- Herr Kollege Vogt, ich bin mir sehr sicher, dass Sie beide in diese Richtung argumentiert haben. Da ich in dem Fall hierarchisch gestrickt bin, habe ich mir erst den Fraktionsvorsitzenden vorgeknöpft. Herr von der Heide und sein Fraktionsvorsitzender haben etwas Ähnliches geäußert.
Stopp, bevor wir das Thema verlieren: Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine Anmerkung des Kollegen von der Heide?
Ich wollte nur klarstellen, damit das nicht in falsche Zusammenhänge kommt: Das, was ich gesagt habe und was - so glaube ich - Herr Vogt auch unterstützt hat, war, dass wir eine Oberstufenreform an den allgemeinbildenden Schulen durchgeführt haben. Ich habe gesagt: In diesem Kontext kann man sich die Berufsbildenden Gymnasien angucken und überlegen, ob dort auch Anpassungsbedarf besteht. Was Sie daraus machen und da rein interpretieren, das mag dem Wahlkampf geschuldet sein. Aber mehr ist dort als Aussage nicht getroffen worden.
- Herr von der Heide, ich habe eher den Eindruck, dass das, was Sie sagen, Ihrer jeweiligen Zielgruppe geschuldet ist. Beim Philologenverband sind Sie jedenfalls gut damit angekommen, den Eindruck zu vermitteln, dass an Gemeinschaftsschulen und Beruflichen Gymnasien das Abitur leichter zu erlangen sei als an „richtigen“ Gymnasien.
Ich hatte eigentlich gehofft, dass die Einsicht unter den demokratischen Parteien, dass das genau so nicht ist, inzwischen Gemeingut geworden ist.
Der laufende Wahlkampf beweist erneut: Bei FDP und CDU herrscht teilweise doch noch das Prinzip Aschenputtel vor: die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpchen. Meine Damen und Herren, das darf 2022 nicht mehr sein. Deswegen ist es uns wichtig, uns zu vergewissern, ob wir am Ende dieser Legislaturperiode zu einer gemeinsamen Haltung in dieser entscheidenden Frage kommen
oder ob wir zu einem Rollback hin zu sozialer Sortierung und Abschottung in unserem Bildungswesen kommen. Meine Damen und Herren, in dem Sinne freuen wir uns natürlich sehr, wenn Sie heute sagen: Sie stimmen unserem Antrag zu.
Anstatt mit dem rhetorischen Keil die Schularten in Schleswig-Holstein zu spalten, lassen Sie uns doch darüber nachdenken, wie wir diese ollen Kamellen von angeblich unterschiedlich wertvollen Abschlüssen endlich loswerden, beispielsweise durch schulartübergreifende anonyme Zweitkorrekturen. Das ist ein Vorschlag, den ich beim Philologenverband auch schon gemacht habe.
Nun zu den PerspektivSchulen: Die Mutter aller PerspektivSchulen in Deutschland war ohne Zweifel die Rütli-Schule, eine damalige Hauptschule in Berlin-Neukölln. Keine deutsche Schule hatte jemals so viel mediale Aufmerksamkeit, und über keine Schule ist so viel Unsinn geschrieben worden wie über die Rütli-Schule. Heute ist diese Schule völlig aus den Schlagzeilen verschwunden. Das war möglich, indem sich alle Beteiligten darangemacht haben, diese Schule weiterzuentwickeln - nicht nur durch die Neukonstituierung von der Hauptschule zur Gemeinschaftsschule, sondern auch durch Investitionen in die Ausstattung und neue pädagogische Konzepte. Man lamentierte nicht länger darüber, dass 80 % der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund hatten, nach der Neustrukturierung waren es übrigens 90 %, sondern man setzte an den sozialen Wurzeln der Probleme an.
Wenn wir über PerspektivSchulen reden, dann meinen wir damit nicht, dass nur sie sich weiterentwickeln müssen, während die übrigen das nicht nötig haben. Jede einzelne Schule muss sich ständig weiterentwickeln, sonst wird sie scheitern.
Aber es gibt Schulen, deren Schülerinnen und Schüler es schwerer haben als andere, Schulen, die in besonderem Maß Aufgaben wahrzunehmen haben, die im Idealfall sonst wahrscheinlich von den Familien erledigt werden würden. Meine Damen und Herren, ich bewundere Sie für Ihre rhetorische Findigkeit: Eines der ersten „westdeutschen Flächenländer“, die sich auf den Weg gemacht haben. Herzlichen Glückwünsch! Hamburg hat sich als unser Nachbarstaat frühzeitig auf den Weg gemacht. Das war ein gutes Beispiel, und ich finde es nahliegend, dass man sich gute Beispiele bei den Nachbarn anguckt und diese übernimmt. Deswegen war es wahrscheinlich auch kein Zufall, dass nahezu alle demokratischen Parteien zur Landtagswahl 2017 genau so ein Programm unter unterschiedlichen Namen in ihrem Wahlprogramm hatten.
