Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Sammeldrucksache. Die Voten für die einzelnen Tagesordnungspunkte, für die eine Gesamtabstimmung nach § 63 Absatz 1 a der Geschäftsordnung vorgesehen ist, entnehmen Sie bitte der Ihnen vorliegenden Drucksache 19/3235. Voraussetzung für die Abstimmung ist, dass keine Abgeordnete oder kein Abgeordneter widerspricht. - Das ist offenbar nicht der Fall.
Wer mit der Übernahme der Empfehlungen entsprechend der Sammeldrucksache 19/3235 einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit hat der Landtag diese Empfehlungen einstimmig bestätigt.
Meine Damen und Herren, bevor ich die Tagung heute schließe und Sie alle ins Wochenende entlasse, gebe ich noch bekannt, dass die 51. Tagung des Landtages am Mittwoch, 22. September 2021, um 10 Uhr beginnt. Ich bitte Sie, sich auf eine dreitägi
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die alljährliche Vorlage des Verfassungsschutzberichtes erinnert uns daran, dass die Demokratie und der Rechtsstaat keine Selbstverständlichkeit sind, sondern jeden Tag aufs Neue vereidigt werden müssen. Leider gibt auch 76 Jahre nach Überwindung des Nationalsozialismus und 31 Jahre nach Überwindung des Sozialismus immer noch antidemokratische Bestrebungen in unserem Land. Diese antidemokratischen Bestrebungen sind vielfältig. Sie sind linksextremistisch, rechtsextremistisch oder religiös motiviert. Auch wenn dies völlig unterschiedliche politische Motivationen sind, so eint sie doch, dass sie unsere freiheitliche-demokratische Grundordnung infrage stellen und gefährden.
Aber, meine Damen und Herren, schon im Grundgesetz ist die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie angelegt. Es ist Aufgabe des Staates, die demokratischen Institutionen und seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Der Staat hat eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich gegen antidemokratische Bestrebungen zu wehren. Wir können in die politische Bildung intensivieren, den gesellschaftlichen Diskurs und das soziale Miteinander fördern. Zweifelsohne sind diese Maßnahmen alle richtig und notwendig. Aber sie reichen allein nicht aus, denn leider haben sich bereits eine nicht unerhebliche Anzahl an Menschen und Gruppen aus allen politischen Extremen von unserem Grundgesetz so weit entfernt, dass sie mit diesen Angeboten nicht mehr erreicht werden. Es bedarf also anderer rechtstaatlicher Maßnahmen, um wehrhaft zu bleiben. Und hier kommen die Sicherheitsbehörden ins Spiel.
Zu diesen Sicherheitsbehörden zählt auch der Verfassungsschutz. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei der Innenministerin und der zuständigen Verfassungsschutzabteilung für ihre wichtige Arbeit und dem unverzichtbaren Dienst für den Erhalt unsere freiheitliche-demokratische Grundordnung bedanken Der Verfassungsschutz ist das „Frühwarnsystem“ der Demokratie und deswegen haben Sie auch die Unterstützung des gesamten Parlaments ausdrücklich verdient.
Vielen Dank sage ich in diesem Rahmen auch zu dem uns nun vorliegenden Bericht. Der Bericht muss uns Warnung und Ansporn zu gleich sein: Warnung, weil fatal ist, welche verschiedenen Gefahren in unserem Land als Gefahren für unsere Demokratie identifiziert werden. Ansporn, weil der Verfassungsschutz uns nur zeigen kann, was da auf uns zu kommt. Aktiv werden müssen wir als Demokratinnen und Demokraten aber selbst.
Es erfüllt mich mit Sorge, welchen personellen Zuwachs der Salafismus in den vergangenen Monaten erfahren hat. Auch die Coronakrise hat nicht verhindert, dass sich Mitbürgerinnen und Mitbürger auf diese extremistische islamistische Weltanschauung einlassen. Ich finde das fatal.
Deshalb will ich hier auch sehr deutlich ein Bekenntnis aussprechen, dass wir in diesem Phänomenbereich sehr intensiv mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten müssen. Damit meine ich ausdrücklich die Verbände muslimischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich zu einem demokratischen, rechtsstaatlichen Schleswig-Holstein bekennen.
