Protocol of the Session on April 28, 2022

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- Lieber Lars Harms, noch einmal: Wir haben Einigkeit darin, dass wir mehr Tarifbindung wollen. Tariftreue- und Vergabegesetze allerdings schaffen die Tarifbindung nachweisbar nicht.

- Das ist auch nicht deren Aufgabe.

- Was ist dann die Aufgabe eines Tariftreue- und Vergabegesetzes?

- Die Absicherung des sozialen Standards der Beschäftigten. Es geht hier um die Beschäftigten und um nichts anderes!

(Beifall SSW und SPD)

- Lieber Lars Harms, dann müssten Sie an dieser Stelle sagen können, dass sich die Bedingungen für die Beschäftigten in den Ländern, die kein Tariftreuegesetz haben, verschlechtert haben. Das Gegenteil ist der Fall. Der Beweis ist die BruttolohnEntwicklung, die wir in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren hingelegt haben. Wir hatten in den letzten vier Jahren kein Tariftreuegesetz, und die Bruttolohn-Entwicklung liegt über dem Bundesdurchschnitt. Hören Sie auf, das Gegenteil zu behaupten!

Was das Tariftreue- und Vergabegesetz hingegen schafft, ist ein überbordender Bürokratismus für mittelständische Unternehmen. Das hat das Gesetz geschafft.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Deshalb haben es alle Beteiligten abgelehnt, daran weiter etwas zu machen.

Wir werden nicht zulassen, dass man die kleinteilige mittelständische Wirtschaft belastet. 98 % unserer Unternehmen im Land haben weniger als zehn Mitarbeiter. Die gehören nach den Plakaten der SPD alle eher zu den Bösen, weil sie tarifvertraglich nicht gebunden sind. Oh Gott, 98 % unserer Unternehmen!

Wir werden die in der nächsten Legislaturperiode nicht mit überbordendem Bürokratismus alleinlas

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

sen. Das wird nicht stattfinden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten überschritten. Diese Zeit steht auch allen Fraktionen zur Verfügung. - Wir kommen jetzt zu den Kurzbeiträgen. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Lieber Herr Wirtschaftsminister! Profitipp: Wenn Sie aus Unterlagen Zahlen herausnehmen, um mit einer Korrelation eine Kausalität zu begründen, dann sollten Sie das so machen, dass man das Logo nicht sieht. Mir fiel das relativ einfach: WSI, Tarifverträge und Tarifflucht in Bremen. Das ist übrigens ein Institut der Hans-Böckler-Stiftung; sehr schön, dass Sie das lesen, Herr Minister. Sie sollten das aber wirklich lesen und nicht einfach nur Tabellenwerte herausgreifen. Um die Situation zu ändern, wird in Kapitel 5.3 als Fazit die Stärkung der Tariftreue bei Vergaben der öffentlichen Hand empfohlen.

Ich mag es nicht, wenn man wissenschaftliche Arbeiten so zitiert. Sie können ja sagen, dass Sie nicht der Auffassung derjenigen sind, die die wissenschaftliche Arbeit gemacht haben.

Ich kann Ihnen das jetzt nicht alles vorlesen, das sind 71 Seiten, ich könnte nur ein Best-of heraussuchen. Gucken Sie sich Kapitel 5.3 einmal an! Da wird mitnichten eine Kritik begründet. Ich kann die Lektüre nur allen empfehlen. Tarifverträge und Tarifflucht in Bremen, dafür gibt es multivariante Ursachen. Und Sie picken sich zwei simple Zahlen heraus, die gerade in Ihr Bild passen. Das ist unwissenschaftlich, aber sehr politisch und wahlkämpferisch.

Zur Sache hat Lars Harms alles gesagt, das brauche ich nicht zu wiederholen.

Wir haben da einfach Unterschiede. Aus unseren Erfahrungen als gewerkschaftsnahe Partei glauben wir nicht, dass Arbeitgeber von sich aus ankommen und sagen: Lasst uns einmal einen Betriebsrat gründen. Sie können mit einem Unternehmen, das sich bei mir in der Rendsburger Region ein zweites Mal ansiedelt, gern Gespräche dazu führen; das wäre einmal ein interessanter Top-down-Ansatz.

