Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch nun zum Tagesordnungspunkt der heutigen Landtagssitzung. Liebe Frau Heinold und damit stellvertretend auch für die Regierung, Sie als Finanzministerin haben uns für die Jamaika-Koalition in der heutigen Tagung einen Haushalt vorgelegt, für den wir sehr dankbar sind. Wir danken dem gesamten Kabinett und dem Herrn Ministerpräsidenten dafür und vor allem - das ist wohl das Entscheidendste - den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien und insbesondere im Finanzministerium. Vielen Dank für die Zuarbeit zu diesem Haushalt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ein Begriff, der in diesen Tagen oft fällt, wenn es um die finanzielle Lage des Landes Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik geht, das ist der Begriff „sprudelnde Kassen“. Das habe ich auch in der einen oder anderen Pressemitteilung gelesen. Vor dem geschlossenen Auge erscheint ein Brunnen, aus dem die Euros direkt in die Staatskassen fließen. - Ich sehe schon, bei Lars Harms kommt ein gewisses Strahlen über das Gesicht. Und diese sprudelnden Einnahmen rechtfertigen es nun, alles zu fordern und jede Forderung aufzugreifen, die aktuell auf dem Tisch liegt. Alles ist möglich, alles ist finanzierbar, wenn die Politik nur will. Doch stimmt das wirklich?

Ja, das Bruttoinlandsprodukt steigt im Moment stärker als erwartet. Die Steuereinnahmen für 2017 liegen nach der letzten Steuerschätzung knapp 300 Millionen € höher als veranschlagt. Für das Jahr 2018 werden sie jetzt um 185 Millionen € höher geschätzt als noch im Mai. 300 Millionen € mehr; was bedeutet das?

Stellen Sie sich vor, Sie zahlen Ihrem Enkelkind 120 € Taschengeld im Jahr. Jetzt ist Ihre wirtschaftliche Lage gerade so fabelhaft, dass Sie dem Kind das Taschengeld einmalig um 3 € erhöhen. Allerdings: Das Kind hat bei Ihnen noch 270 € Schulden, die es zurückzuzahlen hat. Das ist mehr als doppelt so viel, wie es überhaupt bekommt und pro Jahr vermutlich auch ausgeben wird.

Die momentanen Steuereinnahmen von SchleswigHolstein sind gut, aber doch eher relativ gut angesichts von rund 27 Milliarden € Schulden, die Schleswig-Holstein in den letzten 30 Jahren angehäuft hat. 2017 ist ein sehr gutes Haushaltsjahr, und wir werden 185 Millionen € tilgen können. Wenn wir das jetzt jedes Jahr durchhalten sollten, brauchen wir tatsächlich nur noch schlappe 146 Jahre,

um schuldenfrei zu werden; das wäre dann im Jahr 2163 der Fall.

Doch halt! Ganz so glänzend ist die Situation vielleicht doch nicht. Denn nächstes Jahr bekommt das Land die Schlussrechnung für die HSH-Nordbank. Wenn nicht etwas sehr Unvorhergesehenes passiert, können wir dafür wieder ein paar Jahrzehnte draufrechnen, in denen wir unsere Schulden abbauen müssen.

Lieschen Müller würde sich jetzt fragen - vielleicht auch der eine oder andere bei uns -: 100 Jahre, 200 Jahre, das ist ja eh alles so weit weg. Wieso macht das für mich überhaupt einen Unterschied? Dies wirkt in der Tat einigermaßen absurd. Wenn man es eh nicht schaffe, kann man es doch auch sein lassen.

Doch etwas Entscheidendes habe ich dabei bisher nicht erwähnt; das sind die Zinsen. 2017 musste Schleswig-Holstein grob 500 Millionen € an Zinsen für seine Schulden zahlen. Das ist wirklich richtig viel Geld, wenn man überlegt, was man damit tun könnte für Bildung, für Infrastruktur und natürlich auch für gute Arbeit und soziale Infrastruktur.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Und das ist sehr viel Geld trotz einer im Moment historisch niedrigen Niedrigzinsphase. Deren Ende wird irgendwann kommen, und dies müssen wir vernünftigerweise einplanen.

