Protocol of the Session on March 24, 2022

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delt, beginne ich mit dem Landesbehindertengleichstellungsgesetz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Vielfalt ist das, was unsere Gesellschaft stark macht. Das ist auch der leitende Gedanke beim Thema Inklusion. Inklusion bedeutet nun mal Teilhabe, und zwar die Teilhabe aller - und zwar wirklich aller - Menschen am gesellschaftlichen Leben und in allen Bereichen.

Inklusion ist der Kerngedanke der UN-Behindertenrechtskonvention und des Bundesteilhabegesetzes. Es geht darum, Menschen so anzunehmen, wie sie in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit nun mal sind. Das Ziel ist, ein Umfeld und eine Umwelt ohne Barrieren zu gestalten, damit Menschen mit Handicap die Teilhabe und die Teilnahme an dieser Welt ermöglicht wird.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP] und Andrea Tschacher [CDU])

Von diesem Leitmotiv, meine sehr geehrten Damen und Herren -

(Glocke Präsidentin - Dennys Bornhöft [FDP]: Setzt euch doch mal hin!)

- Also, so ganz unspannend ist es nicht!

Von diesem Leitmotiv ist auch die Neuregelung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes getragen. Dabei ist Ziel dieses Gesetzes, Regelungen so zu schaffen, dass Menschen mit Handicap in die Lage versetzt werden, ihre allgemeinen Menschenrechte genauso wie Menschen ohne Handicap ausüben zu können. Daher leitet sich auch der Name Landesbehindertengleichstellungsgesetz ab.

Was ich beeindruckend finde: Vor der Pandemie wurde ja der Prozess begonnen, dass mein Haus diesen Gesetzentwurf in einem intensiven Dialog mit Expertinnen und Experten in eigener Sache entwickelt hat, einfach um wichtige Entwicklungsimpulse zu erhalten. Mit dem Gesetz wird klargestellt, dass Menschen mit Handicap keine homogene Gruppe sind. Vielmehr sind sie ebenso individuell in ihren Kompetenzen und Anliegen wie Menschen ohne Handicap, was unter anderem in der Zielformulierung des Gesetzes betont wird.

Konkret beinhaltet das Gesetz Neuregelungen bei Kontakten von Menschen mit Handicap in der öffentlichen Verwaltung. So ist vorgesehen, dass Träger der öffentlichen Verwaltung im Rahmen des Benachteiligungsverbotes aktiv geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, damit Menschen mit Handicap vor unerwünschten Verhaltensweisen geschützt

und nicht aufgrund ihrer Beeinträchtigungen eingeschüchtert werden.

Der Aspekt der Barrierefreiheit wurde in besonderer Weise verankert. So enthält der Entwurf unter anderem eine Regelung zum Recht auf Begleitung bei persönlichen Kontakten mit den Trägern der öffentlichen Verwaltung durch eine Person, die von den Menschen mit Handicap selbst ausgewählt werden kann.

Ergänzend zum Verbandsklagerecht haben wir im Entwurf die Einrichtung einer Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Trägern der öffentlichen Verwaltung und Menschen mit Handicap und den sie vertretenden Organisationen vorgesehen. Das unentgeltliche Schlichtungsverfahren soll eine rasche Einigung der Beteiligten ermöglichen und eine weitere Umsetzung des Benachteiligungsverbotes sowie insbesondere der Barrierefreiheit fördern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz Folgendes ausführen: Um den Schutz der Selbstbestimmung von Menschen mit Handicap und Menschen mit Pflegebedarf sicherzustellen, wollen wir darüber hinaus Änderungen am Selbstbestimmungsstärkungsstärkungsgesetz vornehmen. Die Entwicklungen der Wohnpflege- und Betreuungslandschaft der vergangenen Jahre und diverse Klarstellungsbedarfe haben dazu geführt, dass neu entstandene Versorgungsformen für Menschen mit Pflegebedarf und Menschen mit Handicap nicht mehr in die Systematik des aktuellen Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes passen.

