Protocol of the Session on March 23, 2022

Login to download PDF

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Lukas Kilian.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe ein kleines Déjà-Vu: 2019 gab es einen Antrag der Firma Wintershall Dea auf Ausweitung der Erdölförderung in der Mittelplatte. Die SPD stellte dazu einen Antrag, und Sie, Herr Hölck, hielten eine Rede, die man so zusammenfassen konnte: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Ich durfte nach Ihnen sprechen. Damals haben Sie eine Zwischenfrage nicht zugelassen. Das kommt mir alles bekannt vor. Ich begann meine Rede damit: Die Kopfschmerztablette, die man nach ihrer Rede bräuchte, besteht zu einem gewissen Prozentsatz aus Erdöl. - Auch das passt heute.

Meine Damen und Herren, dieser Krieg in der Ukraine ist keine Vorabendserie, auch wenn wir uns vermutlich alle abends Brennpunkte anschauen. Es ist keine Reise in eine grausame Vergangenheit. Dieser Krieg wird geführt aus Hass, aus Verachtung und aus Angst - nicht aus Angst vor der NATO, sondern aus Angst vor der Freiheit, vor der Demokratie, vor unseren Werten, aus Angst vor dem Selbstbestimmungsrecht der Völker.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Der größte Verbündete Putins ist das Desinteresse das Desinteresse, dass wir uns langsam und sicher daran gewöhnen und uns irgendwann abwenden. Der zweitgrößte Verbündete ist die Energieabhängigkeit von Nationen wie unserer. Tagtäglich füllen wir nämlich Putins Kriegskasse. Das muss ein Ende haben, und ich glaube, darüber sind wir uns in diesem Haus sehr einig. Vielleicht geht es noch um die Geschwindigkeit, aber dass das ein Ende haben muss, darin sind wir uns hoffentlich alle einig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, Reden wie die eben gerade zeigen es ganz gut. Wir haben es uns in Deutschland viel zu gemütlich gemacht: Eine lethargische Selbstgefälligkeit, eine Bräsigkeit hat uns in Abhängigkeiten geführt, aus denen wir nicht mehr herauskommen. Die müssen wir jetzt teuer bezahlen. Das war nicht nur die SPD, das war nicht nur die CDU, und das müssen wir ganz selbstkritisch anerkennen: Das waren wir alle, das war eine gesellschaftliche Bräsigkeit. Die müssen wir nun teuer bezahlen. Um es klar zu sagen: Wir bezahlen das mit Geld, die Ukraine bezahlt das gerade mit Menschenleben. Das ist etwas ganz anderes.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Unsere jahrzehntelange Außenpolitik, ja die Außenpolitik der gesamten westlichen Welt ist eine Politik des Im-Stich-Lassens. Auch das müssen wir akzeptieren. Wer von uns redet heute noch über das Debakel in Afghanistan? Da sind wir alle rein, haben Großes versprochen und sind überstürzt abgereist. Dann gab es drei Monate lang ein großes Drama in Deutschland, und jetzt ist die Diskussion vorbei. Deswegen müssen wir aufpassen, dass uns im Ukrainekonflikt nicht das Desinteresse einholt, weil dies Putins Verbündeter ist.

Was aber die energiepolitische Abhängigkeit angeht, müssen wir uns ehrlich machen. Aktuell sind

(Thomas Hölck)

wir energiepolitisch unsouverän. Wir müssen daher sehr ehrlich darüber reden: Was können wir tun? Was können wir ändern? Was brauchen wir? Da ist es wirklich wohlfeil zu sagen, das Öl kommt von oben. Wir brauchen nämlich Öl, und so zu tun, als ob man das jetzt nur durch Solarenergie ersetzen könnte, ist wirklich eine Politik nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, die uns in diese Bräsigkeit geführt hat.

