Protocol of the Session on January 26, 2018

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Ich eröffne die heutige Tagung. Ich teile Ihnen mit, dass folgende Kolleginnen und Kollegen erkrankt sind: die Abgeordneten Werner Kalinka, Ines Strehlau, Jörg Nobis sowie Ministerin Monika Heinold und Minister Hans-Joachim Grote. - Wir wünschen allen gute Besserung!

(Beifall)

Beurlaubt sind die Abgeordneten Habersaat und Hamerich. Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind Ministerin Prien, Abgeordneter Dr. Stegner sowie Abgeordneter Hamerich nach § 47 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung beurlaubt.

Auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Theodor-Litt-Schule Neumünster. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Afrikanische Schweinepest

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/446

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht, wie ich sehe. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer das möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile das Wort für die Landesregierung dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Dr. Robert Habeck.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Danke, dass ich auf Antrag der Fraktionen zu diesem Thema kurz einführend berichten darf.

Die Afrikanische Schweinepest ist eine Tierseuche mit einer hohen Ansteckungsgefahr für die Schweine. Gott sei Dank geht sie nicht auf Menschen über. Es ist wichtig, das zu betonen, weil wir bei aller Ernsthaftigkeit der Diskussion eine panische Be

richterstattung oder eine panische Stimmung in der Gesellschaft verhindern müssen. Die Afrikanische Schweinepest ist für Menschen nicht gefährlich. Gleichwohl ist sie für die Tiere ansteckend und hochgefährlich. Die Tiere verenden in relativ kurzer Zeit relativ elend.

Für die Seuche gibt es keinen Impfstoff. Anders als bei der Europäischen Schweinepest können die Tiere nicht geimpft werden. Es ist auch nicht absehbar, dass in den nächsten Jahren ein Impfstoff gefunden wird. Insofern müssen alle Vorsichtsmaßnahmen darauf gerichtet sein, dass sich die Seuche nicht weiter ausbreitet und nicht nach Deutschland oder Schleswig-Holstein kommt.

Die Seuche tauchte erstmals 2014 in der Europäischen Union auf, im Baltikum. In den letzten drei Jahren hat sie sich bis ins östliche Polen und nach Tschechien verbreitet. Die letzten Ausbrüche waren in der Nähe von Warschau. Jetzt waren Seuchenausbrüche im Kaliningrader Raum zu verzeichnen.

Man sieht, dass die Seuche in Sprüngen verläuft. Es kann sein, dass Monitoring-Maßnahmen zwischendurch nicht so richtig greifen; das will ich nicht ausschließen. Aber da wir aus den betroffenen Ländern ganz gut wissen, wie sich die Seuche in der Wildschweinpopulation verbreitet, gehe ich davon aus, dass die Infektion mit dem Virus über menschliche Wege erfolgt. Dann geht die Seuche in die Wildschweinpopulation über. Wenn wir über den Modus der Prävention reden, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Sprünge, die Hauptübertragungswege durch menschliche Verkehre erzeugt werden.

Das ist eine sowohl schlechte wie gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass Sprünge denkbar sind. Es ist überhaupt nicht auszuschließen, dass an einem Tag X die Seuche 500 km entfernt an einem ganz anderen Ort ausbricht. Die gute Nachricht ist, dass wir das theoretisch selber verhindern können, wenn wir Vorsichtsmaßnahmen walten lassen. Die Vorsichtsmaßnahmen müssen sich konzentrieren auf die Handelswege der Wirtschaft und der schweinetransportierenden Industrie. Die Lkws sind zu reinigen, und das Fachpersonal ist zu schulen und darüber zu informieren, dass sie nicht in Gebiete fahren sollten, die von der Schweinepest betroffen sind.

Das gilt übrigens auch für Futtermitteltransporte. Wir wissen beispielsweise, dass aus Regionen, die von der Schweinepest betroffen sind, Maissilage nach Schleswig-Holstein transportiert wird. Das kann man nicht verhindern, da die Warenströme in

der EU erst einmal frei sind - bis es betroffene Regionen und Sperrbezirke gibt. Wir sollten aber appellieren und darauf hinweisen, dass das ein Spiel mit dem Feuer ist. Es gehört sich nicht, so ein Vabanquespiel aufzuziehen. Ich glaube, dass die Wirtschaft bei uns ebenso wie die Wirtschaft in Dänemark eine Eigenverantwortung hat und sich nicht nur darauf verlassen kann, dass der Staat alles für sie regelt. Bei diesen Transporten ist äußerste Vorsicht geboten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Zweitens sind Transportwege über tierische Produkte denkbar. Das sind Jagdtrophäen, Wurst- oder Fleischprodukte, die nicht hitzebehandelt sind. Das Papier des Mettbrötchens wird irgendwann weggeworfen, dann liegt es an der Autobahn und das Wildschwein frisst es. Wenn das Fleisch infiziert war, haben wir - zack - die Seuche im Land.