Ich freue mich in der Tat, dass dies in dieser Legislaturperiode angegangen wurde und dass die Schulen, die es schwerer haben als andere, von uns besser ausgestattet werden.
Bei der Finanzplanung müssen eine Verlängerung und eine Aufstockung des Programms ab der Mitte der nächsten Legislaturperiode zwingend eingeplant werden. Die derzeitige Fördersumme von 50 Millionen € bis 2024 und die Modalitäten der Beantragung, der Auszahlung und der Umsetzung müssen evaluiert und angepasst werden. Das Stichworte sind hier unter anderem: Kinder und Jugendliche aus der Ukraine. Der Fachkräftemangel, der die Lehrkräfte ebenso betrifft wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den multiprofessionellen Teams, wird sich in den nächsten Jahren bis 2024 nicht auflösen.
Das sage ich, ohne dass Ergebnisse aus Ihrem Lehrkräftebedarfsanalysetool vorliegen. Dieses Tool ist eine dolle Sache. Das wurde uns seit fünf Jahren als der große Heilsbringer im Bereich Fachkräfteversorgung verkauft. Zum Ende der Legislaturperiode habe ich mir erlaubt, in einer Kleinen Anfrage zu fragen, was die Ergebnisse dieses Tools seien. Siehe da, die Antwort lautete: „Momentan gibt es keine Ergebnisse. Wir arbeiten noch daran, das Tool mit den richtigen Daten zu füttern.“ Das ist so ähnlich wie die Antwort „42“. Da muss man sich die Frage dazu neu ausdenken.
Auch auf diesen Fachkräftemangel muss die Bildungsverwaltung Antworten finden. Dieses Thema wird uns in der 20. Legislaturperiode ständig begleiten, nunmehr mit der Lehrkräfteallianz in einem neuen Gremium. - Frau Prien, das letzte zuständige Gremium fanden Sie nicht so wichtig, als dass Sie es mit einer Teilnahme beehrt hätten. Insofern ist die Hoffnung umso größer, dass das neue Gremium, das nun zuständig ist, Unterstützung von allen Seiten findet und in der Tat Lösungsansätze liefert.
Aus meiner Sicht muss man sich die Fragen angucken, wer eigentlich ein Lehramtsstudium aufnimmt, wie das Studium gestaltet wird, wer gegebenenfalls im Laufe der Jahre herausgeprüft wird und wer nicht sowie welche Arbeitsbedingungen wir den Lehrkräften an unseren Schulen zumuten. Da gibt es eine Menge zu tun. - Für heute danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Förderung von Schulen in herausfordernden Lagen mit einem Bildungsbonus war eine goldrichtige Entscheidung. PerspektivSchulen, wie sie heißen, freuen sich sehr über die Unterstützung. Die Mittel erleichtern ihre Arbeit enorm.
Ich bin sehr froh, dass wir bei der Finanzierung von unseren ursprünglichen Koalitionsvereinbarungen abgewichen sind. Ich habe noch einmal in meinen Unterlagen geblättert. Wir haben den Start des Programms um ein Jahr vorgezogen, und zwar auf 2019, und wir haben dafür mehr als 50 Millionen € anstatt, wie ursprünglich geplant, 30 Millionen € bis 2024 in den Haushalt eingestellt.
Ohne uns Grüne hätte es das nicht gegeben. Vielen Dank dafür noch einmal an unsere Finanzministerin Monika Heinold und natürlich auch an unsere Koalitionspartnerinnen und Koalitionspartner.
In der kommenden Wahlperiode müssen wir das Programm ausbauen und verfeinern. Wir brauchen einen echten Sozialindex, der die sozioökonomische Zusammensetzung der Schülerinnen- und Schülerschaft beschreibt, um den Schulen die notwendigen Mittel passgenau zuzuweisen. Wir brauchen auch mehr Geld.
Bildungsgerechtigkeit ist noch lange nicht erreicht. Aber sie ist enorm wichtig für jeden Einzelnen und auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Niemand darf verloren gehen. Jeder und jede muss die Chance auf einen erfolgreichen Bildungsweg erhalten.
