Protocol of the Session on February 24, 2022

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Meine Damen und Herren, wir werden die großen geopolitischen Herausforderungen der Zukunft nicht lösen, wenn wir es nicht schaffen, friedlich zusammenzuarbeiten. Wir werden nur in Frieden und Wohlstand leben können, wenn wir allen Menschen erlauben, in demokratischen Strukturen zu leben. Wir werden die Demokratie nur verteidigen, wenn wir dafür sorgen, dass verabredete Regeln eingehalten werden. Deshalb muss all unser Tun darauf ausgerichtet sein, Putin zu stoppen, diesen Krieg zu beenden und der Ukraine eine souveräne demokratische Zukunft zu ermöglichen. Unsere Solidarität gilt der Ukraine. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

(Eka von Kalben)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verurteilen diesen Angriffskrieg Russlands auf das Schärfste. Diese Invasion ist durch nichts zu rechtfertigen und muss umgehend beendet werden, wenn der russische Präsident sein Land nicht auf Jahrzehnte isolieren möchte. Es ist eine absolute Katastrophe, dass mitten in Europa mit kruder Geschichtsklitterung, dreisten Lügen und militärischer Gewalt wieder Grenzen verschoben werden sollen und dass unschuldige Menschen in der Ukraine völlig sinnlos ermordet werden. Wir stehen in diesen dunklen Stunden an der Seite der Ukraine. Ich bin dankbar dafür, dass wir das hier heute gemeinsam zum Ausdruck bringen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dieser Angriff ist für meine Generation, die in einer vergleichsweise friedlichen Zeit - in der es übrigens auch Kriege in Europa, in Jugoslawien vor allem, gab - und während des Zusammenwachsens unseres Kontinents groß geworden ist, eine schlimme Erfahrung, die sich aber auch lange angekündigt hat, nämlich nicht erst seit einigen Wochen, nicht erst seit einigen Monaten, sondern spätestens seit 2014, als der Angriff auf die Ukraine begonnen hat. Wir dürfen diese Aggression und imperialistische Logik Russlands nicht tolerieren und müssen dies mit sehr schmerzhaften Sanktionen beantworten.

Die NATO und die EU müssen bei diesem eklatanten Bruch des Völkerrechts glasklar sein und werden nun hoffentlich auch jeweils dauerhaft enger zusammenrücken. Das wird notwendig sein, und das ist mit Blick auf die Entwicklung in den letzten Jahren leider keine Selbstverständlichkeit. Gerade durch Länder wie Ungarn war die EU eben nicht klar in ihrer Haltung zu Russland, und auch die NATO war durch den ehemaligen amerikanischen Präsidenten nicht klar, der die NATO ja sehr offen infrage gestellt und in eine Krise gestürzt hat und der in diesen Tagen auch noch einmal seinen - ich sage einmal - Geisteszustand zur Schau gestellt hat, indem er Putin vor wenigen Tagen als „genial“ bezeichnet hat.

Der Westen hat in den vergangenen 15 oder 20 Jahren sicherlich auch Fehler im Umgang mit Russland gemacht. Das wurde in den vergangenen Wochen

vielfach diskutiert. Aber dies rechtfertigt in keinster Weise diese Aggression.

Die zunehmende Entfremdung in den letzten Jahren hat eine ganz klare Ursache: Russland geht es nicht nur um die Sehnsucht nach alter Stärke und Größe, sondern im Kern vor allem um die Bekämpfung von Freiheit und Demokratie. Die internationale Ordnung wird vonseiten Russlands überhaupt nicht mehr anerkannt, und das ist ein gewaltiges Problem, das über Europa hinausgeht. Wir erleben einen überwunden geglaubten Kampf der Systeme, nicht nur mit Russland, sondern leider auch mit China und anderen Staaten. Deshalb werden jetzt nicht Naivität und Opportunismus gefordert sein, sondern Zusammenhalt mit unseren Verbündeten.

Wir werden unsere außen- und sicherheitspolitische Ausrichtung an diese Realität anpassen müssen. Dazu gehört auch, dass Putin in seinen Äußerungen heute auch Länder wie Deutschland ganz offen bedroht hat. Ich will deutlich sagen: Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass wir seit Jahren Bundeswehrsoldaten im Baltikum haben. Die osteuropäischen Staaten, vor allem die ehemaligen Sowjetstaaten, die jetzt Mitglied der EU und der NATO sind, werden seit Jahren offen von Russland bedroht. Jetzt merken auch wir, wie ernst es ist, und darauf müssen wir reagieren. Dazu gehört in meinen Augen auch - das will ich ganz deutlich sagen, meine Damen und Herren und auch Kollegin von Kalben -, dass wir unsere Bundeswehr endlich angemessen ausstatten.

(Beifall FDP, CDU und SSW)

Das hat in meinen Augen auch nichts mit Aufrüstung zu tun, sondern ist leider schlicht eine verteidigungspolitische Notwendigkeit, denn Russland führt in diesen Tagen direkt an der Grenze von Europäischer Union und NATO Krieg. Es liegen nur wenige Kilometer zwischen dem, was im Westen der Ukraine passiert, und unseren Grenzen von NATO und EU.

