Protocol of the Session on June 19, 2019

Login to download PDF

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum MINT-Bereich nur kurz ausführen: Wir haben das Ziel, vor allem die Neugier der Kinder und Jugendlichen für die mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung zu wecken. Deshalb haben wir das IPN beauftragt, ein Curriculum für den Sachkundeunterricht in der Grundschule und Begleitmaterialien für Lehrkräfte zu erarbeiten, um diesen Ansatz des forschenden Lernens in der Grundschule zu stärken.

Wir haben gemeinsam mit der Joachim-Herz-Stiftung, der Körber-Stiftung und der NORDMETALLStiftung das MINTforum initiiert. Damit ist es uns möglich, auf einer großen Plattform allen Schulen die Angebote im Bereich MINT in Schleswig-Holstein zu präsentieren. Ich glaube, dieser Vernetzungsansatz ist von großer Bedeutung. Darüber hinaus haben wir eine große Bandbreite an MINT-Ferienprogrammen, Experimentierangeboten für Klassen und Veranstaltungen speziell für Mädchen entwickelt.

Insgesamt zeigt der Bericht, dass die MINT-Förderung in Schleswig-Holstein sich auf einem guten Weg befindet, aber die Anstrengungen in diesem Bereich in den kommenden Jahren kontinuierlich fortgesetzt werden müssen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank. Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten überschritten; diese steht den Fraktionen jetzt jeweils zur Verfügung. Der Erste, der davon Gebrauch machen kann, ist Herr Kollege Habersaat aus der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In „Schule Aktuell“, dem Mitteilungsblatt des Bildungsministeriums, wurde im März 2019 gefeiert: „So viele Stellen für die Schulen wie noch nie“. Das ist in der Tat ein Grund zum Feiern. Konkret gab es mehr für die Grundschulen - 40 Stellen für eine zusätzliche Unterrichtsstunde in Klasse 2 -, mehr für die Förderzentren - 70 Stellen für Inklusion -, 23 Stellen für die berufsbildenden Schulen, 94 Stellen für die Gymnasien

(Beifall CDU und FDP)

die durch die Wiedereinführung von G 9 eigentlich weniger brauchen, aber trotzdem mehr bekommen, und 24 Stellen mehr für DaZ.

(Tobias Koch [CDU]: Super!)

Was fällt auf? Ich habe diese Zahlen ausgewählt, weil sie drei Fehler der Landesregierung deutlich machen: Erstens. Die Gemeinschaftsschulen tauchen nicht auf. Zweitens. Der Glaube, mehr zu erteilende Stunden seien ein vielversprechender Ansatz, um unsere Schulen besser zu machen, ist nicht zwingend richtig. Drittens. Es zeigt wieder einmal die Abkehr von einem umfassenden Inklusionsbegriff, wenn Inklusion aus Ihrer Sicht nur noch Sache der Förderzentren ist.

Ihre Vernachlässigung der Schulart Gemeinschaftsschule wird übrigens nicht nur beim Blick auf diese Jubelmeldungen deutlich, sondern zeigt sich auch bei Ihrem Konzept zur Begabtenförderung in Schleswig-Holstein. Das Konzept wurde am 3. Dezember 2018 als Umdruck 19/1726 dem Bildungsausschuss zugeleitet - und wird von den JamaikaFraktionen bis heute ignoriert. Sie werden schon wissen, warum.

Etwa 2 % aller Schülerinnen und Schüler gelten als hochbegabt, 20 % als besonders leistungsstark. Um diese circa 22 % der Schülerinnen und Schüler geht es. Um sie zu fördern, hat sich die Landesregierung unter anderem ausgedacht, 25 zusätzliche Stellen in Schleswig-Holstein zu schaffen - noch einmal zusätzliche Stellen -, zwei davon für das IQSH, für die Fortbildung von Lehrkräften, und 23 für - tada! die Gymnasien. Dort sollen sie Schülerinnen und Schüler unterstützen, die trotz der flächendeckenden Rückkehr zu G 9 ihr Abitur doch lieber in acht Jahren machen wollen. Auch das wäre ein abendfüllendes Thema; darauf kann ich jetzt leider nicht näher eingehen.

Ein erster Blick ins Land zeigt: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die das machen wollen, ist

(Ministerin Karin Prien)

überschaubar. Weniger überschaubar ist die Zahl der Ideen der Gymnasien, wie diese Stunden gewinnbringend eingesetzt werden können: Vielfältig! Eine solche Konzentration auf die Gymnasien entspricht aber überhaupt nicht der Verteilung begabter Schülerinnen und Schüler auf die Schulen in Schleswig-Holstein und entspricht auch nicht dem Schulsystem in Schleswig-Holstein im Jahr 2019, wenngleich uns natürlich klar ist, dass Ihnen das Schulsystem vergangener Jahrzehnte irgendwie näher liegt als das heutige.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Es gäbe mit den Kompetenzzentren Begabtenförderung und den SHiB-Schulen eine bestehende Struktur, an die man zusätzliche Stellen andocken könnte und zu der auch Gemeinschaftsschulen und Grundschulen gehören. Unser Antrag zielt genau darauf ab, diese mit in den Blick zu nehmen. Diese Struktur schrumpft allerdings und wird von Ihnen nicht berücksichtigt.