Gut ist, den PerspektivSchulen Freiheit bei der Verwendung der Mittel zu geben. Das könnten wir auch auf andere Schulen übertragen. Einige Schulen haben mit den Mitteln die Stundenverpflichtung für Lehrkräfte reduziert, um mehr Systemzeit zu haben, wie sie es nennen, also mehr Zeit für Gespräche und Beratung der Schülerinnen und Schüler. Andere haben mehr Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter eingestellt. Wieder andere haben die Mittel für die Anschaffung von attraktivem Unterrichtsmaterial oder Ausstattung genutzt oder haben die Maßnahmen kombiniert.
Der Fachtag der PerspektivSchulen vor einiger Zeit hat gezeigt, wie notwendig diese Unterstützung ist und wie gut sich die Schulen entwickeln.
Wichtig ist dabei die professionelle Begleitung der Schulleitungen. Die Schulleitungen haben einen enormen Einfluss auf das Gelingen von Schule. Das sehen wir Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker an allen Schulen, die wir besuchen. Deshalb ist es so wichtig, sie zu stärken.
In der nächsten Wahlperiode wird es wichtig sein, weiter daran zu arbeiten, wie wir gute Führungskräfte an Schulen gewinnen. Schulen und Schulaufsicht müssen verstärkt Personalentwicklung betreiben und geeignete Lehrkräfte ermuntern, in Vorbereitungskurse für Führungskräfte zu gehen. Schulleitungen müssen verstärkt in Teamarbeit geschult und insgesamt entlastet werden. Wir machen dazu in unserem Wahlprogramm den Vorschlag, zusätzlich Verwaltungskräfte einzustellen. Ich bekomme dazu viele positive Rückmeldungen.
Aber auch die Lehrkräfte müssen weiter unterstützt werden, im Team zu arbeiten. Von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die Stadtstaaten beim Bildungsbonusprogramm begleiten, haben wir gehört, dass Teamarbeit das A und O sei. Diese müssen wir auch in der Ausbildung der Lehrkräfte viel stärker fördern. Nicht nur PerpektivSchulen profitieren davon. Auch in der Inklusion würde die Teamarbeit die Zusammenarbeit erleichtern.
Bei eurem Antrag zur Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen mussten wir schon grübeln, liebe SPD und lieber SSW, was ihr damit bezweckt. Er beschreibt die aktuelle Rechtslage und stellt Selbstverständlichkeiten dar. Natürlich sind die Abschlüsse an allen Schulen gleichwertig, auch wenn die Schulen unterschiedliche Schwerpunkte setzen.
Dann dämmerte es mir, dass es ein Tobias-Antrag ist, und zwar ein Tobias-Koch-Antrag und ein Tobias-von-der-Heide-Antrag. Bei deiner Äußerung, lieber Tobias - er ist leider nicht da -, beim Parlamentarischen Abend des Handwerks bin ich fast vom Stuhl gefallen. Deine Aussage, dass Gemeinschaftsschulen auf die Ausbildung und Gymnasien auf das Studium vorbereiten, gehört wirklich in die Mottenkiste der Bildungspolitik.
Ich hoffe, dass das nur ein Ausrutscher eines NichtFachpolitikers war. Wenn Tobias Koch aber diese Agenda der CDU in der Bildungspolitik vertritt und wenn wir Grüne nicht dabei wären,
dann sollten die Wählerinnen und Wähler, die gleiche Bildungschancen an allen Schulen, natürlich auch an Gemeinschaftsschulen, wollen, sich sehr genau überlegen, wo sie ihr Kreuz machen.
Corona und auch der Ukrainekrieg sind Belastungen für viele Kinder und Jugendliche. Das haben wir immer wieder auch hier im Landtag von Fachleuten gehört. Auch die 2015 und später Geflüchteten tragen noch ihre sehr belastenden Fluchterfahrungen mit sich herum und brauchen psychologische Unterstützung. Deshalb bin ich froh, dass wir heute den Antrag zu einem Sofortprogramm zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei psychosozialen Krisen beschließen. Dass wir dies mit allen demokratischen Fraktionen gemeinsam machen, ist ein Signal, wie wichtig uns allen dieses Thema ist. Es wird also auch nach der Wahl, egal in welcher Regierungskonstellation, auf der Agenda bleiben.
Wir stellen 10 Millionen € zur Verfügung, erst einmal befristet für zwei Jahre, weil es aus den Corona-Notkrediten finanziert wird. Ich bin überzeugt, dass wir auch danach noch den Bedarf haben werden und der neue Landtag eine Anschlussfinanzierung finden wird.