Konkret ist die frühere leistungsrechtliche Unterscheidung nach ambulanten, teilstationären und vollstationären Leistungen in Folge der Reform der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz entfallen. Es gibt aber weiterhin gemeinschaftliche Wohnformen, in denen Menschen mit Handicap vertraglich miteinander gekoppelte Wohn- und Teilhabeleistungen in Anspruch nehmen. Der Schutz der Selbstbestimmung ist durch die Regelungen des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes also unverändert sicherzustellen. Die Neuregelungen beseitigen mögliche Regelungslücken und beugen damit einer eventuellen formalen Umgehung des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes vor. Sie sichern ein gleichbleibend hohes Schutzniveau für Menschen mit Handicap und Menschen mit Pflegebedarf.

Vor diesem Hintergrund wird auch eine Regelung zur außerklinischen Intensivpflege aufgenommen,

(Minister Dr. Heiner Garg)

meine sehr geehrten Damen und Herren - eine Regelung, die mir übrigens ganz besonders wichtig war. Hierbei handelt es sich zwar formal häufig um eine ambulante Versorgung, faktisch jedoch meist um eine stationäre Einrichtung. Aufgrund des besonders hohen Schutzbedarfs der Bewohnerschaft werden unter anderem derartige Wohnformen den stationären Einrichtungen gleichgestellt.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Darüber hinaus haben wir auch in diesem Gesetzentwurf zahlreiche Anregungen der Interessenvertretungen von Menschen mit Handicap aufgenommen. Es ist vorgesehen, die Mitwirkungsrechte des Bewohnerbeirats mittels Unterstützung durch eine unabhängige Assistenz zu stärken. Auch werden Aspekte der Barrierefreiheit aufgegriffen, um Informationen zielgruppengerecht zugänglich zu machen. Zudem wird geschlechtsspezifischen Belangen durch eine geschlechtsparitätische Besetzung des Bewohnerbeirats verstärkt Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren, abschließend informiere ich auch wegen der Nachfragen im Sozialausschuss gern noch einmal klar darüber, dass die Durchführungsverordnung zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz, die bis zum 21. Dezember 2021 befristet war, aufgrund des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zunächst vorsorglich um zwei Jahre verlängert wurde. Nach Inkrafttreten der Änderungen im Selbstbestimmungsstärkungsgesetz wird die Durchführungsverordnung selbstverständlich umfassend inhaltlich angepasst. Es wird neben der Durchführungsverordnung außerdem eine angemessene Überarbeitung der entsprechenden Gebührentatbestände des allgemeinen Gebührentarifs der Verwaltungsgebührenverordnung erfolgen.

Im Namen der Landesregierung bitte ich Sie um Zustimmung zu beiden Gesetzen und bedanke mich fürs Zuhören.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Andrea Tschacher.

(Zuruf)

- Nicht wesentlich, wir sind nicht so kritisch.

(Zuruf Dennys Bornhöft [FDP])

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heute zwei Gesetze beschließen, die die Situation Pflegebedürftiger und die von Menschen mit Behinderungen weiter verbessern werden. Worum geht es? - Es geht zum einen um Inklusion. Es geht um die Beseitigung und Verhinderung von Benachteiligungen, und es geht um die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, und zwar in allen Bereichen.

Zum anderen geht es mit dem Selbstbestimmungsstärkungsgesetz um die Anpassungen und Regelungen neuer Wohnformen. Ich danke Minister Dr. Garg und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Entwicklung beider Gesetzentwürfe.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es ist doch im Grunde genommen ganz einfach: Menschen mit Behinderungen wollen genauso leben wie nicht behinderte Menschen.

Allen Menschen müssen wir die Möglichkeit eröffnen, ein in jeder Hinsicht erfülltes Leben zu führen. Das ist ein Grundbedürfnis. Eine jede und ein jeder hat im wahrsten Sinne des Wortes das Recht darauf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Inklusion geht uns alle an. Sie ist ein Menschenrecht und sollte längst selbstverständlich sein. Von der Politik wird viel erwartet, und das ist gut und richtig so. Es ist unsere Aufgabe, auf die gesellschaftlichen Entwicklungen zu reagieren, Lösungen zu finden und diese auch umzusetzen.

