Joschka Knuth
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Sache ist bei diesem Antrag ja eigentlich glasklar. Das hat auch die Anhörung gezeigt.
Ich bin Ihnen deswegen auch für diesen Antrag sehr dankbar, werte Kolleginnen und Kollegen der SPD. Ich glaube, man kann darüber diskutieren, ob es besser gewesen wäre, ihn erst im Ausschuss zu stellen, dort zu einen und dann hier darüber zu diskutieren. So diskutieren wir erst hier, einen es dann hoffentlich im Ausschuss und kommen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis.
Die Mehrheit wäre auf jeden Fall gegeben. In der Sache - das ist das Entscheidende - wollen wir alle in die gleiche Richtung arbeiten.
Daran darf es überhaupt keinen Zweifel mehr geben. Es ist nämlich ein Thema, bei dem es darum geht, ein praktisches Problem vor Ort zu lösen. Wir können es auch lösen. Tiere landen in den Tierheimen, und die Arbeit fällt so oder so an. Die Tierheime machen diese Arbeit und übernehmen diese Aufgabe für die Kommunen, die in der Pflicht sind, diese Aufgabe wahrzunehmen.
Es ist doch kein Zustand, dass ich für jemanden eine Aufgabe übernehme und dafür nicht einmal die Erstattung der Kosten bekomme, die mir dafür entstehen. Das muss doch selbstverständlich sein. Deshalb meine ich, dass es absolut richtig ist, wenn wir noch einmal mit Nachdruck einfordern und daran arbeiten, dass es endlich eine neue Fundtierrichtlinie hier im Land gibt, die eben nicht nur den Interessen, sondern den Rechten der Tierheime gerecht wird.
Ich bin guter Dinge, dass am Ende dieses Ergebnis herauskommen wird, wenn das Ministerium jetzt endlich mit dem Runden die Akteurinnen und Akteure an einen Tisch bringt, um sich auf ein Ergebnis zu verständigen.
Hoffentlich ist es ein Ergebnis im Sinne der Tiere und der Tierheime. Denn - auch das muss uns klar sein - es ist ja keine normale Situation, der die Tierheime sich oftmals stellen. Tiere, die länger als vier Wochen dableiben, sind ja besonders schwer zu vermitteln und bleiben daher auch oftmals länger. Wir alle müssen ein Interesse daran haben, dass diese Tiere dort bestmöglich gepflegt und umsorgt werden.
Es ist angesprochen worden: Die Tierheime sind gerade in dieser Zeit in einer besonders schwierigen Situation. Ich kann mich dem Appell, in der Weihnachtszeit keine Tiere zu verschenken, wirklich nur anschließen. Liebe Bürgerinnen und Bürger: Verschenken Sie keine Tiere - nicht nur nicht zu Weihnachten, auch nicht zum Geburtstag! Prüfen Sie ganz in Ruhe, wie das Tier in Ihrer Familie, bei Ihnen zu Hause mit Ihrem Alltag vereinbar ist. Testen Sie es gegebenenfalls einmal aus, gehen Sie zu Freundinnen und Freunden. Gehen Sie ins Tierheim, schauen Sie sich das an und informieren Sie sich darüber, was es bedeutet, bevor Sie den Tierheimen am Ende noch mehr Aufgaben bereiten! Wenn das passiert, ist niemandem geholfen.
Wir haben darüber gesprochen: Es wird in den nächsten zwei Wochen schwierig sein, Geschenke zu kaufen. Vielleicht denken Sie in dieser Zeit auch daran, an die Tierheime zu spenden. Sie leisten eine wichtige Arbeit in dieser Zeit. Ich möchte Sie dazu ermutigen!
Ich glaube, in der Sache und in der Ursprungsdiskussion sind wir alle sehr nah beisammen. Ich freue mich, wenn wir die hoffentlich finale Diskussion im Ausschuss führen werden, bei der ein Beschluss und vor allem eine gute neue Sachregelung herauskommen wird. Das wäre im Sinne aller Beteiligten. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte verbliebene Kolleginnen und Kollegen! Am heutigen Tag beraten wir sozusagen über die einzelnen Bausteine, die alle einzeln nicht der Schlüssel zur Lösung und Bekämpfung der Pandemie sind, aber als Einzelmaßnahmen einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, dass wir am Ende in der Gesamtheit der Pandemie wieder Herr werden können. So ist es auch mit der Corona-Warn-App: Sie ist schon jetzt ein wichtiges Instrument zur Nachverfolgung von Infektionsketten und damit zur Eindämmung des Infektions- und Pandemiegeschehens insgesamt. Klar ist aber auch: Die App könnte ein noch besseres und noch wichtigeres Instrument sein. Vertrauen, eine gute Nutzbarkeit und ein guter Nutzungsumfang sind die Voraussetzungen dafür, dass wir eine noch höhere Nutzbarkeit und Nutzung dieser App erreichen. Dafür gibt es eine Reihe von Bausteinen, die wir vorschlagen und von denen wir meinen, dass sie zu einer Verbesserung der App beitragen würden.
Im Grundsatz ist mit der App in der Vergangenheit schon Vieles richtig gemacht worden: Sie basiert auf Open-Source-Quelltext, sie wahrt den Datenschutz, und sie wahrt auch die Hoheit der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer über die Informationen. So soll es auch bleiben.
Aber gleichzeitig hat die App in Teilen noch Mängel und vor allen Dingen Lücken. Dazu kommt von uns eine Reihe von Vorschlägen. Ein Teil der Vorschläge ist schon in der Umsetzung. Insofern sind es nicht insgesamt über 20 Vorschläge, die nur wir unterbreiten, sondern ein Teil der Maßnahmen kommt automatisch und sowieso schon von der Bundesregierung.
- Wir wollen da noch nachsteuern. Da ist es natürlich richtig, dass man auch über Prioritäten redet. Aber wir müssen bei einer Priorisierung auch immer überlegen, für wen wir denn am Ende priorisie
ren. Ich würde beispielsweise nicht das Kontakttagebuch am Ende höher ranken wollen als die Übersetzung der App in arabische Sprache. Für die Menschen, die nur des Arabischen mächtig sind, ist die Sprache die Voraussetzung dafür, dass sie die App überhaupt verwenden können, während es für andere sozusagen ein zusätzlicher Nutzen ist. Da ist es am Ende eine klassische Aufgabe des Projektmanagements zu schauen, welche Ressourcen man hat. Ich wette, dass diejenigen, die die Übersetzung machen, nicht die Gleichen sind, die das Kontakttagebuch erstellen.
Deswegen ist es selbstverständlich wichtig, dass wir diesen Umfang an Vorschlägen machen.
Ein paar möchte ich da noch einmal herausheben. Es ist deutlich geworden, dass wir ein paar einfache Verbesserungen tatsächlich haben können.
- Der Kollege möchte eine Frage stellen. Sehr gern.
Selbstverständlich!
- Das würde ich tatsächlich nur bedingt unterschreiben. Wenn es darum geht, Rahmen und Recht zu setzen, dann ist es unsere Aufgabe, Prioritäten zu setzen. Da es hier allerdings um Einzelmaßnahmen in einem Projekt geht, das wir uns grundsätzlich zum Ziel gesetzt haben, würde ich sagen, dass es auch um eine Ressourcenfrage bei denjenigen geht, die das Projekt am Ende umzusetzen haben. Das sind nicht wir als Politik, sondern die Umsetzung erfolgt durch die Erstellerinnen und Ersteller der App und den von der Bundesregierung Beauftragten. Ich glaube, da ist es gut, wenn wir denen auch
die Hoheit geben, die Ressourcen, die verfügbar sind, maximal effizient einzusetzen und wir nicht falsche Prioritäten auf Basis fehlender Informationen setzen.
Ich komme zurück zu den Maßnahmen, die man am Ende in der richtigen Priorisierung umsetzen kann. Ich nehme noch einmal das Kontakttagebuch als Beispiel, weil ich glaube, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist, um einen Beitrag zu der wichtigen Cluster-Erkennung zu leisten.
Aber wichtig, um das Infektionsgeschehen nachzuverfolgen und gegebenenfalls auch logische Schlussfolgerungen zu ziehen, ist beispielsweise auch das automatische Übertragen von Informationen von den Laboren in die App, wenn wir das möglich machen können.
Wir erleben das im Moment selbst. Wir haben glücklicherweise in den letzten Wochen immer negative Testergebnisse gehabt, wenn ich das richtig verfolge, aber wir haben das Problem, dass wir uns online anmelden müssen, um überhaupt ein Ergebnis einzusehen, während wir alle wahrscheinlich die App haben - ich hoffe es zumindest - und dort einfach eine Push-Benachrichtigung über das Ergebnis erhalten könnten. Das würde für alle Nutzerinnen und Nutzer die Handhabung deutlich vereinfachen, und das würde auch am Ende die Schlussfolgerungen beschleunigen, die notwendig sind, wenn jemand mal ein positives Testergebnis bekommt.
Das ist das, was wir haben wollen: eine Beschleunigung von Informationsprozessen. Und da ist es so: Wenn ich jetzt eine positive Meldung in die App bekomme, dann sind die logischen Handlungen, die daraus folgen - also das Gesundheitsamt zu kontaktieren, sich in Quarantäne zu begeben -, dort noch nicht umfangreich und ausführlich beinhaltet. Das muss doch als Information in diese App rein, dass mir als Nutzer klar gesagt wird, je nachdem in welcher Region ich bin, welches Gesundheitsamt ich anrufen muss. Das kann doch nicht so schwer sein. Das sind Maßnahmen, die definitiv in die Umsetzung müssen.