Dazu gehört aus meiner Sicht auch, dass man sich nicht moralisch über die Wehrtechnikbranche erhebt.

(Beifall FDP und CDU)

Wir brauchen diese Branche wie unsere Bundeswehr und das transatlantische Bündnis, um den Frieden zu sichern. Wenn Russland allein auf das Prinzip der Stärke setzt, müssen leider auch wir wieder militärisch stärker werden, so bitter das ist.

Ich will in diesen Tagen keine Parteipolitik machen.

(Lachen Birte Pauls [SPD])

Die politischen Kräfte der Mitte müssen jetzt zusammenstehen. Es sollte sich aber auch niemand vormachen, dass diese Eskalation keine innenpolitischen Konsequenzen haben wird. AfD und LINKE übernehmen seit Jahren zunehmend die russische Propaganda und verbreiten sie hier in Deutschland, gerade in den letzten Wochen: Was man dort hören musste, was Gregor Gysi teilweise gesagt hat! Wenn Dietmar Bartsch von „Fehlentscheidungen“ spricht, wenn man in andere Länder einmarschiert, dann ist das eine Verharmlosung, die zynisch ist. Sahra Wagenknecht und andere, vor allem aber auch die AfD: Die sind in gleicher Weise völlig hemmungslos. Das bestärkt uns Liberale in unserer Haltung, dass diese beiden Parteien in Deutschland nicht regieren dürfen.

(Beifall FDP, CDU und Stefan Weber [SPD])

Ich würde es sehr gut finden, wenn das auch unter den staatstragenden Parteien Konsens wäre.

Ich formuliere es sehr zurückhaltend: Für die demokratischen Parteien werden sich einige Fragestellungen ergeben, auch mit Blick auf die außenpolitische Ausrichtung. Weil es heute ein besonderer Tag ist, will ich nur zwei Dinge ansprechen, die mich aber - ehrlich gesagt - zunehmend stören und auch an diesem Tag bewegen.

Ich finde: Es kann nicht sein, dass wir einen Altkanzler haben, der Fazilitäten der Bundesrepublik als Altkanzler nutzt und teilweise auch entsprechende Termine für die Bundesrepublik wahrgenommen hat und in einer solchen Form russische Lügen über die Ukraine verbreitet. Das ist ein Problem für Deutschland, das darf es nicht länger geben!

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern sollte Herr Schröder umgehend seine Jobs bei den Russen abgeben oder entsprechend nicht mehr vonseiten der Bundesrepublik unterstützt werden.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite, das ich kurz ansprechen möchte, ist die vermeintliche Klimastiftung, die es nebenan in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Die soll jetzt ruhen gelassen werden. Ich sage sehr deutlich: Die muss aufgelöst werden, und zwar sofort.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich sehr, dass die Jugendorganisationen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gemeinsam zur Demonstration in Berlin gegen diesen Krieg aufgerufen und entsprechend demonstriert haben. Ich frage mich aber seit Wochen, wo die deutsche Friedensbewegung abgeblieben ist. Mein Eindruck ist: Es wird nur gegen Kriege der Amerikaner demonstriert. Es ist doch erstaunlich ruhig. Das finde ich verwunderlich.

Dieser Angriffskrieg Russlands wird auch landespolitische Auswirkungen haben. Die Kolleginnen und Kollegen haben das bereits angesprochen. Es macht unsere jahrzehntelangen Bemühungen um die Völkerverständigung mit Russland kaputt. Viele Menschen in Schleswig-Holstein haben sich - auch hier im Landtag - über viele Jahre dafür eingesetzt, dass wir mit russischen Partnern Besuche durchführen, Gespräche führen und so weiter. Wir haben die Partnerschaft mit Kaliningrad, wir haben den Austausch mit Woronesch. All das wird jetzt kaputt gemacht, und das ist natürlich äußerst bedauerlich.

Ich habe vor einigen Jahren mal für den Landtag in Sankt Petersburg an einer Ostseeparlamentarierkonferenz teilnehmen dürfen. Da ging es um die Krim. Das ist jetzt schon sieben oder acht Jahre her, und man hat dort schon gemerkt, dass es eine Sprachlosigkeit gibt zwischen den Russen und den anderen Staaten, die dort vertreten waren. Es ist sehr bedauerlich, dass jetzt auf Jahre wahrscheinlich alles kaputt gemacht worden ist, was viele Menschen auch hier aus dem Land mühsam aufgebaut haben.

Meine Damen und Herren, wir werden uns auch energiepolitisch unabhängiger von Russland machen müssen. Es steht zu befürchten, dass Erdgaslieferungen, auf die wir in den nächsten Jahren zunehmend angewiesen sein werden, zukünftig noch stärker als Druckmittel gegen uns eingesetzt werden. Wir werden uns also bei der Versorgung mit Gas breiter aufstellen müssen. Ein Flüssiggasterminal in Deutschland ist überfällig und muss weiter vorangetrieben werden. Brunsbüttel wäre ein idealer Standort, für den wir uns weiter politisch einsetzen.

