Protocol of the Session on September 25, 2019

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Da können Herr Vogt und Frau von Kalben hier noch so lang von sozialer Balance sprechen. 20.000 € Zuschuss für das Winternotprogramm für Obdachlose im Vergleich zu 2,09 Millionen € für vier Wölfe: Das ist keine Politik des Ausgleichs, wie Sie es eben genannt haben. Das ist völlig verfehlte, unsoziale Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall AfD - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dieser Landesregierung ist jeglicher soziale Kompass abhandengekommen.

(Zuruf CDU: Das sagt der Richtige!)

Eine Willkommenskultur für Wölfe und Flüchtlinge ist dieser Landesregierung ganz offensichtlich wichtiger als die Schwächsten unserer Gesellschaft,

(Unruhe - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Was Sie für einen Müll reden!)

wichtiger als die eigenen Staatsbürger.

(Peer Knöfler [CDU]: Hast du fertig?)

Im übertragenen Sinn durch den Wolf gedreht haben Sie unser Bildungssystem. Über alle Bereiche stehen wir im Bildungsmonitor 2019 nach wie vor höchst mittelmäßig da. Platz 11 im Bildungsvergleich der Länder - das klingt noch besser, als es in Wahrheit ist. Auf einer Skala von 0 bis 100 haben wir gerade einmal 47,3 Punkte erreicht. Nach oben ist noch ganz viel Luft. Der Spitzenreiter Sachsen hat übrigens immerhin 68,0 Punkte geschafft. Der Abstand zur roten Laterne ist hingegen denkbar gering, gerade einmal 4,3 Punkte trennen uns vom Schlusslicht Berlin, dem ewigen Pleiteland. Das ist das eigentliche Trauerspiel.

Noch schlimmer ist es nach wie vor in den Naturwissenschaften. Trotz minimaler Verbesserungen belegt Schleswig-Holstein beim Bildungsmonitor 2019 nach dem letzten Platz jetzt immerhin den vorletzten Platz im Bereich Hochschule und MINT. Nur Brandenburg schneidet schlechter ab. Es gab zwar eine Verbesserung, ja, in der Tat, aber wahrlich keinen Grund zur ausufernden Freude.

In Schleswig-Holstein gibt es mit die wenigsten Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern. Der MINT-Anteil am wissenschaftlichen Hochschulpersonal ist sogar der niedrigste von allen Bundesländern. Wir reden hier über die Fächer, die einerseits einen guten Job geradezu garantieren und andererseits auch für die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein von größter Bedeutung sind. Ohne qualifizierte Nachwuchskräfte gehen Unternehmen in andere Länder oder siedeln sich erst gar nicht bei uns an.

Wenn Schleswig-Holstein diese Missstände wenigstens in anderen Bereichen wieder ausgleichen würde! Das ist aber leider auch nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: Die Quote der Schulabbrecher ist in Schleswig-Holstein auf 8,3 % gestiegen. Der Bundesschnitt liegt bei 6,9 %. Dieser Wert ist erschreckend. Das liegt nicht nur, aber auch an der Mittelausstattung, die wir bereitstellen. Ich nenne nur die Stichwörter Unterrichtsausfall, fehlende Klassenräume und so weiter. Da hilft uns eine theoretische 101-%-Unterrichtsversorgung auch nicht weiter, denn die Stunden fallen trotzdem weiterhin aus.

Im Bereich der inneren Sicherheit wiederum liegt der Kern des Problems nicht primär in der finanziellen Ausstattung. Es geht in der Betrachtung viel

(Jörg Nobis)

mehr darum, dass insbesondere die Arbeit der Polizei auch in einen tatsächlichen Erfolg mündet. Es geht natürlich darum, die Polizei auch personell spürbar zu entlasten. Zu Beginn der Legislatur wollten Sie einmal 500 Stellen im Polizeidienst schaffen. Dieses selbstgesteckte Ziel werden Sie, wie ich vermute, nicht erreichen. Lieber Herr Günther, das wird ein Wahlversprechen bleiben. Sie haben ein veritables Nachwuchsproblem und müssten dringend an der Attraktivität des Polizeiberufes arbeiten. Wie gesagt: Finanzen, angemessene Besoldung, Karriereaussichten und Zulagen sind nur einige Bausteine. Es geht um viel mehr, vor allem um Anerkennung und Wertschätzung im Alltag.

Seit der Haushaltsdebatte des letzten Jahres hat sich an unserer Einschätzung nichts geändert: Sie verspielen die Zukunft unseres Landes, Sie riskieren die Zukunftsfähigkeit Schleswig-Holsteins und machen Politik auf Kosten zukünftiger Generationen. Wir denken weiter. Wir denken nicht nur bis zur nächsten Wahl, sondern in Generationen.

(Zuruf: Frechheit!)

