Auf der Bundesebene hat man versucht, den Perspektivwechsel von der Integration zur Inklusion gesetzlich nachzuvollziehen. Ich betone: Man hat es versucht! Es ist kein Geheimnis, dass die grüne Landtagsfraktion und die Grünen im Bundestag mit dem Bundesteilhabegesetz nicht wirklich zufrieden waren und es nach wie vor nicht sind.
Jetzt sind die Länder dran, und wir müssen die Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes im Landesrecht nachvollziehen. Das ist nicht nur eine anspruchsvolle Aufgabe; das ist auch eine Möglichkeit und eine Chance.
Mit dem 1. Teilhabestärkungsgesetz haben wir die Zuständigkeiten und die Trägerschaft der Eingliederungshilfe klar geregelt. Land und Kommunen gehen zusammen in die Verantwortung. Die Beteiligung von Menschen mit Behinderung spielt eine
Jetzt liegt das 2. Teilhabestärkungsgesetz des Landes auf dem Tisch. Darin geht es ans Eingemachte. Es geht um die Individualisierung der Leistungen, um verbesserte Mitwirkung der Betroffenen und die Trennung von Fachleistung und Grundleistung, um Wahlfreiheit und Flexibilisierung. All das wollen wir, all das ist gut für Menschen, die diese Unterstützung brauchen. Es ist eine logistische Herausforderung für die Leistungserbringer, und aus diesem Grund gibt es einen ausreichenden zeitlichen Horizont, um die Umsetzung auf den Weg zu bringen.
Die Teilhabegesetze - da müssen wir uns nichts vormachen - werden zu besseren Leistungen und damit zu höheren Ausgaben führen. Das finden wir richtig, und das ist gut so. Die Kommunen erhalten 2 Millionen € extra vom Land für zusätzliches Personal und Fortbildungsbedarf. Schon jetzt gibt es konstruktive Gespräche über einen möglichen Konnexitätsausgleich.
Das 1. und das 2. Teilhabestärkungsgesetz werden uns gemeinsam mit dem Landesrahmenvertrag auf dem Weg zu einer modernen, zielorientierten Eingliederungshilfe einen großen Schritt voranbringen. Das wird landesweit abgestimmte Verfahren und Standards befördern.
Für uns Grüne steht fest: Menschen mit Behinderung haben die gleichen Rechte wie alle anderen. Das ist nicht verhandelbar. Wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss mit den Expertinnen und Experten in eigener Sache.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ein Grundrecht für jeden Menschen, gleich welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welchen Bildungsstandes, welcher Weltanschauung, gleich ob mit oder ohne Beeinträchtigungen. Dieses Welt- und Menschenbild, das uns in Deutschland ausmacht, ist bei uns verfassungsrechtlich verbrieft. Es ist von Gerichten bestätigt und
Trotz dieses Grundtenors müssen wir sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich immer besser darin werden, Hürden und Barrieren für benachteiligte Menschen abzubauen, damit sich diese frei entfalten und ihr Leben so gestalten können, wie sie es selbst möchten.
In diesem Licht hatte sich der Bundesgesetzgeber damals vorgenommen, die Eingliederungshilfe von Menschen mit Beeinträchtigung anders zu denken. Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, das einen großen Systemwechsel einleitet, stellt den einzelnen Menschen mehr in den Mittelpunkt. Die Eingliederungshilfe wird aus dem Fürsorgewesen, zum Beispiel aus der Grundsicherung, herausgelöst. Die Eingliederungshilfe erhält somit eine eigenständigere Systematik. Die Zentrierung auf die jeweilige Person soll sich zum Beispiel so ausgestalten, dass die Leistungen mehr auf den individuellen Bedarf der Einzelperson abgestimmt werden oder dass die Auswahl bei den Leistungserbringern deutlich verbreitert wird.
In Betrachtung dieser Aspekte leistet der von Sozialminister Dr. Heiner Garg vorgelegte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes einen wichtigen Beitrag - dies auch in finanzieller Hinsicht, da das Land den Kreisen und kreisfreien Städten jährlich mehrere Millionen Euro zur Unterstützung als Träger der Eingliederungshilfe zukommen lässt, wie Minister Dr. Garg eingangs schon erläutert hat.
Bereits mit dem 1. Teilhabestärkungsgesetz sind vielerlei landesgesetzliche Bestimmungen zur Durchführung der neuen Systematik aus dem Bundesteilhabegesetz festgeschrieben worden. Die Träger der Eingliederungshilfe wurden festgelegt, die kommunale Verwurzelung bekräftigt und auch die Mitwirkung von Menschen mit Behinderung bei der Beratung und Beschlussfassung über die Rahmenverträge gestärkt; das hat bisher jede Rednerin und jeder Redner hier festgestellt. Neu hinzugekommen ist auch ein Prüfrecht der Träger, wie es in anderen Bereichen der Sozialleistungen vorher auch schon üblich gewesen ist.