Zur Verhinderung beider Übertragungswege sind viele Maßnahmen eingeleitet worden. Es gibt Informationskampagnen des Bundesverkehrsministeriums und des Landwirtschaftsministeriums, die sich beispielsweise an Lkw-Fahrer und Erntehelfer richten. Es gibt Hinweise des Jagdverbandes, Jagdreisen in diese Gebiete nicht mehr vorzunehmen. Vor allem gibt es jetzt endlich Bewegung auf Bundesebene, um die Lkws an der deutsch-polnischen und der deutsch-tschechischen Grenze zu reinigen. Bisher sah die Schweinepest-Verordnung vor, dass die Lkws jeweils in den Kreisen, in denen sie neu beladen werden, desinfiziert und gereinigt werden müssen. Man muss nicht besonders helle sein, um zu sehen, dass das keinen Sinn macht: Erst holt man sich das Virus ins Land, dann werden sie in Segeberg, Schleswig oder Flensburg gewaschen, und dann hat man die Chose. Jetzt hat Herr Schmidt verstanden, dass das keine sinnvolle Regelung ist. Die neue Verordnung liegt vor. Wir überprüfen sie, und dann wird sie zeitnah umgesetzt.

Drittens ist es richtig, dass die Wildschweinpopulation in Schleswig-Holstein viel zu hoch ist. Sie ist aus vielen Gründen zu dezimieren. Das sagen wir, das sage ich im Grunde bei jeder Vorstellung des Landesjagd- und Artenschutzberichts seit 2012. Jetzt sage ich das umso dringlicher; denn wenn sich die Seuche ausbreitet, dann ist sie bei einer größeren Population natürlich gefährlicher, weil sie sich dann schneller ausbreiten kann. Gleichwohl - das muss man ehrlicherweise sagen - greifen Forderungen wie die, die Wildschweinbestände innerhalb weniger Monate um 70 % zu reduzieren, ins Leere. Erstens wissen wir gar nicht, wie viele Wildschwei

ne wir in Schleswig-Holstein haben, und zweitens die Jäger unter Ihnen wissen es - sind die Viecher schlau und verstecken sich. Dann müsste man ehrlicherweise sagen, dass man auch den Maisanbau um die entsprechende Prozentzahl reduzieren müsste, weil sich die Tiere gern in Maisfeldern aufhalten.

Insofern ist es richtig, das zu tun, was man tun kann. Änderungen im Jagdrecht sind vorgesehen. Entsprechende Vorlagen werden in der nächsten Plenarsitzung eingebracht. Ausnahmen, die jetzt als nicht waidmännisch gelten, sollen möglich sein, beispielsweise das Bejagen mit künstlichen Lichtquellen. Wenn die Seuche näherkommt, sind auch Lockerungen bei den Schonzeiten denkbar. Wir werden auch die Bejagung in Naturschutzgebieten in bestimmten Kulissen - Lauenburg, Ostholstein erlauben, wo es sonst nicht möglich ist, an die Tiere heranzukommen. Wir werden im Jagdschadensrecht eine Regelung vorsehen, nach der die Erstattung für die Landwirte nur dann erfolgen kann, wenn Schneisen im Mais angelegt werden, sodass man zumindest eine größere Chance hat, die Tiere zu sehen und zu erwischen.

Das alles sind weitere präventive Maßnahmen. Der Hauptfokus muss aber darauf liegen, dass diese Maßnahmen nicht zum Tragen kommen müssen. Alles Weitere will ich nur kurz ansprechen, da ich nur noch wenig Redezeit habe: Wir werden in großem Umfang Zäune besorgen, sodass wir im Fall eines Seuchenausbruchs Gebiete eindämmen und einzäunen können. Das ist in Tschechien erfolgreich gewesen. Das sind allerdings sehr rigorose Maßnahmen. Solche Zäune gibt es nicht im Baumarkt. Deswegen schaffen wir sie an und legen sie auf Halde. Wir üben mit den Kreisen, was passiert, wenn die Seuche ausbricht. Wir werden Sammelstellen und Transportwege ermitteln, sodass Wildschweinkadaver, für die es keinen Markt mehr gibt, abtransportiert werden können.

