Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

Mit Hilfe des Bundes und des Landes gelingt es den Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein zunehmend, sich aktiv dem Strukturwandel in ihren

Innenstädten zu stellen und attraktive Zukunftsprojekte zu entwickeln.

Die Städtebauförderung bewegt sich seit Jahren auf einem sehr hohen Förderniveau. Allein für dieses Jahr stehen in Schleswig-Holstein insgesamt mehr als 42 Millionen € aus Bundes- und Landesmitteln dafür zur Verfügung. Dies hilft unseren Städten und Gemeinden bei der Bewältigung von demografischen und wirtschaftlichen Strukturveränderungen und sichert die Weiterentwicklung und Attraktivität der innerörtlichen Infrastruktur.

Dabei sind es die Kommunen, die in örtlicher Eigenverantwortung wesentliche Entwicklungsimpulse in den Bereichen Wohnen und Gewerbe setzen. Grundlage dafür ist vielfach ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept, das die Menschen in ihrem direkten Lebensumfeld abholt und durch deren aktive Mitgestaltung positiv beeinflusst wird. Zugleich bedeutet Städtebauförderung regionale Wirtschaftsförderung, indem die öffentlichen Finanzmittel und die dadurch initiierten privaten Folgeinvestitionen ein Motor für die regionale und lokale Bauwirtschaft sind.

Mit einer sichtbaren Abnahme der frequenzbringenden Leitfunktion des Handels sehen wir aktuell eine Veränderung der Funktionsmischung in vielen Stadtzentren. Trotz dieser Entwicklung wird der Handel auch weiterhin neben einer erforderlichen neuen, multifunktionalen Nutzungsmischung zwischen öffentlichen Einrichtungen, Gastronomie, Einrichtungen für Freizeit und Gesundheit, CoWorking-Spaces, urbanem Kleingewerbe sowie Wohnen eine wichtige Bedeutung für den Erhalt lebendiger und attraktiver Innenstädte haben.

Die Städtebauförderung zielt dabei nicht unmittelbar auf die Finanzierung privater Investitionen; es ist vielmehr ein mittelbarer Effekt bei der Umsetzung städtebaulicher Gesamtmaßnahmen, dass sie entsprechende private Investitionen mit anstößt. Die Städtebauförderung wurde deshalb in diesem Jahr im Sinne einer Vereinfachung und Erhöhung der Flexibilität neu aufgestellt. Die Zahl der Förderprogramme wurde von sechs auf drei reduziert - unter Beibehaltung der bisherigen Förderinhalte.

Dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag folgend wurde das Förderinstrument in Abstimmung mit den Ländern umfassend weiterentwickelt. Die Umstrukturierung soll die Städtebauförderung flexibler und unbürokratischer werden lassen und dabei helfen, dass Fördermittel gezielter eingesetzt werden können. Dabei wurden die Programme inhaltlich an die aktuellen Gegebenheiten angepasst, um auf die

unterschiedlichen lokalen Problemlagen zielgenauer eingehen zu können.

Städte sind ein Spiegelbild ihrer Gesellschaften. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Veränderungen werden hier früher oder später räumlich sichtbar. Städte sind daher in stetem Wandel. Früher gab es in den Städten getrennte Orte der Versorgung, der Arbeit, der Freizeit und des Wohnens. Doch heute vermischen sich diese Funktionen: Handelsflächen werden auch zu Erlebnisorten. Innenstädte werden durch vielfältige Nutzungen interessanter und attraktiver.

In einem modernen Zentrum als Kern dieser Entwicklung kann alles unter einem Dach möglich sein: Begegnung und Austausch in einer Markthalle mit gastronomischen Erlebnispunkten, eine Eventfläche für Workshops, Co-Working-Bereiche für Freiberufler und andere Homeoffice-Müde. Weitere Angebote wie Fitnesscenter, Banken und Fachhändler runden dieses Angebot ab.

Damit die Innenstädte diesen veränderten Anforderungen in Zukunft gerecht werden können, bedarf es daher aus politischer Sicht zweierlei: Zunächst braucht es eine strukturierte Städtebauförderung, wie ich sie beschrieben habe. Dazu gehört eine Landesplanung, die rechtlich und tatsächlich für die Innenstädte die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Des Weiteren bedarf es der maßvollen und zukunftsgewandten Umsetzung der Planungshoheit durch die betroffenen Kommunen. Beides muss Hand in Hand gehen.