Zum Vergleich, was das für einen Unterschied macht: 2016 hatten wir noch 600 Millionen € an Zinszahlungen, 2014 schon 780 Millionen € und 2010 sogar 970 Millionen €. Sie sehen: Das Zinsniveau macht einen klaren Unterschied. Das wird sich dann ganz konkret zum Beispiel in Lehrerinnenund Lehrerstellen auswirken.

Ihr Enkelkind zahlt Ihnen also, je nachdem, wie Sie das gerade festlegen, auch noch zwischen 5 und 10 € Zinsen im Jahr zurück, wenn es seine Schulden nicht tilgen kann. Das ist pädagogisch absolut sinnvoll; denn es soll ja keine falschen Vorstellungen bekommen, wie unser kapitalistisches Geldsystem funktioniert. Aber weil das Kind schlau ist, wird es jetzt versuchen, möglichst viel zu tilgen, um die Zinslast zu senken.

Man kann dieses Beispiel als junge Mutter auch sehr gut auf Kinder übertragen. Ich bin ja, wie Sie wissen, bekennende Großmutter und betrachte das Thema natürlich mit einer Enkelkind-Brille vor Augen.

(Eka von Kalben)

Meine Damen und Herren, im Sinne der Generationengerechtigkeit lohnt es sich zu tilgen. Mit den Zinsen zahlen die heutige und vor allem die kommende Generation für Schulden, die binnen weniger Jahrzehnte angehäuft wurden. Wir wollen nicht beim ersten Zeichen von finanzieller Erholung jede Haushaltsdisziplin fahren lassen. Wir in Jamaika überlegen uns sehr genau, welche Maßnahmen es wert sind, dass von dieser Linie abgewichen wird, nämlich gezielte Investitionen, die unseren Kindern nutzen, denen wir diesen gewaltigen Schuldenberg hinterlassen.

Dazu gehört zuallererst, dass diese Koalition einen klaren Schwerpunkt auf den Bildungsbereich setzt. Es ist richtig und kommt zum richtigen Zeitpunkt, dass unsere Finanzministerin Monika Heinold jetzt den Stellenabbaupfad für die Lehrerinnen und Lehrer offiziell beendet hat. Hier werden wir 2018 395 neue Stellen schaffen, anstatt, wie bislang vorgesehen, 495 abzubauen. Die Stellen von 500 Lehrerinnen und Lehrern, die in Rente gehen, werden also nachbesetzt, und wir stellen dann noch circa 400 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich ein. Das ist nur der Anfang. Wir sehen durchaus, dass sogar noch mehr nötig wäre, wie es ja auch eindrücklich im Inklusionsbericht des Landesrechnungshofs dargelegt wird. Aber wir schaffen 70 Stellen mehr für Inklusion und 40 Stellen mehr für Grundschulen, 20 Stellen für die Integration an den beruflichen Schulen, 265 Stellen für den DaZ-Unterricht - also Deutsch als Zweitsprache - und 75 Stellen mehr für den Vorbereitungsdienst, um Fachkräfte im Land zu halten. Damit stärken wir die Schulen schon in diesem Entwurf um mehr als 45 Millionen € strukturell, das heißt jährlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mitnichten kommt dieses Geld nicht auch den Gemeinschaftsschulen zugute. Natürlich werden von diesen Stellenaufstockungen die Gemeinschaftsschulen erheblich profitieren. Wir haben - das möchte ich noch einmal erwähnen, auch wenn das noch nicht im Haushalt 2018, sondern erst im Haushalt 2019 eine Rolle spielt - ein Bildungspaket auf den Weg gebracht, um den Umstieg auf G 9 zu erleichtern. Da wir fest davon überzeugt sind, dass die Umstellung auf G 9 auch zu einer Veränderung bei den Gemeinschaftsschulen führen wird, haben wir gesagt, es ist richtig und gut, dass wir den Bildungsbonus, den wir sowieso eingeplant hatten, ein Jahr früher starten und aufstocken; denn wir sind der Meinung, dass auch alle anderen Schulen im Schulsystem ei

ne Möglichkeit erhalten sollten, ihr Profil zu schärfen.