(Beifall CDU und FDP)

In den nächsten Jahren werden wir Öl, Gas, sogar Kohle brauchen. Wir müssen diese Rohstoffe leider auch aus Schurkenstaaten oder von Despoten importieren. Ich habe großen Respekt vor dem, was Robert Habeck da gerade macht. Die Menschen, die an der Seitenlinie stehen und reinrufen: Ach, Mensch, das ist jetzt aber auch ein Schurkenstaat, das ist ein Despot, bei dem wir jetzt unsere Energieversorgung einkaufen, sind großartige Theoretiker. Sie stehen an der Seitenlinie. Moralisch mögen sie recht haben, aber irgendwie müssen sie auch eine Lösung anbieten.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Damit wir energiesouverän werden, müssen wir unsere Abhängigkeiten entflechten. Wir müssen Klumprisiken beim Einkauf der Energie beenden, und wir müssen endlich diese Haltung „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ ablegen.

Deswegen ist ganz konkret für Schleswig-Holstein ein LNG-Terminal extrem wichtig. Wir brauchen LNG in Deutschland. Wir brauchen LNG-Terminals, und es ist auch klar: Was da reinkommt, kommt zum Teil aus Förderungen, die wir nicht schön finden. Ich glaube, Frackinggas ist für uns alle nicht die erste Wahl. Das ist aber bei LNG ganz häufig der Fall. Wenn wir energiesouverän werden wollen, müssen wir da ehrlich sein.

Wir müssen aber auch schauen, wo wir in Schleswig-Holstein fossile Energieträger fördern können. Mit der Mittelplate haben wir ein Erdölvorkommen in der Nordsee und mit Wintershall Dea ein Unternehmen, das mit höchster Präzision und ohne Störfall seit über 30 Jahren dort in einem hochsensiblen Bereich Erdöl fördert.

(Beifall CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Herr Kollege Hölck, Sie haben gesagt, da müssten dann vielleicht einmal Anträge gestellt werden. Wir haben seit über zwei Jahren einen Antrag zur Erweiterung der Erdölförderung auf dem Tisch. Wenn

das so einfach wäre, wie Sie als Hobbyjurist hier tun, dass es gegen das Gesetz verstoßen würde, wäre der Antrag schon längst abgelehnt.

(Thomas Hölck [SPD]: Habe ich gar nicht gesagt!)

So ist es nicht. Es ist nicht so, dass da Recht verbogen werden muss - davon haben Sie gesprochen: Ihr Kollege würde von Rechtsbeugung sprechen und von einer Ohnmacht in die andere fallen. Wir haben hier die Chance, mit eigener fossiler Produktion unsere Abhängigkeit zu verringern.

(Sandra Redmann [SPD]: Quatsch!)

- Das ist kein Quatsch. Wo soll es denn herkommen? Sie bieten überhaupt keine Lösung an. Ihr Spitzenkandidat hat unseren Koalitionsvertrag mitverhandelt. Da war er gegen LNG. Jetzt hupt er rum und versucht, die Grünen in irgendeiner Weise in eine strategisch schwierige Situation zu bringen, und sagt auf einmal, die Grünen seien gegen LNG und er der große Fan.

(Zurufe SPD)

„Erdöl kommt von oben.“ - Wenn man Ihren energiepolitischen Sprecher hört, der meint, dass unser Fraktionsvorsitzender von Energiepolitik keine Ahnung hat,

(Zuruf SPD: Hat er ja auch nicht! - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das würde ich nicht auf En- ergiepolitik beschränken! - Heiterkeit)

dann wundert man sich schon, was da abgeht.

Da ist die SPD immer ganz groß, wenn es um Lieferketten geht. Sie wollen ja sogar das Tariftreuegesetz wieder einführen und Ähnliches. Wenn wir über Umweltstandards reden, wenn wir über gute Arbeitsplätze reden, dann wollen wir Erdöl aus Katar haben oder aus Russland? Oder wollen wir dann nicht lieber schauen, dass wir auch dort, wo wir es mit sauberen Umweltstandards und mit guten arbeitsrechtlichen Bedingungen selbst tun können, Öl fördern?

(Zurufe SPD)

Ganz im Ernst: Diese Haltung, die Sie haben, hat uns mit in eine Energieunsouveränität gebracht. Dieses Thema ist wahrlich kein leichtes. Ich bin sehr froh und dankbar - insbesondere der grünen Landtagsfraktion, weil es für sie überhaupt kein leichtes Thema war -,

(Christopher Vogt [FDP]: Für uns aber?)