Wie ausgeführt: Das Land hat insoweit in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet. An dieser Stelle geht noch einmal mein Dank an das zuständige Innenministerium. Deswegen bedanke ich mich auch für die Möglichkeit, diese erfolgreiche Regierungsarbeit heute noch einmal ausführlich darstellen zu dürfen.

Ich beantrage für unsere Fraktion die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend in den Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Joschka Knuth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Midyatli, ob mit Pferden oder mit Maurerkelle ist doch ehrlicherweise ziemlich egal.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Deutlich wichtiger ist doch: Die Ankündigung von Galeria Karstadt Kaufhof, vier der fünf Filialen in Schleswig-Holstein zu schließen, war im Juni unbenommen ein harter Schlag für alle Betroffenen. Mitten in den vorsichtigen Aufbruch aus den gerade für den Handel und die Innenstädte wirklich schwerwiegenden coronabedingten Einschränkungen kam die Nachricht des finalen Aus. Gerade in diesen Zeiten und für die Beschäftigten bei Galeria Karstadt Kaufhof ist das Aus besonders hart: Viele von ihnen haben lange bei dem Unternehmen gearbeitet, oftmals ein ganzes Berufsleben lang. Bedingt durch die Coronapandemie ist die Situation am Arbeitsmarkt, vorsichtig gesprochen, schwierig, insbesondere im Einzelhandel.

Auch in den Familien und im gesellschaftlichen Leben stellen sich infolge der Coronapandemie viele neue Herausforderungen ein. All das wird jetzt noch verstärkt durch den drohenden Arbeitsplatzverlust. Deshalb war es so wichtig, dass das Wirtschaftsministerium direkt nach der Schließungsankündigung den Dialog mit allen Beteiligten gesucht hat, dass insbesondere auch die Geschäftsführung, die Gewerkschaften und die Arbeitsagentur an den Tisch geholt werden, um bestmögliche Lösungen und Übergänge zu gestalten. Genau dafür hat sich die Landesregierung initiativ eingesetzt.

Natürlich ist es bedauerlich und vor allem auch zu kritisieren, dass die Geschäftsführung von ihrer Planung nicht abweichen möchte, anders als in anderen Ländern. Aber der Landesregierung vorzuwerfen, sich nicht gekümmert zu haben, ist an dieser Stelle wirklich grundfalsch, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Wir als Koalition senden auch hier und heute das klare Signal: Wir wollen gemeinsam mit den Betroffenen weiter an Lösungen arbeiten und einen Übergang für diese schwierige Zeit finden und gestalten. Wir haben selbstverständlich immer ein offenes Ohr für alle Betroffenen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Peter Lehnert)

Für die Städte gilt derweil: Auch für sie stehen Förderprogramme zur Verfügung und werden oftmals sogar von den betroffenen Gemeinden bereits genutzt. Vor allem aber gilt: In keiner Stadt darf man wirklich über den Rückzug von Galeria Karstadt Kaufhof überrascht sein. Das Geschäftsmodell war und ist überholt. Dieses Geschäftsmodell ist nicht wettbewerbsfähig und vor allem nicht zukunftsfähig. Das Unternehmen hat keine Antworten auf ein sich veränderndes Konsumverhalten gefunden. Das Unternehmen hat sich weder spezialisiert, noch kann es mit einer besonderen Preisstruktur aufwarten. Wir sehen weder eine besondere Qualität der Produkte noch eine Antwort auf den zunehmenden Onlinehandel. Dieses Geschäftsmodell hat - Stand heute - die Zukunft und die Gegenwart verpasst.

Gerade deshalb darf es nicht wie in dem Antrag der SPD heißen „Perspektiven für Galeria Karstadt Kaufhof“. Wir brauchen Perspektiven für die Beschäftigten. Und wir brauchen Perspektiven für die Standortgemeinden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Aber wir brauchen keine Perspektive für dieses Unternehmen; kein öffentliches Geld für verstaubte und unwirtschaftliche Geschäftsmodelle. Das sage ich ganz klar.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Für das Aufzeigen von Perspektiven für die Standortgemeinden stehen die Förderprogramme von Land und Bund bereit, tatsächlich auch schon seit Jahren, und werden von den Standortgemeinden interessanterweise ebenso lange genutzt, was zu begrüßen ist. Denn es gilt auch: Es war absehbar, dass dieser Moment des Rückzugs früher oder später kommen würde.

