Protocol of the Session on December 11, 2020

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(Tumult auf und Zurufe von der Besuchertri- büne)

- Ich glaube, wir sollten uns davon jetzt nicht ablenken lassen, denn das ist nur gewünscht.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Nach Mitteilung der Fraktionen sind erkrankt: aus der CDU-Fraktion der Abgeordnete Peter Lehnert, aus der SPD-Fraktion der Abgeordnete Martin Habersaat und die Abgeordnete Birgit Herdejürgen sowie aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Marlies Fritzen. In der Landesregierung ist Ministerin Prien erkrankt. - Wir wünschen alle gute Genesung.

(Beifall)

Wegen auswärtiger Verpflichtungen ist von der Landesregierung Minister Dr. Garg ab mittags beurlaubt. Die Abgeordnete Midyatli hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung unseres Landtags mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme an der heutigen Sitzung ab 14 Uhr verhindert ist. Die Abgeordneten Fehrs und von Pein haben nach § 47 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme an der heutigen Sitzung zur Gänze verhindert sind. Der Abgeordnete Dirschauer hat ebenfalls nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Vormittagssitzung verhindert ist.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich ganz herzlich dem Abgeordneten Volker Nielsen zum Geburtstag gratulieren. Lieber Volker, alles Gute, bleib gesund!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 A auf:

Landtag über die Verhandlungsposition der Landesregierung informieren

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2649

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Mit dem Antrag wird um einen Bericht in dieser Tagung gebeten. Ich lasse zunächst abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll.

Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so angenommen.

Ich erteile somit für die Landesregierung dem Ministerpräsidenten, Daniel Günther, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will diesem Wunsch nach Berichterstattung über die Position der Landesregierung in Vorbereitung auf die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz gern nachkommen. Wir haben es bei uns in Deutschland so geregelt, dass wir die Regeln in den Bundesländern unterschiedlich anwenden können. Wir waren uns immer alle einig, auch mit dem Blick auf andere Länder, dass dann, wenn die Zahlen nach oben gehen, schnelles Handeln notwendig ist. Dieses Regelwerk gibt es, und heute stehen wir vor dieser Prüfung, die andere Länder auch vor sich haben.

Wenn wir uns die Zahlen in unserem Land angucken, dann müssen wir feststellen, dass sie sich rasant entwickeln. Wir haben heute fast 30.000 Neuinfektionen in Deutschland. In unserem Land, in Schleswig-Holstein, haben wir eine Anzahl an Neuinfektionen, wie wir sie nie vorher gehabt haben. Wir haben mit Lübeck, Pinneberg und Stormarn bei uns mittlerweile auch drei Kreise und kreisfreie Städte, die über die Inzidenz von 100 gekommen sind. In Kiel steht dies unmittelbar bevor. Wenn wir uns die Steigerungsraten der letzten Tage realistisch angucken, dann können wir miteinander zu keinem anderen Urteil kommen: Wir müssen jetzt schnell handeln.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich will Sie an dieser Stelle auch darüber informieren, dass wir gestern den Expertinnen- und Expertenrat einberufen haben. Ich will ausdrücklich sagen, dass alle Expertinnen und Experten uns auch für Schleswig-Holstein empfohlen haben, möglichst schnell und klar und konsequent zu handeln. Es waren nicht nur die Medizinerinnen und Mediziner, sondern die Empfehlung kam auch aus psychologischer Sicht, aus rechtswissenschaftlicher Sicht und auch aus Sicht der Krisenforschung. Ich sage: Sie kam auch aus der Sicht des Instituts für Weltwirtschaft.

Das finde ich besonders wichtig: schnelles Handeln jetzt, ein klarer Lockdown so schnell wie möglich, damit wir überhaupt wieder eine Perspektive sehen können. Ich finde, das sollte auch Richtschnur un

7934 Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 104. Sitzung - Freitag, 11. Dezember 2020

seres Handelns jetzt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wir haben immer gesagt: Wir gucken uns die Zahlen an, aber wir werden sie uns nicht lange angucken, sondern wir werden jetzt auch Maßnahmen ergreifen müssen. - Das heißt für mich aber auch in aller Klarheit: Wir haben immer gesagt, mit kühlem Kopf, nicht überstürzt und immer mit klarer Ansage.