Nur mit erneuerbaren Energien wird es nun mal leider nicht gehen. Wenn wir in diesem Jahrzehnt nicht nur aus der Kernenergie, sondern auch aus der Kohlekraft aussteigen wollen - wohlgemerkt nur aus der Produktion, nicht aus der Nutzung, denn wir werden ja auf Import aus unseren Nachbarländern angewiesen sein und haben ein europäisches Stromnetz -, dann werden wir auch durch den steigenden Strombedarf durch die Elektromobilität und die Digitalisierung noch mehr auf Gaskraftwerke setzen müssen. Da wir bisher rund 55 % unseres

(Christopher Vogt)

Gasbedarfs mit Importen aus Russland decken, haben wir offensichtlich ein Problem bei der Beschaffung, um das wir uns dringend kümmern müssen.

Wir hätten uns heute auch in einem Antrag zu einem LNG-Terminal bekannt. Ich glaube, es ist richtig, dass wir den Energieteil aus der Tagesordnung herausgenommen haben, um hier gemeinsam ein Signal setzen zu können. Das war aus meiner Sicht am heutigen Tag wichtig. Es ist das wichtige Signal, das wir an dieser Stelle einig sind.

Wir müssen jetzt mit Blick auf Russland klar sein und uns vor Augen führen, dass wir zu lange zu gutgläubig gewesen sind. Freiheit, Demokratie und Frieden sind in Europa leider nicht selbstverständlich, sie müssen mehr denn je verteidigt werden. Es geht nicht nur um die Ukraine, sondern um Europa insgesamt.

Abschließend möchte ich sagen: Ich bin mir sicher, dass wir in Schleswig-Holstein auch unserer humanitären Verantwortung in der kommenden Zeit wieder gerecht werden. Auch das sollten wir an diesem Tag vielleicht noch einmal betonen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt der Vorsitzende, Lars Harms, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor ein paar Jahren sah es noch so aus, dass wir den Ost-West-Gegensatz überwunden hätten. Jetzt ist er stärker als je zuvor da. Zwar stehen sich nicht mehr zwei gleich starke, große Blöcke gegenüber, aber Russland und die westliche Welt trennen doch mehr, als mancher glaubte. Ein autokratischer Herrscher wie Putin wird sich nie anpassen wollen, im Gegenteil: Solche Herrscher setzen sich auch über Völkerrecht hinweg, wie es nun in der Ukraine wieder geschehen ist. Die Erfahrung zeigt, dass sich solche Herrscher nicht von ihren Taten abhalten lassen, wenn man Schwäche zeigt.

Die Lehre, die wir ziehen können, ist, dass beispielsweise Handel über alle gesellschaftspolitischen Unterschiede hinweg kein Garant dafür ist, um Frieden zu erhalten. Selbst Sanktionen gegen sein Volk werden Putin nicht davon abhalten, seine Kriegspolitik zu Ende zu bringen. Diese Form des Wandels, dass man miteinander handelt und hofft,

dass alles gut geht - dieser Wandel durch Annäherung, wenn man so will -, funktioniert nur, wenn die jeweilige andere Seite - also wir - als starker Partner wahrgenommen wird. Wird man das nicht, so ist immer auch die friedliche Koexistenz gefährdet, wenn man es mit autokratischen Machthabern zu tun hat.

(Beifall SSW, CDU, FDP und Eka von Kal- ben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In diesem Zusammenhang ist mir deswegen eines ganz wichtig: Ich möchte unsere Unternehmen, die in Russland tätig sind, auffordern und aufrufen, ihren Zusammenarbeitspartnern in Russland deutlich zu machen, dass die guten Geschäfte zu Ende sind, wenn man Putin nicht Einhalt gebietet. Auch das, meine Damen und Herren, wäre nämlich ein Zeichen der Stärke. Es ist dringend notwendig, dass alle, die irgendwie irgendetwas mit Russland zu tun haben, jetzt ihre Stimme erheben und ganz deutlich machen, dass das, was wir bisher an guter Zusammenarbeit aufgebaut haben, dann nicht mehr stattfinden kann, wenn Putin so weitermacht, wie er es bisher gemacht hat.

(Beifall SSW, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es gibt ein großes Problem, das auch schon von meinen Vorrednern angesprochen wurde: Wir haben so viele schöne Zusammenarbeitsformen, gerade im Ostseeraum, die Partnerschaft mit Kaliningrad. All das bricht jetzt zusammen. Ich glaube, diese Drähte, die wir in diese Regionen noch haben, sollten wir, wenn es irgendwie geht, solange sie noch bestehen, nutzen, um auch dort unseren politischen Einfluss geltend zu machen. Das ist eine kleine Aufgabe, die wir als regionales Parlament haben, aber ich finde, diese Aufgabe müssen wir jetzt sehr intensiv wahrnehmen.

Meine Damen und Herren, wichtig ist aber auch zu betonen: So schön das hehre Ziel einer atomwaffenfreien Welt ist, so richtig ist es auch, dass die freie Welt leider auf ihre atomare Abschreckung angewiesen ist.

(Beifall CDU und FDP)