Erkrankt sind die Abgeordneten Dr. Marret Bohn und Aminata Touré. Wir wünschen von hier aus gute Besserung.
Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind folgende Mitglieder der Landesregierung beurlaubt: Ministerin Heinold, Ministerin Dr. Sütterlin-Waack und Minister Albrecht.
Von der heutigen Sitzung haben sich nach § 47 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung von der CDUFraktion der Abgeordnete Kilian und von der FDP die Abgeordnete Krämer abgemeldet. Die Abgeordnete von Kalben von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme an der heutigen Sitzung ab 15 Uhr verhindert ist.
30 Jahre Deutsche Einheit - eine gemeinsame Aufgabe: Erinnern, Bewahren und den Blick nach vorne richten
Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2436 (neu)
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Kürzlich hatte ich meinen ersten Reisepass wieder in der Hand. Er dokumentiert meine Grenzerfahrungen. Ich habe ihn aufgehoben, weil es im Pass mehrere DDR-Stempel gibt. Diese Stempel erinnern mich an große Erleichterungen nach strengen Grenzkontrol
len, an die spannenden Unternehmungen und Begegnungen als Jugendliche Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre in der damaligen DDR. Es waren Erfahrungen mit einer Diktatur und einem Unrechtsstaat.
Im Herbst 1989 war ich an der offenen Grenze in Schlutup dabei. Lübeck verwandelte sich über Nacht in eine Stadt voller Trabbis, und unzählige Menschen lagen sich in den Armen, weinten vor Freude und füllten die großen Lübecker Kirchen.
Ohne die mutigen Männer und Frauen, die in der DDR und hinter dem Eisernen Vorhang friedlich auf die Straße gegangen sind, hätte es diesen Glücksfall nicht gegeben.
Wir, die wir Zeitzeugen dieser Ereignisse sind, tragen heute Verantwortung. Ich gehöre zu einer Familie, die sowohl in Schleswig-Holstein als auch seit der Wende in Mecklenburg-Vorpommern Land bewirtschaftet. Den Weg der Deutschen Einheit habe ich in den vergangenen 30 Jahren in all seinen Facetten hautnah in Lübeck und Mecklenburg-Vorpommern erlebt, und das hat mich sehr geprägt.
Die Deutsche Einheit ist eine Erfolgsgeschichte und unzertrennlich mit den herausragenden Leistungen unseres ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl verknüpft.
Diese friedliche deutsche Revolution gehört zu den wichtigsten historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts und war ein Glücksfall für unser Land und für unser Volk.
Demokratie, freie Wahlen, ein Rechtsstaat und die soziale Marktwirtschaft haben für alle Menschen in Deutschland ein Leben in Freiheit, Frieden und Wohlstand hervorgebracht, wie es keine andere Generation vor uns je erlebt hat.
(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW, Dr. Ralf Stegner [SPD] und Vol- ker Schnurrbusch [AfD])
Das alles ist nicht selbstverständlich. Das dürfen wir gerade in diesen besonderen Zeiten und bei allen Veränderungen durch Globalisierung und Digitalisierung nicht aus dem Auge verlieren.
Die Stärkung der inneren Deutschen Einheit bleibt nach 30 Jahren unsere gemeinsame Herausforderung. Mir ist das ein Herzensanliegen geworden.
Die Begegnungen mit Menschen, die hier Geschichte geschrieben haben, haben mich immer tief berührt. Heute ist es unsere Verantwortung, aus der deutsch-deutschen Geschichte zu lernen, um auch die Zukunft friedlich zu gestalten.
Bildung hilft; denn jeder, der hier in Deutschland lebt, muss lernen, auch die Deutsche Einheit zu verstehen. Das gilt insbesondere für diejenigen, die erst in den 1980ern oder später geboren sind. Das Jahr der politischen Bildung 2019 mit dem Schwerpunkt 30 Jahre Mauerfall war bereits ein gutes Beispiel dafür, sich zusammen mit Schülerinnen und Schülern diesem Thema methodisch kreativ und vielfältig - ob analog oder digital - zu nähern.
Ich bin sehr dankbar, dass es zum Einheitsjubiläum gelungen ist, hier und heute mit einem breiten Schulterschluss im Schleswig-Holsteinischen Landtag darüber zu debattieren. 30 Jahre sind ein guter Zeitpunkt, um die deutsch-deutsche Geschichte in der schulischen und kulturellen Bildung noch besser zu verankern. Die Deutsche Einheit gehört in den Geschichtsunterricht an unseren Schulen.
Bereits im vergangenen Jahr hat Schleswig-Holstein als Ausrichter des Einheitsfestes hier in der Landeshauptstadt Kiel eindrucksvoll gezeigt, welche Strahlkraft und politische Relevanz der 3. Oktober über Landes- und Bundesgrenzen hinaus hat.
Die Deutsche Einheit ist nach 30 Jahren insbesondere für ein Bundesland wie Schleswig-Holstein mit einer ehemals innerdeutschen Grenze auch räumlich hautnah erlebbar. Hier sind Begegnungen von Menschen aus Ost und West möglich. Wir verfügen über historische Orte und in der ehemaligen Grenzregion über Grenzdokumentationsstätten und ehrenamtliches Engagement. All dies gilt es weiter zu unterstützen.