Nicht immer ist das Erfordernis gegeben, völlig neue Normierungen zu schaffen. Es ist ebenso konsequent, bereits bestehende gesetzliche Regelungen auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls nachzusteuern; das haben wir getan.

Im Wesentlichen zielt die Novellierung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes auf Folgendes ab: die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und somit mehr Klarstellung und Wirksamkeit sowie das Schließen von Regelungslücken, die Fortentwicklung bei der Herstellung von Barrierefreiheit und das Schließen bestehender Lücken in der Kommunikation mit der öffentlichen Verwaltung.

Zu einem Gesetzesvorhaben gehört es aber auch, Beteiligte - sprich: Expertinnen und Experten - in eigener Sache zu Wort kommen zu lassen. Sie sind es, die auf Bedarfe und Situationen aufmerksam

(Minister Dr. Heiner Garg)

machen, die wir möglicherweise noch nicht berücksichtigt haben. Oder sie geben Denkanstöße, um Gesetzentwürfe noch besser und praxisnäher zu machen. Wir haben sowohl eine schriftliche als auch eine mündliche Anhörung zu beiden Gesetzentwürfen durchgeführt. Herzlichen Dank an alle Beteiligten für ihre Stellungnahmen!

(Vereinzelter Beifall CDU, FDP und Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Wir haben alle Anregungen und Einwände umfassend ausgewertet, abgewogen und daraus im Sozialausschuss in der vergangenen Woche einen Änderungsantrag vorgelegt. Dieser wurde einstimmig angenommen; vielen Dank dafür.

Kurzum, basierend auf den Anhörungen haben wir folgende Änderungsvorschläge übernommen beziehungsweise eingebracht: erstens eine frühzeitige Beteiligung in geeigneter Form bei der Wahl der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, zweitens die Ergänzung des Landesbeirats um die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten der Werkstätten, drittens eine Ergänzung im Benachteiligungsverbot. Das alles sind weitere Elemente, die die Rechte von Menschen mit Behinderung weiter stärken, den Gleichbehandlungsgrundsatz forcieren und folglich einen wichtigen Beitrag zur Inklusion leisten werden.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Bereits seit 13 Jahren ist das Selbstbestimmungsstärkungsgesetz in Kraft. Es hat sich bewährt. Welche Aufschlüsse aber gibt uns ein Blick in die Praxis? Zum einen zeigen sich diverse Klarstellungsbedarfe im Detail auf. Zum anderen ist festzustellen, dass neue und innovative Wohnpflegeformen für Menschen mit Pflegebedarf nicht mehr in die bestehende Systematik des Gesetzes passen. Darüber hinaus sind Regelungslücken entstanden; auch diese galt es zu schließen. Das, was die Menschen sich wünschen, aber auch zu Recht einfordern - dass sie mit ihren Bedürfnissen und Wünschen ernst genommen werden -, werden wir weiterhin fest im Blick behalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben das Landesbehindertengleichstellungsgesetz und das Selbstbestimmungsstärkungsgesetz an die neuesten Rahmenbedingungen und Lebensformen angepasst. Beide Gesetze stärken die Mitbestimmung von Menschen mit Behinderung. Ich bitte um Zustimmung zu beiden Gesetzentwürfen auf der Grundlage des angenommenen Änderungsantrags und der zusätzlich im Sozialausschuss verabschiedeten re

daktionellen Anpassungen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Wolfgang Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich im Wesentlichen auf das Landesbehindertengleichstellungsgesetz beziehen, sage Ihnen am Ende aber auch, wie wir uns zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz verhalten.

Gleichheit und Solidarität sind Grundwerte in unserem demokratischen Miteinander. Menschen, die Unterstützung und Hilfe benötigen, brauchen die aktive und wirksame Hilfe des Staates, eine verlässliche und von Verantwortung getragene Unterstützung des Staates.

Ein Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung muss Folgendes beachten beziehungsweise folgenden Überschriften gerecht werden: erstens Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, zweitens Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung, drittens Stärkung der digitalen Teilhabe von Menschen mit Behinderung, viertens Förderung von Arbeit für Menschen mit Behinderung. Vor allem muss ein Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben führen können.