Ich glaube, dass wir hier insgesamt einen ganz guten Katalog an Maßnahmen vorgelegt haben, die alle ihre Berechtigung und ihre Sinnhaftigkeit haben und die wir auch noch brauchen werden. Es ist nicht zu spät, die App upzudaten. Wir werden noch viele Monate mit der Pandemie zu tun haben. Es wird nicht im Februar oder März mit einem Mal wieder alles normal sein. Deswegen macht ein Up
date Sinn. Die Diskussion macht auch noch Sinn. Ich freue mich, wenn wir diesen Antrag verabschieden und dann in den nächsten Monaten hoffentlich noch mehr als ein Update bei der Corona-App erleben werden. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Der kleinste gemeinsame Nenner dürfte nach vielen Debatten sein, dass wir es mit überwiegender Mehrheit in diesem Haus begrüßen, wenn das Arbeitsschutzkontrollgesetz endlich verabschiedet wird. Das ist schon einmal ein guter Schritt, heißt aber auch, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben, um die Situation der Beschäftigten in der Fleischindustrie weiter und nachhaltig zu verbessern.
Das ist der Punkt, an dem ich dem Ministerium und dem Minister sowohl für den mündlichen Bericht heute danken möchte, vor allem aber auch für den schriftlichen Bericht, der in enger Zusammenarbeit mit der StAUK vorgelegt wurde. Der Bericht hat gezeigt, wie wichtig diese Aktion über die letzten Monate gewesen ist, um die Missstände in der Fleischindustrie endlich zu dokumentieren.
Ich sage in dieser Runde ganz klar: Jedem Vertreter der Fleischbranche, der hier nochmal erzählt, es gäbe keine Missstände in der Fleischindustrie, werde ich diesen Bericht vorhalten, in dem endlich dokumentiert ist, dass systematisch Rechtsvorschriften zum Arbeitsschutz umgangen wurden, um Kontrollen zu unterlaufen. Das ist jetzt von staatlicher Seite festgestellt worden, und ich werde es immer wieder hervorholen, um in dieser Debatte endlich einmal Klarheit zu schaffen.
Es ist, wie Sie es sagen, werte Kolleginnen und Kollegen: Es ist schon lange bekannt gewesen, und spätestens jetzt sind wir an einem Punkt, an dem auch die Fleischindustrie es nicht mehr leugnen kann. Gleichzeitig wurde heute und wird auch mit dem Bericht noch einmal klar, wie wichtig die Initiative Schleswig-Holsteins war und wie wichtig vor allem auch die Regelungsinhalte des Arbeitsschutzkontrollgesetzes sind. Es führt nämlich insbesondere für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Verbesserungen ihrer rechtlichen Situation, aber auch zu Verbesserungen der Beschäftigungssituation. Wir haben es gesagt: Mit dem Ende des Fremdarbeitereinsatzes in den Kernbereichen der Fleischindustrie, aber auch mit der Einführung der digitalen Zeiterfassung arbeiten wir systematisch daran, die vorhandenen Lücken zu schließen. Das ist gut.
Der entscheidende Punkt in diesem Bericht ist meiner Meinung nach der Hinweis und Diskussionspunkt, dass wir in den kommenden Jahren die StAUK systemisch in ihrer Aufgabenerfüllung stärken werden. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Die strategisch-perspektivisch über die nächsten fünf Jahre geplanten jeweils fünf zusätzlichen Stellen pro Jahr sind insbesondere im Vergleich zu den letzten Jahren ein echter Meilenstein.
Das sind 31,5 Stellen, die wir über die nächsten Jahre schaffen. Das ist fast eine Verdoppelung der Personalkapazitäten bei der StAUK. Das ist ein richtig großer Schritt, auf den wir uns alle gemeinsam verständigen und den wir miteinander tragen sollten. Wenn es nach mir ginge, dann sollten wir das 2026 gegebenenfalls noch einmal fortführen, denn 5 % sind zwar eine gute Quote, aber auch das reicht natürlich perspektivisch noch nicht aus.
Es ist auch deshalb ein so wichtiger Punkt, weil wir es damit schaffen, einerseits definitiv über Jahre hinweg diese Schwerpunktkontrollen zu ermöglichen. Das Problem hat sich nämlich nicht morgen erledigt, das ist aus dem Konzept auch klar geworden. Andererseits schaffen wir es aber auch, nicht bei anderen Sektoren wegschauen zu müssen, wo es durchaus auch prekäre Arbeitsbedingungen gibt und die Arbeit der StAUK weiterhin gefragt sein wird. Deshalb sind wir hier auf einem richtig guten Weg. Ich möchte gern dafür plädieren, dass wir diesen Weg gemeinsam weitergehen. Ich freue mich, dass wir uns darüber in dieser Koalition verständigen konnten. Davon geht ein gutes Signal für den
Arbeitsschutz aus, das wir heute aussenden wollen. - Vielen Dank.
Ich zu Tönnies? Nein. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Die Große Koalition macht bei diesem Vorhaben keinen guten Eindruck. Das steht auf jeden Fall fest.
Ich bekomme den Eindruck - wenn ich es sinnbildlich formulieren darf -, dass wir eher von einem Trauerspiel sprechen müssen, wenn wir uns anschauen, was da passiert, als von irgendeiner anderen Form von Stück. Das, was in Bezug auf die Fleischindustrie in Berlin im Moment passiert, riecht stark nach einem Stück mit traurigem Ausgang.
Woran liegt das? Wir wissen, dass die Strukturen in den Betrieben dieser Industrie tendenziell negativ, das heißt zulasten der Tiere und zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gestrickt sind. Wir wissen das nicht erst seit den Corona-Ausbrü
chen; das haben wir hier so immer miteinander diskutiert.
Im Sommer hatten wir endlich die Situation, dass Bewegung in die Sache kam. Der Bund machte sich auf den Weg zu einer neuen Rechtsetzung. Ziel war es, eine Regelung zu schaffen, die geeignet ist, die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. Jetzt, nach einem halben Jahr, ist die Aufmerksamkeit nicht mehr groß genug, und der Bund lässt das Vorhaben stillschweigend auslaufen. Das, meine Damen und Herren, ist nicht akzeptabel.
Es braucht die Regelungen, die im Arbeitsschutzkontrollgesetz vorgesehen sind, dringend, um die Situation der Beschäftigten zu verbessern. Wir haben hier schon über viele Inhalte gestritten, beispielsweise über die Werkverträge. Es ist mitnichten so, dass wir nur durch die Erhöhung des Kontrolldrucks zu einer akzeptablen Situation beitragen könnten. Die Situation in den Betrieben ist ja strukturell schlecht. Wenn durch Werkverträge die Haftung beziehungsweise die Haftbarmachung für die Vertrags- und Arbeitssituation von den Betrieben an irgendwelche Subunternehmerinnen und Subunternehmer ausgelagert wird, dann ist das doch Teil eines Problems, das wir beheben müssen.
Wenn der Bund das Regelungsvorhaben jetzt an die Wand fährt, indem er es aussitzt nach dem Motto: „Na ja, wir haben das zwar für Anfang 2021 angekündigt; aber jetzt warten wir im Jahr 2020 so lange, dass man Anfang 2021 nicht mehr in die Umsetzung gehen kann“, dann ist das einfach nicht akzeptabel.
Wir brauchen ganz klar und rechtswirksam das Ende der Werkverträge in der Fleischindustrie. Alle stellen sich darauf ein.
Lassen Sie mich zwei weitere Punkte ansprechen, deren Bedeutung in der Anhörung und in der weiteren Beschäftigung des zuständigen Landtagsausschusses deutlich geworden ist.
Erstens. Es besteht überhaupt keine Notwendigkeit für diesen massiven Einsatz von Leiharbeit in der Fleischindustrie. Es gibt dafür keinen Anlass. Wir brauchen uns nur die Statistik, das heißt die Produktionszahlen zu Fleisch, anzuschauen. Auch ha
ben wir gehört, was vonseiten der Landwirtschaft und von fleischverarbeitenden Betrieben, die nicht zu den drei, vier großen gehören, die man bundesweit kennt, an Informationen vorgetragen wurde. Daran ist sehr deutlich geworden, dass es diese Spitzenlasten so eigentlich gar nicht gibt.
Der zweite Punkt betrifft die Wohnsituation. Es hat mich sehr bedenklich gestimmt, wie dazu in der Anhörung vonseiten der großen Fleischbetriebe argumentiert wurde. Es entstand der Eindruck, die Zielsetzung, das Wohnvertragsverhältnis und das Arbeitsvertragsverhältnis voneinander zu trennen, solle bewusst hintergangen werden.
Das ist doch wirklich zum Schaden der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Ansage. Das ist überhaupt nicht akzeptabel und ein weiterer Beweis dafür, dass wir es mit einer Branche zu tun haben, die strukturell Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte mit Füßen tritt, und dass wir etwas dagegen tun müssen.
Ich sage in aller Deutlichkeit: Es ist mir ziemlich egal, wie SPD und CDU sich irgendwie den Schwarzen Peter dafür zuweisen, wer jetzt dafür verantwortlich ist, dass dieses Arbeitsschutzkontrollgesetz nicht kommt. Was wir am Ende brauchen, ist eine schnelle Einigung. Wir brauchen dieses Gesetz, und alle haben sich eigentlich schon dazu bekannt. Also gibt es wirklich keinen Grund mehr, diese Entscheidung und die Abstimmung dieses Gesetzgebungsverfahrens so lange hinauszuzögern. Ich wünsche mir hier wirklich mehr Rückgrat der Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene, damit wir endlich die Wohn- und Arbeitssituation der Beschäftigten in den Fleischbetrieben verbessern. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Punkt, in dem wir uns sicherlich alle einig sind - und einig sein müssen -, ist die Feststellung: Das Jahr 2020 wird für viele Betriebe und Beschäftigte ein Jahr sein, dass sie am liebsten
vergessen möchten. Wir haben aber das Problem, dass die meisten Betriebe und Beschäftigten dieses Jahr nicht werden vergessen können. Viel zu tief wirken sich die Schäden dieses Jahres in den Bilanzen und Strukturen der Unternehmungen aus. Das ist es, womit wir zu kämpfen haben. Diese negativen Folgen sind es, die wir mit unseren Handlungen abmildern müssen.