Wir wollen die Zukunft dieses Landes so gestalten, dass es lebenswert bleibt. Wir wollen zu Recht und Ordnung zurückkehren,

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

zu Werten und einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung, Herr Dr. Stegner. Menschen sind wichtiger als Wölfe.

(Beate Raudies [SPD]: Deutsche Menschen!)

Wenn Sie das von unserer Rede mitnehmen, habe ich schon viel erreicht. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Vorsitzende, Lars Harms.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Eine Lärmbelästi- gung mit Ihrer Rede!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meiner eigentlichen Rede anfange, möchte ich eines so nicht stehenlassen. Ich finde, das, was der Kollege Nobis eben gesagt beziehungsweise geschildert hat, zeigt exemplarisch, wie diese Partei denkt. Ihm ist ja von seinen eigenen Kollegen nicht widersprochen worden.

Er hat das Beispiel eines Fußballspielers gebracht, der hier ist und Schwierigkeiten in seinem Verfahren hatte. Dieser Fußballspieler hat einen gültigen Pass vorgelegt. Er hat seine bestätigte Geburtsurkunde vorgelegt. Er hat eine Bestätigung aus dem Außenministerium vorgewiesen. Er hat Familienmitglieder beibringen können, die bestätigt haben, welche Identität er hat. Diesem Menschen wurde von der Asylverwaltung bestätigt, dass er sich hier rechtmäßig aufhält. Auch Gerichte haben bestätigt, dass er sich rechtmäßig aufhält.

Mehr kann ein Mensch, der nicht von hier ist, wirklich nicht leisten. Dieser Mensch spielt auch noch gut Fußball. Er arbeitet hier, und er ist ein wirklich großer Steuerzahler. Auch das bringt dieser Mensch zustande. Er hat also all das gemacht, was wir uns wünschen. Trotzdem wird von Herrn Nobis über diesen Menschen hergezogen, und wir wissen alle, warum das so ist. Es ist so, weil er schwarz ist und nicht von hier kommt. - Sie sind und bleiben Rassist.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, nun aber zu dem eigentlichen Thema: Wie immer ist so eine Haushaltsrede ein Ritt durch sämtliche haushaltsrelevanten Zahlen, und natürlich kann man selbst bei einer längeren Redezeit nicht wirklich jedes Thema ansprechen. Trotzdem möchte ich drei Themenkomplexe voranstellen, die nach unserer Auffassung dringend gelöst werden müssen und die bisher noch nicht gelöst worden sind.

Über mehrere Jahre mussten die Beamtinnen und Beamten des Landes ganz oder teilweise aufgrund eines politischen Beschlusses auf ihr Weihnachtsgeld verzichten. Wenn es wirtschaftlich besser geht, sollte das Weihnachtsgeld wieder eingeführt werden - so das Versprechen der Politik. Da es in den letzten Jahren immer wieder Haushalte mit Rekordeinnahmen gegeben hat, wäre es also an der Zeit gewesen, dieses Versprechen einzulösen. Das ist bisher nicht geschehen. Im Gegenteil, bisher hat die Landesregierung nur eine völlig unzureichende Besoldungsstrukturreform für den Zeitraum von 2021 bis 2025 angekündigt, die nicht im Entferntesten einen Ausgleich für die Verluste der Beschäftigten bedeuten würde.

Jetzt hat der Beamtenbund einen Vorschlag gemacht, mit dem die Forderung nach dem Weihnachtsgeld endgültig ad acta gelegt werden könnte. Bisher lautet die Forderung: vollständiges Weihnachtsgeld für alle, was jährliche Ausgaben in Höhe

(Jörg Nobis)

von circa 147 Millionen € bedeuten würde. Das Angebot des Beamtenbundes besagt nun: 1.000 € für alle, was nur circa 48 Millionen € an jährlichen Kosten bedeuten würde. Der Beamtenbund wäre sogar bereit, diese Forderung im Rahmen eines Stufenmodells über drei Jahre zu strecken, wenn man schon im nächsten Jahr mit dem Einstieg in dieses Modell begänne.

Das ist ein honoriges Angebot von unseren Beschäftigten, welches das Land nun wirklich nicht mehr ablehnen kann. Die Beschäftigten verzichten freiwillig auf zwei Drittel ihrer berechtigten Forderungen und geben sich so mit einem Teilbetrag dessen zufrieden, was ihnen eigentlich versprochen wurde. Einzige Bedingung ist, dass man schon 2020 beginnt, Zahlungen an die Beamten zu leisten. Das ist nun wirklich nicht zu viel verlangt, zumal der Beamtenbund gesagt hat, dass man die Umsetzung über drei Jahre verteilen könnte. Das ist also noch ein Entgegenkommen obendrauf.