Wir begrüßen es aber natürlich, wenn wir auch politisch eine Debatte über die Zukunft der Städtebauförderung führen. Diese Debatte aber nur anlässlich des Galeria-Karstadt-Kaufhof-Cases zu führen oder nur für die betroffenen Städte, ist falsch und zu kurz gesprungen.

Die Herausforderungen der Städte sind vielfältig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Vor allem stellen sich Herausforderungen in viel mehr Städten als nur in den vom aktuellen Rückzug betroffenen. Ein sich wandelndes Mobilitäts- und Konsumverhalten, der Wunsch, Kultur neu zu erle

ben, der Bedarf nach vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, die Notwendigkeit, Klimaschutz und Klimaanpassung in den Städten zu realisieren - über alle diese Herausforderungen müssen wir selbstverständlich sprechen. Um sie anzugehen, braucht es Konzepte und Programme, denn bei aller Veränderung braucht es für lebendige Orte weiterhin attraktive Innenstädte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Doch die Anlässe, in die Innenstädte zu gehen, sind heute andere als noch vor 20 oder 30 Jahren. Karstadt ist kein Anlass mehr für die Menschen, in die Stadt zu gehen. Sie wollen in der Stadt, in öffentlichen Räumen mit hoher Aufenthaltsqualität flanieren können, in den Städten Kaffee trinken und gutes Essen konsumieren. Sie wollen das kombinieren mit dem Erleben von Kultur - egal ob aktiv oder passiv - und der Möglichkeit zu arbeiten. Das heißt, es braucht öffentliche Kunst und es braucht neue Arbeitsräume, möglichst Co-Working-Spaces auch in den Innenstädten, bestenfalls kombiniert mit Cafés, Kitas und kleinen diversen Ladengeschäften.

Es sind gerade die Klein- und Mittelstädte, die vormachen, wie so etwas aussehen kann, heute schon in Schleswig-Holstein, wenn wir zum Beispiel hier im Land nach Eckernförde oder nach Husum schauen.

(Beifall SSW)

Gerade diese Städte zeigen auch, dass sich das Mobilitätsverhalten ändert und dass sich die Verkehrsflächengestaltung ebenfalls ändern muss, wenn wir wollen, dass wir attraktive Innenstädte haben.

In wirklich attraktiven und schönen Innenstädten fährt heute schon niemand mehr mit dem Auto direkt vor das Geschäft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schon seit den 60er-Jahren hat Jan Gehl mit seiner wegweisenden Arbeit uns allen vor Augen geführt, dass es gerade autofreie Zonen und Bereiche braucht, um Aufenthaltsqualität und Konsumverhalten der Menschen positiv zu beeinflussen. Wenn hier jemand das Gegenteil behauptet, dann spricht das nicht unbedingt für Ahnung von Stadtentwicklung, werte Kolleginnen und Kollegen. Natürlich braucht es Möglichkeiten, Städte auch mit dem Auto zu erreichen. Aber die letzte Meile in der Stadt darf nicht mehr damit zurückgelegt werden; das würde dem Wirtschaftsstandort Innenstadt nur schaden.

(Joschka Knuth)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig müssen die Städte bei allen Umbauund Restrukturierungsmaßnahmen auch bedenken, die private und öffentliche Infrastruktur fit zu machen für die Herausforderungen des Klimawandels, gerade in Schleswig-Holstein. Es braucht städtisches Grün, um auch in heißen Sommern ein erträgliches Stadtklima zu haben und um dem Rückgang der Artenvielfalt zu begegnen.

Der Hochwasserschutz genauso wie die Wasserverund -entsorgungsinfrastruktur müssen fit gemacht werden für zunehmende Extremwetterereignisse und ausbleibenden Niederschlag zugleich.

All diesen Herausforderungen sehen sich die Städte in Schleswig-Holstein gegenüber. Ich weiß, dass an vielen Orten schon heute gute Konzepte für attraktive und lebendige Ortskerne entstehen. Gleichzeitig wandeln sich die Herausforderungen laufend. Deshalb freue ich mich, wenn wir über die Städtebauförderung und ihre Zukunft auch im Ausschuss noch weiter beraten können. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Kay Richert das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Midyatli, ich bin froh, dass Sie das Thema von Karstadt Kaufhof auf unsere Innenstädte als Orte des sozialen und wirtschaftlichen Miteinanders geweitet haben. Das sehe ich nämlich ganz genauso.