Deswegen will ich allen Menschen die Sicherheit geben, dass es natürlich auch bei uns im Norden so sein wird, dass Lebensmittelgeschäfte immer geöffnet haben werden und dass die Geschäfte des täglichen Bedarfs von keiner Schließung betroffen sind, dass wir es in Schleswig-Holstein gerade in diesen schweren Zeiten ermöglichen werden, dass in den Pflegeeinrichtungen die Besuche von Angehörigen natürlich aufrechterhalten werden.

Die Menschen können sich auch darauf verlassen, dass wir für Betreuungsmöglichkeiten sorgen werden. Das heißt für uns in Schleswig-Holstein, dass die Kitas auch außerhalb der Schließzeiten geöffnet bleiben, die Betreuungsmöglichkeit dort also besteht. Ich will aber auch klar sagen - das ist mein dringender Appell -: Alle Eltern, die ab Montag andere Betreuungsmöglichkeiten haben, denen es also möglich ist, ihre Kinder nicht in die Kita zu geben, sollten den Weg dorthin auch nicht antreten. Dazu rufe ich herzlich auf.

Wenn ich auch das in dieser Deutlichkeit sagen darf: Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden herzlich gebeten, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Homeoffice zu erlauben oder ähnliche Möglichkeiten zu eröffnen, damit sie nicht den Weg in das Unternehmen antreten müssen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Unser Appell bezieht sich auch darauf, in den Schulen jetzt ebenfalls einen klaren und konsequenten Weg zu gehen. Ab Montag wird der Präsenzunterricht nur noch in den Klassenstufen 1 bis 7 durchgeführt. Unser dringender Appell ist, die Möglichkeit, die Kinder vom Schulbetrieb beurlauben zu lassen, genauso zu nutzen. Ab Klassenstufe 8 wird es ab Montag keinen Präsenzunterricht mehr geben. Das Bildungsministerium bereitet derzeit die Schulen darauf vor, dass ab der nächsten Woche die Möglichkeit genutzt wird, zu Hause zu arbeiten. Die Möglichkeit ist da. Ich bitte alle dieje

nigen, die in der Schule Verantwortung tragen, in diesen schweren Zeiten herzlich um Unterstützung. Ich weiß, wie hart es ist, wenn man so etwas am Freitag ankündigt. Aber das ist zwingend notwendig, um die Gesundheit der Menschen zu schützen. Wir brauchen die Lehrerinnen und Lehrer, die in der Schule Verantwortung tragen. Wir bitten Sie, diesen Weg mitzugehen. Ich bin Ihnen allen herzlich dankbar, dass Sie das tun.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wir in Schleswig-Holstein werden jetzt schnell und konsequent handeln. Das heißt, in den Kreisen, die schon hohe Inzidenzwerte aufweisen, werden wir sehr kurzfristig Maßnahmen ergreifen. Gesundheitsminister Heiner Garg ist im Gespräch mit Vertretern der Landeshauptstadt Kiel und verschiedener Kreisen, um entsprechende Anordnungen vorzubereiten. Ziel ist es, dass umfassende Beschränkungsmaßnahmen, auch was Kontakte angeht, dort so schnell wie möglich greifen.

Das Verbot des Ausschanks und des Genusses von Alkohol in der Öffentlichkeit werden wir in Schleswig-Holstein so schnell wie möglich durchsetzen.

Wir müssen - das werden wir festlegen - auch die Kontakte in unserem Land reduzieren. Ich habe immer von der Zehn-Personen-Regel gesprochen; ich weiß. Aber man braucht nicht beide Hände zu nehmen, sondern nur eine Hand. An dieser sind nur fünf Finger. Deswegen lautet die Grundregel in der nächsten Zeit: Im privaten Bereich fünf Personen aus maximal zwei Hausständen!