Auch die Rechtsextremisten machen mir große Sorge. Auf diesem Auge ist der Staat sicherlich nicht blind. Vielmehr zeigt der Bericht, wie intensiv die einzelnen Vereinigungen beobachtet werden. Nicht zuletzt die Einstufung des Flügels der AfD zeigt, wie sauber und mit klarer Haltung Schleswig-Holstein mit diesem Thema umgeht. Eine gute Entscheidung, die manchem in diesem Haus noch einmal vor Augen führen sollte, welchem Verein er da angehört!
Schließlich linksextreme Vereinigungen wie die Rote Hilfe oder die TurboKlimaKampfGruppe. Ich möchte an dieser Stelle den Bericht zitieren:
„Aufgrund ihrer mittlerweile aggressiven Verlautbarungen und deutlich gegen den Rechtsstaat gerichteten Vorgehensweise zeigt sich, dass die TKKG die Grenze des legitimen demokratischen Protests überschritten hat...“
Der Verfassungsschutzbericht zeigt nicht nur die Bedeutung des Verfassungsschutzes als Institution. Er verdeutlicht auch, dass wir Befugnisse brauchen,
Dazu gehören auch Ermächtigungsgrundlagen, um Messenger-Kommunikation an der Quelle zu überwachen. Diese Mittel brauchen wir in SchleswigHolstein auch!
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf eine intensive Beratung des Berichtes im Innen- und Rechtsausschuss und die entsprechende Überweisung. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Der Jahresbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz setzt logischerweise sehr auf Kontinuität und schreibt die Daten und Fakten aus den Berichten der Vorjahre fort. Daher ist es vielleicht besonders interessant, den Blick auf den Fragenkomplex zu richten, der in diesem Bericht neu ist, nämlich die Auswirkungen der Coronapandemie.
Corona und die öffentlichen Maßnahmen zu seiner Eindämmung haben manche Zeitgenossen erst richtig auf den Geschmack gebracht, sich öffentlich ins Zeug zu legen. Da marschierte dann so mancher, der sich - auch wenn ich es nicht teile - über die Einschränkung von Grundrechten Sorgen machte, Seite an Seite mit selbsternannten Querdenkern und offenen Rechtsextremisten, die im Falle ihrer Machtübernahme noch ganz andere Grundrechte dauerhaft abschaffen würden als die, die derzeit befristet eingeschränkt werden.
Hier kann man nur jedem Gutgläubigen dringend raten, sich genau anzusehen, mit wem er oder sie Schulter an Schulter herumläuft. Wer einmal nicht in sein Ferienhäuschen darf, hat noch lange kein Recht, sich als moderne Sophie Scholl zu stilisieren!
Besonders originell ist die Analyse der Pandemie bei den Islamisten geraten. Sie sehen im Coronavirus einen „Soldaten Gottes gegen die Ungläubigen … und schlimmsten Albtraum der Kreuzzügler“, was vielleicht ein bisschen unpraktisch ist, da die Forschung bisher nicht nachweisen konnte, dass bestimmte Religionszugehörige eine besondere Immunität aufweisen.
Ob der militante Islamismus durch die erschreckenden Ereignisse in Afghanistan angestachelt wird, muss man abwarten.
Es überrascht niemanden, dass auch der diesjährige Verfassungsschutzbericht gerade beim Thema Rechtsextremismus keine Entwarnung gibt. Die
bundesweit vor sich hinmodernde NPD hat in Schleswig-Holstein sogar eine Handvoll Anhänger hinzugewonnen, und ihr Bürgermeisterkandidat in Neumünster wurde von jedem dreiunddreißigsten Wahlberechtigten gewählt. Gerade Neumünster zeigt aber auch, dass die NPD nur noch da fruchtbaren Boden vorfindet, wo die AfD noch nicht alles abgegrast hat. Für überzeugte Rechtsextremisten ist die AfD heute die erste Wahl.
