze verlieren werden. Be

Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 91. Sitzung - Donnerstag, 27. August 2020 6947

troffen sind selbst Städte wie Kiel und Lübeck, die mit kluger und ambitionierter Stadtentwicklung scheinbar die Trendwende geschafft haben. Die Innenministerin durfte sich gerade ein Bild davon machen. Auch dort sieht man sich mit zunehmenden Leerständen konfrontiert. Die größte Gefahr aber ist der Dominoeffekt. Wenn immer mehr Publikumsmagneten aufgeben müssen, dann sinkt die Gesamtzahl der Besucherinnen und Besucher.

Ich selbst habe lange als Kommunalpolitikerin in Kiel diverse Programme und Konzepte für den Einzelhandel und die Entwicklung wie zum Beispiel Soziale Stadt mitentwickelt. Wir haben bereits viele gute Instrumente in diesem Land, das weiß ich. Jede Stadt in Schleswig-Holstein, die etwas auf sich hält, hat mittlerweile ein integriertes Stadtentwicklungskonzept. Wir sehen das in Eckernförde, Schleswig und jetzt gerade in Husum. Das heißt, wir haben gute Instrumente. Sie haben bisher auch sehr gut funktioniert.

Wichtig ist dabei, dass wir jetzt aufgrund der Coronaverschärfungen diese Programme noch einmal neu justieren müssen. Vor allem aber geht es darum, dass viele Programme, die wir bisher hatten, von den Kommunen kofinanziert werden. Das heißt, nicht alle sind in der Lage, die Programme voll auszuschöpfen. Es gibt immer noch große Steine, die die Kommunen nicht selbst aus dem Weg räumen können. Das wissen wir, weil wir selbst oftmals diese Erfahrung gemacht haben.

Wie gesagt, jetzt fegt Corona mit voller Wucht die bisherigen Planungen davon. Wir müssen in erster Linie die Instrumente angesichts der neuen und unvorhersehbaren Herausforderungen anpassen. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung zur Rettung der Innenstädte in Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD)

Dies kann das Land koordinieren. Wir waren in der Krise immer dann erfolgreich, wenn wir schnell und unbürokratisch geholfen haben. Das weiß auch der Wirtschaftsminister, das waren auch meine Rückmeldungen. Die Soforthilfen waren super. Da hat das Land schnell reagiert und diese schnell umgesetzt. Das Kurzarbeitergeld war ein super Zeichen für die Wirtschaft, aber auch für die Angestellten, um Sicherheit zu schaffen. Wie gesagt, das schafft vor allem für die Wirtschaft Sicherheit, aber auch für die Arbeitsplätze.

Genau darum geht es auch in unserem Antrag, nämlich um Sicherheit. Wir wollen die Zukunft unserer Innenstädte sichern, und dafür brauchen wir kluge Konzepte.

(Beifall SPD)

Vor allem dürfen wir nicht mehr länger Trends hinterherlaufen. Vielmehr müssen Schleswig-Holsteins Innenstädte und die Kommunen selbst neue Trends setzen und gemeinsam neue Wege gehen, zum Beispiel mit bezahlbarem Wohnraum auch in den Innenstädten. Holland macht es vor, es ist möglich.

(Beifall SPD)

Die Baugenossenschaften sind bereit dazu, das gemeinsam mit uns anzugehen, denn die Eins-a-Lagen können sich die Genossenschaften zum Beispiel gar nicht leisten. Gerade jetzt muss in die Innenstädte investiert werden. Wir haben auch aus den vorherigen Krisen gelernt: Gegenansparen nützt in der Krise gar nichts. Hier braucht es kluge Konzepte, die wir - wie gesagt - in vielen verschiedenen Städten im Land schon sehen können, aber gerade jetzt ist die Not besonders groß.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben Ihnen einen Sieben-Punkte-Plan vorgelegt. Nicht mit allen Punkten müssen Sie einverstanden sein. Gern sind wir bereit, neue Punkte von Ihnen aufzunehmen, denn die Sorge der Innenstädte ist tatsächlich sehr groß. Vor allem müssen wir es schaffen, das, was gerade in der Krise an Innovationen und neuen Ideen geschaffen wurde, zum Beispiel wie man online und offline zusammenbringen kann, tatsächlich zu nutzen. Kiel hat dies ebenso wie andere Städte in Schleswig-Holstein vorgemacht. Vor allem hat diese Krise gezeigt, dass das Motto „Support your Locals“ wie eine Welle durch dieses Land gezogen ist. Es gibt auch in der Bevölkerung ein großes Bedürfnis, hier gemeinsam für die lokalen Händlerinnen und Händler einzustehen. Dafür braucht es aber kluge Konzepte, und ich bin davon überzeugt, dass dies gelingen kann.

(Beifall SPD)

Jetzt ist genau die Zeit, sich zu verbünden und im Land einen Pakt im Interesse der Innenstädte und aller Ortszentren zu schließen. Lassen Sie uns gemeinsam unsere Innenstädte neu erfinden! Dort entsteht Identität. Dort entsteht Zusammengehörigkeitsgefühl. Lassen Sie uns gemeinsam dieser Krise etwas Positives abringen! Das hat die Pandemie nämlich auch gezeigt: wie stark der Zusammenhalt in unserem Land ist. Wir schaffen das! Dann entstehen auch neue Arbeitsmöglichkeiten, und so gibt es auch wieder Perspektiven für die Karstadt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter.

(Beifall SPD)

(Serpil Midyatli)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Peter Lehnert das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Uhr hier stehen sechs Minuten. Ist das richtig?

Sieben.

Ja. Es waren aber eben sechs.

(Martin Habersaat [SPD]: Das ist ja ein Skandal!)

- Muss ich auch sagen. Vielen Dank für die Unterstützung!

(Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ära der Kaufhäuser alter Prägung neigt sich dem Ende zu. Diese Erkenntnis ist nicht neu; viele wollten sie nur nicht als neue Realität zur Kenntnis nehmen. Insbesondere die ständig wechselnden Eigentümer von Galeria Karstadt Kaufhof sind traurige Beispiele dafür, wie wiederholt verfehlte unternehmerische Entscheidungen jetzt auf dem Rücken und zulasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetragen werden.

Umso dankbarer sind wir unserer Landesregierung für die schnelle Reaktion und den Einsatz für einen umfangreichen Dialog aller Beteiligten.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Aha?)

Mit den angekündigten Transfermaßnahmen und weiterer Unterstützung aus den Bereichen Landesplanung und Städtebauförderung wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Perspektive aufgezeigt und die Schaffung neuer, zukunftssicherer Arbeitsplätze aktiv unterstützt. Insofern ist der Appell an die Landesregierung, gemeinsam mit den Kommunen strategische und konzeptionelle Handlungsgrundlagen für eine zukunftsgerechte Entwicklung und Neuaufstellung der Innenstädte und Ortszentren in Schleswig-Holstein voranzubringen, eine Unterstützung der bisherigen Arbeit des Innenministeriums, insbesondere bei der Städtebauförderung.