Protocol of the Session on February 23, 2022

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(Beifall FDP)

Ich will kurz etwas sagen, was richtigerweise von Vorrednern angesprochen wurde, nämlich die hohen Belastungen gerade für Jugendliche und für Familien mit Kindern. Ich kenne das persönlich. Man hat da viel mitgemacht, gerade jetzt in der Omikronwelle bei den Kitas und den Schulen, im Privatleben. Frau Midyatli hat zu Recht darauf hingewiesen: Nicht alle Kinder haben es so gut wie im Zweifel die Kinder von uns hier. Insofern muss ich sagen: Es war schon für unsere Familien eine Belastung, für viele andere Menschen galt dies noch viel mehr. Wir müssen in der Tat daran arbeiten, dass wir diese Menschen stärker entlasten. Das wird eine Aufgabe bleiben, die über die nächsten Wochen hinausgeht.

Ich will deutlich sagen: Wir sollten in der nächsten Zeit auch daran denken, dass wir die Gastronomen, die Einzelhändler, aber auch die Sportvereine und

die Kultur bei uns vor Ort stärken und dass wir bewusst dorthin gehen und die Menschen unterstützen. Sie haben Wirtschaftshilfe bekommen wie in fast keinem anderen Land, aber sie müssen jetzt wieder Geld verdienen. Sie brauchen unsere Unterstützung. Deshalb sollten wir gerade diese Menschen besonders unterstützen.

(Beifall FDP, CDU und Serpil Midyatli [SPD] - Zuruf)

- Ja, Monika, die Gastronomie. Auch dort müssen wir jetzt hin.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Wir müssen uns in der Tat auf den Herbst vorbereiten. Der Schutz der Älteren wurde angesprochen. Es wird wahrscheinlich Maskenempfehlungen geben. Es muss aber darum gehen, weitere Lockdowns oder auch ähnliche Szenarien zu verhindern. Wir müssen unsere Krankenhäuser vorbereiten, die Digitalisierung vorantreiben, Daten nicht nur sammeln, sondern auch vernünftig aufbereiten. Wir müssen an Studien arbeiten. Vielleicht müssen wir auch das UKSH finanziell unterstützen, sodass man aus Schleswig-Holstein heraus entsprechend an Studien mitwirkt, und wir müssen das Impfen beibehalten. Wir müssen vielleicht auch die Schulen besser mit Luftfiltern ausstatten, und der Bund muss uns beim Testen und beim Impfen finanziell unterstützen.

Gute Kommunikation ist jetzt wichtig. Wir sollten verantwortungsvoll bleiben. Es wurde schon gesagt: Schleswig-Holstein ist so gut durch diese Krise gekommen wie wenige andere Regionen. Der Kollege Koch hat die Daten beinahe unfallfrei vorgetragen.

(Heiterkeit Tobias Koch [CDU])

Die Arbeitswelt hat sich verändert. Davon kann Schleswig-Holstein profitieren, aber es bleiben noch für längere Zeit Risiken. Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben, und ich glaube, das werden wir auch schaffen. Es gibt viel Anlass zu Optimismus. Lassen Sie uns weiter möglichst besonnen und gelassen damit umgehen. Dann kommt hoffentlich auch bald die Ausgelassenheit an einigen Stellen zurück. Lassen Sie uns weiter auf die Experten hören.

Meine Damen und Herren, auch wenn es heute nicht immer ganz harmonisch war, lassen Sie uns konstruktiv miteinander ringen. Wir sehen doch gerade in diesen Zeiten: Unsere Freiheit wird nicht nur durch das Virus bedroht, sondern auch durch andere Dinge. Deswegen müssen wir in der Gesellschaft zusammenstehen. Ich glaube, darauf kommt

(Christopher Vogt)

es in diesem Jahr mehr denn je an. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beate Raudies [SPD] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Für die Abgeordneten des SSW hat deren Sprecher, der Abgeordnete Lars Harms, das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, uns allen ist klar, dass wir die vulnerablen Gruppen auch in Zukunft schützen müssen. Das ist das Hauptziel, das wir verfolgen müssen. Alles, was im Pflege- und Krankenbereich noch geschehen muss, müssen wir aufrechterhalten. Gerade deshalb haben wir als SSW, obwohl wir sonst skeptisch sind, gesagt, dass eine Impfpflicht in diesem Bereich tatsächlich sinnvoll ist und dass man eine beschlossene Sache entsprechend umzusetzen hat.

Darüber hinaus hätten wir uns gewünscht, dass wir zu schnelleren Öffnungen kommen.

(Werner Kalinka [CDU]: Das ist so ganz ge- nau richtig!)