Das, was wir erleben, wird sich noch über Jahre massiv auswirken. Kredite, die jetzt Kapitallücken decken sollen, müssen abbezahlt werden. Umsätze müssen aufgeholt werden. Eigenkapital muss wiederaufgebaut werden. Investitionen, die aufgeschoben sind, müssen nachgeholt werden.
Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass wir, wenn wir über Wirtschaftshilfen für Unternehmen, die eigentlich gesund sind, reden, im Grunde keine Diskussion entlang der Parteicouleur erleben. Man kann viele Vorwürfe erheben, beispielsweise in Richtung des Bundes, wegen Dinge, die in den letzten Wochen passiert sind. Das mache auch ich. Ich werfe der Bundesregierung absolut vor, dass sie ein halbes Jahr nicht genutzt hat, sich auf eine Situation vorzubereiten, wie sie im Oktober 2020 eingetreten ist. Es war doch selbstverständlich, dass es, wenn Einrichtungen und Unternehmen geschlossen werden, wieder Hilfe braucht. Darauf hat sich der Bund nicht ausreichend vorbereitet.
Wenn sie aber, zumindest zum Teil, schon vorbereitet war, dann war jedenfalls die politische Kommunikation maximal schlecht. In den letzten Wochen ist in den Betrieben, sowohl bei den Unternehmern als auch bei den Beschäftigten, der Eindruck entstanden: Auf das Herunterfahren kann man sich schnell einigen; aber man braucht richtig lange, sich auf Hilfen zu einigen.
Angesichts dessen bin ich unserer Landesregierung so dankbar; denn sie hat in den Gesprächen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin offen und öffentlich darauf gedrungen, dass es tatsächlich Hilfen gibt. Das ist im Bundesvergleich aufgefallen. Dafür bin ich sehr dankbar; denn es brauchte diesen Spin.
Wenn über Wochen der Eindruck entstand, dass sich die Bundesregierung nicht einig sei oder man
sich mit den Ländern nicht einig sei, und ein bisschen das Spiel gespielt wurde Bundeswirtschaftsministerium gegen Bundesfinanzministerium gegen Landesregierung, bin ich am Ende doch froh, dass wir jetzt eine Struktur gefunden haben: ein Paket für die Betriebe in Deutschland, aber auch hier im Land, das massiv helfen wird, die Probleme, die durch die Schließung entstanden sind, zu überbrücken. 75 % Umsatzersatz sind eine richtig starke Hilfe für die Betriebe.
Wichtig ist in diesem Paket aber auch, dass zwei Dinge passieren, die wir als Fraktion - wenn man jetzt einmal die Parteifarbe anlegen darf - schon lange vor der Sommerpause gefordert haben. Erstens geht es um die Hilfen für die Soloselbstständigen. Die sind über ein halbes Jahr durch das Raster gefallen. Wir haben schon im Mai 2020 darauf hingewiesen, dass wir da dringend Hilfen brauchen. Es ist richtig gesagt worden: 5.000 € sind kein Neustartprogramm. 5.000 € sind ein Schmerzlinderungspflästerchen, sie reichen nicht aus, um Anfang nächsten Jahres gut durchzustarten.
Zweitens ist es wichtig, dass wir auch den mittelbar betroffenen Betrieben im Land helfen. Wir haben in Schleswig-Holstein als einen richtig starken Wirtschaftssektor die Lebensmittelbranche. Die lebt nicht nur in der Gastronomie davon, sozusagen den Endkundenverkauf zu gewährleisten, sondern sie lebt von den ganzen Produktionsstrukturen, die dahinter stehen, die jetzt betroffen sind und denen wir dringend helfen müssen, weil die Umsätze dort wegbrechen.
Erlauben Sie mir noch drei Punkte. Es ist selbstverständlich, dass wir daran arbeiten und auch wir Unterstützung signalisieren, dass wir die Programme des Landes, die wir schon haben, die zusätzlich helfen, beispielsweise den Härtefallfonds und den Mittelstandssicherungsfonds, ins nächste Jahr fortsetzen; das werden wir selbstverständlich machen.
Wir Grüne haben über die letzten Monate absolut keinen Zweifel daran gelassen, dass wir, wenn es darum geht, Wirtschaftshilfen auf den Weg zu bringen, allen helfen, dass wir da keine Konditionierung vornehmen. Ich sage aber auch in aller Klarheit: Diese Krise darf keine Ausrede dafür sein, die dringend notwendige Transformation der Wirtschaft, wenn es um die Zukunft geht, aufzuschieben.
Da helfen auch keine Mehrwertsteuersenkungen. Was wir für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft brauchen, sind Investitionen in die entscheidenden Zukunftsbereiche Energiewende und Klimaschutz, Digitalisierung und Zukunft der Arbeit. Alles, was unsere Wirtschaft für die nächsten Jahre auf gesunde Beine stellt, brauchen wir, um uns aus der Krise rauszuführen, und keine altbackenen Instrumente.
Gestern in der Anhörung im Landeshaus ist noch einmal das Bedürfnis der Zielgerichtetheit deutlich geworden. Das sind die Targeted Projects, die wir auf den Weg bringen möchten. Wenn etwas von dem hängen bleibt, was uns die beiden Professoren im Wirtschaftsteil der Anhörung für die Zukunft mit auf den Weg gegeben haben, ist es, dass wir zielgerichtete Maßnahmen für die Zukunft auf den Weg bringen müssen. Daran werden wir weiter arbeiten.
Ich darf darauf hinweisen, dass wir als Jamaika-Koalition zum Sommer ein Konjunkturprogramm beschlossen haben. Darin spiegelt sich genau das wider. Wir werden alles tun, weiter die Zukunft der Wirtschaft im Blick zu haben. Nur so werden wir es uns leisten können, auch in Zukunft im Land in andere wichtige Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu investieren. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag spricht mir als Grü
nem von der Zielsetzung her natürlich zu einem guten Stück aus dem Herzen.
Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Erfolgsprojekt. Er beträgt seit Anfang 2020 9,35 € und wird bis Mitte 2022 auf 10,45 € erhöht werden. Das ist Beschluss der Mindestlohnkommission. Diese Erhöhung begrüßen wir selbstverständlich. Nur ist das leider immer noch wenig Lohn, um einen wirklichen Beitrag zu einer gerechteren gesellschaftlichen Teilhabe und zum Schutz vor Armut zu leisten.
Wenn Arbeit in Vollzeit in Deutschland nicht ausreicht, um auch in Städten mit hohen Mieten - davon haben wir inzwischen auch in Schleswig-Holstein immer mehr - beispielsweise ohne zusätzliche Hilfen durch ALG II auszukommen, dann ist etwas nicht richtig. Das ist nicht gerecht.
Menschen in Vollzeit müssen von ihrer Arbeit leben können, und das überall in unserem Land.
Dass das auch zu vielen anderen positiven Effekten führt, haben wir heute schon ausführlich gehört; das muss ich nicht noch ausführen. Aber entscheidend ist: Menschen müssen von ihrer Arbeit gut leben können, und das nicht nur während der Berufstätigkeit, sondern auch im Rentenalter. Niedrige Löhne haben niedrige Renten zur Folge. Altersarmut ist bereits jetzt eine weit verbreitete Tatsache. Das trifft in besonderem Maße übrigens Frauen, die nach wie vor tradiert schlechter bezahlte Arbeitsverhältnisse haben als Männer.
Daher ist die grüne Forderung, den Mindestlohn innerhalb von zwei Jahren schrittweise auf 12 € zu erhöhen.
Nur so ist aus unserer Sicht ein sicherer Schutz vor Armut gewährleistet. Außerdem muss nicht nur der Mindestlohn steigen, sondern auch die Kontrolle und die konsequente Durchsetzung müssen selbstverständlich gewährleistet bleiben. Schlupflöcher und Ausnahmen darf es nicht geben. In den letzten
Monaten haben wir oft und lange über prekäre Arbeitsverhältnisse gesprochen und feststellen müssen, dass der Mindestlohn in vielen Sektoren bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern letztlich nicht ankommt. Deshalb ist auch die Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs so wichtig.
Die Coronapandemie fordert aber in diesem Jahr unsere Unternehmen über Gebühr. Diese besondere Stresssituation werden wir in den kommenden Jahren noch weiter spüren. Es ist natürlich ein berechtigter Hinweis, dass höhere Löhne eine weitere Kraftanstrengung für Unternehmen, beispielsweise in der Gastronomie, bedeuten würden, und zwar besonders jetzt, da diese Branche zum zweiten Mal in diesem Jahr ihre Betriebe dichtmachen muss. Die Forderung nach einer zusätzlichen unmittelbaren Erhöhung kann deshalb auch als falsches Signal gedeutet werden.
Wir sehen das nur bedingt so. Zum einen darf die Pandemie nicht dafür herhalten, fällige Maßnahmen nicht zu ergreifen. Zum anderen ist es gerade in diesen von Mindereinnahmen bedrohten Zeiten besonders wichtig, dass Löhne für alle auskömmlich sind. Inwieweit der Mindestlohn beispielsweise auch für Jugendliche gelten soll, wurde ebenfalls bereits in verschiedenen Ausschüssen diskutiert. Diesen Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen vom SSW, hattet ihr ja bereits im letzten Jahr gestellt. Auch für diese Forderung haben die Grünen Sympathien.
Ich erkenne allerdings an, dass es auch Gründe gibt, nicht dafür zu stimmen. Ich persönlich und meine Fraktion sehen das anders. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist, wohlgemerkt wie vieles, was ich hier vorgetragen habe, grüne Position und nicht zwingend die Haltung der Koalition. Es gibt immer wieder unterschiedliche Haltungen in Jamaika, keine Frage. Aber das macht diese Koalition aus und sorgt für inhaltlich intensiven Austausch und die Möglichkeit, auch in der Zukunft einen Wettstreit um die besten Ideen zu haben. In diesem Punkt ist eben noch viel Differenzierungspotenzial.
Insofern freue ich mich auf eine intensive Ausschussberatung. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die letzte Rede hätte mich als Gründer ein bisschen ratlos zurückgelassen.