Ich gehe davon aus, dass Sie mit Arbeitgebern ganz andere Erfahrungen gemacht haben als wir. Ich ken

ne x Betriebe, die keinen Betriebsrat haben, und das liegt nicht an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Nicht umsonst haben wir im gemeinsamen Koalitionsvertrag der Ampel eine entsprechende Klausel aufgenommen, dass wir uns stärker damit beschäftigen wollen, wie wir vermeiden können, dass Betriebsräte durch juristische Modelle verhindert werden, und da zu Nachschärfungen kommen können.

Das ist genau der richtige Weg.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Vogt?

Aber gerne doch.

Vielen Dank, Herr Kollege Dolgner. - Das war wirklich der längste Satz der Welt. Es ist erstaunlich, mit einem Semikolon kann man es verlängern.

- Lob nehme ich von Ihnen jederzeit gern entgegen!

- Ich bin froh, dass Sie Luft holen. Ich wollte nur eine Zwischenfrage zum Thema wissenschaftliches Arbeiten stellen. Das Tariftreueund Vergabegesetz, das ja damals mit Ihrer Stimme in Kraft gesetzt wurde, beinhaltete ja, dass man eine Evaluation macht. Die hat die alte Landesregierung noch in Auftrag gegeben. Kennen Sie diese Evaluation und die Ergebnisse dieser Evaluation zum Tariftreueund Vergabegesetz?

- Und sind Sie trotzdem der Meinung, dass das Gesetz ein gutes war? Denn die Ergebnisse der Evaluation zum eigenen Gesetz waren ja vernichtend.

(Vereinzelte Heiterkeit)

- Warum?

- Weil ich immer noch der Überzeugung bin, dass wir, wenn wir öffentliche Gelder verwenden, eine entsprechende Tarifbindung brauchen, und zwar einmal, um den Lebensstandard zu sichern.

(Zurufe)

- Ich antworte jetzt. Er hat die Fragen gestellt und hatte ja genug Zeit dafür.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Zum anderen halte ich es auch für selbstverständlich. In meiner Eigenschaft als Mitglied des Hauptausschusses des Kreises Rendsburg-Eckernförde war es auch selbstverständlich. Als dann herausgekommen ist, wen wir an Sekundärdienstleistern hatten, haben wir eben entsprechend gesagt: Dann muss eben die entsprechende Kultureinrichtung mehr Geld von uns bekommen, weil es so einfach nicht geht.

Wir können uns über Details unterhalten. Das ist immer so bei einer Evaluation. Aber Sie haben ja eine Generalfrage gestellt. Ja, das Gesetz fand ich nach wie vor richtig. Ob es in der Ausprägung - es hatte ja einen gewissen Versuchscharakter - richtig ist, ob wir wirklich jedes Kriterium brauchen, darüber muss man im Detail in einem neuen Gesetzgebungsverfahren verhandeln.

(Zuruf FDP)

Aber: netter Rettungsversuch! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil der Herr Wirtschaftsminister so getan hat, als wolle er eine Fachrede halten.

(Zuruf FDP: Sie auch!)

Ich habe versucht, die Fachlichkeit zu finden. Lesen Sie noch einmal ein bisschen weiter: Von der HansBöckler-Stiftung können Sie ganz, ganz viel lernen. Es ist ein ganz positiver Ansatz. Bildung ist so wichtig, wir hatten ja auch sozialdemokratische Bildungsvereine gegründet. Da wären Sie herzlich willkommen. Auch die Hans-Böckler-Stiftung freut sich bestimmt über einen Impulsvortrag von Ihnen zum Thema Tarifbindung und entsprechendes Vergaberecht.

(Beifall SPD und SSW - Serpil Midyatli [SPD]: Es ist blöd, wenn man erwischt wird! - Weitere Zurufe)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/3805. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die SPD-Fraktion und der SSW. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und alle anderen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Heiterkeit - Zuruf: Es geht doch nichts über ein neutrales Präsidium!)

- Dagegen gestimmt haben auch die FDP, die CDU, der Zusammenschluss der AfD und die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/3811, und über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/3832. Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/3811, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die SPD-Fraktion und die Abgeordneten des SSW. Wer stimmt dagegen? - Das sind alle anderen. Damit ist der Antrag abgelehnt.