Natürlich ist das hier schneller als in anderen Bereichen und in anderen Bundesländern, gar keine Frage. Wir hätten uns aber für Schleswig-Holstein, nicht für die anderen Bundesländer, schon ab 19. Februar gewünscht, dass grundsätzlich 3 G mit Maske nur noch dort gilt, wo man sich näherkommt, dass irgendwann nur noch eine Maske zu tragen ist und dass es dann natürlich irgendwann keine Auflagen mehr gibt.

Ich glaube also, wir sind uns im Verlauf sehr einig, wir hätten uns das nur gern früher gewünscht. Das liegt daran, dass wir uns auch ein bisschen daran orientieren, was in Dänemark passiert und wie die Datenlage dort ist. Der Kollege Vogt hat gerade schon darauf hingewiesen, dass das, was bei uns gerade geschieht, beziehungsweise der Stand der Dinge bei uns und auch die Erfahrungen vom Jahreswechsel, als die Omikronvariante von Nord nach Süd kam, zeigt: Das, was in Dänemark vor zwei Wochen war, ist heute bei uns Realität. Man kann sich sehr genau daran orientieren, meine Damen und Herren.

Wenn man sich das ansieht, dann kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass es möglich ist, Öffnungen vorzunehmen. Das ist ganz wichtig, weil es

in der Gesellschaft durchaus Skeptiker gibt, die aus ihrer Sicht natürlich berechtigterweise sagen: Wir möchten noch nicht so früh öffnen, wir haben noch Sorgen. Meine Damen und Herren, trotzdem muss man sich genau ansehen, wie die gesamte Lage ist.

Wenn wir uns den RKI-Wochenbericht ansehen, dann sehen wir, wir haben viele Daten. Wir haben aber seit Monaten, eigentlich seit zwei Jahren durchgehend ein Problem, das auch immer wieder in den Wochenberichten genannt wird, nämlich dass man auf die Datenübermittlung von Gesundheitsämtern angewiesen ist. Diese geraten hier und da, um es freundlich zu sagen, ins Stocken. Das liegt daran, dass die Gesundheitsämter in ihrer Arbeit überlastet sind, weil die technischen Möglichkeiten wirklich unter aller Kanone sind. Das ist einfach so. Wir sind als Staat nicht digitalisiert. Das führt dazu, dass selbst das RKI sagt: Unsere Berichte sind teilweise nur Schätzungen.

Gucken wir uns nun die dänische Variante an: Dort ist alles durchdigitalisiert, dort kann man sich sehr genau ansehen, wie die Lage tagesaktuell in der Bevölkerung ist. Wie gesagt, die Daten, die da erhoben werden, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr vergleichbar mit den Daten, die wir hier bei uns haben.

Sehen wir uns das doch einmal an: Man kann in den Statistiken die genauen Daten über die Menschen lesen, die mit Covid-19 verstorben sind. Das heißt, bei ihnen war Covid-19 nicht die Ursache, sondern die Menschen waren an Covid-19 erkrankt, sind aber aufgrund einer anderen Ursache verstorben. Das ist eine Diskussion, die wir bei uns mördermäßig führen. Dort gibt es statistische Daten, beziehungsweise es gibt Falldaten. Damit ist klar, wo Covid ursächlich ist und wo nicht.

(Claus Schaffer [AfD]: Haben wir im Som- mer 2020 gefordert! - Werner Kalinka [CDU]: Das haben wir genauso gemacht!)

Es gibt natürlich auch die genaue Statistik darüber, wer an Covid gestorben ist. Die dänischen Daten sagen: Dieser Wert stagniert, er steigt nicht mehr an. Das ist erst einmal eine Feststellung. Jeder Mensch, der verstirbt, ist einer zu viel. Das ist gar keine Frage. Aber wir haben nicht mehr das exponentielle Wachstum, das es in der Vergangenheit in diesem Bereich gab. Außerdem hat man jetzt festgestellt, dass die Übersterblichkeit in Dänemark jetzt wieder auf normalem Niveau ist. Davon können wir auch bei uns ausgehen.

(Claus Schaffer [AfD]: Die hat es hier nie ge- geben!)

(Christopher Vogt)

Meine Damen und Herren, das, was uns allerdings Sorgen machen muss, ist, dass in Dänemark die mutierte Variante BA.2 inzwischen 85 % der Fälle ausmacht. Das ist schon eine Hausnummer. Man darf nicht vergessen: Jeder Test in Dänemark wird auf die jeweilige Variante überprüft. Diese Daten sind also nicht davon abhängig, dass hier und da einmal überprüft wurde, ob eine mutierte Variante in einem positiven Test steckt. Alle Tests werden untersucht. Das heißt, wir wissen, dass dort, nördlich der Grenze, 85 % genau an dieser Variante erkrankt sind.