(Lukas Kilian)

dass unsere Koalition deutlich macht, dass wir keine Schönwetterkoalition sind, die sich immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt, sondern eine Koalition, die wesentliche und wichtige Entscheidungen für das Land trifft und mitträgt, weil sie für das Land wichtig sind.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute fordert sogar Greenpeace den Stopp von Importen von Öl, Gas und Kohle aus Russland: ein richtiger Schritt. Ich sage aber auch den Freunden von Greenpeace: Lasst uns auch gemeinsam vorgehen, wenn es darum geht, uns über eigene Vorkommen zu unterhalten. Hier Hü und da Hott funktioniert in so einer Debatte nicht.

Wir wollen schnellstmöglich den Importstopp von Öl, Gas und Kohle aus Russland. Wir wollen Putin den Geldhahn zudrehen, denn nur diese Sprache versteht dieser Despot. Deswegen ist es mehr als richtig, dass wir in unserem Land auch schauen, wo wir fossile Energien fördern können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Abgeordnete Joschka Knuth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja wahrlich ein großes Themenpotpourri hier heute. Ich fange mal damit an, dass ich mich für die Berichte der Ministerien bedanke, vor allem aber auch für die zusätzliche Redezeit. Das hilft sehr, wenn man so viele Themen abdecken soll.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Fangen wir mal mit dem Ausgangspunkt der wirtschaftlichen Situation an. Ich bin Ihnen, Herr Buchholz, sehr dankbar, dass Sie deutlich gemacht haben, dass wir in der Tat, was den Handel betrifft, in Schleswig-Holstein zunächst einmal keine große Betroffenheit haben, weil wir eben nicht solche Außenhandelszahlen mit Russland und der Ukraine haben, dass wir tatsächlich vor einem Dilemma stünden. Darüber können wir zunächst einmal froh sein. Aber nichtsdestotrotz bleiben natürlich die differenzierte Betroffenheit insbesondere einzelner Betriebe und vor allen Dingen in der Folge der Auswirkungen dieses Kriegs die mittelbaren Effek

te auf unsere Unternehmen, auf unsere mittelständischen Unternehmen hier in Schleswig-Holstein. Diese stehen in einigen Produktionsprozessen jetzt vor existenziellen Fragen, wenn beispielsweise in der Müsli- und Cerealienproduktion das Prozessgas mit einem Mal ein Vielfaches dessen kostet, was ursprünglich einkalkuliert war und sich am Ende auch die Preise für die Endverbraucherinnen und -verbraucher nicht mehr gewährleisten und stabil halten lassen.

Dann ist es an der Zeit, dass wir als Politik schauen: Wie können wir für die Verbraucherinnen und Verbraucher die Preisspirale beenden? Wie können wir aber auch für die Unternehmen die Produktion weiter ermöglichen? Und: Wie können wir langfristig da ist dann tatsächlich die Energiedebatte angesagt - auch dazu kommen, dass wir unabhängiger werden von Quellen, die dafür sorgen, dass wir überhaupt in diesem Dilemma sind? - Ich bin sehr froh, dass wir sowohl auf Ebene der Landesregierung als auch auf Ebene der Bundesregierung strategisch und mit klarem Ziel vorangehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Langfristig bedeutet zwar nicht ab sofort, aber insbesondere in der langfristigen Wirkung, dass wir uns komplett loslösen von fossilen Energieträgern und auch von atomaren Energieträgern. Das bedeutet, dass wir insbesondere den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben und davon als Land künftig massiv profitieren werden.

Da leite ich über zur Frage der Ansiedlung von Northvolt, es ist eben schon angesprochen worden: Wir können wirklich froh sein über die Ankündigung des Unternehmens, hier in Schleswig-Holstein eine Produktionsstätte aufzubauen. Das ist ein Riesenerfolg für den Wirtschaftsstandort SchleswigHolstein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Denn wir können feststellen, dass eine an der Erreichung der Klimaziele ausgerichtete Energiepolitik dazu führt, dass der Wirtschaftsstandort SchleswigHolstein massiv profitiert. Die Energiewende ist zu einem der entscheidenden Standortfaktoren für Schleswig-Holstein geworden. Ich bin stolz, dass wir das erreichen konnten.