Protocol of the Session on November 25, 2021

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Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich setze die Tagung fort und eröffne die heutige Sitzung.

Nach Mitteilung der Fraktionen sind in der CDUFraktion der Abgeordnete Klaus Schlie und der Abgeordnete Wolf Rüdiger Fehrs, in der SPD-Fraktion die Abgeordnete Regina Poersch und der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner sowie in der FDP-Fraktion die Abgeordnete Anita Klahn erkrankt. Von der Landesregierung ist die Ministerin Dr. Sütterlin-Waack erkrankt. Beurlaubt ist von der Landesregierung Herr Minister Albrecht für die heutige Nachmittagssitzung. Gemäß § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung unseres Landtages hat die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist. Das Gleiche gilt auch für die Abgeordnete Beate Raudies von der SPD-Fraktion. - Wir wünschen unseren Erkrankten gute Besserung!

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Fachkräfte sichern - Moratorium für die Berufliche Bildung in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/3412

Berufliche Bildung in der Fläche erhalten Fachkräftemangel bekämpfen

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/3448

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne somit die Aussprache. Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Martin Habersaat.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren! So geht konstruktive, solide und erfolgreiche Oppositionsarbeit.

(Zuruf FDP: Heh! - Heiterkeit)

Am 9. November 2021 - passen Sie auf, da können Sie etwas lernen - hat die SPD-Fraktion einen Antrag vorgelegt, die Zahlen der Lehrerstellen der be

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ruflichen Schulen trotz sinkender Schülerzahlen konstant zu halten.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Historisches Datum!)

Und am 17. November 2021 teilte der Wirtschaftsminister mit, genau das zwei Jahre lang zu tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Zuruf FDP - Heiterkeit)

- Schön. - Wichtig ist, dass das durch das Aufbringen zusätzlicher Mittel erreicht wird und nicht etwa auf Kosten anderer Schularten.

Es ist gut, dass der Ältestenrat diesem Thema heute Priorität eingeräumt hat, denn die berufliche Bildung hat eine hohe Aufmerksamkeit verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Während die Schülerzahlen an den allgemeinbildenden Schulen gegenüber dem Vorjahr fast konstant geblieben sind, sind sie an den berufsbildenden Schulen um 2.000 gesunken, das entspricht ungefähr 2 %. Das war nicht der erste Rückgang in den letzten Jahren.

Da die Planstellenzuweisung aber nach Schülerzahlen erfolgt, mussten die beruflichen Schulen darauf mit der Einstellung von Angeboten reagieren. Allein im Kreis Plön ging die Zahl der Fachklassen vom Schuljahr 2014/15 bis zum Schuljahr 2018/19 um 18 % zurück - ein Fünftel Fachklassen weniger im Kreis Plön. Das Einfrieren der Stellen ist nur ein kurzfristiges Mittel. Dauerhaft hilft nur eine landesweite Schulentwicklungsplanung. Und das, meine Damen und Herren, haben außer mir auch schon andere erkannt, ich zitiere:

„Ziel ist es, im Rahmen einer landesweiten Schulentwicklungsplanung ein Ausbildungsangebot an den berufsbildenden Schulen und RBZ in der Fläche unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten zu erhalten.“

So schrieben es sich CDU, Grüne und FDP im Jahr 2017 in ihren Koalitionsvertrag. Schade nur, dass dann jahrelang nichts passierte, meine Damen und Herren. Statt sich der konkreten Umsetzung dieses Vorhabens zu widmen, blockierte die Regierung sich zunächst jahrelang selbst durch die unselige Verlagerung der beruflichen Bildung vom Bildungsministerium ins Wirtschaftsministerium. Jahrelang fühlte sich die Bildungsministerin nicht mehr und der Wirtschaftsminister noch nicht zuständig.

Immerhin, nach drei Jahren, irgendwann im Jahr 2020, hatte irgendjemand die Idee, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Meine Damen und Herren, es mag wenige Stärken geben, die ich dieser Landesregierung öffentlich attestiere, aber die Vergabe von Gutachten und Evaluationen aller Art gehören auf jeden Fall dazu.

(Heiterkeit Serpil Midyatli [SPD])

Irgendwann im Jahr 2021 lagen dann dem SHIBB, dem Wirtschaftsministerium und den regierungstragenden Fraktionen die „Anforderungen an die berufliche Bildung in Schleswig-Holstein“ vor, zumindest in einer Entwurfsfassung. Irgendwann später wurde dieses Gutachten auch den anderen Fraktionen im Haus zugänglich gemacht. „Horten von Herrschaftswissen“ - das hatten wir gestern schon kurz - ist eine weitere Stärke von Jamaika.

Wenn Sie das Thema vorher einmal im Bildungsausschuss angesprochen hätten, hätte ich Ihnen gesagt, dass sich mit der Berufsschule, den Berufsfachschulen, den Fachoberschulen, den Berufsoberschulen, den Beruflichen Gymnasien und den Fachschulen sechs Schularten unter dem Dach der beruflichen Schulen und der Regionalen Bildungszentren vereinen. Und ich hätte Ihnen gesagt, dass das Angebot von Berufsschulen vor allem im AVSH auch stark davon abhängt, welche Berufsgänge dort ausgebildet werden, also welche Berufe man im AVSH zeigen kann.