Als Politiker muss ich sagen: Wir können sehr stolz sein auf die Gründungsszene, die wir in unserem Land haben. Sie ist lebendig.
Natürlich, auch wenn wir, weil wir eben Teil von Deutschland und von Europa sind, großen Thriving Regions hinterherhinken, ist das, was sich hier in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren an Gründungskultur, an Gründungsszene entwickelt hat, für unser Land wirklich bemerkenswert. Das liegt auch daran, dass wir in den vergangenen Jahren, übrigens koalitionsübergreifend, gute Instrumente auf den Weg gebracht haben, um Gründungen in unserem Land zu ermöglichen und zu unterstützen.
Wir bekennen uns in unserem Antrag dazu, dass wir diese guten Projekte fortführen und selbstverständlich sehr konkret weitere Maßnahmen vorschlagen, um diese Gründungskultur im Land weiter zu stützen.
Wir haben beispielsweise bereits mit dem Gründungsstipendium, mit dem Seed- und StartUpFonds, mit den Mikrokrediten und den Starthilfedarlehen, mit der Meistergründungsprämie auch für außeruniversitäre Gründungen, mit den Bürgschaften und Beteiligungskapital und Venture Capital Fonds eine Riesenbandbreite an Unterstützungsinstrumenten auf den Weg gebracht.
Wir haben viele Projekte, die auch genutzt werden, die beispielsweise auch in Zeiten von Corona gründen. Schauen wir beispielsweise nach Flensburg, wo junge Unternehmerinnen und Unternehmer spontan auch mal ihr Geschäftsmodell umwandeln und sich fragen: Was passt denn gerade in diese Zeit? Das ist cool, das macht Mut. Das wollen wir natürlich auch weiterhin unterstützen.
Ich sage nicht, dass bereits alles gut ist und wir es darauf beruhen lassen können, sondern natürlich muss es weitergehen. Dafür haben wir in unserem Antrag sehr konkrete Maßnahmen vorgelegt. Der Kollege Bornhöft hat sie alle aufgeführt. Ich möchte mich nur auf einige konzentrieren und diese noch einmal hervorheben, weil deutlich geworden ist, dass wir weitere Maßnahmen brauchen.
Wir haben das insbesondere im Bereich des Übergangs von Wissenschaft in die Gründung, wo wir über die Patentscouts genauso wie über die Gründungsgesellschaft und das Gründungssemester konkret handeln wollen. Wir haben das aber insbesondere auch strukturell, beispielsweise wenn es um Frauen und Gründung geht, also um das Empowerment von Frauen.
Da haben wir auch tolle Projekte im Land, die Unternehmerinnen schon vernetzen, beispielsweise die StartUP SH in Flensburg, die heute besonders hervorgehoben werden muss, weil doch heute ein besonderer Tag ist.
Wir setzen uns ganz klar zum Ziel, dass wir als Jamaika-Koalition zusammen mit der Landesregierung darauf achten wollen, dass wir in Zukunft die Quote der Gründerinnen mindestens auf das gleiche Niveau der Gründer heben können.
Eines ist mir als Grüner ein besonders wichtiger Punkt in dem Antrag: Wir sagen ganz deutlich, dass wir unsere Gründungsprogramme, alles das, was wir an Förderprogrammen in diesem Land haben, endlich auch für sozialunternehmerische und sozialinnovative Lösungen öffnen wollen. Das ist ein wichtiger Meilenstein, werte Kolleginnen und Kollegen, weil wir damit sagen, dass wir endlich auch alle die Gründungen fördern wollen, die sich zuvorderst um die Lösung gesellschaftlicher Probleme kümmern. Das ist ein richtig wichtiger Schritt und wird uns in den nächsten Jahren hoffentlich einen richtigen Boost verleihen.
Wir wissen, es geht längst nicht nur um einen konzentrierten technologischen Innovationsbegriff, sondern eben auch um prozessuale Innovation, um soziale Innovation, aber auch um grüne Innovation, um Green Entrepreneurship in diesem Land. All das nehmen wir in den Fokus und werden unsere Förderprogramme darauf ausrichten. Ich glaube, dass wir damit auf einem sehr guten Weg sind. Ich glaube auch, dass wir sehr konkrete Schritte vorgelegt haben.
Zum Ende möchte ich noch eines anmerken: Man kann ja viel meckern. Aber ich finde, dann muss man auch Alternativvorschläge machen, wie es denn besser und anders gehen soll. Unsere acht Maßnahmen sind sehr konkret und wirken sich beispielsweise auf die Förderprogramme aus, die wir ja jetzt auch für die nächste Förderperiode verhandeln werden. Wenn wir dafür schon jetzt die Ziele definieren, dann ist das doch genau der richtige politische Schritt. Viel konkreter kann es gar nicht sein, weil das ja erst der nächste Schritt sein kann, den wir dann machen müssen. Insofern hätte ich mir mehr Konstruktivität auch in der Debatte gewünscht, damit wir am Ende bei den Maßnahmen vielleicht zusammenkommen können. Im Ziel sind wir doch eigentlich gar nicht weit auseinander.
Ich hoffe, dass wir im Ausschuss insoweit noch ein bisschen mehr Butter bei die Fische bekommen werden, auch von Ihnen. Ich glaube jedenfalls, dass unser Antrag ein richtig gutes Fundament bietet für konkrete Lösungen und konkrete Unterstützungen für die Gründerinnen und Gründer in unserem Land. Diese wissen, sie haben uns als Jamaika-Koalition an ihrer Seite. So soll es auch bleiben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sorry, ich musste gerade am Rande noch ein Wort wechseln; denn ich glaube, so weit voneinander entfernt sind wir gar nicht. Ich würde es tatsächlich begrüßen, wenn wir noch einmal miteinander sprechen, ob wir nicht fraktionsübergreifend, und zwar nicht nur unter den Koalitionsfraktionen, sondern auch mit Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und wahrscheinlich auch des SSW - ich vermute, wir haben alle eine ähnliche Perspektive auf die aktuelle Situation -, eine Lösung für diese schwierige Situation finden.
Denn diese ist in der Tat existenziell für alle Beteiligten der Veranstaltungsbranche. Viele sind schon erwähnt worden. Wir reden insbesondere über die großen Betriebe. Ich fand das Beispiel der Beachvolleyballmeisterschaften gut. Man kann das auch auf andere Sportveranstaltungen übertragen. Schauen wir uns beispielsweise den Eventmotor Fußballbundesliga an, wo jetzt bis zu 20 % der Fans wieder in die Stadien gelassen werden. Wenn Maßstab für Veranstaltungen ist, dass 20 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Zukunft dabei sein dürfen, dann ist das für niemanden in der Branche wirtschaftlich darstellbar. Von 20 % des Umsatzes kann kein Unternehmer, keine Unternehmerin in diesem Land leben.
Das zeigt die große Notwendigkeit zu handeln, und zwar nicht nur mit Blick auf die großen Zuschauermagnetveranstaltungen, sondern auch auf diejenigen in der Branche, die beispielsweise wirtschaftsnahe Veranstaltungen durchführen. Die Messen sind vorhin angesprochen worden. Aber es gibt darüber hinaus ja noch viel mehr, Tagungen beispielsweise, die auch für die Wirtschaft wieder mittelbar große wirtschaftliche Faktoren darstellen. Das gilt aber auch für die vielen kleinen Kulturveranstaltungen und Kulturbetriebe im Land, die ebenfalls zur Veranstaltungsbranche gehören. Das sind, wenn wir über Kultur im klassischen Sinne sprechen, Theater und Musik. Das ist aber beispielsweise auch die Klubkultur im Land, die komplett verloren zu gehen droht, was ich gerne verhindern möchte.
Wir müssen für alle diese Betroffenen schauen, was am Ende der richtige Maßstab, was die richtigen Hilfsprogramme sind. Ich glaube, wir sind da mit unserem Härtefallfonds vom Grundsatz her sehr gut aufgestellt. Wir tun auch gut daran, dass wir uns nicht zu sehr an Branchen orientieren, weil die Branchendifferenzierung bei einigen Unternehmen gerade in der Veranstaltungsbranche nicht so einfach ist. Schauen wir uns beispielsweise die Gastronomie an. Wenn jemand Catering für Veranstaltungen macht, dann kann das einen Großteil seines Umsatzes ausmachen. Wenn er aber noch einen Restaurantbetrieb hat, dann wird es schwer, da zu differenzieren. Gegebenenfalls ist der Betreffende nicht antragsberechtigt, was Hilfsprogramme für die Veranstaltungsbranche angeht, obwohl 40 bis 50 % seines Umsatzes darauf entfallen. Diese Differenziertheit muss ein Förderprogramm abbilden. Da müssen wir, finde ich, in der Politik beziehungsweise in der Regierung dafür sorgen, dass möglichst umfassend geholfen wird, dass nicht Barrieren aufgebaut und damit Ausschlusskriterien geschaffen werden, aufgrund derer den Leuten letztlich die Hilfe verwehrt wird.
Zum Glück erleben wir in der Veranstaltungsbranche die bereits angesprochene Kreativität; denn wir können nun mal nicht so tun, als gäbe es Corona nicht. Aber wir können auch nicht ohne Kultur und ohne Veranstaltungen leben. Deshalb ist es richtig, dass die Veranstaltungsbranche jetzt eine Perspektive braucht. Es bedarf nicht unbedingt eines Hinund Hergeschiebes an Verantwortung und einer Diskussion über die Frage, wer auf welcher Ebene welche Vorgaben dafür macht, dass eine Veranstaltung stattfinden kann, sondern wir brauchen - das
ist das, was wir hier im Land klarmachen können eine Perspektive für die Veranstaltungsbranche. Natürlich ist diese Perspektive schwer darzustellen.
In Zeiten, in denen wir davon abhängig sind, wie sich ein Pandemiegeschehen entwickelt, und in denen wir davon abhängig sind, dass Menschen sich außerhalb von Veranstaltungen an Regeln halten, damit wir überhaupt wieder Veranstaltungen zulassen können, ist das schwer zu sagen. Aber die guten Beispiele aus dem Land zeigen, dass wir in der Lage sind, das zu händeln, und dass wir auch in der Lage sind, die Durchführung von Veranstaltungen wieder zu ermöglichen.