Was bleibt für die Gemeinschaftsschulen? Antwort des Ministeriums: der Bildungsbonus. Na ja, der Bildungsbonus ist ehrlicherweise im Kern nicht dafür gedacht, begabte Schülerinnen und Schüler zu fördern, sondern dafür, die Nachteile von Schulen auszugleichen, die in schwierigen Stadtteilen liegen.

Meine Damen und Herren, Sie zeichnen nicht das Bild von gleichberechtigten Säulen des Bildungssystems, sondern das Bild von einer bevorzugten Säule und verschiedenen Auffangbecken, die Sie um diese Säule herum gruppieren.

(Beifall SPD und SSW)

Es bleibt wenig Zeit für den zweiten Fehler. Aber 2 Minuten mehr als geplant stehen mir zur Verfügung; vielen Dank dafür.

Nach den Ergebnissen des vergangenen Jahres wollte ich gar nicht auf ESA und MSA eingehen. Aber in diesem Jahr die Steigerung bei ESA und MSA zu feiern, nachdem es im letzten Jahr schlicht und ergreifend ein Debakel gab? Na ja! Wenn es in diesem Jahr nicht besser geworden wäre, hätten wir über viel gravierendere Dinge reden müssen.

(Zuruf Anita Klahn [FDP])

Der zweite Fehler ist eigentlich die Annahme, mehr zu unterrichtende Stunden bedeuteten automatisch eine bessere Schule. In den 2. Klassen wird die Zahl der zu unterrichtenden Stunden hochgejazzt, obwohl ein Blick auf die Qualität der unterrichteten Stunden angezeigt wäre. Auch zum Mathematikun

terricht findet sich der Gedanke „Mehr Stunden gleich mehr Mathe in den Herzen und Köpfen“. Kurzes Denkexperiment mit den Schülerinnen und Schülern: Würde jemandem, der nach fünf Stunden Mathematik in der Woche keine Lust auf dieses Fach hat und der auch nicht den Eindruck hat, allzu viel verstanden zu haben, eine sechste Stunde Mathematik helfen, diese Probleme zu lösen?

(Unruhe CDU und FDP)

Wir müssen uns über den MINT-Unterricht Gedanken machen. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir Wissensgebiete vernetzen, wie wir Schülerinnen und Schüler durch mehr Lebensweltbezug abholen können. Wir müssen die Möglichkeiten der digitalen Welt nutzbar machen. Ich sehe, dass es Ansätze gibt, und lobe diese auch. Die Mathematik-Didaktik muss so weiterentwickelt werden, dass sie die Schülerinnen und Schüler erreicht und ihnen die erforderlichen Kompetenzen vermittelt. Was diese erforderlichen Kompetenzen sind, darüber müssen wir ebenfalls in der Diskussion bleiben.

Noch immer gibt es an unseren Hochschulen zu viele Lehrveranstaltungen, in denen angehende Lehrkräfte eher als „auch anwesend“ betrachtet werden. Mancher Professor freut sich, dass die Vorlesung voll ist, hat aber nicht im Blick, dass die Mehrzahl der Anwesenden ein Mathematikstudium nicht um der Mathematik willen anstrebt, sondern um sich später mit Schülerinnen und Schülern diesem spannenden Fach widmen zu können. Dann wäre ein ganz anderer Blick auf das Fach erforderlich. Es gibt Bewegung auf diesem Feld; allein es könnte mehr sein. Die Kinematik könnte uns diese Bewegung beschreiben. Bei der Dynamik sehe ich noch Entwicklungspotenzial. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anette Röttger.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Diesem Tagesordnungspunkt liegen, wie soeben schon gesagt, umfangreiche und lesenswerte Berichte des Bildungsministeriums und ein Masterplan zur Mathematik zugrunde. Sie alle haben es verdient, hier ausführlich beraten zu werden. Wir freuen uns über die ausführlichen Berichte und dan

(Martin Habersaat)

ken unserer Bildungsministerin Karin Prien sowie ihrem Haus ganz herzlich für diese geleistete Arbeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Lieber Herr Habersaat, gestehen Sie mir zu, dass ich an dieser Stelle einen anderen bildungspolitischen Ansatz sehe als den, den Sie soeben vorgetragen haben.

(Beate Raudies [SPD]: Das wundert uns nicht!)