Sie sehen, meine Damen und Herren, dass wir uns in allen Bereichen auf den Weg gemacht haben. Mit der Vorbereitung sind wir schon sehr weit. Die gesetzlichen und hygienischen Regelungen sind getroffen beziehungsweise auf dem Weg, getroffen zu werden. Die Haushaltsmittel sind bereitgestellt, die Krisengruppen sind eingerichtet und üben miteinander. Dennoch hoffe ich, dass das alles umsonst ist und wir die Zäune, die wir jetzt für viel Geld anschaffen, nie brauchen werden. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

(Minister Dr. Robert Habeck)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat der Herr Abgeordnete Hauke Göttsch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Afrikanische Schweinepest ist besonders für Landwirte und uns Jäger eine immense Bedrohung und Herausforderung. Ich kann aber sagen, dass alle das Problem erkannt haben und daran arbeiten. Unser Land Schleswig-Holstein ist vorbereitet. Herr Minister, herzlichen Dank für Ihren Bericht und Ihre Ausführungen dazu.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Daran erkennt man, dass Sie sich viel mit diesem Problem beschäftigt und daran gearbeitet haben.

Auf Bundesebene ist eine entsprechende Verordnung angekündigt, und in Schleswig-Holstein werden die erforderlichen Änderungen des Landesjagdgesetzes in einem Artikelgesetz zum Haushaltsbegleitgesetz verankert. Diesen Weg haben wir gewählt, um schnellstmöglich die erforderlichen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.

Was ist nun dringend erforderlich, und worauf gilt es das Augenmerk besonders zu richten? Die Schweinepest ist eine besondere Bedrohung für Bundesländer mit einer hohen Dichte schweinehaltender Betriebe. Dazu gehört neben Niedersachsen auch Schleswig-Holstein. Ein abgestimmtes gemeinsames Vorgehen und Handeln der Länder ist also unerlässlich. Viele Landwirte sind gleichzeitig auch Jäger. Dieser Berührungspunkt birgt ein großes Gefahrenpotenzial. Zwingend erforderlich ist eine strikte Stallhygiene mit penibler Trennung und Desinfektion der Freizeit- und Arbeitskleidung. Auch den Weg der direkten Ansteckung der Wildschweine über Fleischreste in Abfallbehältern oder auf Rastplätzen oder gar dem Kompost gilt es wirksam zu schließen.

Der Fokus aller Anstrengungen zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Seuche muss auf der Prävention liegen. Dafür ist es erforderlich, Aufklärung und Information nicht nur beizubehalten, sondern noch zu intensivieren. Dazu gehören auch Warnhinweise für Jagdreisen und das Mitbringen von Jagdtrophäen.

Gerade beim Thema Jäger ist es mir besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass die bisweilen geforderte Abschussrate von 70 % der Wildschweine nur als utopisch bezeichnet werden kann. Sowohl

wegen des Fehlens einer Bezugsgröße als auch wegen der 230-prozentigen Reproduktionsrate ist diese Vorgabe von Jägern, die dafür lediglich ihre Freizeit zur Verfügung haben, nicht leistbar. Die Jäger allein können es also nicht richten. Hier wurde eine falsche Erwartungshaltung geweckt.

Auch weise ich Forderungen, die unethisch sind, entschieden zurück. Dazu gehört der Abschuss führender Bachen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was das Verhungern des Nachwuchses zur Folge hätte. Der Schutz der Elterntiere ist nicht verhandelbar.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das ist nicht nur mit den Grundsätzen der Waidgerechtigkeit absolut nicht vereinbar, sondern das ist auch tierschutzwidrig und sogar ein Straftatbestand.

Möglich, ja sogar erforderlich werden können dagegen ein zumindest teilweises Aufheben der Schonzeit und das Schießen vorrangig weiblicher und junger Schweine. Was es aber nicht geben darf, ist das Überbordwerfen jeglicher Jagdethik.

(Beifall CDU und FDP)

Wo ist der Staat jetzt noch besonders gefordert? Bei Tiertransporten muss die Desinfektion an den Staatsgrenzen sichergestellt sein, vor allen Dingen auf den Autobahnen, aber auch in kleineren Straßen im Bereich der Grenzen sowie an Rast- und Parkplätzen dürfen nur noch geschlossene Abfallbehälter aufgestellt sein. Und schließlich: Gegen dieses sehr resistente Virus, das mehrere Monate überleben kann, muss mit Hochdruck ein Impfstoff entwickelt werden.

Diese Seuche wütet schon seit mehr als zehn Jahren in Osteuropa, und sie wird es wohl auch noch in den nächsten zehn Jahren geben. Wollen wir nicht in einer Dauerfurcht leben, muss die Entwicklung eines Impfstoffes ein vorrangiges Ziel sein.

Ein Aspekt noch zum Schluss: Panik und Hysterie sind noch nie hilfreich gewesen. Da zeugen Fake News wie am vergangenen Dienstagmorgen bei einem Brandenburger Radiosender von wenig Fingerspitzengefühl. Wenn jeder in seinem Verantwortungsbereich unaufgeregt und ordentlich seinen Job macht, dann werden wir auch diese Seuche gut überstehen. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Weidmannsheil!

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.