Protokoll der Sitzung vom 27.01.2023

(Lars Harms [SSW]: Ja!)

Die schwarz-grüne GroKo will bei uns im Land den Menschen lediglich Sand in die Augen streuen. Wir als SSW sagen hier ganz eindeutig: Die Menschen in Schleswig-Holstein wollen CCS nicht: nicht an Land und nicht im Meer.

(Beifall SSW und SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben recht mit der Aussage, dass wir die Klimaziele nicht ohne drastische Reduktion beim CO2-Ausstoß erreichen. Das ist völlig korrekt. CCS bedeutet aber nicht, dass der CO2-Ausstoß reduziert wird. CCS bedeutet, dass CO2 woanders gelagert wird. Es ist dann aber nicht weg. Niemand kann tatsächlich vorhersagen, was passiert, wenn die Kammern mit großem Druck vollgepresst werden. Stattdessen wird vorbeugend davon ausgegangen und öffentlich kommuniziert: Na ja, Lecks kann es geben, und dann entweicht CO2, es ist im niedrigen Prozentbereich, es ist alles nicht so schlimm. – Da frage ich mich tatsächlich: Worauf beruht eine solche Annahme?

(Cornelia Schmachtenberg [CDU]: Auf der Wissenschaft! – Rasmus Vöge [CDU]: Stand auch in der Zeitung!)

Das bedeutet tatsächlich: Eine hundertprozentige Sicherheit ist nicht gegeben. Wir haben es hier im Zweifel mit einer unbeherrschbaren Risikotechnologie zu tun.

(Rasmus Vöge [CDU]: Oh! – Tobias Koch [CDU]: Erst mal informieren, bevor man re- det!)

Auch das hat sich in den letzten sieben Monaten nicht geändert.

Ich möchte zum Thema Kernkraft – wir haben das Thema gerade abgesetzt – sagen: Nach Fukushima Daiichi war der Blick auf die Kernkraft ein anderer. Auch dort haben wir eine unbeherrschbare Risikotechnologie. Im Zusammenhang mit dem Atommülllager wird explizit auf die Rückholbarkeit verwiesen. Das spielt bei CCS keine Rolle. Schön weit unter die Erde verpressen und hoffen, dass alles gut geht – das kann es doch nicht sein!

(Beifall SSW und SPD)

Für den SSW sage ich daher ganz klar: Die CCSTechnologie ist nicht geeignet, um unsere Klimaziele zu erreichen. CCS ist teuer und hat einen enormen Energieaufwand. Einzig die Reduktion des Ausstoßes kann hierfür Sorge tragen. CCS verlängert lediglich die fossile Abhängigkeit und ist ein Feigenblatt für eine versäumte Klimaschutzpolitik. Die Treibhausgase müssen reduziert werden.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Einer der einfachsten Wege, um den CO2-Ausstoß kurzfristig zu verringern, wäre übrigens die Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen.

(Tobias Koch [CDU]: Och! – Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Damit hätte ja mal begonnen werden können, aber auch das haben Grüne und CDU in diesem Hause abgelehnt.

Nein zu CCS: für das Klima, für die Natur, für die Meere und für die Menschen in diesem Land! – Herzlichen Dank.

(Beifall SSW und SPD – Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der CDU, Tobias Koch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Land soll klimaneutral werden: Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2040,

(Beifall CDU und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

die Bundesrepublik und ganz Europa spätestens bis zum Jahr 2045. Das sind gewaltige Herausforderungen, für die nur noch ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht.

(Beifall SPD)

Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müssen wir bis dahin unsere gesamte Energieerzeugung komplett auf erneuerbare Energien umstellen.

(Beifall CDU, SPD und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Wärmewende und ebenso die Transformation des Verkehrssektors müssen vollständig umgesetzt sein. Die Minderung und Vermeidung der CO2

(Christian Dirschauer)

Emissionen in diesem Bereich haben deswegen absolute Priorität.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Aber selbst wenn wir damit maximal erfolgreich sein werden, wird es immer noch Bereiche geben, bei denen weiterhin CO2 anfällt: bei der Müllverbrennung, der Zementherstellung, der chemischen Produktion oder auch in der Landwirtschaft.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Bei Ihren Re- den!)

Damit wären wir 2040 beziehungsweise 2045 nach wie vor nicht klimaneutral. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, sehen die Klimastudien außerdem vor, dass im Anschluss an die Klimaneutralität eine Phase der Negativemission folgt, der CO2-Anteil in der Luft also nicht nur stabilisiert wird und konstant bleibt, sondern reduziert wird. Deswegen müssen wir uns fragen, wie wir mit diesen unvermeidbaren CO2-Emissionen umgehen und sogar CO2-negativ werden können.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dazu kann man Moore vernässen, Wälder aufforsten, Seegraswiesen anlegen. Das sind einige sehr gute Möglichkeiten.