(Serpil Midyatli [SPD]: Umsonst! - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herrschaftswissen!)

- Frau von Kalben, wenn Sie es gewusst hätten, dann hätten Sie sicherlich ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die berufliche Bildung in Ihrer Gänze untersucht und nicht nur die duale Ausbildung in den Blick nimmt, wenn Sie die Zukunft der beruflichen Schulen in Schleswig-Holstein klären wollen. Jetzt haben Sie nach viereinhalb Jahren bestenfalls einen kleinen Baustein einer künftigen landesweiten Schulentwicklungsplanung in der Hand. Die eigentliche Arbeit, die Entwicklung von Perspektiven für die beruflichen Schulen in der ganzen Breite ihrer Möglichkeiten unter Berücksichtigung der Interessen von Wirtschaft, Handwerk, Schulträgern, Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern hinterlassen Sie der nächsten Landesregierung.

Exemplarisch kann man das übrigens gerade ganz gut besichtigen. Man muss nur mal nach Lübeck auf den Priwall fahren. Dort sieht man, wie das so mit den Aufgaben der künftigen Landesregierung ist.

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(Martin Habersaat)

(Zuruf CDU: Ja, ja!)

Bei diesem landesweiten Dialogprozess wird es auch um neue Bedarfe gehen müssen. Das Gutachten spricht von 21st Century Skills, von der Entwicklung und dem Einsatz digitaler Technik, von Branchen, die für die Senkung des CO2-Ausstoßes und das Gelingen der Energiewende wichtig sind, oder, um es mit den Worten von Thomas LosseMüller zu sagen:

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Klimaschutz wird vom Handwerk gemacht.“

(Beifall SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, dafür müssen wir die Rahmenbedingungen liefern. Sie haben das viereinhalb Jahre nicht getan. Es wird Zeit, dass wir da ein bisschen Zug reinbekommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und SSW)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Habersaat. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat jetzt der Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Den kennt man auch!)

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anlass für diese Debatte hat sich dankenswerterweise eigentlich schon erledigt. Die 60 Stellen für die beruflichen Schulen, um die es hier ging, sind vorerst im Sinne eines Moratoriums gesichert. Das war auch unser Wunsch, Herr Kollege Habersaat. Ich bin froh und dankbar, dass wir uns in der Koalition zügig darauf verständigen konnten. Das ist eine wichtige Maßnahme und auch ein wichtiges Signal an die beruflichen Schulen, an die Lehrkräfte, an die Schülerinnen und Schüler und auch an die Wirtschaft in diesem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP und CDU)

Auch wenn die Kuh vorerst vom Eis ist, lohnt es sich immer - da hat der Kollege Habersaat recht -, an prominenter Stelle über die Zukunft der beruflichen Bildung in Schleswig-Holstein zu debattieren. Sie hat schließlich eine enorme Bedeutung für unsere Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt, denn der zunehmende Fachkräftemangel ist mittler

weile eine der größten Herausforderungen und einer der größten Risikofaktoren für unseren Wirtschaftsstandort und damit für unseren Wohlstand.

Die berufliche Bildung hat bei der Fachkräftesicherung eine ganz besondere Bedeutung. Der anhaltende Rückgang der Schülerzahlen an den beruflichen Schulen hat verschiedene Gründe. Der demografische Faktor spielt eine große Rolle, auch zum Beispiel bei uns im Südosten des Landes. Früher sind viele Auszubildende aus Mecklenburg-Vorpommern gekommen. Selbst dort hat man seit einigen Jahren deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerberinnen und Bewerber. Der Trend zum Abitur spielt zum Beispiel auch eine große Rolle, Herr Habersaat, insbesondere durch die kleinen Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen und die zunehmende Akademisierung insgesamt.

Ich glaube, diesen Trend wird man leider kaum kurzfristig stoppen können, wenn man ehrlich ist. Die Sicherung der Angebote in der Fläche ist jedoch wichtig, da wir ja wissen, dass das vorhandene Angebot vor Ort dazu führt, dass die dort angebotenen Berufsausbildungen von den Bewerberinnen und Bewerbern bei der Berufsorientierung am Ende auch tatsächlich ausgewählt werden. Es spielt eine große Rolle. Wenn dort kein Angebot ist, dann werden diese Berufe auch nicht mehr gewählt. Ein Wegfall von Angeboten würde also relativ schnell die Nachwuchsgewinnung in den betroffenen Bereichen noch einmal erheblich erschweren.

Es gibt weitere Herausforderungen für die beruflichen Schulen: Immer speziellere Ausbildungen. Die Schulleiter reden von einer Atomisierung der Ausbildungsberufe. Die nachlassende Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen, die man mit Blick auf den Fachkräftemangel vielleicht nicht immer nachvollziehen kann. Das hat leider auch etwas mit der immer noch mangelnden Ausbildungsreife vieler Schulabgänger zu tun, die gar keinen Schulabschluss haben. Das sind in Schleswig-Holstein rund 6 bis 7 %; das sind zu viele. Die Lehrkräftegewinnung ist eine große Herausforderung. Wir müssen den Job attraktiver machen, auch mit Blick auf die Quereinsteiger. Auch hierzu stehen im neuen Koalitionsvertrag auf Bundesebene gute Dinge. Das ist wichtig.

(Beifall FDP und SPD)