Was ich überhaupt nicht will - ich habe das im Bildungsausschuss schon einmal gesagt -, ist, dass wir als diejenigen, die wirklich sozusagen an der Seite der Gemeinschaftsschulen stehen und diese Gemeinschaftsschulen stärken wollen, diese selber schlechtreden und sagen, wir müssen uns anketten, damit die nicht geschlossen werden oder so etwas. Ich glaube, wenn wir selbstbewusst und einheitlich hier im Land die Meinung vertreten, dass wir starke und gute Gemeinschaftsschulen mit eigenem Profil, mit Ganztagsangeboten, mit guter Inklusion brauchen und das stärken wollen, dann tun wir den Gemeinschaftsschulen einen großen Gefallen. Ich bitte sehr darum, dass wir in diesem Sinne auch dazu reden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Entscheidend, meine Damen und Herren, ist jetzt erst einmal, dass wir diese Stellen so schnell es geht auch besetzt bekommen, um die Unterrichtsversorgung entscheidend zu verbessern. Die tatsächliche Herausforderung auch in den kommenden Jahren ist nämlich der Fachkräftemangel. Auch deshalb ist es gut, dass wir rund 21 Millionen € mehr in die Hochschulen stecken als im vorherigen Haushalt, um unsere Hochschulstandorte nachhaltig zu stärken; denn dort wird letztendlich der Nachwuchs ausgebildet, den wir dann an den Schulen, in den Krankenhäusern und sonst im Land brauchen.

Ein weiteres großes Thema ist die Schulsanierung. So waren zum Beispiel die 10 Millionen € für Schultoiletten im Nachtragshaushalt 2017 sehr schnell verbaut, und nicht alle notwendigen Vorhaben konnten finanziert werden. Ich weiß, das Thema Schulklos wird gerne mal ein bisschen ins Lächerliche gezogen. Das ist jedoch existenziell wichtig. Es geht nicht an, dass Kinder einen Tag lang in der Schule sitzen und sich davor ekeln, da auf Klo zu gehen. Man muss ja immer aufpassen, welche Worte man wählt. Aber im Grunde ist es wirklich ein Misshandeln, wenn man nicht auf Klo gehen kann.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Deshalb ist es super, dass wir an der Stelle weitermachen.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- Weitermachen. - Wir haben reagiert. Mit der Änderung des IMPULS-Gesetzes wird ermöglicht, dass künftig die Finanzierung von Sanierungsmaß

(Eka von Kalben)

nahmen in Schulen der kommunalen Träger aus IMPULS erfolgen kann. Ich hoffe, dass der Haushaltsüberschuss 2017 so hoch ausfällt, dass diese und andere Investitionsmaßnahmen mit ausreichend Mitteln unterfüttert werden können.

Auch die Kommunen brauchen jetzt Unterstützung und Planungssicherheit. Das betrifft insbesondere den Bereich Kita. Die Stärkung der Kitas, die wir als ein Leitprojekt im Koalitionsvertrag angekündigt haben, beginnt mit dem Haushalt 2018. Für das kommende Jahr stecken wir zum Beispiel 5 Millionen € zusätzlich in die Qualität, auch zur Absicherung der zweiten Kraft am Nachmittag. In den kommenden Jahren werden die Mittel nach unserer Finanzplanung erheblich aufwachsen, und zwar bis zu einer Gesamtsumme von 456 Millionen € für die Bereiche Kitaqualität, Elternentlastung und Zuschüsse an die Kommunen.

Wenn wir uns Zeit dafür nehmen, ein Konzept zu entwickeln, um die Kitafinanzierung wirklich transparenter und gerechter zu machen, und wenn wir dann ein Konzept haben, durch das eine Entlastung auch wirklich bei den Eltern ankommt, dann ist das gut investierte Zeit. Ich glaube, dass wir uns diese auch nehmen müssen. Ich weiß, dass das den Kommunen zu wenig ist und dass es da höhere Erwartungen gibt. Dazu wird es im Januar Gespräche geben. Trotzdem können wir zumindest heute nicht mehr zusagen. Wir sehen Nöte bei den Kommunen, insbesondere im Kitabereich.

All das und mehr machen wir im Haushalt für die Bildung. Der Haushaltsentwurf 2018 ist ein guter Startschuss für die nächsten fünf Jahre.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für uns Grüne ist dieser Schwerpunkt vor allem auch eine Frage der Gerechtigkeit. Gute Bildung für alle ist die Grundlage für soziale Gerechtigkeit. Zusammen mit dem verantwortungsbewussten Schuldendienst mit hoher Tilgung ist die Bildungsoffensive ein zentraler Punkt dieser Koalition für mehr Generationengerechtigkeit.

