Viele Bürgerinnen und Bürger sind es gewohnt, ihre Alltagsgeschäfte digital zu erledigen. Nur wenn sie es mit der Verwaltung zu tun haben, ist es manchmal nicht ganz so einfach. Die manuelle Erfassung von routinemäßigen Eingaben, Papierformulare, das Versenden von Briefen oder das berühmte Faxgerät müssen der Vergangenheit angehören. Der Minister hat es eben angesprochen. Die preußischen Verwaltungsreformen nach Stein-Hardenberg vor über 200 Jahren waren damals - glaube ich - revolutio
Mit diesem Gesetzentwurf gehen wir nun einen weiteren revolutionären Weg. Dabei gehen wir nicht nur einen Schritt, sondern drei Schritte in Richtung Digitalisierung des Staates voran:
Erstens die konsequente Umsetzung digitaler Verwaltungsleistungen, zweitens die Veröffentlichung von Daten der Verwaltung über das Open Data Portal, und zwar für alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch für Wirtschaft und Forschung, und natürlich drittens der Einsatz neuer Technologien, insbesondere Künstliche Intelligenz.
Zunächst geht es aber um die digitale Verwaltung. Ab dem Jahr 2023 müssen alle Verwaltungsleistungen digital angeboten werden. Das ist ein riesiger Kraftakt, das Onlinezugangsgesetz umzusetzen. Aber auch dank der kommunalen Familie und des IT-Verbundes Schleswig-Holstein sind wir bereits sehr weit. Es geht auf kommunaler Ebene um den digitalen Bauantrag, die Kfz-Zulassung, das Beantragen von Bescheinigungen und von Dokumenten oder schlichtweg das Begleichen von Gebühren, und zwar online rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Aber wenn es um Verwaltung, also um den Staat geht, geht es insbesondere um sehr hohe Anforderungen im Bereich der Datensicherheit und des Datenschutzes. Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger dem digitalen Staat auch vertrauen, weil es um ganz persönliche Dinge wie Steuererklärung, Anträge für Hilfen oder um Gesundheitsdaten geht. Diese sind sehr sensibel. Deshalb muss hier ein großer Schwerpunkt gesetzt werden.
Es geht um Verwaltungsakte, die eine Rechtswirkung entfalten und dadurch unmittelbare Auswirkungen auf den Einzelnen haben. Auch das muss digital abgebildet werden.
Bei vielen Vorgängen ist die persönliche Unterschrift des Bürgers oder des Verwaltungsmitarbeiters notwendig. Es muss also geregelt werden, ob ein Schriftformerfordernis besteht oder ob man es digital ersetzen kann. Es geht aber auch um die digitale Übersendung von Unterlagen, zum Beispiel Nachweise für die Steuererklärung. Daher muss der Bürger die Verwaltungsleistung einfacher und vor allem barrierefrei nutzen können, und die Leistung muss auch innerhalb der Verwaltung digital weiterverarbeitet werden können. Die Datenübertragung von einem Fachverfahren einer Fachabteilung in ein
anderes Fachverfahren oder das Arbeiten mit der digitalen Akte und natürlich auch die digitale Kommunikation müssen dort abgebildet werden.
Immer wichtiger wird dabei der Einsatz von sogenannten datengetriebenen Informationstechnologien, ich würde sagen: KI. Darin steckt zwar viel mehr, aber es ist auf jeden Fall einfacher. Und es geht um vollautomatische und selbstlernende Algorithmen, die zum Beispiel Beihilfeanträge oder auch Steuererklärungen mithilfe von Kommunikation erledigen können. Es bestehen sowohl Risiken als auch Chancen in diesem Bereich. Die Chancen liegen in der Vereinheitlichung und Vereinfachung von Prozessen, vor allem im sogenannten Massengeschäft. Aber die Risiken müssen genau beleuchtet und geregelt werden - wie die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen. Transparenz ist hier das A und O. Dabei spielt die Datenqualität eine erhebliche Rolle.
Um aber diese Themen weiterentwickeln zu können und damit der digitale Staat tatsächlich gelebt werden kann, muss das Landesrecht an vielen Stellen angepasst werden, damit sogenannte Digitalisierungshemmnisse abgebaut werden. Es müssen Schriftformerfordernisse abgebaut werden. Es geht um die Einführung von klaren Standards, IT-Sicherheit, und es geht darum, dass Bürger, Wirtschaft und Forschung an öffentlich zugängliche Daten kommen sowie um die Ermöglichung von Künstlicher Intelligenz. Hierfür schaffen wir mit diesem Digitalisierungsgesetz das Offene-Daten-Gesetz, das IT-Einsatz-Gesetz und passen eine Vielzahl von Gesetzen an: das Landesverwaltungsgesetz, das Landesfischereigesetz, das Vermessungs- und Katastergesetz, um nur einige stellvertretend zu benennen.
Ich denke, dass dieses Gesetz ein Riesenkraftakt ist und möchte mich auch für das Einbringen bei Herrn Minister Albrecht, aber vor allem auch bei den Mitarbeitern, Herrn Sven Thomsen und Herrn Dr. Karg, bedanken, die in dem Bereich schon sehr gute Arbeit geleistet haben. - Ich freue mich auf die Beratungen im Digitalisierungsausschuss.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun soll es also endlich vorangehen mit der Digitalisierung. Der Minister hat gegenüber der Presse große Ankündigungen gemacht und dabei sogar von 270 Millionen € gesprochen. Leider sind das aber keine zusätzlichen Mittel, die durch dieses Gesetz ausgelöst werden, wie mancher vielleicht gehofft haben mag, sondern es ist schlicht die Fortschreibung des Status quo das Abbilden höherer Kosten. Jamaika will sich für diese Festschreibung zum 1. Januar 2023 für Schnelligkeit und Innovationskraft auch noch feiern lassen.
