Protocol of the Session on March 24, 2022

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Aber es ist vor allem richtig, dass wir an dieser Stelle das Besoldungsrecht weiterentwickeln, weil es auch unsere parlamentarische Aufgabe ist, das Besoldungsrecht weiterzuentwickeln. Das tun wir hier. Da sind wir die Ersten bundesweit, und deswegen wird es spannend sein, zu schauen, wie sich das insgesamt weiterentwickeln wird. Ich denke, dass wir da auch noch nicht am Ende angelangt sind.

Aber eines möchte ich an dieser Stelle ganz klar betonen: Die vielen Maßnahmen, die eben genannt worden sind - die zeit- und wirkungsgleiche Übernahme der Tarifabschlüsse, das Jobticket, die Anhebung der Einstiegsgehälter, die Strukturreform von 2020 und vieles mehr; wir haben wirklich eine Menge gemacht -, zeigen: Ja, wir sind ein attraktiver Arbeitgeber für unsere Beschäftigten.

An dieser Stelle gilt es, allen Beschäftigten auch einmal Danke zu sagen für die geleistete gute Arbeit. Nur mit guten und motivierten Mitarbeitern werden wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen, und dafür werden wir alles tun. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Beate Raudies das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesen beiden Gesetzentwürfen, die Sie uns heute vorlegen, besonders mit dem einen, der diesen langen, nahezu unaussprechlichen Namen trägt

(Beifall FDP und CDU - Zuruf: Das haben Sie doch selber beschlossen!)

- nein -, dokumentiert Jamaika erneut das komplette Versagen beim Umgang mit den Landesbedienste

ten, das sich durch die ganze Legislaturperiode zieht.

(Beifall SPD)

Das ist das Fazit.

Nach fünf Jahren Jamaika Beamtin oder Beamter in Schleswig-Holstein zu sein, macht nicht mehr so richtig viel Spaß. Denn auch beim Thema Beamtinnen- und Beamtenbesoldung hat Jamaika den Mund ziemlich vollgenommen. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich aus dem Koalitionsvertrag:

„Die Koalition sieht die Notwendigkeit, die Gehalts- und Besoldungsstruktur zu überarbeiten, um ausreichend Fachkräfte für die öffentliche Verwaltung zu gewinnen.“

Als große Besoldungsstrukturreform haben Sie dieses Projekt im Laufe der Legislaturperiode immer gern bezeichnet, aber nach fünf Jahren Jamaika stehen wir jetzt vor einem Scherbenhaufen. Denn über all Ihren Bemühungen - das ist auch im Beitrag der Finanzministerin sehr deutlich geworden - hing ein großes Damoklesschwert. Politik für die Beamtinnen und Beamten, die Besoldungspolitik in Schleswig-Holstein steht immer unter dem Diktat der Finanzpolitik. Ob das am Ende dazu führt, dass der öffentliche Dienst attraktiver und die Beamtenbesoldung verfassungsgemäß ist, daran habe ich doch meine Zweifel. Sie haben in den letzten fünf Jahren nur das gemacht, wodurch Sie durch Gerichte, Tarifabschlüsse oder unübersehbare Missstände gezwungen wurden, meine Damen und Herren.

Ich höre hier den Kollegen Lehnert von Wertschätzung und konkreten Maßnahmen reden. Wo bleibt denn die notwendige Ausstattung in materieller Hinsicht? Mit diesem Gesetzentwurf jedenfalls können unsere Beamtinnen und Beamten nicht damit rechnen.

Für uns nicht ganz überraschend muss das Finanzministerium nun selbst eingestehen, dass die Beamtinnen- und Beamtenbesoldung in Teilen nicht mehr verfassungsgemäß ist. Das steht in der Gesetzesbegründung, aber auch im nachgereichten Teil. Vor dem Bundesverfassungsgericht sind mehrere Verfahren anhängig. Wenn die Klägerinnen beziehungsweise Kläger obsiegen, wird das für das Land eine teure Tasse Tee. Die Stadt Hamburg hat für eventuell zu erwartende Nachzahlungen bereits Rückstellungen in Höhe von mehr als 450 Millionen € gebildet. Ich nenne diese Zahl, damit werden hier mal die Dimensionen deutlich, über die wir uns unterhalten.