Liebe SPD, Sie wiederum wollen von den Überschüssen oder von den strukturellen Mehreinnahmen - es wäre ja eine strukturelle Ausgabe - eine beträchtliche Summe in das Weihnachtsgeld für Beamtinnen und Beamte stecken. Es ist für mich gar keine Frage, dass unsere Beamtinnen und Beamten unheimlich viel für das Land leisten und dafür große Anerkennung, Wertschätzung und auch gerechte Besoldung verdient haben. Ich würde ihnen dieses Weihnachtsgeld auch von Herzen gön

nen. Aber ich muss ehrlich sagen, dass unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit oder der Generationengerechtigkeit dieser Punkt für uns zumindest nicht die erste Priorität hat, ähnlich wie die Straßenbaumittel für die Kommunen, die Sie ja auch fordern.

Wenn wir einmal ehrlich sind, dann sind unsere rund 50.000 Beamtinnen und Beamten im Land mit oder ohne Weihnachtsgeld in der Gesamtschau deutlich bessergestellt als unsere rund 70.000 Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie verdienen bei gleicher Einstufung erheblich mehr netto als ihre Pendants und haben damit auch zur Weihnachtszeit effektiv mehr Geld im Portemonnaie. Beamtinnen und Beamte haben außerdem noch eine bessere Altersversorgung und eine bessere Krankenversicherung. Ich darf so reden, weil ich selbst eine Beamtin bin und weiß, dass ich an der Stelle bessergestellt bin. Hier für mehr Angleichung zu sorgen, das wäre vielleicht einmal ein würdiges Projekt für die Sozialdemokratie, anstatt mit einer solchen Forderung die Ungleichheit zu ignorieren und zu verfestigen.

Man kann ja noch nicht einmal sagen, dass Beamtinnen und Beamte bislang gar nichts extra zu Weihnachten bekämen. Ich finde, unsere Regelung mit der pauschalen Sonderzahlung von 660 € bis A 10, also gerade für diejenigen, die eine Zusatzzahlung besonders nötig haben, sowie mit der Zahlung von 400 € pro Kind in allen Besoldungsstufen schafft Gerechtigkeit. Insofern verstehe ich nicht, dass das oben auf Ihrer Prioritätenliste ist. Von den circa 1,4 Millionen Erwerbstätigen, die in Schleswig-Holstein leben und die Sie nach Ihrer Ansicht besonders vertreten, bekommt überhaupt nur etwa die Hälfte irgendeine Form von Weihnachtsgeld.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ja, es wäre gut, unsere Bediensteten für ihre Arbeit so gut wie möglich zu entlohnen. Aber es steht halt immer auch in Konkurrenz zu anderen Ausgaben, zum Beispiel in der Bildung. Jedenfalls ist das so, wenn man davon ausgeht, dass die Möglichkeit, Geld auszugeben, begrenzt ist. Dann muss man sagen, was dafür wegfallen soll. Das erwarte ich in Form eines entsprechenden Finanzierungsvorschlags.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Wir sind gespannt, wo Sie zum Beispiel diese 140 Millionen € wegnehmen würden. Es muss schön

(Eka von Kalben)

sein, endlich ohne die verantwortungsvoll bremsende Finanzministerin Monika Heinold Haushaltspolitik machen zu können. Aber ich glaube, die Menschen in Jamaika können es auch so ertragen.

Wir dagegen bleiben lieber vorsichtig. Es ist besser, wir sprechen am Ende des Jahres über Tilgungen und Investitionen aus den Überschüssen, die wir hatten, als am Anfang des Jahres Einnahmen zu verplanen, die Mitte des Jahres vielleicht weg sind.

Doch zurück zu dem, was wir machen. Neben der Bildungsoffensive sieht der Haushaltsentwurf auch erhebliche Investitionen in den Bereichen Infrastruktur und Digitalisierung vor. Aus IMPULS stecken wir zurzeit 14,4 Millionen € mehr in die Sanierung von Landesstraßen, 3,6 Millionen € in die Errichtung von Ladestationen für Elektroautos, womit wir die Verkehrswende voranbringen, rund 9 Millionen € mehr in die Bereiche IT und Digitalisierung und vieles mehr.