„§ 52 d Absatz 2 Satz 3 alte Fassung enthielt zudem einen Starttermin, ab dem auch in den nachgeordneten Bereichen der obersten Landesbehörden mit der Einführung der elektronischen Akten sowie der elektronischen Vorgangsbearbeitung begonnen werden sollte. Auch dieses Datum ist inzwischen verstrichen.“
Anmerkung: Das war der 1. Januar 2018. In Wirklichkeit gönnen Sie sich also einfach fünf Jahre mehr. Das hätte ich als Student auch gerne gehabt: Frist nicht eingehalten, einfach verlängern und sich dann für die Schnelligkeit feiern lassen.
Was ich übrigens eben vorgelesen habe, steht wörtlich als Begründung in Ihrem Gesetzentwurf. Bemerkenswert offen oder doch ein Ausdruck der Frustration des Fachpersonals?
Sie haben schlicht in den letzten vier Jahren die Digitalisierung grandios verschlafen und müssen nun die Gesetzgebung an Ihr Schneckentempo anpassen. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass hier kaum über den Inhalt geredet wurde. Selbst das passiert nicht wirklich aus eigener Motivation oder später Aufbruchstimmung am Ende der Legislaturperiode. Nein, in Ihrem eigenen Gesetzentwurf steht auf der ersten Seite dazu: „Der Bundesgesetzgeber hat die Länder verpflichtet, bis Ende 2022 Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger auch digital anzubieten.“
Das Schlimmste ist aber, dass die Digitalisierung sich mal wieder aus sich selbst heraus und durch Kosteneinsparung finanzieren soll.
Das hat nach meinem Wissen noch nie geklappt. Dieser falsche Gedanke ist einer der Gründe für Deutschlands Rückständigkeit. Das wäre genauso sinnvoll als wenn man versucht hätte, den Bau von Telegrafenleitungen durch den Verkauf gebratener Brieftaubenschenkel zu finanzieren.
Nein, im Jahr 2021 haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf, dass sie ihre öffentlichen Dienstleistungen digital und mit möglichst wenig Aufwand abrufen können. Im Vergleich mit anderen Ländern ist der digitale Rückstand Deutschlands schon standortgefährdend. Wenn wir Fortschritt nur noch dann machen, wenn man dabei Geld sparen kann, wäre es bei den Brieftauben geblieben. Die wären sicherlich billiger gewesen.
Hier ist Ihr Gesetzentwurf wirklich sehr aufschlussreich. Er stellt zwar fest, dass es einen Mehrbedarf von circa 31 Millionen € und circa 220 neue Stellen für die Übergangszeit braucht. Hört, hört! Das war vermutlich der Moment, in dem Frau Heinold ausrief: „Mir gebet nix!“ Es steht ja auch sehr schön drin:
„Da personelle Kapazitäten in diesem Umfang kurzfristig nicht zur Verfügung stehen und auch der Nutzen einer solchen Vollumsetzung gegenüber den entstehenden Kosten voraussichtlich nicht in jedem Einzelfall vertretbar wäre, wird eine einzelprojektbezogene Umsetzung vorgeschlagen.“
Übersetzt: Wir wissen eigentlich, was zu tun wäre, aber Monika gibt uns kein Geld. Deshalb müsst ihr leider den größten staatlichen Strukturwandel des 21. Jahrhunderts dadurch bewältigen, dass ihr euch das aus dem eigenen Fleisch schneidet.
Ich habe das nicht hineingeschrieben, Herr Minister! Wir spannen also nur dort den Telegrafendraht, wo schon genug Brieftaubenschenkel verkauft worden sind. So wichtig ist uns der Fortschritt und der große Schub.
Was ist eigentlich mit den Kommunen? Die meisten Dienstleistungen hole ich mir doch in den Kommunalverwaltungen ab. Man riecht förmlich den Schweiß, der verströmt wurde, um in den Formulierungen Konnexität zu vermeiden. Zumindest für den Bereich der unteren Landesbehörden hätte es einer klaren Finanzzusage bedurft. Dort geben Sie aber nur 1,4 Millionen €, die Sie bei der ITVSH ansiedeln, die dann in eigener Regie entscheiden soll, welches Projekt gemacht wird. Ist das Ihr Ernst? In 15 Monaten bräuchten wir wenigstens ein oder zwei digitale Killeranwendungen für die Bürgerinnen und Bürger. Nur so kann der große Sprung gelingen. Es ist noch nie gelungen, einen großen Sprung in Einzelprojekten und aus dem eigenen Fleisch zu machen.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich weiß nicht, wer das verzapft hat. Ich hoffe, das waren nur die Finanzpolitiker,
denn so, wie dieser Gesetzentwurf ist, kann er nicht bleiben. Er muss finanziell unterlegt werden. Es muss einen großen Sprung geben. Wenn man es zusammenzählt, sind Sie weit weg davon, dass Sie Ihren eigenen Bedarf decken.
Ich hätte jetzt gern noch über die positiven Sachen gesprochen und darüber, wo Sie noch ambitionierter sein könnten, zum Beispiel bei der Beseitigung von Schriftformerfordernissen oder der Frage, ob das Nichtvorhandensein eines Scanners, den man dann beschaffen müsste oder die Vorlagen anders abfotografieren müsste, wirklich die Digitalisierung hemmen darf. Ihr Gesetzentwurf ist gespickt mit Ausnahmeregelungen.