Ob die Kieler Woche ein Erfolg war oder nicht, mag jeder selbst beurteilen. Aber die Kieler Woche, die in diesem Jahr in Schleswig-Holstein stattgefunden hat, war ein Großevent, und das ist ein positives Signal auch in Richtung der Veranstaltungsbranche gewesen; denn sie hat gesehen: Wenn man sich bemüht, Kriterien aufzustellen und einzuhalten und ein vernünftiges Hygienekonzept zu machen, dann ist es wieder möglich, auch Großveranstaltungen mit mehreren Hundert oder mehreren Tausend Menschen durchzuführen.
Daran wollen wir weiterarbeiten. Ich glaube, dass wir der Veranstaltungsbranche diese Perspektiven im Rahmen unserer politischen Möglichkeiten bieten können. Sehen wir einmal, was wir in den Haushaltsverhandlungen noch zusätzlich zur Verfügung stellen können, um die unmittelbar gegebenen Härten in der Wirtschaft abzufedern. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch im Namen meiner Fraktion danke ich dem Ministerium und aus dem Leitungsbereich den Fachreferentinnen und Fachreferenten ausdrücklich für die Erarbeitung dieses Sportentwicklungsplanes. Ich möchte allerdings auch allen anderen Beteiligten aus dem organisierten Sport, von Wissenschaft und Wirtschaft und weit darüber hinaus - wir haben es gehört - danken, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass wir einen so fundierten und auch ausführlichen - wir haben es gehört - Sportentwicklungsplan bekommen haben.
Die breite Beteiligung an der Erstellung zeigt aber auch die Bedeutung des Sports für das Land Schleswig-Holstein. Es ist heute bereits viel Richtiges gesagt worden zur Bedeutung des Sports, zu seiner gesamtgesellschaftlichen Rolle als Motor für Bewegung und Gesundheit, für Zusammenhalt und Integration und damit auch zur Bedeutung des Sports für alle Sporttreibenden und den im Sport organisierten Menschen.
Ich möchte mit zwei Anekdoten fortfahren. Sport lehrt uns beispielsweise Verantwortung, nicht nur im Team, sondern auch darüber hinaus. So habe ich es lernen dürfen, als ich als Schüler in meinem Heimatverein unter anderem an der Organisation von Turnieren und Wettkampfveranstaltungen beteiligt war. Das war eine konkrete Verantwortung, die ich damals als junger Mensch getragen habe, erstmalig außerhalb der Schule. Es ist der Sport, und es sind die vielen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, die einem Jugendlichen solch wichtige Erfahrungen ermöglichen. Ich bin fest davon überzeugt: Wer sich im Sportverein engagiert, ist auf die Aufgaben des Lebens besser vorbereitet.
Sport lehrt uns aber auch Vertrauen, wenn wir uns im Team aufeinander verlassen können. Sport lehrt uns auch, unsere Grenzen auszutesten, an unser Limit und darüber hinaus zu gehen, wenn der Wettkampfgedanke, und das ist ja Sinn des Sportes, überwiegt und wir uns mit anderen messen.
Aber es sind nicht nur die ausschließlich positiven Erfahrungen, die prägen. Ich erinnere mich beispielsweise daran, wie einer meiner Mannschaftskollegen, als ich ein junger Teenager von ungefähr 13 Jahren war, von einem anderen vor dem Sport mit einem Stock über den Platz gejagt wurde. - Das geschah nicht aufgrund eines Streits, sondern weil der Kollege, der gejagt wurde, schwarz war. Das ist
der Trainingstag, an dem uns unser Trainer vorbildlich und eindringlich klarmachen musste, dass Rassismus im Sport keinen Platz haben darf, und wir alle doch erfahren mussten, dass er doch stattfinden kann und wir alle Verantwortung dafür tragen, gegen Rassismus und für aktiven Antirassismus auch im Sport einzustehen.
Selbstredend hat der Nazi danach nicht mehr mit uns Fußball gespielt, aber es ist so verdammt wichtig, dass in solchen Situationen hingeschaut wird, dass wir ausgebildete, aktive, gute Trainerinnen und Trainer haben. Das garantiert der organisierte Sport; denn im Sport und in den Vereinen spiegelt sich auch unsere Gesellschaft wider.
Wenn ein Drittel der Bevölkerung in den Sportvereinen organisiert ist, sind diese mit die wichtigsten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren unserer Zeit. Gerade im organisierten Sport muss mit gutem Beispiel vorangegangen werden, und glücklicherweise passiert das auch. Es freut mich beispielsweise sehr, auch aus dieser Erfahrung heraus, heute zu sehen, dass Vereine von sich aus Kampagnen für Toleranz und Vielfalt im Sport starten. Viele Grüße nach Grundhof an dieser Stelle.
Es freut mich sehr, dass der Sport eine so proaktive Rolle bei der Integration Geflüchteter spielt oder wenn in Sportvereinen die Teilhabe von Menschen mit Behinderung ermöglicht wird. Das zeigt auch, dass sich der Sport der gesellschaftlichen Herausforderung annimmt und sie auch bewältigen kann. Denn, so wie sich unsere Gesellschaft immer weiterentwickelt, entwickelt sich auch die Sportlandschaft und deren Struktur immer weiter. Sie muss sich auch immer weiterentwickeln, da sich das Sportverhalten der Bevölkerung verändert. Das ist normal. Neue Sportarten kommen hinzu oder werden beliebter, andere büßen an Beliebtheit ein. Die Strukturen und die Sportstätten dafür müssen entstehen, erhalten oder erneuert werden.
Insbesondere im Bereich des Leistungssports stehen wir im Wettbewerb mit anderen Ländern gerade in Stützpunktsportarten, bei denen wir feststellen, dass andere Länder massiv in ihre Infrastruktur investieren. Selbstverständlich müssen und werden wir als Land unseren Teil dazu beitragen, dass wir eine ausreichende und auskömmliche Finanzierung des Sports im Land weiter
für strukturelle Kosten genauso wie für die Finanzierung einer guten und wettbewerbsfähigen Sportstätteninfrastruktur sicherstellen. Dafür haben Sie unser Wort.
Der Sport lebt vom Ehrenamt. Dieses große gesellschaftliche Engagement braucht eine gute Infrastruktur und eine gute hauptamtliche Struktur zur Unterstützung, gerade wenn wir wollen, dass der Sport mit seinen großen ehrenamtlichen Strukturen auch in Zukunft an der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen mitwirken soll.
Auf alle Entwicklungen wollen wir Antworten geben und für sie gewappnet sein. Dafür haben wir jetzt erstmalig einen Sportentwicklungsplan. Das ist ein wichtiges Signal und ein wichtiger Baustein für den Sport und eine wichtige Grundlage für die künftige sportpolitische Arbeit, die wir auch mit der Entwicklung des Zukunftsplans „Sportland Schleswig-Holstein“ fortsetzen werden. Ich freue mich sehr, dass wir hier weitgehend fraktionsübergreifend an einem Strang ziehen. Vielen Dank dafür ausdrücklich. Für den Sport im Land lassen Sie uns gerne so weiterarbeiten. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Vor mittlerweile fast genau zehn Jahren habe ich als Schüler angefangen, mich politisch zu engagieren. Ich habe das getan, weil es mir unbegreiflich war, mit welchem Desinteresse wir andere Menschen für unsere Produkte ausbeuten, beim Nähen von T-Shirts, auf Kaffeeoder Kakaoplantagen, beim Coltan-Abbau.
Die Bilder in Dokumentationen, die Berichte in Nachrichten und Zeitungen, vor allem auch die Vorträge von Betroffenen haben mich zutiefst bewegt. Sie haben mich deshalb so bewegt, weil unser politisches und unternehmerisches Desinteresse an den Lebensumständen anderer Menschen ursächlich dafür ist, dass sie in Armut leben. Das bedeutet: Menschen leiden Hunger. Menschen können sich kein Dach über dem Kopf leisten. Menschen werden aus ihrer Heimat vertrieben. Menschen sterben, weil sie sich keine Behandlung leisten können - und das nur, weil wir uns hier im Wohlstandswesten dafür nicht interessieren. Das bewegt mich heute noch zutiefst.
Es ist auch unsere Verantwortung, diese Situation zu ändern. Immerhin sind wir die drittgrößte Importnation der Welt. Doch da versagen wir in Deutschland und in Europa.
Die Vereinten Nationen haben 2011 ihre Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Sie betonen die staatliche Schutzpflicht und die unternehmerische Verantwortung, stellen damit also nicht nur für Staaten, sondern auch für Unternehmen eine Verantwortung bezüglich der Menschenrechte fest.
Die Bundesregierung hat 2016 den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung dieser UN-Leitprinzipien beschlossen. Gebracht hat beides bis heute nicht viel, auch und gerade deshalb, weil es sich bei beidem um keine verbindliche rechtliche Vorschrift handelt.
Bei der Lösungsfindung greift der Ruf nach europäischen Regelungen zu kurz. Ja, wir brauchen eindeutige Einfuhrregelungen für Produkte, die in den europäischen Binnenmarkt kommen.
Aber insbesondere große, oftmals multinational agierende Unternehmen sind eigenständige Akteurinnen und Akteure der internationalen politischen Landschaft. Als solche tragen sie nicht nur beim Grenzübertritt von Produkten eine Verantwortung, sondern überall dort, wohin ihr Wirkungsradius unmittelbar ausgreift. Bei der Regelung dieser Verantwortung versagen wir noch zu oft.
73 Millionen Kinder weltweit gehen einer Arbeit nach. 2,1 Milliarden Menschen weltweit leben von weniger als 2 US-Dollar am Tag und damit in Armut. Das liegt auch an den Produktionsstrukturen multinationaler Konzerne, denn - wir haben es gerade gehört -: Weltweit arbeiten circa 450 Millionen Menschen in globalen Wertschöpfungsketten, und diese Menschen verdienen oftmals nicht mehr als einen Hungerlohn.