(Ole-Christopher Plambeck)

Das Problem jetzt in die kommende Legislaturperiode zu verschieben, ist eigentlich eine Frechheit nicht nur für die Beamtinnen und Beamten, sondern für alle, die in der nächsten Legislaturperiode hier Entscheidungen tragen und die Regierung stellen wollen. Das ist eine finanzpolitische Zeitbombe.

(Beifall SPD)

Dem Gesetzentwurf, den wir heute beschließen sollen, haben die schriftlich angehörten Expertinnen und Experten und der Wissenschaftliche Dienst ein desolates Zeugnis ausgestellt. Ich will nur einige der massiven Kritikpunkte nennen: erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, Verstoß gegen das Alimentationsprinzip, widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz, verletzt das Abstandsgebot. Auch die nachgeschobene Stellungnahme des Finanzministeriums konnte das nicht wirklich besser machen. Ich warte mit Begeisterung auf den Änderungsgesetzentwurf, der ja nun erforderlich wird, wenn auf Bundesebene sozialgesetzliche Änderungen erfolgen, weil wir dann jedes Mal diese Tabelle anpassen müssen. Was für ein Aufwand! Reden Sie mir nicht mehr von Bürokratieabbau, ganz ehrlich!

(Beifall SPD und SSW)

Für eine mündliche Anhörung und eine ausführliche Debatte im Ausschuss fehlte wieder einmal die Zeit. Sie war vielleicht auch nicht gewünscht. Mit diesem Verfahren wird das Parlament aber seinem Auftrag und seiner Verantwortung einer gewissenhaften Debatte nicht gerecht. Das wird bei der gerichtlichen Überprüfung sicherlich nicht als Pluspunkt gewertet.

Ich rede mich jetzt richtig in Rage: Am meisten entsetzt mich an diesem Gesetzentwurf das Thema Familienergänzungszuschläge und Hinzuverdienstgrenzen. Die haben nämlich de facto zur Folge, dass wir die Pflicht zur Gewährung einer amtsangemessenen Besoldung für Beamtinnen und Beamte mit Kindern in den unteren Besoldungsgruppen auf die Ehepartnerinnen und -partner abwälzen. Das ist aus gleichstellungspolitischer Sicht eine Katastrophe.

(Beifall SPD und SSW)

Wir rechnen jetzt das Einkommen der teilzeitbeschäftigten Ehefrau oder des teilzeitbeschäftigten Ehemannes an, und im Ergebnis wird es für manche Familien günstiger, wenn der eine Partner gar nicht mehr arbeitet oder die Arbeitszeit weiter reduziert. Das kann doch wohl nicht unser Ernst sein, das können wir doch nicht ernsthaft wollen. Sie werden sich nicht wundern, meine Damen und Herren, dass

Sie von uns keine Zustimmung zu diesem Murks bekommen.

(Beifall SPD und SSW)

Ein weiteres Ergebnis - das sagte mir vorgestern jemand -: Wer in Schleswig-Holstein befördert wird, wird demnächst vielleicht dafür bestraft. Er kann nämlich nicht damit rechnen, dass er dafür mehr Geld bekommt, was aber eigentlich damit verbunden sein sollte, wenn man befördert wird.