Unser Verfassungsschutzgesetz ist aus gutem Grund sehr restriktiv gehalten. Die AfD ist deshalb bisher nicht Beobachtungsobjekt. Das kann sich aber sehr schnell ändern, und das sollte sich auch ändern. Die AfD hat keinen rechtsextremen Flügel mehr, sie ist rechtsextrem. Wer daran noch Zweifel hatte, brauchte sich nur ihren Wahlkampf in Sachsen-Anhalt anzusehen. Nur ein Beispiel - man schämt sich schon, es zu zitieren -: Ihr dortiger Spitzenkandidat Kirchner war in einer Facebook-Gruppe, in der ein Bild eines Pizzakartons mit dem Foto des von den Nazis ermordeten jüdischen Mädchens Anne Frank kursierte, auf dem „ofenfrisch“ zu lesen war. Das ist erschreckend und menschenverachtend!
Abschließend erlauben Sie mir, den vielen Frauen und Männern in der demokratischen Zivilgesellschaft dafür zu danken, dass sie sich tagtäglich gegen Demokratiefeindlichkeit und Rassismus zur Wehr setzen. Diese Menschen betreiben „Verfassungsschutz“ im besten Sinne des Wortes.
Den Bericht der Landesregierung sollten wir im Innen- und Rechtsausschuss weiter erörtern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Sütterlin-Waack, vielen Dank für die Erläuterung des Verfassungsschutzberichts. Gestatten Sie mir, dass ich mir nur zwei Punkte herauspicke.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat für die Querdenkerszene und andere Coronaleugnende einen neuen Phänomenbereich kreiert: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“.
Das ist deswegen problematisch, weil das Anzweifeln der Legitimität einzelner staatlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung, zum Beispiel Ausgehverbote, ganz klar von der Meinungsfreiheit gedeckt und für einen offenen politischen Diskurs in einer Demokratie selbstverständlich ist. Ab wann sind solche kritischen Mei
nungsäußerungen eine „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung“? Reichen lautstarke Parolen wie „Impfzwang ist Coronadiktatur“ aus? Oder müssen Aktionen wie die Erstürmung der Treppen des Reichstags dazu kommen?
In der Presseerklärung des MILIG vom 4. Mai 2021 zum Verfassungsschutzbericht wird die Grenze insoweit gezogen, als „die Verächtlichmachung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung mit dem Ziel der Zersetzung“ nicht mehr zu dulden sei. Unser Landesverfassungsschutzgesetz setzt „eine aktiv kämpferische aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Verfassungsordnung voraus“. Der Erstürmungsversuch des Reichstags von Akteurinnen und Akteuren der Querdenkenden ist zweifellos Ausdruck einer „aktiv kämpferischen Haltung“. Derartige Exzesse hat es in Schleswig-Holstein allerdings noch nicht gegeben. Aber wie ist die alleinige verbale oder schriftliche „Verächtlichmachung mit dem Ziel der Zersetzung“ zu bewerten?
Hier kommt meines Erachtens eine der zentralen Denkfiguren der Querdenker- und Coronaleugnerszene zum Tragen, die sie aus dem ideologischen Arsenal der rechtsextremistischen und neurechten Bewegung übernimmt, nämlich die, vor allem antisemitisch aufgeladene, Verschwörungstheorie. Das ist das bereitwillig weit geöffnete ideologische Einfallstor, welches führende Protagonistinnen und Protagonisten der Querdenkerszene auch in Schleswig- Holstein dem rechtsradikalen Spektrum zum erwünschten Anschluss öffnet.
Der Mythos sagt: George Soros und Bill Gates sind Impfteufel, die sich die Welt mit einer übertriebenen Pandemie untertan machen, um Milliarden zu scheffeln. Natürlich sind sie aus Sicht dieser Erzählung nur Teil einer viel größeren Verschwörung, die sich in Form des Deep State in geheimen Zirkeln trifft, um sich mit dem Blut entführter Kinder zu verjüngen: QAnon heißt dieser Wahnsinn, der sich während der Pandemie noch schneller verbreitete als das Virus.
Wichtige Protagonistinnen und Protagonisten der Coronaleugner in Schleswig-Holstein sind laut Aussagen auf Demonstrationen in Eckernförde und anderswo stark beeinflusst von derartigen Verschwörungsmythen. Mit den neurechten Identitären haben sie gemeinsam, dass sie die staatlichen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung geschichtsrelativierend mit der Nazidiktatur vergleichen - zum Beispiel, wenn in einer Rede in Eckernförde währen einer Coronademonstration mit der rhetorischen Frage an das Publikum: „Wollt ihr den totalen