Um es greifbar zu machen: Anwar Khawaja Industries produziert in Sialkot in Pakistan Fußbälle für die bekannten großen Sportartikelhersteller. Eine Näherin kann am Tag zwei bis drei Bälle produzieren. Pro Ball erhält sie ziemlich genau 85 ct. Damit erhält eine Näherin im Monat 50 € bis 60 € für sich und ihre Familie. Der Ball für das Champions
League-Finale vom letzten Wochenende wird beispielsweise für 136 € verkauft. Der Lohnanteil liegt also bei 0,6 %. Das entspricht exakt dem Lohnanteil für Näherinnen und Näher bei einem durchschnittlichen Marken-T-Shirt.
Nur mal zum Vergleich: Bei Herstellern, die Kleidung in Deutschland produzieren, wird mit einem Lohnanteil von 52 % kalkuliert. Das wären für die Näherinnen und Näher in Pakistan 1,5 Monatslöhne pro Kleidungsstück oder Fußball.
Menschenrechtsverstöße erfolgen jedoch nicht nur aus ausbeuterischer Bezahlung oder liegen im Falle von Kinderarbeit vor, sondern können vielfältig sein. Wir haben das Versagen von privaten Kontroll- und Zertifizierungsunternehmen heute schon gehört, beispielsweise beim Einsturz des Rhana Plaza Gebäudes.
Ein ähnliches Versagen war ursächlich für den Bruch des Brumadinho-Dammes in Brasilien im vergangenen Jahr. Damals starben mindestens 270 Menschen. Unzählige wurden durch die Wassermassen heimatlos.
Beide Beispiele zeigen auch, wie eine unklare bis nicht vorhandene rechtliche Verpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechten dazu beiträgt, dass global agierende Unternehmen ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht nicht sehr ernst nehmen und damit das Sterben und Leiden von Menschen mindestens billigend in Kauf nehmen.
Nicht zuletzt die Unternehmensbefragung im Auftrag der Bundesregierung hat dieses Jahr deutlich gezeigt, dass wir bei der Wahrung von Menschenrechten entlang globaler Lieferketten deutlich Nachholbedarf haben.
Das alles macht deutlich: Wir brauchen ein nationales Lieferkettengesetz. Es braucht eine Haftung großer Unternehmen für ihre Handlungen. Überall.
Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass dazu heute ein klares Signal von diesem Hause aus ausgeht. Ich hoffe, dass wir noch dazu kommen, wenn wir in den Ausschüssen weiter beraten, wie der Kollege Kilian gesagt hat. Wir beantragen Überweisung in den Umweltausschuss und mitberatend in den Wirtschaftsausschuss. Ich freue mich auf die Beratungen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, weil ich glaube, dass zu einigen Punkten doch noch einmal etwas gesagt werden muss.
Erstens zu der Behauptung, der Staat schiebe die Verantwortung ab: Ich habe schon ausführlich dargelegt, dass global agierende Unternehmen ebenfalls relevante Akteure der internationalen politischen Landschaft sind. Deren Verantwortung darf nicht unterlaufen werden. Es kann in einer globalisierten Welt nicht alleinige Aufgabe von Staaten sein, sich für Menschenrechte einzusetzen. Diese gelten universell und schließen die Verantwortung von Unternehmen ein.
Zweitens zu dem Thema „nationale Alleingänge“: Gerade dadurch, dass wir ein nationales Gesetz bekommen könnten, würden wir zum Vorreiter für die sowieso erfolgende EU-Gesetzgebung werden, die sich an dem orientieren könnte, was wir im nationa
len Recht erfolgreich umgesetzt haben und woran unsere Unternehmen sich dann schon gewöhnt haben.
Drittens zu der Sorge vor Haftstrafen und zivilrechtlichen Folgen für die Unternehmerinnen und Unternehmer: Wenn man gegen Menschenrechte verstößt, hat man dafür geradezustehen. Und: Der Fokus des Gesetzentwurfs auf der Bundesebene liegt eben nicht nur auf der zivilrechtlichen Verfolgbarkeit, sondern gerade auch auf Überprüfbarkeit und Transparenz, die in einem ersten Schritt wichtig sind, damit wir überhaupt nachvollziehen können, was in den Lieferketten passiert.
Viertens zu der Erzählung, ein Lieferkettengesetz sei schlecht für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen: Das Gesetz, das die Bundesregierung in Eckpunkten vorlegen möchte, spricht Unternehmen mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an. Das sind keine kleinen und mittleren Unternehmen; das sind große Unternehmen, werte Kolleginnen und Kollegen, und das wissen Sie auch.
Unternehmen dieser Größenordnung haben selbstverständlich ein eigenes Supply-Chain-Management.
Wenn sie das nicht haben, kann ich das ehrlicherweise nicht verstehen.
Fünftens - das ist der letzte Punkt - zu dem Narrativ von einem Nachteil für die deutschen Unternehmen: Diesen Nachteil für deutsche Unternehmen, insbesondere für die großen deutschen Unternehmen, die sich schon Sorgen machen und sich um ihre Lieferketten kümmern, haben wir doch schon heute am europäischen Markt, weil es Mitbewerberinnen und Mitbewerber gibt, die kein Interesse daran haben, wie ihre Lieferketten ausgestaltet sind.
Deshalb überrascht es nicht, wenn Unternehmerinnen und Unternehmer sagen - wenn ich sinngemäß zitieren darf -: Wir brauchen gesetzlich geregelte Mindeststandards, um Wettbewerbsneutralität im europäischen und auch im deutschen Markt zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es liegt definitiv auch im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer, die von den Eckpunkten des Gesetzentwurfs betroffen wären, dass wir ein solches Gesetz auf den Weg bringen. Ich würde mich freuen, wenn wir dazu im Ausschuss weiterkämen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, in der Tat, die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ist nicht profan. Und ja, es ist ein sehr spezifisches Thema. Dabei geht es uns doch alle an. Wir haben das anhand der Beispiele, die hier genannt wurden, schon gesehen. Ich glaube, man kann nicht oft genug betonen, wie relevant das ist und wie relevant die Tatsache, dass es uns alle angeht, auch hinsichtlich der Komplexität der Umsetzung ist; denn zwischen der Umsetzung des OZG nach reinem Gesetzestext und dem, was für uns Bürgerinnen und Bürger am Ende tatsächlich ein Fortschritt ist, auch was die Interaktion mit der Verwaltung und die Erleichterungen für die Verwaltung angeht, gibt es wirklich meilenweite Unterschiede. Deshalb ist dieses Verfahren so interessant.
Ich habe mit dem Kollegen Tietze in der Mittagspause über die Beantragung einer Ersatzgeburtsurkunde diskutiert. Das ist ein ganz schönes Beispiel. Wenn Sie eine Ersatzgeburtsurkunde bestellen wollen, können Sie das nur in der Gemeinde tun, in der Ihr Kind oder Sie selber auch geboren worden sind. Sie füllen da dann den Antrag auf Ausstellung einer Ersatzurkunde aus und müssen sie im Regelfall auch noch selber physisch abholen. In Zukunft wird es nach der Lösung im Gesetz so sein, dass Sie online einen Antrag stellen und Ihnen das zugesandt wird. Aber die optimale Umsetzung des OZG würde so aussehen - das ist das, worauf wir immer hinauswollen -, dass Sie ein Online-Bürgerkonto haben, in der die Geburtsurkunde drin ist, sodass Sie sie jederzeit bei Bedarf herunterladen können und das Ersatzdokument haben.
Dieses kleine Beispiel kann man jetzt über alle mehr als 7.000 - oder sind es über 6.000? - Verwaltungsverfahren und -leistungen deklinieren, die es am Ende geben wird. Ich glaube, wir haben mittler
weile fast 1.000 OZG-Leistungen, und bei den LeiKa-Leistungen sind es deutlich mehr.
Wenn Sie sich dann vorstellen, was es für ein Aufwand für die deutsche Verwaltung ist, dieses Verfahren über alle Bundesländer, über die Bundesverwaltung und über alle kommunalen Verwaltungen zu legen und sich zu überlegen, wie man diesen Prozess im besten Sinne im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, der Verwaltung, aber auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit auf den verschiedenen Verwaltungsebene digitalisieren kann, dann zeigt sich, weshalb das nicht profan und weshalb es meiner Meinung nach auch eines der spannendsten politischen Vorhaben unserer Zeit ist.
Damit ist es auch eines der Verfahren, die am meisten Chancen bergen; denn nicht nur hinsichtlich der Geburtsurkunde kann ein solch einfaches Verfahren gewählt werden, sondern auch bei vielen anderen Vorgängen, beispielsweise bei der Abgabe zum Deutschen Weinfonds. Auch das ist ein sehr interessantes Beispiel. Da gibt es ein echtes Problem in der Interaktion zwischen den Gemeinden. Jeder Mensch, der einen Weinberg hat oder auf einem Weinberg etwas anbaut, muss nämlich eine Meldung an die deutsche Weinbaukartei beziehungsweise an die europäische Weinbaukartei vornehmen. Das findet sogar in Schleswig-Holstein statt, da es auch hier Weinanbau gibt.
Diese Meldung wiederum löst zweierlei aus: Erstens muss derjenige oder diejenige, die den Berg hat, Gebühren für den Berg entrichten. Aber vor allen Dingen muss der- oder diejenige eine Abgabe an den Deutschen Weinfonds leisten. Der Deutsche Weinfonds - wir haben davon in den letzten Wochen in den Medien öfter gehört - ist eine Instanz, die dafür da ist, für den deutschen Weinbau Werbung zu betreiben. Das Spannende ist jetzt: Diese Meldung zur europäischen Weinbaukartei geht über die Länder an die Europäische Kommission. Die Berechnung der Abgabe erfolgt allerdings in den seltensten Fällen über die Länder, sondern im Regelfall sogar über die Gemeinden, insbesondere in Rheinland-Pfalz. Das führt dazu, dass die Informationen zwischen den Verwaltungen kompliziert hinund hergeschickt werden müssen beziehungsweise von denjenigen, die den Berg in Rheinland-Pfalz haben, doppelt gemeldet werden müssen, obwohl das doch Informationen sind, die die öffentliche Hand längst hat.