Jetzt wollte ich noch ganz viel über den öffentlichen Dienst sagen und was man eigentlich tun muss, um ihn attraktiver zu gestalten.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Ich möchte nur eines sagen: Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen einen starken und handlungsfähigen Staat. Dafür brauchen wir einen starken öffentlichen Dienst. Deswegen werden wir zu Beginn der neuen Legislatur einen Runden Tisch einberufen,

(Zuruf: Oh!)

an dem die entscheidenden Punkte auf Augenhöhe mit den Beschäftigten besprochen werden: amtsangemessene Besoldung, Beihilfe, Arbeitszeit. Diese drei Punkte müssen wir gemeinsam mit den Beschäftigten zu einem attraktiven Pakt für den öffentlichen Dienst zusammenführen. Nur so bleiben wir als Arbeitgeber konkurrenzfähig. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Nun hat die Kollegin der SPD ja eine Grundsatzabrechnung zur Politik des öffentlichen Dienstes, zur Beamtenpolitik der Jamaika-Koalition vorgelegt. Ich würde gern mit einer Grundabrechnung der Vorschläge der SPD reagieren. Die sind mir nur weitgehend nicht bekannt.

(Beifall FDP)

Ich habe das Gefühl, dass Sie die Maßnahmen immer nur in zwei Stufen einordnen können. Die eine Stufe ist: selbstverständlich. Die andere Stufe ist: eine riesige Empörung. Etwas dazwischen - dass etwas ein Fortschritt oder eine Verbesserung sein könnte - wird gar nicht mehr in Betracht gezogen.

(Beate Raudies)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ich werde auch aus der sonstigen Position der SPD, was den öffentlichen Dienst angeht, nicht ganz schlau.

(Christopher Vogt [FDP]: Runder Tisch!)

Wo geht es denn weiter als nur ein: „Ja, wir wollen alles“? Wo sind die konkreten Vorschläge der SPD für die kommenden Jahre? Mir sind sie bislang nicht bekannt. Insofern ist es nur folgerichtig, dass Sie keine Alternativanträge, keine Änderungsanträge oder Ähnliches vorgelegt haben.

(Beate Raudies [SPD]: Sie wollten im Aus- schuss ja nicht mal über das Gesetz debattie- ren!)

Vor uns liegen zwei komplexe Sachverhalte und Gesetzentwürfe, die nun in die zweite Lesung gehen. Zum einen ist es vollkommen klar: Unser Ziel ist es, eine verfassungskonforme Besoldung sicherzustellen. Für das Land bedeutet das einen großen, aber eben auch notwendigen Schritt. Die Ministerin ist auf die Gesamtkosten eingegangen: 130 Millionen € jährlich und etwa 16 Millionen € einmalig. Das sind gewiss keine Kleinigkeiten für ein Land wie Schleswig-Holstein, wenngleich auch offensichtlich ist, dass es immer noch viel größere Wünsche gibt.

Zunächst deswegen im Kurzen das, worauf sich die Allermeisten wahrscheinlich einigen können, also die SPD-Kategorie „selbstverständlich“. Als Erstes ist die Streichung der unteren Besoldungsgruppen bis einschließlich A 5 zu nennen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Als Zweites ist die Streichung der ersten Erfahrungsstufe für alle Beamtinnen und Beamte zu nennen. Als Drittes ist die Hebung des kinderbezogenen Familienzuschlages für jedes Kind um 40 € zu nennen und als Viertes die Hebung der Beihilfebemessungssätze für Lebenspartner und Kinder. All das ist für die SPD ein wichtiger und sinnvoller Schritt, aber natürlich selbstverständlich.

Soweit also der Konsens. Kommen wir zur Kontroverse. Unser Weg ist ein neuer, und es gibt für diesen Weg keine Blaupause. Ob dieser Weg verfassungskonform ist? Ja, das war in der Anhörung durchaus strittig. Es war zwar längst nicht so, dass für alle klar war, dass er nicht verfassungskonform wäre. Es gab aber wichtige Stimmen, die die Verfassungskonformität angezweifelt und Bedenken

geäußert haben. Klären wird das - da können wir uns bei solchen Sachverhalten sicher sein - am Ende des Tages ein Gericht.