Lediglich dann, wenn man enge Familienangehörige bei sich zu Hause zu Besuch hat, ist die Möglichkeit gegeben - weil wir die Familie besonders schützen wollen -, bis zu zehn Personen zu treffen. Das entbindet uns davon, eine Sonderregelung für die Weihnachtstage zu treffen. Das wollen wir nicht machen, weil wir genau diesen Anreiz nicht setzen wollen. Die Grundregel ist klar und verständlich. Jeder muss wissen: fünf Personen, zwei Hausstände, Ausnahme nur Familien! - Ich bitte um Verständnis, dass wir diesen harten Weg gehen müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Auch wenn wir anderes angekündigt haben und auch wenn ich weiß, dass es immer schwierig ist, wenn man Entscheidungen revidiert, sage ich an dieser Stelle: Wir hatten für Weihnachten eine Sonderregelung geplant, was die Hotelöffnung angeht.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (19. WP) - 104. Sitzung - Freitag, 11. Dezember 2020 7935

(Ministerpräsident Daniel Günther)

In diesen Zeiten, in denen wir an alle Menschen dringlich appellieren, so wenig Kontakte wie möglich zu haben, bitte ich um Verständnis dafür, dass diese Regelung nicht aufrechterhalten werden kann. Wir werden Hotelübernachtungen nur für Geschäftsreisende oder für besondere, schwere private Fälle, etwa die Teilnahme an einer Trauerfeier, ermöglichen. Für Familienbesuche werden die Hotels nicht geöffnet; wir werden diese Regelung ändern. Ich bitte auch dafür herzlich um Unterstützung und um Ihr Verständnis, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Was heißt das für unser Herangehen an die Ministerpräsidentenkonferenz? Ich sage sehr deutlich für uns in Schleswig-Holstein: Unser Weg - der Appell, das Setzen auf Freiwilligkeit, das Mitnehmen der Menschen - ist einer der Gründe, warum wir hier so erfolgreich sind. Deswegen werde ich bei der Ministerpräsidentenkonferenz auch sehr deutlich sagen, dass wir in Schleswig-Holstein keine Ausgangssperren wollen.

(Beifall FDP und SSW)

Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, auf die Vernunft von Menschen zu setzen. Das hat in den vergangenen Wochen und Monaten gut geklappt. Aber Vernunft heißt eben auch, dass wir bei der Ministerpräsidentenkonferenz ein klares Regelwerk erreichen wollen. Deshalb fordere ich, dass diese Ministerpräsidentenkonferenz so schnell wie möglich stattfindet, am besten schon heute, spätestens morgen. Im Moment kann man keinen Tag Zeitverzögerung rechtfertigen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass wir auf dieser Ministerpräsidentenkonferenz beschließen, den Lockdown in unserem Land bundesweit möglichst einheitlich und so schnell wie möglich kommen zu lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Meine Bitte ist: Jede und jeder, die beziehungsweise der im Moment die Möglichkeit hat, Kontakte zu reduzieren, sollte dies tun. Im Moment ist das Gebot der Stunde, so weit es geht, zu Hause zu bleiben - dort ist man im Moment gut geschützt - und sich mit möglichst wenig Menschen zu treffen.

Ich sage auch: Niemand sollte jemanden verurteilen, der in diesem Jahr kein Weihnachtsgeschenk zur Hand hat. Wir wollen jetzt eben nicht einen Run auslösen. Man kann immer noch eine nette Karte übergeben, man kann immer noch etwas anderes machen. Wir können den Leuten sagen: Sobald unser Einzelhandel wieder geöffnet hat, wollen wir ihn unterstützen. Das Geschenk gibt es in diesem Jahr halt ein bisschen später und nicht direkt zu Weihnachten. Machen Sie bitte mit, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich weiß, dass vier harte Wochen vor uns stehen. Wenn Sie mich jetzt fragen: „Können Sie mir irgendeine Garantie dafür geben, dass nach vier Wochen dieser Spuk ein Ende hat?“, dann sage ich Ihnen in aller Offenheit: Diese Zusicherung wird es von mir nicht geben. Aber jeder muss auch wissen: Wer sich ab dem heutigen Tag an die Kontaktregeln hält und keine Regel mehr verletzt, trägt dazu bei, dass wir in unserem Land früher in die Freiheit zurückkehren können.