Dieses Beispiel zeigt, dass wir beim OZG nicht nur an das Digitalisieren von für die Bürgerinnen und Bürger offensichtlichen Verfahren denken müssen, sondern dass sich aus dem OZG ein ganz spannen
der Handlungsauftrag für uns alle ableitet: Wir müssen die Zusammenarbeit, den Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsbehörden und zwischen den Behörden und den Bürgerinnen und Bürgern neu denken.
Damit komme ich zu dem entscheidenden Punkt. Das ist genau das, was wir hier in Schleswig-Holstein machen, wobei uns die Strukturen nicht nur im beim MELUND angesiedelten ZIT sehr erfolgreich unterstützen, sondern wobei uns vor allen Dingen auch die Struktur des ITVSH sehr hilft; denn der ITVSH bündelt die kommunalen Erfahrungen und Kompetenzen. Das ist eine in Deutschland einmalige Konstruktion. Jetzt muss ich den ITVSH nicht verteidigen, weil es keine Landesinstitution, sondern ein kommunaler Zusammenschluss ist. Nichtsdestotrotz halte ich es für ein gutes Gremium, bei dem wir immer wieder merken, zu welchen Effizienzen im System das führt.
Da können wir überhaupt nichts gegen die fabrikartige Produktion von Leistungen sagen; denn das Einmalerstellen der Leistungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger erfolgt in sehr komplizierten und ausführlichen Beteiligungsformaten, und da werden die Erfahrungen der einzelnen Kommunen gebündelt. Dass man, um diese Leistung in die Mehrfachnutzung für alle anderen Kommunen in SchleswigHolstein zu bringen, diese fabrikartig produziert und reproduziert, ist doch genau richtig, um diese Effizienzen zu heben.
Ich hoffe sehr, dass wir das ganze OZG-Verfahren im Sinne des Hebens von Effizienzen, was die Zusammenarbeit der Verwaltung und insbesondere die Kommunikation der Verwaltung mit den Bürgerinnen und Bürger angeht, weiter diskutieren und vor allen Dingen weiter bearbeiten. Ich finde, wir sind hier unheimlich gut aufgestellt, und freue mich auf die weitere Debatte. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Midyatli, ob mit Pferden oder mit Maurerkelle ist doch ehrlicherweise ziemlich egal.
Deutlich wichtiger ist doch: Die Ankündigung von Galeria Karstadt Kaufhof, vier der fünf Filialen in Schleswig-Holstein zu schließen, war im Juni unbenommen ein harter Schlag für alle Betroffenen. Mitten in den vorsichtigen Aufbruch aus den gerade für den Handel und die Innenstädte wirklich schwerwiegenden coronabedingten Einschränkungen kam die Nachricht des finalen Aus. Gerade in diesen Zeiten und für die Beschäftigten bei Galeria Karstadt Kaufhof ist das Aus besonders hart: Viele von ihnen haben lange bei dem Unternehmen gearbeitet, oftmals ein ganzes Berufsleben lang. Bedingt durch die Coronapandemie ist die Situation am Arbeitsmarkt, vorsichtig gesprochen, schwierig, insbesondere im Einzelhandel.
Auch in den Familien und im gesellschaftlichen Leben stellen sich infolge der Coronapandemie viele neue Herausforderungen ein. All das wird jetzt noch verstärkt durch den drohenden Arbeitsplatzverlust. Deshalb war es so wichtig, dass das Wirtschaftsministerium direkt nach der Schließungsankündigung den Dialog mit allen Beteiligten gesucht hat, dass insbesondere auch die Geschäftsführung, die Gewerkschaften und die Arbeitsagentur an den Tisch geholt werden, um bestmögliche Lösungen und Übergänge zu gestalten. Genau dafür hat sich die Landesregierung initiativ eingesetzt.
Natürlich ist es bedauerlich und vor allem auch zu kritisieren, dass die Geschäftsführung von ihrer Planung nicht abweichen möchte, anders als in anderen Ländern. Aber der Landesregierung vorzuwerfen, sich nicht gekümmert zu haben, ist an dieser Stelle wirklich grundfalsch, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD.
Wir als Koalition senden auch hier und heute das klare Signal: Wir wollen gemeinsam mit den Betroffenen weiter an Lösungen arbeiten und einen Übergang für diese schwierige Zeit finden und gestalten. Wir haben selbstverständlich immer ein offenes Ohr für alle Betroffenen.
Für die Städte gilt derweil: Auch für sie stehen Förderprogramme zur Verfügung und werden oftmals sogar von den betroffenen Gemeinden bereits genutzt. Vor allem aber gilt: In keiner Stadt darf man wirklich über den Rückzug von Galeria Karstadt Kaufhof überrascht sein. Das Geschäftsmodell war und ist überholt. Dieses Geschäftsmodell ist nicht wettbewerbsfähig und vor allem nicht zukunftsfähig. Das Unternehmen hat keine Antworten auf ein sich veränderndes Konsumverhalten gefunden. Das Unternehmen hat sich weder spezialisiert, noch kann es mit einer besonderen Preisstruktur aufwarten. Wir sehen weder eine besondere Qualität der Produkte noch eine Antwort auf den zunehmenden Onlinehandel. Dieses Geschäftsmodell hat - Stand heute - die Zukunft und die Gegenwart verpasst.
Gerade deshalb darf es nicht wie in dem Antrag der SPD heißen „Perspektiven für Galeria Karstadt Kaufhof“. Wir brauchen Perspektiven für die Beschäftigten. Und wir brauchen Perspektiven für die Standortgemeinden.
Aber wir brauchen keine Perspektive für dieses Unternehmen; kein öffentliches Geld für verstaubte und unwirtschaftliche Geschäftsmodelle. Das sage ich ganz klar.
Für das Aufzeigen von Perspektiven für die Standortgemeinden stehen die Förderprogramme von Land und Bund bereit, tatsächlich auch schon seit Jahren, und werden von den Standortgemeinden interessanterweise ebenso lange genutzt, was zu begrüßen ist. Denn es gilt auch: Es war absehbar, dass dieser Moment des Rückzugs früher oder später kommen würde.
Wir begrüßen es aber natürlich, wenn wir auch politisch eine Debatte über die Zukunft der Städtebauförderung führen. Diese Debatte aber nur anlässlich des Galeria-Karstadt-Kaufhof-Cases zu führen oder nur für die betroffenen Städte, ist falsch und zu kurz gesprungen.
Die Herausforderungen der Städte sind vielfältig.
Vor allem stellen sich Herausforderungen in viel mehr Städten als nur in den vom aktuellen Rückzug betroffenen. Ein sich wandelndes Mobilitäts- und Konsumverhalten, der Wunsch, Kultur neu zu erle
ben, der Bedarf nach vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, die Notwendigkeit, Klimaschutz und Klimaanpassung in den Städten zu realisieren - über alle diese Herausforderungen müssen wir selbstverständlich sprechen. Um sie anzugehen, braucht es Konzepte und Programme, denn bei aller Veränderung braucht es für lebendige Orte weiterhin attraktive Innenstädte.
Doch die Anlässe, in die Innenstädte zu gehen, sind heute andere als noch vor 20 oder 30 Jahren. Karstadt ist kein Anlass mehr für die Menschen, in die Stadt zu gehen. Sie wollen in der Stadt, in öffentlichen Räumen mit hoher Aufenthaltsqualität flanieren können, in den Städten Kaffee trinken und gutes Essen konsumieren. Sie wollen das kombinieren mit dem Erleben von Kultur - egal ob aktiv oder passiv - und der Möglichkeit zu arbeiten. Das heißt, es braucht öffentliche Kunst und es braucht neue Arbeitsräume, möglichst Co-Working-Spaces auch in den Innenstädten, bestenfalls kombiniert mit Cafés, Kitas und kleinen diversen Ladengeschäften.
Es sind gerade die Klein- und Mittelstädte, die vormachen, wie so etwas aussehen kann, heute schon in Schleswig-Holstein, wenn wir zum Beispiel hier im Land nach Eckernförde oder nach Husum schauen.
Gerade diese Städte zeigen auch, dass sich das Mobilitätsverhalten ändert und dass sich die Verkehrsflächengestaltung ebenfalls ändern muss, wenn wir wollen, dass wir attraktive Innenstädte haben.
In wirklich attraktiven und schönen Innenstädten fährt heute schon niemand mehr mit dem Auto direkt vor das Geschäft.
Schon seit den 60er-Jahren hat Jan Gehl mit seiner wegweisenden Arbeit uns allen vor Augen geführt, dass es gerade autofreie Zonen und Bereiche braucht, um Aufenthaltsqualität und Konsumverhalten der Menschen positiv zu beeinflussen. Wenn hier jemand das Gegenteil behauptet, dann spricht das nicht unbedingt für Ahnung von Stadtentwicklung, werte Kolleginnen und Kollegen. Natürlich braucht es Möglichkeiten, Städte auch mit dem Auto zu erreichen. Aber die letzte Meile in der Stadt darf nicht mehr damit zurückgelegt werden; das würde dem Wirtschaftsstandort Innenstadt nur schaden.
Gleichzeitig müssen die Städte bei allen Umbauund Restrukturierungsmaßnahmen auch bedenken, die private und öffentliche Infrastruktur fit zu machen für die Herausforderungen des Klimawandels, gerade in Schleswig-Holstein. Es braucht städtisches Grün, um auch in heißen Sommern ein erträgliches Stadtklima zu haben und um dem Rückgang der Artenvielfalt zu begegnen.
Der Hochwasserschutz genauso wie die Wasserverund -entsorgungsinfrastruktur müssen fit gemacht werden für zunehmende Extremwetterereignisse und ausbleibenden Niederschlag zugleich.