Nun, wer Teilhabestärkungsgesetz 1 sagt, muss unweigerlich auch Teilhabestärkungsgesetz 2 sagen. Deshalb treten wir heute zu diesem Punkt zusammen. Da das Bundesteilhabegesetz in Stufen in Kraft tritt, müssen auch landesrechtliche Vorgaben und Ausführungsbestimmungen in Stufen erfolgen beziehungsweise nachgezogen werden. Insbesonde
Wir werden mit dem Weg fortfahren, Leistungen zur Teilhabe fachorientiert und personenzentrierter zu gestalten.
Inklusion ist im Schleswig-Holsteinischen Landtag immer ein Thema mit hoher Priorität gewesen, und dies war bisher auch immer parteiübergreifend so. Einen hohen Stellenwert hat bei unseren landesrechtlichen Vorgaben die Partizipation der betroffenen Menschen.
Herr Baasch, Sie haben hier einen Punkt aufgegriffen und im Zusammenhang mit der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Weiterentwicklung der Strukturen in der Eingliederungshilfe kritisiert. Ich möchte einen Aspekt erwähnen, den ich auch in Abgrenzung zu anderen Bundesländern sehr gut finde, und zwar die Frage, wie die Zusammensetzung und wie die Autonomie dieser Zusammensetzung aussieht. Es gibt andere Bundesländer, in denen das deutlich stringenter gemacht wurde und in denen weniger betroffene Menschen einbezogen werden. Wir werden aber sicher im Sozialausschuss unter diesem Aspekt weiter diskutieren und selbstverständlich die Fachbetroffenen dabei haben.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass wir mit dieser offenen, möglichst individuell gerechten Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes den bisherigen Weg weiter beschreiten und den Grundsatz „Nicht ohne uns über uns“ als Zielmarke immer dabei haben. So wurde zum Beispiel die Funktion des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung im Rahmen dieser Gesetzesvorhaben deutlich gestärkt.
Zum Zeitplan, der auch schon erwähnt wurde: Der Zeitplan ist mit dem Geltungsbeginn bis 2020 mittlerweile relativ eng, aber im Konzert der Bundesländer ist Schleswig-Holstein, wenn man das alles vergleicht, recht weit vorn dabei. Das ist umso mehr so, wenn man in Betracht zieht, dass erst 2017 begonnen werden konnte, wirklich damit zu arbeiten.
Insgesamt ist es so, dass das vom Bund beschlossene Bundesteilhabegesetz im Land zwischen den Meeren Folgendes leisten muss: Das Leben von vielen Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteinern, genauer das Leben von über 30.000 Betroffenen, das sind 30.000 Menschen, die derzeit in diesem Land Eingliederungshilfe erhalten und die alle ein Anrecht auf Teilhabe und ihren persön
lichen Bedürfnissen entsprechende Leistungen haben, wollen wir ein Stück besser machen. Daher danken wir dem Sozialministerium und allen Beteiligten, die sich bisher in den Entwurf eingebracht haben, und ich danke im Vorwege denen, die sich im Sozialausschuss einbringen werden. Ich danke dafür, dass wir uns dieses Ziels annehmen, und ich freue mich auf die weitere Debatte im Sozialausschuss. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Zum 1. Januar 2020 tritt die letzte Stufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft. Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf erfolgen die notwendigen Anpassungen in den Ausführungsgesetzen des Landes zum SGB IX und SGB XII. Das Recht der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen wird vollständig aus dem Bereich der Sozialhilfe herausgelöst und in das Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung übernommen.
Diese gesetzliche Regelung im Bundesteilhabegesetz ist gut und richtig, denn jetzt sind alle Leistungen einheitlich in einem Gesetz geregelt. Entsprechend sieht das Bundesteilhabegesetz vor, dass alle Leistungen zukünftig aufgrund eines Antrags in einem trägerübergreifenden Teilhabeplanverfahren aus einer Hand erfolgen. Folgerichtig bedarf es einer Anpassung in den Ausführungsbestimmungen des Landes zur Sozialhilfe und zur Eingliederungshilfe.
Meine Damen und Herren, das Bundesteilhabegesetz enthält für Menschen mit Behinderung eine Vielzahl von Verbesserungen, und auf einige dieser Verbesserungen möchte ich kurz Ihren Blick richten. Der Ansatz Prävention vor Rehabilitation ist hiermit dann eingeführt. Ziel ist es hierbei, bereits vor Eintritt einer chronischen Erkrankung oder Behinderung durch geeignete präventive Maßnahmen entgegenzuwirken und so die Erwerbstätigkeit zu erhalten. Daneben wird ein von Trägern und Leistungserbringern unabhängiges Netzwerk an Beratungsstellen für Menschen mit Behinderung aufge
baut. Diese Beratungsstellen verfolgen den Beratungsansatz des Peer-Counceling, also eine emanzipatorische Beratung von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung, oder schlicht die Beratung von Betroffenen durch die Betroffenen selbst.