(Thomas Hölck [SPD]: Moore vernässen!)

Wir können in Zementwerken und Müllverbrennungsanlagen das anfallende CO2 abscheiden und zum Beispiel für die Kunststoffproduktion einsetzen. Das wäre dann CCU, Carbon Capture and Utilization. Oder wir können das CO2 aus den genannten Produktionsprozessen, aber eben auch aus der Luft abtrennen und unterirdisch einlagern. Das meint CCS, Carbon Capture and Storage.

Ausgehend von den Plänen des RWE-Konzerns zur unterirdischen Lagerung von CO2 im Kreis Nordfriesland vor rund 15 Jahren hat sich der Landtag mehrfach gegen die Nutzung von CCS ausgesprochen. Zuletzt war dies in einem einstimmigen Beschluss im Sommer des letzten Jahres der Fall. Der Kollege hat gerade darauf hingewiesen.

Wenn wir nun heute erneut darüber diskutieren, müssen wir uns fragen, was sich seitdem geändert hat. Die Antwort darauf will ich Ihnen gerne geben: Seitdem haben in Deutschland mehrere schwimmende LNG-Terminals den Betrieb aufgenommen – was dem SSW auch nicht gefällt –, seitdem wurde die Laufzeit der drei verbliebenen Atomkraftwerke zumindest bis April dieses Jahres verlängert

was der SSW, glaube ich, auch für richtig hält. Mit anderen Worten: Es sind Veränderungen eingetreten, die wir alle uns vor einem Jahr nicht hätten vorstellen können.

Was bedeutet das nun für CCS? Vor einem Monat, im Dezember letzten Jahres, hat die Bundesregierung den Evaluationsbericht zum CO2-Speicherungsgesetz beschlossen. Darin heißt es, dass die Technik zum Abscheiden, zum Transport und zur Speicherung von CO2 ausgereift und erprobt ist, Herr Kollege Dirschauer.

Darauf aufbauend will der Bund in diesem Jahr seine Carbon-Management-Strategie erarbeiten, um die Anwendungsgebiete für CCS und CCU festzulegen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist deshalb vor drei Wochen in Norwegen gewesen, um sich dort die bereits im Einsatz befindliche CCSTechnologie anzuschauen. Tagesschau Online schreibt dazu:

„Ampelregierung und Habeck zeigen sich offen für die CCS-Technologie, die von den Grünen lange Zeit vehement abgelehnt wurde.“

Zukünftig will der Bund sogar den Export von CO2 ermöglichen, damit es in Norwegen unter der Nordsee verpresst werden kann. Meine Damen und Herren, unsere Probleme nur zu exportieren, kann doch auch keine ehrliche Lösung sein.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Was sagt uns nun die Wissenschaft zum Thema CCS? Im März letzten Jahres hat uns das GEOMAR auf dem Parlamentarischen Abend der Allianz für Meeresforschung hier in Kiel berichtet, dass CCS keine Hochrisikotechnologie mehr ist, Herr Kollege Dirschauer, sondern die Risiken weitgehend minimiert werden können, geeignete Standorte in der deutschen Nordsee vorhanden sind und dort mehrere Milliarden Tonnen von CO2 eingelagert werden können. Noch bedeutsamer ist der jüngste IPCC-Bericht aus dem April 2022, der deutlich macht, dass CO2-Abscheidung und -Speicherung eine der entscheidenden Dekarbonisierungsstrategien für die allermeisten Minderungspfade zum 1,5-Grad-Ziel ist.

Politische Entscheidungen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu treffen, ist spätestens seit der Coronapandemie doch allgemeines, gemeinsames demokratisches Verständnis. Das gilt aber nicht nur für die Gesundheitspolitik, sondern das muss für alle Bereiche gelten.

(Tobias Koch)

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen und sollten daher unsere Scheuklappen absetzen und die jüngsten Entwicklungen offen diskutieren. Der gemeinsame Antrag von CDU und Grünen sieht deshalb die Durchführung einer Expertinnen- und Expertenanhörung in den Landtagsgremien vor und spricht sich dafür aus, die Erarbeitung der Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung konstruktiv zu begleiten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, es ist Ausdruck kluger Politik, einmal getroffene Entscheidungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Dazu müssen wir aktuelle Erkenntnisse einbeziehen und gegebenenfalls neu entscheiden. Alles andere wäre pure Ideologie. Deshalb hat die pragmatische, ehrliche, lösungsund sachorientierte Klimaschutzpolitik unseres Ministerpräsidenten Daniel Günther unsere volle Unterstützung. – Herzlichen Dank.

(Lachen Sybilla Nitsch [SSW] – Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)