All diesen Herausforderungen sehen sich die Städte in Schleswig-Holstein gegenüber. Ich weiß, dass an vielen Orten schon heute gute Konzepte für attraktive und lebendige Ortskerne entstehen. Gleichzeitig wandeln sich die Herausforderungen laufend. Deshalb freue ich mich, wenn wir über die Städtebauförderung und ihre Zukunft auch im Ausschuss noch weiter beraten können. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Viel Wichtiges ist gerade schon gesagt worden, dennoch gibt es zwei oder drei Punkte, zu denen ich mich noch einmal ganz kurz zu Wort melden möchte.
Erstens: Eine Entwicklung der Innenstädte im Sinne des Klimaschutzes und der Attraktivierung der Innenstadtlagen ist überhaupt kein Widerspruch zur Entwicklung von Arbeitsplätzen, sondern ganz im Gegenteil.
Dort, wo wir künftig Nutzungen miteinander kombinieren und damit Verkehr in der Fluktuation in der Innenstadt reduzieren, haben wir auch in Zukunft weiterhin Arbeitsplätze, im besten Fall sogar bessere Arbeitsplätze für die Innenstädte.
Zweitens: Eine Verschiebung der Schließung, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, löst das Problem nicht und ist vor allem keine Rettung des Konzerns.
Zu der Frage, ob überhaupt eine Schließung in Frage kommt - Stichwort positiver Deckungsbeitrag -, hat die Kollegin Krämer alles ausgeführt. Dazu gibt es nichts zu ergänzen. Ich kann nur noch einmal betonen: Bei aller, aller Notwendigkeit, dass wir für die Beschäftigten Lösungen und Übergänge gestalten - die auch schon gestaltet werden, denn da ist die Arbeitsagentur schon dabei -, können wir sie doch nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag in einer Struktur behalten, von der sie wissen, dass das Ende kommt. Ihnen zu sagen, es gehe jetzt noch einmal
einen Monat weiter, dann sei es aber doch vorbei, ist keine gesunde Perspektive für die Beschäftigten.
Ein dritter Punkt: Herr Kollege Dunckel, Ihre Einladung nehme ich gern an. Ich freue mich drauf, wir treffen uns gern in Flensburg.
Letzter Punkt - Stichwort stadtprägende Gebäude -: Kollege Baasch, ein stadtprägendes Gebäude muss selbstverständlich in dem Moment, in dem das Modell, das in diesem Gebäude gelebt wird, für den Betreiber nicht mehr lohnend und attraktiv ist, für die Stadt weiterentwickelt werden. Dafür gibt es interessante und spannende Konzepte. Die heißen aber eben nicht: Ich halte den Vollsortimenter in diesem Gebäude drin, sondern ich gucke, was dort stattdessen rein kann. Ich kombiniere Kultur und Büchereien mit Arbeitsplätzen und gegebenenfalls auch einem Kino. Ich schaue, ob ich Arbeitsplätze für die Verwaltung und private Akteurinnen und Akteure dort hineinbekomme und mehr kleine Einzelhandelsgeschäfte - im besten Fall inhabergeführt, was auch für die Wertschöpfung der Region positiv ist. Dafür gibt es eine Reihe von guten Beispielen, wenn wir nach Skandinavien schauen. In Frederiksberg in Kopenhagen werden aus Kirchen im Absalon Co-Working-Spaces und Kulturerlebnisräume. In Hässleholm, schwedische Partnerstadt von Eckernförde - hier kann man noch etwas lernen -, werden beispielsweise neue Stadtteilzentren gebaut, in denen genau diese Bibliotheken und Erlebnisräume mit Cafés und Arbeitsräumen für öffentliches Leben entstehen.
In diese Richtung müssen wir denken und nicht sagen, wir halten an alten Modellen fest, weil sie früher einmal Ertrag generiert haben und hoffen, dass das die Stadt am Leben hält. Nein, wir müssen neu denken. Dafür braucht es die richtigen Konzepte. Die gibt es bereits. Da müssen wir nur einmal über den schleswig-holsteinischen Tellerrand schauen. Vielen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Albrecht, zunächst auch von meiner Seite ganz vielen Dank an Sie und auch an die Kolleginnen und
Kollegen im Ministerium, die in den vergangenen Jahren intensiv nicht nur an der Erstellung der Strategie und des Berichts, sondern, wie wir heute gesehen haben, insbesondere auch an der Umsetzung, der Einbindung und Realisierung von Open-SourceAnwendungen in der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung, gearbeitet haben.
Der heutige Bericht hat uns ganz deutlich gezeigt das zeigen auch die Meldungen der letzten Tage -: Schleswig-Holstein ist bei der Anwendung von quelloffener Software in der öffentlichen Verwaltung nicht nur auf dem besten Weg zum Vorreiter, sondern wir sind bereits Vorreiter und damit Beispiel für viele andere Länder und Sparten nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Europäischen Union.
Die Meldungen der letzten Tage sind angesprochen worden, nicht nur, dass Hamburg vorhat, es uns gleichzutun und die gleichen Anwendungen zu implementieren, sondern zum Beispiel auch - ganz jung - der Einsatz des Matrix-Messengers in der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung, mit dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftig kommunizieren können.
Als die Anwendung von Open-Source-Software im Koalitionsvertrag festgehalten wurde und dann auch im Landtag ein entsprechender Beschluss gefasst wurde, waren die Überraschung und die Skepsis bei einigen zunächst einigermaßen groß. Sie fragten sich: Was hat Schleswig-Holstein vor?
Open-Source-Software haftete lange etwas an, das vielleicht etwas für Überzeugte und etwas für eine Nische sei. Ich kann das nachvollziehen. Als ich mit 14 Jahren meinen ersten eigenen Rechner aufgesetzt habe und Microsoft Windows zu teuer fand, habe ich mir natürlich Linux besorgt. Es war allerdings ein bisschen nerdi, ein bisschen technikbegeistert, Linux dann auch selber umprogrammieren zu können. Trotzdem hat es auch fasziniert.
Da stellte sich dann die Frage: Ist das denn auch für große Anwendungen geeignet? Dieses Bild hat sich in den letzten Jahren komplett gewandelt. Die Anwendung von Open-Source-Software, insbesondere im Back-end, ist mittlerweile Mainstream. Ehrlicherweise hinken wir in der öffentlichen Hand ähnlich dem, was in der freien Wirtschaft passiert, eher hinterher. Deshalb ist es so wichtig, dass wir längst auch den öffentlichen Raum für Open-Source-Anwendungen erobern und öffnen.
Quelloffenen Systemen gehört die Zukunft und auch schon die Gegenwart. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir heute nicht nur einen Fahrplan haben, bei dem ich übrigens das Jahr 2025, sogar mit Monats- und Tagesangabe, als eine sehr konkrete Datumsangabe ansehe, und man kann auch sehen, dass wir längst in der Umsetzung sind.
Wenn wir uns beispielsweise anschauen, was mittlerweile im Back-end passiert ist, dann müssen wir feststellen: Microsoft Exchange wurde durch Open Exchange ersetzt. Der SharePoint in der Verwaltung wurde durch Nextcloud ersetzt. Wir haben den angesprochenen Matrix Messenger. Die Schnittstellen sind längst implementiert. Die E-Akte ist zukünftig mit den Open-Office-Anwendungen kompatibel. Insofern ist das, was hier als vermeintliche Kritik angesprochen wurde, längst erledigt, was man auch öffentlich nachvollziehen kann.
Das alles geht nur, weil wir in Schleswig-Holstein eine so starke IT-Abteilung haben und weil wir mit Dataport einen extrem starken Partner für die öffentliche Verwaltung bei der Anwendung von ITLösungen haben.
Vielleicht noch zwei Argumente, warum die Anwendung von Open-Source-Software angemessen ist.
- Bitte, gerne.
Es ist nicht die Aufgabe des Landtags, den Personal- und Stellenplan von Dataport zu beschließen. Vielmehr kaufen wir bei Dataport als Dienstleister Lösungen und Anwendungen beziehungsweise Dienstleistungen ein. Dataport ist dann selbstständig dafür verantwortlich, das hierfür erforderliche Personal einzustellen.
Wenn ich mir die Berichte von Dataport in den letzten Jahren anschaue, bin ich sehr optimistisch, dass die das hinbekommen. Die werben sehr aktiv auf dem Markt um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zumindest aus den Gesprächen, die ich mit dem Unternehmen führe, gewinne ich den Eindruck, dass das auch ganz gut gelingt.
Ich erlaube gerne eine weitere Zwischenfrage.
Das sind super Aspekte, auf die ich gern eingehe, zumal ich jetzt etwas mehr Zeit dazu habe. - Ich beginne mit dem finanziellen Aspekt. Wir haben nie gesagt, dass wir durch die Anwendung von OpenSource-Software einfach nur Geld sparen. Wir haben gesagt: Wir sparen Geld ein - beispielsweise in den großen Verträgen mit amerikanischen Konzernen - und können es dann nutzen, um in SchleswigHolstein in passgenaue Instrumente zu investieren. Das Geld, das wir heute und künftig für Open-Source-Anwendungen ausgeben, führt unmittelbar zu Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und dem Halten von Menschen hier in der Region - nach Möglichkeit.
Zu dem zweiten Punkt, der Sicherheit: Gerade das ist ein Argument für Open-Source-Software. Bei Open-Source-Software können wir viel agiler auf etwaige Sicherheitsrisiken in der Systeminfrastruktur und der Infrastruktur der Programmierung reagieren, weil wir selber Zugriff auf den Quellcode haben. Das ist ja der große Unterschied zu einer Microsoft-Anwendung. Wir wissen nämlich nicht, was in dieser Anwendung passiert; das können wir nicht nachvollziehen. Wenn wir ein Problem haben, müssen wir uns an Microsoft wenden und sagen: Bitte behebt das Problem! Helft uns dabei, auch das Sicherheitsproblem zu lösen!