Meine Damen und Herren, was aber noch ganz interessant ist und in der Diskussion vielleicht ganz wichtig ist, auch für die Menschen draußen: Es gibt in Dänemark - wie gesagt, sehr vergleichbar mit uns - eine rückläufige Infektion bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

(Claus Schaffer [AfD]: Trotz der neuen Vari- ante!)

Die werden weniger krank. Gleichbleibend ist es bei mittleren Altersgruppen, immer noch steigend allerdings - trotz extrem hoher Impfquote - bei Älteren und im Bereich Medizin und Pflege.

Jetzt kommen wir wieder dahin zurück: Wo ist denn eine Impfpflicht sinnvoll? - Genau da, wo wir sie jetzt beschlossen haben: in der Pflege und im Krankenhausbereich, sodass da tatsächlich die Menschen, die mit den älteren Menschen und kranken Menschen zu tun haben, geschützt sind und diese Menschen dadurch natürlich auch schützen.

Sie können also sehen: Mit diesen Daten ist man in Dänemark in der Lage, relativ genau zu sagen, wo denn der Schuh drückt, wo man handeln muss und wo man möglicherweise nicht handeln muss.

Das Ganze ist auf uns übertragbar. Wenn man das ernst nimmt - wenn man ernst nimmt, dass man dadurch, dass man Daten genau erfasst, eben auch weiß, was man zu tun und zu lassen hat -, dann ist es natürlich auch wichtig, dass wir die Testkapazitäten, die wir haben, weiterhin aufrechterhalten, denn nur so kann man auch an die Daten herankommen.

(Unruhe AfD)

Natürlich müssen wir die Menschen motivieren, dann auch zum Test zu gehen. Natürlich müssen wir als Staat diese Tests kostenlos zur Verfügung stellen. Wenn wir das nicht tun, wissen wir, was passiert - das haben wir einmal ausprobiert und nach zwei Wochen gleich wieder in die Tonne getreten, weil wir gemerkt haben: Die Leute sind nicht mehr zum Test gegangen, als sie selber dafür

bezahlen mussten. Es ist also wichtig, diese Infrastruktur aufrechtzuerhalten.

(Zuruf SPD)

Es ist natürlich auch wichtig, die Impfinfrastruktur aufrechtzuerhalten. Ich kann mich hier nicht hinstellen und sagen: „Leute, lasst euch impfen!“, und gleichzeitig mache ich die Impfzentren dicht.

(Anhaltende Unruhe AfD)

Also, da hat der Bund eine Verantwortung, mit der Kohle rüberzukommen, sodass wir diese Impfzentren flächendeckend - nicht nur an einzelnen Stellen - aufrechterhalten können. Es ist in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein dringend notwendig, dass Menschen nicht zu weite Wege fahren müssen, um sich ihre Impfung abzuholen.

Meine Damen und Herren, wir haben hier eben das Problem, dass wir eine vergleichsweise überschaubare Datenlage haben. Das ist jetzt keine Kritik am RKI oder an den Gesundheitsämtern; die Lage ist so, wie sie ist. Wenn ich in irgendeiner Art und Weise Daten erfasse, muss ich sie eben in irgendein System eingeben, sie irgendwohin per Fax weiterleiten.

(Christopher Vogt [FDP]: Nee, nee!)

Weiß der Geier, was die Leute alles tun. - Die geben alles, die Leute - das ist überhaupt keine Frage -, aber wir haben da eben keinen Automatismus drin.

Das leitet zu den Herausforderungen über, die wir in der nahen Zukunft haben werden. Das Erste ist, dass wir unser Gesundheitswesen digitalisieren müssen. Es kann doch nicht angehen, dass wir als eines der reichsten Länder der Erde nicht in der Lage sind, tagesaktuell Daten komplett hinzubekommen, um zu wissen, was wir zu tun und zu lassen haben.

Wenn wir diese Daten nicht haben, entsteht natürlich eine Unsicherheit. Dann bekommt man genau die Diskussion, die wir in der Gesellschaft haben, nämlich dass man ständig Grundsatzdiskussionen führt über Dinge, von denen Wissenschaftler, zumindest in bestimmten Ländern, schon genau wissen, wie man eigentlich zu handeln hat. Natürlich werden diese Ideen dann auch von unseren eigenen Leuten adaptiert; die sind ja nicht in ihrer eigenen Welt. Natürlich argumentiert man dann auch mit Daten aus anderen Ländern, die in irgendeiner Art und Weise vielleicht in bestimmten Bereichen besser aufgestellt sind als wir. Nur, die Menschen glauben das dann nicht, und das ist das Problem.

(Lars Harms)