Auf Bundesebene wollen wir dafür werben, dass genau diese authentischen Orte im ehemaligen innerdeutschen Grenzgebiet in Schleswig-Holstein als Lernorte professionell weiterentwickelt und gefördert werden.
Erinnern, bewahren und Zukunft gestalten - das ist unser gemeinsamer Auftrag. Es geht um mehr als um gute Nachbarschaft, es geht um den Zusammenhalt unserer gesamten Gesellschaft. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Herbst 1989 gelang, was noch wenige Monate zuvor undenkbar erschien. Unter hohem persönlichem Risiko erstritten viele tausend mutige Menschen auf den Straßen und Plätzen der DDR friedlich das Ende der SED-Herrschaft. Sie brachten ein Regime zu Fall, dass jede Legitimität verloren hatte und auch nach Jahrzehnten keine Antwort auf den überwältigenden Freiheitswunsch der eigenen Bevölkerung gefunden hatte. Dieses Ende der SED-Herrschaft und der Mauerfall waren entscheidende Schritte. Dann folgte im Jahr darauf die deutsche Wiedervereinigung. Realität wurde das, was mit dem Abschluss des Zwei-plus-VierVertrages und den Abstimmungen über den Einigungsvertrag in Volkskammer, Bundestag und Bundesrat im September 1990 endete. Damit endete die deutsche Nachkriegszeit; aus zwei deutschen Staaten wurde einer.
Die Aufnahme der Bundesrepublik in den Kreis der westlichen Demokratien nach 1949, die glaubwürdige Aussöhnung mit Deutschlands östlichen Nachbarn unter Willy Brandt, aber auch das beherzte Ergreifen der Gelegenheit, die sich 1989 durch den Einsatz mutiger Menschen in Ostdeutschland ergeben hatte, all das bleiben Schritte auf dem Weg zur Wiedervereinigung, für die wir heute zutiefst dankbar sein können.
Ich erinnere gern an die Rede meiner Kollegin Simone Lange vor ein paar Jahren hier im Haus, die hier als Vertreterin einer Generation, die in Ostdeutschland geboren ist, glaube ich, sehr eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht hat, was das für die Menschen damals bedeutete.
Es sind zwei Jahre in der deutschen Geschichte, die einen besonderen Stellenwert einnehmen. Die Entwicklungen brachten für Millionen Menschen politische Freiheit und nicht nur die Wiedervereinigung zweier Staaten - wobei „Wiedervereinigung“ eigentlich der falsche Begriff ist; man müsste eigentlich von Vereinigung, von einem Einigungsprozess reden -, sondern auch unzählige Familien sind wieder zusammengekommen. Wir haben die Bilder vor Augen. Wir haben die Euphorie der damaligen Zeit auch noch im Kopf.
Doch für viele Menschen, die große Hoffnungen in die neue Zeit gesetzt hatten, folgte nach 1990 eine
schnelle Ernüchterung. Große Teile der ostdeutschen Wirtschaft wurden abgewickelt, weil sie nicht wettbewerbsfähig erschienen. Investoren aus dem Westen kauften nicht nur Firmen, sondern auch Immobilien in großem Stil. Hunderttausende Arbeitsplätze gingen verloren. Viele machten die Erfahrung, dass das, was man im Beruf geleistet hatte, über Nacht scheinbar wertlos geworden war. Bei vielen setzte sich auch der Eindruck fest, man müsse selbst zum Egoisten werden, um nicht unter die Räder zu kommen. Arbeits- und häufig auch Perspektivlosigkeit wurden für viele Menschen zu einer einschneidenden Erfahrung und zu etwas, womit sich viele Menschen und Familien real auseinandersetzen mussten. Die Abwanderung vieler junger Menschen und die damit verbundenen demografischen Auswirkungen für die betroffenen Regionen waren oftmals die Folgen.
Ich muss wirklich sagen, aus westdeutscher Perspektive vergessen wir oft, wie radikal die Veränderungen nach 1990 für die Menschen in den neuen Bundesländern waren und wie vergleichsweise gering im Westen. Das sollten wir immer bedenken, wenn wir über solche Dinge miteinander sprechen.
Deswegen sage ich ausdrücklich: Die Anerkennung von Lebensleistung sollte nicht davon abhängig sein, ob man das Glück hatte, in einer freiheitlichen Demokratie zu leben oder nicht.
Wir haben in den 90er-Jahren auch den Grundstein dafür gelegt, dass viele bis heute den Eindruck haben, dass ein Teil der Menschen zumindest Distanz zur Werteordnung unseres Grundgesetzes hat. Im vergangenen Jahr teilten auf Twitter unter dem Hashtag „Baseballschlägerjahre“ junge Menschen aus Ostdeutschland die oftmals tief erschütternden Erlebnisse mit der Neonazi-Szene der Nachwendejahre. Auch wenn das heute nicht mehr mit Springerstiefeln und Glatzen erfolgt, muss man doch sagen, dass die Pro-Kopf-Zahlen rechtsextremer Gewalt im Osten, aber auch die Wahlerfolge der AfD man könnte, um das abzukürzen, im DDR-Jargon von der Agitationstruppe der Feinde der Demokratie reden -