Wissen und Kompetenzen müssen erworben werden, setzen Leistungsbereitschaft voraus und sind unverzichtbar, um sich in einer modernen Gesellschaft zurechtzufinden. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Allerdings ist es um das Image von Leistungsbereitschaft gerade im Bereich der Mathematik nicht immer sehr positiv bestellt. Das ist fatal und darf sich nicht so weiterentwickeln, zumal wir mit zunehmender Digitalisierung die Dynamik der Wissensentwicklung noch einmal verstärkt vor uns sehen. Es ist daher unsere gemeinsame Aufgabe, die heranwachsende Generation so gut wie möglich auf die vielschichtigen Herausforderungen ihrer persönlichen Zukunft vorzubereiten.

Bekanntlich ist jeder von uns mit ganz individuellen Begabungen und Talenten ausgestattet. Nicht immer gelingt es uns, diese zu entdecken und sofort herauszukitzeln. Oft dauert es Jahre, bis Menschen genau herausgefunden haben, wo ihre eigentlichen Neigungen und Begabungen liegen.

Die vorliegenden Bildungsberichte machen deutlich: Wir in Schleswig-Holstein streben an, dass die Leistungsstarken genauso gefördert werden wie die Leistungsschwächeren. Es gilt, individuelle Begabungen möglichst früh zu erkennen und spielerisch zu entdecken, um diese dann mit passgenauen Maßnahmen in einem breiten Netzwerk optimal zu fördern und zu stärken. Nach dem Motto „Erkennen, Ermutigen und Ermöglichen“ ist es unabdingbar, dass alle Beteiligten - angefangen vom Elternhaus über Kita bis zur Schule - in diesen Prozess einbezogen werden.

Die Landesregierung hat in ihrem Bericht vom Dezember 2018 deutlich gemacht, dass für eine Begabungsförderung eine Netzwerkstruktur zwischen allen Schulformen, Herr Habersaat, entwickelt worden ist. Das sollte auch dem Antrag der SPD Rechnung tragen.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Damit komme ich zu den weiteren Berichten und zum Thema „Mathe und MINT“ sowie zu unserem Antrag. Wir brauchen in unserem Land eine hohe Kompetenz in den MINT-Fächern, denn genau damit lassen sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft gestalten. Themen wie Nachhaltigkeit, Energie und Umwelt sind ohne Kompetenzen im MINT-Bereich nicht zu lösen. Sie gehören bei uns zu den wichtigsten Zukunftsfragen.

Wenn jemand in den verschiedenen Übergängen der schulischen Laufbahn oder im Studium scheitert, liegt es oft an einer mangelnden Kompetenz in Mathe. Die Mängel der Studierfähigkeit hat der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt, gerade erst bestätigt. Dabei zeigt sich, dass es nicht unbedingt das Verständnis für höhere Mathematik ist, was den Schülerinnen und Schülern oder den Studierenden fehlt, sondern in der Regel mangelt es an einer Routine im Umgang mit einfachen Aufgaben im Bereich der Bruch- und Prozentrechnung.

Unser Ziel ist es daher, sowohl das Image von Mathematik als auch den Spaß und die Freude daran weiter zu verbessern. Das unterscheidet uns ein Stück weit, glaube ich. Dazu wurde in der MaiAusgabe - Sie hatten es angesprochen - von „Schule Aktuell“ umfangreich berichtet. Wir wollen, dass all das Gute fortgesetzt wird, das dazu dient, die Mathekompetenzen von Schülerinnen und Schülern zu stärken. Das Spektrum reicht von spielerischen Konzepten zur mathematischen Frühförderung bis zu mathematisch-naturwissenschaftlichen Angeboten in der Grundschule. Es ist aber auch die Förderung zur Teilnahme an der Matheolympiade mit inzwischen 50.000 € pro Jahr.

Wer Mathe und MINT für sich entdeckt hat, wird auch Schlüsselkompetenzen erwerben und für die Berufsbereiche infrage kommen, in denen heute schon ein Fachkräftemangel herrscht.

Schleswig-Holstein landet derzeit im Ländervergleich im guten Mittelfeld, wenn es um die Kompetenzen im MINT-Bereich geht. Mit dem Masterplan Mathe stimmt auch die Richtung, denn es gibt zukünftig in den ersten beiden Jahrgangsstufen der Grundschule mehr Zeit für Mathe und Deutsch. Mit der Umstellung auf G 9 und mit der Oberstufenreform gibt es Effekte für mehr Zeit zum Lernen. Das alles ist gut so.

Ich bitte daher um Zustimmung für unseren Antrag. Für die anderen vorliegenden Anträge beantragen wir eine Ausschussüberweisung. Den noch kurz

(Anette Röttger)

fristig von der AfD eingereichten Antrag lehnen wir ab. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)