Wesentlich verbessert werden auch die Möglichkeiten der Teilhabe am Arbeitsleben, der Teilhabe an Bildung und der sozialen Teilhabe. So haben Menschen mit Behinderung nicht nur die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft in Werkstätten für behinderte Menschen einzusetzen, sondern auch bei anderen Trägern. Sie haben auch die Möglichkeit, auf dem freien Arbeitsmarkt tätig zu werden.
Im Bildungsbereich werden bestehende Hindernisse für das Erreichen höherer Schulabschlüsse abgebaut. So können beispielsweise während eines Masterstudiengangs Assistenzleistungen wie zum Beispiel eine Begleitung bei einer Sehbehinderung in Anspruch genommen werden.
Das Bundesteilhabegesetz enthält auch erhebliche finanzielle Verbesserungen für Menschen mit Behinderung. Früher musste ein sehr großer Teil des Einkommens oder Vermögens von der Person selbst sowie von dessen Ehe- oder Lebenspartner eingesetzt werden. Dies wurde durch das Bundesteilhabegesetz nun geändert. In der Eingliederungshilfe gibt es bei der Heranziehung von Einkommen und Vermögen Verbesserungen für die Betroffenen. Einkommen und Vermögen von Ehe- oder auch Lebenspartnern werden ab dem 1. Januar 2020 nicht mehr angerechnet, und auch für eigenes Einkommen und Vermögen werden die Freiräume um ein Vielfaches größer.
Wer dagegen Hartz IV beantragt, muss sein Einkommen und sein Vermögen vollständig offenlegen und lückenlose Nachweise führen. Anspruch auf Grundsicherung hat nur, wer eigenes Vermögen bis auf einen niedrigen Freibetrag aufbraucht, und hier wird auch wieder das Einkommen des Partners angerechnet. Gerade diese vollkommene Offenbarungspflicht wird oftmals zu Recht kritisiert. Von den Betroffenen wird sie als entwürdigend empfunden, und die Hartz-IV-Sätze reichen mitnichten aus, um etwa am sozialen Leben, am kulturellen Leben oder auch am Bildungsleben teilzuhaben.
Bei der dringend notwendigen Diskussion um eine ebenso dringend notwendige Reform des Hartz-IVSystems sollten wir eine systemische oder auch partielle Übernahme der Regelungen zur Eingliederungshilfe im Bundesteilhabegesetz als Arbeitsgrundlage heranziehen, denn dort gibt es auch noch
eine ganze Menge zu tun. Ich freue mich in diesem Sinne auf die Beratungen im Sozialausschuss. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich denke, allen ist bewusst, dass die Reform der Eingliederungshilfe und die Umsetzung auf Länderebene ein sehr umfangreicher Prozess ist. Grundlage bildet das Teilhabegesetz des Bundes. Aber Schleswig-Holstein hat mit der Erarbeitung der landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen eine sehr wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, denn das Land muss bekanntlich als Träger der Eingliederungshilfe gemeinsam mit Kreisen und kreisfreien Städten wesentliche Rahmenbedingungen für das Leben von Menschen mit Behinderung weiterentwickeln.
Im Verlauf wurde und wird nicht nur an ein paar kleinen Schrauben gedreht, sondern es werden sämtliche Teilhabeleistungen neu gestaltet. Fast alle Lebensbereiche von Menschen mit Behinderung sind hierdurch berührt. Es geht längst nicht nur um ihre finanzielle Unterstützung. Es geht um ihren Anspruch auf Hilfen im Alltag und um die Frage, wie wir diese Hilfen organisieren. Es geht also um nicht weniger als die Lebensqualität und das Maß an Selbstbestimmung von über einer halben Million Menschen. Spätestens damit sollte allen klar sein, welche Verantwortung mit diesem Reformprozess verbunden ist.
Das ist aus Sicht des SSW aber kein Grund, den Mut zu verlieren. In diesem Verfahren liegen gleichzeitig enorme Chancen. Fakt ist, dass Menschen mit Behinderung auch heute noch viel zu oft benachteiligt werden. Das gilt für unser Bildungswesen, für unsere Arbeitswelt, für Freizeitaktivitäten und für viele andere gesellschaftliche Bereiche auch.
Mit dem Bundesteilhabegesetz und den Ausführungsbestimmungen auf Länderebene können wir die Teilhabe behinderter Menschen stärken und ihre Lebensbedingungen verbessern. Wir müssen dabei vor allem von der Möglichkeit Gebrauch machen, sie daran intensiv zu beteiligen. Diese Chance sollten wir dringend nutzen.
Gerade hier, in der Frage der angemessenen Beteiligung, gab es ja im Verlauf viel Unruhe und zum Teil auch berechtigte Sorgen. Das wurde vor allem in der Anhörung zum ersten Teilhabestärkungsgesetz deutlich. Die bundesgesetzliche Grundlage gibt zwar die umfassende Beteiligung vor, gleichzeitig existieren aber Spielräume und damit auch Unklarheiten bei der Frage nach Art und Umfang.