Wäre das das Ergebnis von Verhandlungen zwischen der Finanzministerin und den Beschäftigten gewesen, dann hätte wohl jeder gesagt, die Finanzministerin hat im Sinne des Landeshaushalts gut verhandelt. Dass die Beschäftigten selbst freiwillig so viel Verantwortung für das Land mittragen wollen, ist ein wirklich großer Schritt auf die Finanzministerin zu. Die Landesregierung sollte die ausgestreckte Hand der Beamten nicht ausschlagen.

(Beifall SSW)

Wir schlagen deshalb vor, dieses Angebot anzunehmen, die erste Erhöhung 2020 vorzunehmen und dann in 2021 und 2022 zwei weitere Schritte vorzunehmen, bis jeder Beamte hier 1.000 € Sonderzahlung pro Jahr hat. Ob diese Zahlung dann extra gewährt wird oder in die Besoldungstabelle eingebaut wird, ist dabei nur zweitrangig. Wir liegen derzeit im unteren Mittelfeld der Besoldung unter den Bundesländern. Wenn hier jetzt etwas draufgepackt wird, können wir uns im Mittelfeld der Besoldung festsetzen. Das wäre ein Zeichen für die Beschäftigten, und das wäre auch ein Signal, dass wir qualifizierten Kräften eine vernünftige Besoldung zahlen wollen. Genau solche Signale muss die Landesregierung jetzt aussenden. Deshalb: Schlagen Sie die ausgestreckte Hand nicht aus, sondern geben Sie den Beamten das, was ihnen zusteht!

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Der zweite Punkt, der nach unserer Auffassung dringend gelöst werden muss, ist die Finanzierung der Kommunen. Die Kommunen sind die Keimzelle der Demokratie. Dort wird die Arbeit gemacht, die

direkt beim Bürger ankommt. Dort wird das Land mit Tatkraft weiterentwickelt. Das sind Weisheiten, die wir alle immer wieder vor uns hertragen. Aber wenn es ums Geld geht, dann wird das doch oft vergessen. Der kommunale Finanzausgleich ist wieder aufgeschnürt worden. Zwar hätte das bisherige FAG nicht zwingend in allen Teilen wieder aufgeschnürt werden müssen, aber die Landesregierung hat es getan, und nun muss sie auch liefern.

Wenn Gutachten feststellen, dass sowohl das Land als auch die Kommunen finanziell nicht ausreichend ausgestattet sind, dann heißt das nicht, dass man den Kommunen sämtliche notwendige Unterstützung verwehren darf. Im Gegenteil, hier muss es zu einem fairen Ausgleich kommen, und genau das strebten die Kommunen auch bei den letzten Verhandlungen an. Wenn nun aber mit Finanztricks versucht wird, Dinge beim kommunalen Finanzausgleich zuzusagen und dann gleichzeitig an anderer Stelle Zuweisungen an die Kommunen wieder zu streichen, dann ist das ein Nullsummenspiel für die Kommunen. So kann es nicht gehen. So geht man mit den Kommunen nicht um. Die Kommunen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen und Planbarkeit sowie ehrliche und offene Verhandlungen, bei denen das Land auch bereit ist, etwas zu geben.

Wir wissen doch alle, dass die Kommunen mit ihren Aufgaben überlastet sind. Natürlich kann man die eine oder andere Vorschrift abschaffen und so die Kommunen etwas entlasten, aber manche Aufgaben bleiben dauerhaft bestehen, und das sind nicht nur althergebrachte Aufgaben, sondern auch neue Herausforderungen. Die Integration von Ausländern und Geflüchteten ist zum Beispiel eine solche neue Herausforderung. Hier haben die Kommunen Großes geleistet. Wenn wir uns die Erfolge der vergangenen drei oder vier Jahre ansehen, dann haben diese auch etwas mit der Arbeit der Kommunen zu tun.

Ja, es ist richtig, dass der Bund die Integrationsmittel zusammengestrichen hat. Trotzdem darf das Land diese Kürzungen hier nicht eins zu eins an die Kommunen weitergeben. Integration ist eine dauerhafte Aufgabe, und sie wird sich für die heute zu uns Gekommenen mindestens über zwei Jahrzehnte hinziehen. Da kann man nicht nach drei oder vier Jahren abbrechen.

(Beifall SSW)

Die Küstenkoalition ist in 2015 und 2016 in erhebliche Vorleistungen gegangen, ohne zu wissen, ob der Bund einspringt, und manches wird bis heute

(Lars Harms)

nicht vom Bund übernommen. Und doch waren all die Deutschkurse, all die Integrationsleistungen und all die Überweisungen an die Kommunen genau die richtige Maßnahme. Hier müssen wir weitermachen.

(Beifall SSW und SPD)

Wer jetzt die Mittel zusammenstreicht, schafft sich in zehn Jahren Probleme, die er sonst nicht hätte. Also müssen wir die Kommunen auch hier unterstützen.